Landesregierung verfügt über eine große Anzahl erfahrener und tüchtiger Gesetzgebungsreferenten. Sie sollten sich an die Arbeit machen und danach sollte die Landesregierung die erforderlichen Initiativen ergreifen.
Zu den Antworten auf unsere Fragen 10 und 11 muss ich mich leider ganz kurz fassen. Erwartungsgemäß steht nunmehr fest, dass vor der Bundestagswahl 2002 mit weiteren Schritten zur Verwirklichung der Grundsätze „ambulant vor stationär“ und „Prävention und Rehabilitation vor Pflege“ nicht zu rechnen ist. Auch wird es keine Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Dynamisierung der von den Pflegekassen zu zahlenden Leistungsbeträge geben.
Dabei ist sich die gesamte Fachwelt einig: Die ständige Nachfrage nach Plätzen in stationären Pflegeeinrichtungen kann nur durch grundlegende Verbesserungen in der Prävention und Rehabilitation sowie durch weitere strukturelle Änderungen in der Pflegeberatung, also im Case-Management, abgebremst werden.
Ich kann diesen Bericht zu einem wichtigen Thema in zehn Minuten leider nicht angemessen behandeln. Ich kann hier insbesondere auch die zustimmenden Aspekte nicht ansprechen. Ich beantrage daher für meine Fraktion Ausschussüberweisung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kleiner, bei allem Respekt, manchmal hat man nur eines gemeinsam, nämlich, dass man auf dem gleichen Planeten lebt. So weit zum Thema Wahrnehmung. Warum das so ist, werde ich in meiner Rede etwas näher auszuführen versuchen.
Grundlage unserer Erörterung ist der Bericht der Landesregierung zum Thema Umsetzung des Handlungskonzepts des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz - von mir im Folgenden Sozialministerium genannt - zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Pflegeeinrichtungen.
Es ist gut, dass wir durch diesen Bericht nach der ganzen negativen Berichterstattung im Sommer diesen Jahres in die Lage versetzt werden, auch einmal über positive Dinge in diesem Bereich reden zu dürfen.
Doch zuerst möchte ich mich bei der zuständigen Ministerin, Frau Moser, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die schnelle Beantwortung der CDUAnfrage bedanken. Bei einer heutigen Überweisung an den Sozialausschuss haben wir so die Chance, unsere Beratung bereits am 29. November 2001 fortzusetzen und zu intensivieren.
An diesem Tag haben wir eine Ausschusssitzung, in der wir beabsichtigen, uns intensiv und fast ausschließlich mit Pflegethemen auseinander zu setzen.
Der vorliegende Bericht zeigt uns, dass das Sozialministerium seine im SGB XI enthaltene Mitverantwortung sehr ernst nimmt, aber auch - so lange nicht erforderlich - nicht zu regulierend eingreift. Die Verantwortung soll vor Ort wahrgenommen werden, wo sie auch hingehört.
Dabei versäumt das Ministerium nicht, die ihm gesetzlich zugeordnete Verantwortung auch zu tragen. Grundlage der CDU-Anfrage und des Berichts der Landesregierung ist das vom Ministerium veröffentlichte Positions- und Handlungskonzept des Sozialministeriums. Hier werden einige Aussagen getroffen, die wir bereits in der letzten Landtagsdebatte zu diesem Thema erörtert haben. Es passt jedoch gut, an dieser Stelle noch einmal auf die Pflegequalitätsoffensive der Landesregierung hinzuweisen, dokumentiert sie doch in eindrucksvoller Weise, dass diese Landesregierung durch diese Pflegequalitätsoffensive weit über ihre eigentliche Verantwortung hinausgeht, denn sie bietet ein Angebot an Hilfsinstrumenten, das vielen stationären Einrichtungen in unserem Lande bei der Erreichung guter Qualitätsstandards hilft.
Genannt sei hier nur beispielhaft die Förderung von Fort- und Weiterbildung und die Förderung der Beratung von Pflegeeinrichtungen. Wenn ich mir die von der CDU gestellten Fragen anschaue, drängt sich mir der Eindruck auf, der Fragesteller oder die Fragestellerin sucht händeringend nach Ansätzen, um der Landesregierung Pflegemissstände in die Schuhe schieben zu können. Die Antworten haben eindrucksvoll verdeutlicht, dass sich die Landesregierung ihrer Verantwortung bewusst ist und sie auch wahrnimmt. Gleich
zeitig wird deutlich, wo die Verantwortung im Einzelnen hingehört. Wir müssen von diesem SchwarzerPeter-Spiel aber wegkommen. Alle Partner - ob Einrichtungen, Pflegekräfte, Pflegekassen, MDK oder wir, die Politik - sind gefordert, unsere Kräfte zu bündeln, damit sich die Situation der zu Pflegenden weiter verbessert.
„Wird die Sozialministerin an die ihrer Fachaufsicht unterstehenden Heimaufsichtsbehörden verbindliche, auf rasche Bildung der vorgesehenen Arbeitsgemeinschaften abzielende Weisungen erteilen und diesen Behörden einschlägige Berichtspflichten mit genauen Terminen auferlegen?“
Das ist eine Frage, die bei mir aufgrund der Art der Fragestellung den Eindruck vermittelt, hier gäbe es bei der Landesregierung ein Handlungsdefizit. Ich halte die darauf gegebene Antwort für absolut richtig. Die Vorgehensweise der Landesregierung ist gut, weil sie deregulierend ist und die Verantwortung da belässt, wo sie hingehört.
Es ist wichtig, dass die Landesregierung in der Beantwortung der nächsten Frage noch einmal deutlich macht, dass von den Trägern der Pflegeeinrichtungen und deren Verbänden erwartet wird, dass sie ihre Leitungskräfte zur Weiterbildung schicken. Hier gibt es auch eine Verpflichtung, die vom Gesetz vorgeschrieben ist. In § 80 SGB XI wird vorgeschrieben, dass dieser Personenkreis zusätzlich 480 Stunden Weiterbildung nachzuweisen hat. Ich finde diese Stundenanzahl zu gering, um eine ausreichende Qualifizierung als Leitungskraft in der Pflege zu erlangen. Je nach Umfang der Leitungsfunktion sehe ich hier einen Bedarf von 740 bis 2.000 Stunden. Ich befürchte, aus ökonomischen Gründen wird dies so schnell nicht möglich sein.
Als ausgesprochen gelungenes Konzept empfinde ich das Multiplikatorenprogramm des Sozialministeriums. Ich würde es begrüßen, wenn das Sozialministerium nach Abschluss der ersten Fortbildungsreihe im Sozialausschuss über seine Erfahrungen mit diesem Programm berichten würde.
In meiner Rede im September zur Qualität in der Pflege bin ich bereits auf die sich verändernden Strukturen in den stationären Pflegeeinrichtungen eingegangen. Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen erst dann in die stationären Einrichtungen gehen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Die Intention der Pflegeversicherung ist auch so ausgelegt. Sie besagt: ambulant vor stationär. Dies bedeutet jedoch - mit Ausnahme von De
menz, Tages- und Kurzzeitpflege -, dass der Großteil der Menschen zum Sterben in die stationären Einrichtungen geht. Ich begrüße es daher ausdrücklich, wenn sich das Sozialministerium verstärkt um modellhafte Betreuungskonzepte zur Begleitung sterbender Menschen in Pflegeheimen kümmert. Ich bin der Ansicht, dass wir langfristig für die stationäre Pflege Konzepte und auch Qualitätsstandards von Hospizen übernehmen müssen.
Wir müssen uns im Klaren sein, welche aktive Rolle Ärzte künftig bei der Verbesserung der Pflegequalität zu spielen haben. Mir reicht es nicht, wenn sich einige von ihnen auf ihre Rolle als Hausärzte und Partner ihrer Patienten zurückziehen. Wenn das Bestreben die Gesundheit meines Patienten ist, habe ich auch dazu beizutragen, dass die Rahmenbedingungen - beziehungsweise das Umfeld meines Patienten - pflegerisch in Ordnung ist.
Das bedeutet nicht in jedem Fall, dass man Kontrollorganen - wie dem MDK - zuarbeiten soll. Es bedeutet aber die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass erkannte Missstände behoben werden.
Die Frage der Einrichtung von Heimärzten ist für mich zurzeit noch nicht zu beantworten. Wie gewährleiste ich dann weiterhin die freie Arztwahl? Und trägt sich der Heimarzt auch finanziell, wenn ich sie gewährleiste? Positiv ist für mich dabei die Spezialisierung einiger Ärzten auf Geriatrie, was uns in diesem Bereich ein gutes Stück voran bringen würde.
Zur personellen Ausstattung des MDK möchte ich nur anmerken, dass ich es als selbstverständlich empfinde, den Prüfdienst personell in die Lage zu versetzen, ausreichend Prüfungen durchzuführen. Dies erwarte ich auch für die Heimaufsichten.
Die Fragen zur Sicherstellung der Einführung von Qualitätsentwicklungsprozessen in den stationären Einrichtungen oder inwieweit sichergestellt wird, dass das den Pflegesatzvereinbarungen zugrunde liegende Personal auch tatsächlich vorhanden ist, sind vom Ministerium deutlich beantwortet. Hier werden künftig Heimaufsicht und MDK gemeinsam verstärkt prüfen müssen.
Erneut werden wir im Rahmen der Antwort zu Frage neun auf das Modellprojekt PLAISIR hingewiesen. Dieses in Kanada entwickelte Peronalbemessungssystem in der Pflege darf jedoch nicht überbewertet werden. Sollte das Modellvorhaben nach seiner Auswertung zu dem Schluss kommen, dass wir mehr Personal in der Pflege benötigen, so wird es ein langer Weg sein, bevor hierfür auch das nötige Geld zur Verfügung gestellt wird. Es setzt voraus, dass die
Gesellschaft bereit ist, die Situation der pflegebedürftigen Menschen in unserem Land durch mehr Personal beziehungsweise Geld zu verbessern.
Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist richtig. Es reicht jedoch nicht aus, die häusliche Pflege zu stärken. Es gehört auch dazu, dass wir altengerechtes Wohnen und Modellprojekte, die andere Formen von Pflegestrukturen beziehungsweise weit gehende Integration pflegebedürftiger Menschen in ihr gewohntes Lebensumfeld - durch Nachbarschaftshilfe, Besuchsdienste, ambulante Pflege, Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften - zulassen, weiter fördern.
Zum Schluss möchte ich nochmals auf einen mir wichtigen Punkt hinweisen. Ich bin der Auffassung, dass wir eine verstärkte Debatte über gesellschaftliche Werte führen müssen. Insbesondere müssen wir darüber sprechen, was uns unsere pflegebedürftigen Menschen wert sind. Jeder von uns kann jederzeit in die Lage geraten, pflegebedürftig zu werden. Das scheinen wir immer zu verdrängen, wird uns doch eine Welt voller Jugend, Dynamik und Gesundheit vorgespielt. Dass dies nicht die reale Welt ist, müssen wir deutlich machen. Dann gibt es womöglich auch die Bereitschaft einer Dynamisierung der Leistungsbeträge. Für diese Debatte ist die Pflegekampagne der Arbeiterwohlfahrt und des Sozialverbandes Deutschland ein gutes Mittel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir am Anfang eine persönliche Bemerkung zu dem Thema. Ich habe mich von 1991 bis 1994 drei Jahre lang ausschließlich mit der Pflegeversicherung beschäftigt. Ich tat dies nicht parteipolitisch, sondern ausschließlich wissenschaftlich. Dabei ist mir Folgendes aufgefallen, das für jede politische Partei, aber auch für jedes Bundesland gilt. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass die Tragweite dessen, was wir salopp als demographischen Umbruch bezeichnen, aber auch was die Veränderung der soziodemographischen Struktur innerhalb unserer Bevölkerung angeht, von niemandem in der Gesamtheit erfasst wurde. Deswegen gab es von Anfang an überall Handlungsschwächen, auch bei der Umsetzung der Pflegeversicherung. Man kann dies nicht einfach heilen,
Was aus meiner Sicht zunächst passieren muss, ist eine Einigung über folgende Faktoren, die einem Handlungskonzept - wie immer es auch aussehen mag - zugrunde gelegt werden müssen. Selbstverständlich steht am Anfang der Situation, vor der wir uns jetzt befinden, eine Identifikation der Mängel. Das ist zum Teil durch den MDK geschehen. Nach dieser Mängelidentifikation steht dann natürlich als erste Aufgabe der Politik die Beseitigung der Mängel. Die Beseitigung dieser Mängel ist aber nur eine Sofortmaßnahme. Was wir langfristig brauchen, ist ein Konzept, wie Mängel im Pflegebereich überhaupt vermieden werden können.
Ich gebe dem Kollegen Beran vollkommen Recht: Der Erfolg eines solchen langfristigen Konzepts hängt in ganz entscheidendem Maße davon ab, inwiefern es uns gelingt, Pflege wirklich als gesamtgesellschaftliches Problem einer älter werdenden Gesellschaft zu begreifen.
Ich will heute auch wieder die Chance nutzen, zu versuchen, einen konstruktiven Beitrag zu leisten, um diese Debatte voranzubringen. Grundlegend ist für mich in einem solchen Konzept zunächst einmal das Berufsbild der Altenpflegerin beziehungsweise des Altenpflegers.
Das heißt, es geht auch um die Frage: Wie sieht ein zukünftiges Ausbildungsprofil in der Altenpflege aus? Ich bin der Meinung, dass das heutige Ausbildungsprofil in keiner Weise mehr ausreicht, um diejenigen, die nachher die Pflegebedürftigen zu betreuen haben, angemessen mit Lehrinhalten zu versorgen. Wenn wir uns nämlich die Struktur der Heimbewohner anschauen - auch das ist vorhin bereits angesprochen worden -, dann stellen wir Folgendes fest. Durch den richtigen Ansatz „ambulant vor stationär“ hat sich die Struktur der Heimbewohner entscheidend geändert. Die Heimbewohner sind nicht nur immer älter, sondern auch immer kranker und pflegebedürftiger geworden. Daher gehören in ein vernünftiges Ausbildungsprofil längst Elemente, wie sie zum Beispiel im Rahmen der Ausbildung zum Krankenpfleger vermittelt werden.