Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Dr. Garg gern für seine Rede danken. Es war sehr gut und es war für mich mehr der Blick in die Zukunft und nicht so sehr auf den Berichtsantrag, mit dem auch ich meine Probleme habe; aber darauf werde ich gleich eingehen.
Ich hoffe, allen ist klar geworden, dass wir im Bereich der Pflege ein erhebliches Problem haben und dass wir etwas tun müssen und wollen. Es ist wichtig, dass die betroffenen Menschen, ihre Angehörigen und alle anderen mitfühlenden Menschen wirklich sehen können, dass sich etwas bewegt. Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU Ungeduld zeigen.
Allerdings müsste es auch der letzten Kollegin und dem letzten Kollegen hier im Hause langsam bewusst sein, dass es jetzt wichtig ist, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Das tut man natürlich zuerst, indem man die Pflegequalität verbessert. Aber das tut man auch, indem man diesem Bereich jetzt auch einmal die Chance, die Ruhe und das Vorschussvertrauen
gibt, um sich zu bessern, statt alle fünf Minuten nachzufragen, wie es gerade steht, und bekannte Mängel zu beklagen.
Gerade dies tut die CDU aber mit ihrem Berichtsantrag. Keine zwei Monate, nachdem die Ministerin ihr Handlungskonzept zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Einrichtungen vorgelegt hat und dies hier im Hause debattiert wurde, möchte sich die CDU wieder als die wahre Hüterin der Pflege profilieren. Aber es ist zu einfach, jetzt jede Aussage der Ministerin über die Pflege heranzuziehen und sie persönlich für die sofortige Umsetzung haftbar zu machen oder gar zu fordern, dass sie das selber tun sollte. Frau Kleiner hätte vielleicht lieber eine Kleine Anfrage stellen sollen. Das hätte nach unserer Ansicht gereicht.
Denn wenn es nach der Antragstellerin geht, dann diskutieren wir heute eine Menge Fragen, für die wir gar keine Entscheidungskompetenz haben, die einfach noch Zeit brauchen oder die gar nicht unbedingt Sinn machen.
Der Bericht der Landesregierung sagt es auch in dankenswerter Weise sehr deutlich: Eine Zusammenarbeit in Arbeitsgemeinschaften auf Weisung ist weder notwendig noch gerechtfertigt. Die Fortbildung von Leitungskräften kann nicht auf ministerielle Weisung erfolgen. Das Multiplikatorenprogramm läuft. Ein so wichtiger neuer Bereich wie die Sterbebegleitung in Pflegeheimen lässt sich nicht hopplahopp flächendekkend einführen, sondern muss fachlich fundiert und gut erprobt sein. Die Rolle der Ärztinnen und Ärzte lässt sich nur in Zusammenarbeit mit diesen verändern. Auch hier können wir nicht durchregieren, sondern müssen auf den Dialog und die Veränderungsbereitschaft der Beteiligten setzen.
(Beifall der Abgeordneten Bernd Schröder [SPD], Siegrid Tenor-Alschausky [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])
In Bezug auf die Überprüfung des Personals kann es nicht darum gehen, dass die Ministerin der Heimaufsicht vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen hat. Was die Unterschiede in den Pflegesätzen angeht, sind Instrumente eingeführt worden, die ein besseres Funktionieren des Marktes Pflege ermöglichen sollen. Aber auch in diesem Bereich müssen wir etwas Geduld üben.
Pflege ist wichtig. Im Bereich der Pflege müssen wir uns wirklich sehr anstrengen, um unseren eigenen Mindestanforderungen gerecht zu werden. Aber das Problem ist erkannt und Lösungen sind in die Wege
geleitet. Deshalb bringt es nichts, nach wenigen Wochen wieder zum selben Thema Anträge zu stellen. Wenn Politik nämlich neue Instrumente einführt, muss sie diese erst einmal erproben und auswerten - genau die Evaluation, die wir benötigen -, bevor sie wieder neue Maßnahmen ergreift. Sonst wird die Fachpolitik zum Chaos, verschwendet Ressourcen und bringt nichts, vor allem nichts für die Beteiligten.
Die CDU trägt mit Anträgen wie dem vorliegenden nicht unbedingt dazu bei, die Politik für die Pflege qualitativ zu verbessern. Die Landesregierung soll die Verantwortung für eine Menge Dinge übernehmen, für die sie keine Verantwortung trägt.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es sind teilweise wichtige Punkte, die im CDU-Antrag angesprochen werden; aber die Probleme sind erkannt und Maßnahmen ergriffen worden, nur die Umsetzung müssen vielfach andere besorgen. Es kann nicht wirklich der Ernst der CDU sein, dass die Landesregierung eine gute Pflege anordnen soll. Es gibt nämlich keine gute Pflege auf Weisung, zum einen, weil die Pflege ein komplizierter Prozess ist, bei dem viele Beteiligte mitarbeiten und zusammenarbeiten müssen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen, zum anderen, weil wir als Land nur begrenzte Kompetenzen haben, die noch eingeschränkter sind, wenn es um die Umsetzung geht. Hier als Land Kompetenzen an sich zu reißen, wäre weder rechtlich möglich noch würde es Sinn machen.
Die Strukturen im deutschen Sozial- und Gesundheitswesen sind nun einmal so komplex, wie sie sind. Das kann man bedauern und das machen wir ja auch häufig, insbesondere wir als SSW. Wir machen darauf aufmerksam, dass man in Skandinavien durch die Bündelung von Entscheidungskompetenzen, Kostenträgerschaft und Umsetzung in einer Hand eine bessere Steuerungsfähigkeit erreicht hat. Nun glauben aber selbst wir nicht daran, dass die dezentralen, staatlich dominierten Strukturen der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten ohne weiteres in Deutschland eingeführt werden können, auch wenn Dänemark bei deutschen Politikern im Moment sehr modern ist. Noch weniger glaube ich, dass die CDU an den Grundfesten der bundesdeutschen Sozialstaatlichkeit rütteln möchte. Deshalb sollten wir etwas gelassener bleiben und nüchtern erkennen, was in unserer Macht liegt, um die Rahmenbedingungen für eine bessere Pflege zu schaffen. Der Kollege Garg hat mehrere Beispiele dafür genannt, wie wir weitergehen sollten.
Es ist an der Zeit, der Pflege wieder etwas Ruhe zu gönnen - nicht um sich auszuruhen, sondern damit die Beteiligten ohne Störung die vielen Dinge umsetzen können, die wir ihnen schon abverlangt haben.
Gerade weil so ungleiche Partner für das Gelingen verantwortlich sind, müssen wir zuallererst darauf achten, dass alle an einem Strang ziehen und ziehen können. Die Aufgabe des Landtages besteht nicht zuletzt darin, darauf zu achten und dafür zu werben, dass alle Beteiligten mitarbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier zusammenstehen. Wir müssen den Beteiligten zeigen, dass sie nicht Spielball parteipolitischer Ziele für die nächste Wahl sind, sondern eine entschlossene und einige Politik zur Seite haben. Das ist der beste Beitrag des Landtages für eine humanere Pflege. Ich hoffe, dass in Zukunft die Verantwortung erkannt wird und dass wir dazu stehen.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Kalinka.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht darum, sich auf etwas einzuschießen, sondern darum, Fragen zu stellen, zum Beispiel: Reicht die Hilfe, reicht das Tempo, mit dem wir hier vorgehen? Es soll ja manchmal nicht schaden, das, was wir hier diskutieren, auch mit Menschen draußen zu erörtern.
Ich möchte deswegen aus meiner Sicht als Abgeordneter kurz vier Punkte erwähnen, die man in den Gesprächen draußen hört und die ich für wichtig ansehe. Da stellt sich die Frage, ob die Lage in den Heimen und die Probleme vielleicht nicht doch etwas schwieriger sind, als sich das mancher im Augenblick klarmachen will. Deswegen will ich folgende vier Punkte kurz genannt haben.
Erstens. Die Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen sind zum Teil sehr verunsichert, sie sind nach dem MDK-Bericht sehr verunsichert. Es wird berichtet von Kündigungen nach zwei Jahren, nach der Ausbildungszeit; es können Stellen nicht besetzt werden. Es stellt sich wirklich die Frage, ob man nicht intelligente Arbeitsplatzüberlegungen oder Personalentwicklungsüberlegungen, wie es hier von der FDP genannt wurde, anstellen muss. Entscheidend ist in der ganzen Angelegenheit allerdings, dass die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Heimen nach meinem Eindruck angespannter ist, als mir das vor einiger Zeit klar gewesen ist.
Zweitens. Ob Heim- oder Fachaufsicht, ist eine spannende Debatte, aber entscheidend ist, dass eine tat
sächliche Kontrolle stattfindet. Darauf haben die alten Menschen, die zumeist ohne Lobby sind, einen Anspruch. Das muss der Kernpunkt und die Messlatte sein, an der wir das diskutieren.
Drittens. Der Strukturwandel von noch vor einigen Jahren Altenheimen zu heute fast ausschließlich Pflegeheimen ist vielerorts nicht voll bewältigt worden. Er kann es zum Teil auch gar nicht, weil immer neue Anforderungen gestellt werden und die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit derzeit nicht immer einhergehend klarkommen können. Wie kann man das bei immer mehr Anforderungen und immer weniger Personal im Verhältnis zu den geforderten Leistungen vernünftig hinkommen? Hier treffen zwei Menschenbereiche aufeinander: Es geht um Menschen, die pflegen sollen, und um Menschen, die sich aufgrund der Pflegebedürftigkeit in einer schwierigen Lebenssituation befinden. Diese Konflikte scheinen mir sehr tief zu sein.
Viertens. Wir haben unterschiedliche Kostensätze bei Pflegeheimen. Die einen bekommen Investitionen finanziert, andere nicht. Das sage ich ohne Kritik. Hieraus ergeben sich aber unterschiedliche Folgerungen. Deshalb stellt sich gesamtgesellschaftlich in der Tat die Frage: Was ist uns der Stellenwert der älteren Menschen wert und was muss er uns wert sein?
Ich habe mir erlaubt, Ihnen diese Punkte zu nennen, weil wir mit Alten- und Pflegenheimen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und anderen intensive Gespräche geführt haben. Es ist mir wichtig, dass auch in diesem Parlament deutlich wird, dass deren Sorgen und Auffassungen intensiv in das Gespräch eingebracht werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für den konstruktiven Teil der Debatte sehr herzlich bedanken. Herr Kalinka, ich will Ihre vier Punkte darin ausdrücklich einbeziehen, weil Sie weiterführend und problemorientiert sind. Ich will mich für die perspektivischen Anregungen sehr herzlich bedanken, insbesondere auch bezüglich dessen, was das Thema Ausbildung angeht, Herr Dr. Garg.
Bundeseinheitlich sind wir immer an Bayern gescheitert; das wissen wir alle. Die inhaltliche Neuausge
Wenn ich mir die Anregung erlauben darf: Warum sollte der Sozialausschuss nicht einmal im Wege der Selbstbefassung mit uns gemeinsam erörtern, wie man dieses Thema auf Bundesebene weiter befördern kann?
Wir tun das in ständiger Korrespondenz auch mit den entscheidenden Ministerien; wir könnten sozusagen auch schon eine Menge an Vorüberlegungen vorlegen.
Dass wir auch das zweite Maßnahmenkonzept aus dem September evaluieren werden, ist eine Selbstverständlichkeit; so haben wir das ja auch mit dem ersten gemacht. Ich kündige das an. Sobald wir den Zeitpunkt haben, in dem ein Zwischenbericht ansteht, werden wir das tun, und zwar systematisch und nicht an irgendwelchen Einzelpunkten.
Ich will dann aber auch feststellen, dass Sie, Frau Kollegin Kleiner, offenbar den Konsens, von dem ich vorher sprach, aufgekündigt haben und nicht bereit sind, sich konstruktiv an der Qualitätsdebatte weiter zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich muss das einmal sehr deutlich sagen: Das Staatsverständnis, das hinter Ihren Beiträgen steht, lässt mich schaudern.
(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW] - Lachen des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])
Wir haben Gott sei Dank keinen bürokratischen Durchgriff vom Ministerium über die Kreise, Kommunen bis in die Pflegedienstleitungen der Heime, bis auf den behandelnden Arzt,
Wir sind keine Autokraten und das ist gut so. Frau Kleiner, wenn Sie Vorschläge machen, dann sind Sie als politische Repräsentantin dieses Landes auch verpflichtet zu sagen, wie Sie sich das innerhalb des Systems vorstellen. Wir haben ein kompliziertes System, das man kennen muss.