Ein sehr wichtiger Teil unseres Antrages, wobei ich mich, weil es da auf der Bundesebene zum Schwur kommt, freuen würde, wenn sich auch CDU und FDP positionieren würden, ist die Reform des Ehegattensplittings, die zugleich unsere Gegenfinanzierung ist.
Wir wären heute einen großen Schritt weiter, wenn FDP und CDU mit uns gemeinsam über diesen Satz abstimmen würden. Er ist sehr vorsichtig formuliert. Da muss man überlegen. Aber das Ehegattensplitting ist das Einzige, womit eine erhöhte Familien- und Kinderförderung in diesem Land finanziert werden kann. Dazu sage ich: Bitte, lassen Sie uns in diesem Punkt gemeinsam stimmen; denn wenn CDU und FDP gegen diese Änderung Front machen, wird es die Bundesregierung nicht schaffen, weil das politisch so einfach zu instrumentalisieren ist. Ich bitte Sie also herzlich um Ihre Unterstützung.
Die grüne Bundestagsfraktion hat jetzt ein familienpolitisches Papier vorgelegt. Darin machen wir noch einmal die Leitlinien grüner Familienpolitik deutlich, was unsere Vision ist, was unser Konzept ist, gegenfinanziert mit dem Ehegattensplitting. Deshalb sagt auch der letzte Satz in unserem Antrag, dass Familienpolitik mehr ist als 30 DM mehr Kindergeld. - Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Zur Familienpolitik gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gute Bildungschancen, eine kinderfreundliche Gesellschaft und auch praktizierter Umweltschutz, bei dem sich die Gefahrenwerte an den Kindern orientieren. Diese Dinge müssen in die Diskussion einfließen.
Ich glaube, die CDU hat einen Schritt hin zur kinderfreundlichen Gesellschaft getan, zumindest theoretisch, sodass sie uns in Zukunft auch in anderen Bereichen positiv wird begleiten können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer gehofft hat, das viele Gerede der letzten Monate über die Bedeutung der Familien läute eine große familienpolitische Renaissance ein, muss sich getäuscht haben. Es geht nach unserer Ansicht weniger um familienpolitisches Handeln als vielmehr um politische Profilierung, um die Erfüllung von Wahlversprechen und um die Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils. Deshalb scheut die Bundesregierung auch nicht davor zurück, mit der einen Hand großzügig eine hart erkämpfte Kindergelderhöhung um 30 DM anzukündigen, aber gleichzeitig mit der anderen Hand familienwirksame Leistungen zu kürzen.
Grundsätzlich hätten wir dem FDP-Antrag zustimmen können, auch wenn wir der Meinung sind, dass die 30 DM Kindergelderhöhung letztlich bei Weitem nicht entscheidend für die Familienpolitik sein werden, 30 DM, die übrigens auch noch bei den ökonomisch schwächsten Familien auf die Sozialhilfe angerechnet werden! Wir erkennen trotz allem an, dass die Bundesregierung gewisse Bemühungen unternimmt, um die finanzielle Lage der Familien zu verbessern.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die starke Fokussierung auf Geldleistungen in der Familienpolitik nicht die richtige Basis für eine zukunftsträchtige Förderung und Stärkung der Familien mit Kindern ist. Selbstverständlich muss das Familienurteil des Bundesverfassungsgerichts erfüllt werden. Die Politik muss endlich die finanziellen Belastungen der Familien berücksichtigen und auch honorieren. Aber das ist nicht ausreichend. Auch ökonomisch macht die bestehende Politik der groß angekündigten Kindergelderhöhung keinen Sinn; denn Kindergeld kann nicht annähernd ausgleichen, was Kinder kosten.
Wir haben dieses Beispiel schon früher angeführt: Während Frauen in Dänemark nur auf knapp 20 % des durchschnittlichen Lebenseinkommens verzichten müssen, wenn sie zwei Kinder bekommen, kostet ein Kind eine deutsche Frau durchschnittlich ein Drittel und ab zwei Kindern schon die Hälfte des durchschnittlichen Lebenseinkommens. Das liegt nicht daran, dass man dort großzügig die Familien alimentiert, im Gegenteil, die Geldleistungen für Kinderfamilien gehören in Dänemark eigentlich allenfalls zum europäischen Mittelfeld. Der ökonomische Vorteil der Frauen in Dänemark beruht vor allem darauf, dass Mütter nördlich der Grenze schnell wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können, weil die Kinderbetreuungsangebote stimmen. Diese und weitere Dienstleistungen für Eltern und Kinder haben mit dazu geführt, dass auch die Geburtenrate nördlich der Grenze zumindest höher ist als hierzulande.
Der Weg zur Stärkung der Familie und zu mehr Kindern geht über familienentlastende und -unterstützende Dienstleistungen und Rechtsansprüche für Eltern.
Das haben uns die nordischen Länder vorgemacht und das ist eines der letzten Dinge, die wir aus der Politik der ehemaligen DDR lernen könnten.
Es wird höchste Zeit, dass die Familienpolitik in Deutschland insgesamt auf den Prüfstand gestellt wird. Die heutigen Maßnahmen beruhen auf dem Subsidiaritätsprinzip des katholischen Familienbildes. Die Hilfskapazitäten der Familien müssen erschöpft sein, bevor die Gesellschaft einspringt. Das ist der falsche Weg, wenn man Anreize dafür setzen will, Familien zu gründen und mit Kindern zu leben. Denn maßgeblich hierfür sind nicht in erster Linie möglichst hohe Geldleistungen, obwohl vor allem für Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern natürlich eine finanzielle Entlastung benötigt wird,
entscheidend wird vor allem sein, inwiefern es die Politik schafft, durch sozial-, gesundheits- und wohnungspolitische Maßnahmen jene Belastungen zu kompensieren, die durch die Verantwortung für Kinder entstehen. Dafür reichen 300 DM Kindergeld für das erste und zweite Kind nicht aus.
Wichtig sind vor allem Dienstleistungen, Infrastruktur und Rechte, die in der deutschen Familienpolitik bisher unterentwickelt sind. Bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung, gute Beratungsangebote, eine sinnvolle Wohnungspolitik, Elternurlaubsrechte und flexible Arbeitszeiten würden tatsächlich zu einer neuen Blüte der Familien in Deutschland beitragen können. Mehr Geldleistungen und Freibeträge reichen dafür nicht aus.
Zu den Anträgen möchte ich sagen, dass wir dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings darauf hinweisen, dass ich mich mehr darüber gefreut hätte, wenn insbesondere der Passus, dass die Maßnahmen zu intensivieren sind, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, ein eigener Punkt geworden wäre. Denn das halte ich für einen ganz entscheidenden Punkt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schlosser-Keichel, liebe Kollegin Heinold, obwohl wir in der Sache nicht sonderlich weit auseinander sind, haben mich Ihre Aussagen zum so genannten Dienstmädchenprivileg beinahe auf die Palme gebracht.
Ich will Ihnen sagen, warum ich das Manöver mit Ihrem Antrag in dieser Sache beinahe unerträglich finde.
- Es kommt doch nicht jeden Tag vor, dass die Opposition einen Antrag einbringt, mit dem die Linie der Landesregierung ausdrücklich unterstützt werden soll.
Damit Sie wissen, auf welcher Grundlage wir den Antrag gestellt haben, möchte ich Ihnen gern die Wiedergabe dessen vorlesen, was die Ministerpräsidentin - wir haben heute den 30. Mai, Frau Schlosser-Keichel - am 16. Mai gesagt hat. Ich zitiere:
„In Wirklichkeit handele es sich um eine Partnerschaft zwischen zwei Frauen, die beide etwas von der heutigen Regelung hätten. Die Haushaltshilfe mache keine Schwarzarbeit und sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ihre Arbeitgeberin wiederum könne sich in ihrem Beruf verwirklichen,“
Frau Schlosser-Keichel, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Linie der Frau Ministerpräsidentin ablehnen, ob Sie ihr die Unterstützung entziehen oder ob Sie unserem Antrag zustimmen wollen.
Sie können Ihren Antrag zur Abstimmung stellen; dann werden wir ihn ablehnen, weil ich dieses Manöver für unerträglich halte. Ich finde es schäbig, so mit einer Initiative umzugehen, nur weil Sie sich nicht trauen, auch einmal gegen die eigene Bundesregierung zu schießen und sich hinter die Ministerpräsidentin zu stellen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich der Bundeskanzler wäre, würde ich jetzt sagen: Ball flach halten, nicht so aufregen.
Ich habe da eine andere Meinung als einige in meiner Partei. Ich bin tatsächlich der Meinung, dass, wenn man Steuern und Sozialabgaben für eine Hilfe zahlt, die mir im Haushalt gleichberechtigt hilft, das ein Arbeitsverhältnis ist. Ich finde es falsch, wenn man das mit „Dienstmädchenprivileg“ beschreibt.
(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Silke Hinrichsen [SSW] und vereinzelt bei der SPD)
Damit setzt man übrigens auch die Arbeit der Frau herunter, die diese Arbeit macht. Das ist meine persönliche Meinung; ich bekomme dafür höchstwahrscheinlich keine Mehrheit, aber das soll ja manchem so gehen.