Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Lothar Hay [SPD]: Waren Sie da schon ge- boren? - Weitere Zurufe)

Auf einem außerirdischen Planeten - das war damals so - herrschten ausschließlich die Frauen, die Männer waren dort die Untergebenen, sozusagen die Leibeigenen einer herrschenden Frauenregierung.

(Zurufe)

Das war Sciencefiction. Keine Sciencefiction ist allerdings die Meldung im „Handelsblatt“ vom 18. Oktober 2001, in dem namhafte Ökonomen die Unternehmen auffordern, endlich frauenfördernde Maßnahmen im Bereich der Betriebe zu ergreifen, weil diese Frauen notwendig sind.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann brauchen die Männer doch die Frauen!)

Aus diesem Grund ist es mir auch etwas zu einfach, das heutige Thema ausschließlich unter frauenpolitischen Zielsetzungen zu debattieren.

(Lachen der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, dass wir dies in zehn Jahren bereits so nicht mehr tun werden. Liebe Kollegin Heinold, wenn Sie das so amüsiert, will ich Ihnen gern sagen, warum ich das glaube. Wir müssen nämlich in bereits relativ kurzer Zeit alle ein gesamtgesellschaftliches Interesse

daran haben, im Hinblick auf die demografische Entwicklung überhaupt noch genügend Arbeitskräfte zu haben.

(Beifall bei der FDP)

Die spannende Frage, jedenfalls aus unserer Sicht, lautet: Gibt es derzeit tatsächlich signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Zugang zum Arbeitsmarkt und beim Zugang zum Kapitalmarkt? Gibt es eine unterschiedliche Wahrnehmung bei der beruflichen Tätigkeit von Frauen und Männern?

Frau Kollegin Schümann, da sind wir uns völlig einig: Ich finde es sehr verwunderlich, dass gerade in Schleswig-Holstein der Anteil der Frauen im höheren Dienst geringer ist als im Bundesdurchschnitt. Ich hoffe, das ist nicht das Ergebnis dessen, dass wir in Schleswig-Holstein als erstes Bundesland seit 1988 ein eigenes Frauenministerium haben.

(Beifall bei FDP und CDU - Jutta Schümann [SPD]: Die kommunale Ebene ist gemeint!)

Was ich allerdings in der Tat genauso verwunderlich und genauso wenig richtig finde, ist, dass beispielsweise an den Grund- und Hauptschulen vorwiegend Frauen als Lehrerinnen arbeiten, die Direktorenposten allerdings vorwiegend von Männern besetzt sind. Die Frage ist also, wie und mit welchen Instrumenten - das ist unsere vordringliche Aufgabe - die Zugangsbeschränkungen von Frauen zum Arbeits- und Kapitalmarkt abgebaut beziehungsweise überwunden werden. Auch dabei zeigt der vorgelegte Bericht nach wie vor auf, dass es da Widersprüchlichkeiten in der Bewertung gibt.

Es wird beispielsweise geschildert, dass die Arbeitslosenquote der Frauen insbesondere bei den Berufsrückkehrerinnen und den Teilzeitarbeit Suchenden ganz besonders hoch ist. Andererseits wird aber auch berichtet, dass sich die Lebensverhältnisse rasch geändert haben und sich insbesondere die Betreuungssituation von Kindern stetig verbessert hat. Dass wir da möglicherweise auf einem ganz ordentlichen Weg sind, mag ja sein, aber dass wir da erst am Anfang stehen, zeigt, dass die Arbeitslosenquote bei Frauen, die in den Beruf zurückkehren wollen, nach wie vor außerordentlich hoch ist. Es sind doch gerade diejenigen Frauen, die gezwungenermaßen aus Gründen der nicht vorhandenen gesicherten Betreuung ihrer Kinder sowohl im Vorkindergartenalter, im Kindergartenalter und während der Grundschulzeit zu Hause bleiben müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt mir im Übrigen auch ein Erlebnis neulich bei einer Veranstaltung, auf der sich fünf Männer hintereinander als

(Dr. Heiner Garg)

praktizierende Väter geoutet haben, bis einer Frau der Kragen geplatzt ist und sie gesagt hat: Sie werden es nie erleben, dass sich irgendeine Frau als praktizierende Mutter outet, das muss nämlich eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall im ganzen Haus)

Also kann aus der Aussage, dass sich Frauen möglicherweise bewusst gegen Kinder entscheiden, geschlossen werden, dass Kinder immer noch ein Karrierehemmnis bedeuten.

Der Bericht zeigt ein weiteres Dilemma auf: Die Frauen scheinen ihren Beruf und Bildungsweg immer noch nach sehr traditionellen Gesichtspunkten auszuwählen. Da steht zum Beispiel, dass die Frauen lieber im Bereich der Dienstleistung als im Handwerk tätig sind.

Das wird im Übrigen auch deutlich, wenn man sich die Struktur der Existenzgründungen anguckt: Der Anteil der Frauen mit einer kaufmännischen Lehre gegenüber den Männern liegt deutlich höher. Auch im Bereich der Fachhochschul- und Hochschulausbildung haben die Frauen die Nase vorn. Im Gegenzug haben männliche Existenzgründer wesentlich häufiger eine technische Lehre absolviert oder einen Meistertitel erworben.

Die Frage also, warum weniger Frauen im Handwerk als im Dienstleistungsbereich arbeiten, liegt auf der Hand: weil wesentlich weniger Frauen und Mädchen eine Lehre angefangen haben. Hier liegt offensichtlich nach wie vor ein traditionelles Rollenverständnis vor. Wenn man das ändern will, muss man das meiner Auffassung nach bereits bei der Bildungspolitik ändern, dass man jungen Mädchen Mut macht, andere Wege zu gehen.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und den Jungs sollte man Mut ma- chen, Kinder zu pflegen!)

- Selbstverständlich, Frau Fröhlich, den Jungs sollte man Mut machen, Kinder nicht nur zu pflegen, sondern auch aufzuziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frauen sollten nicht zwischen Familie und Arbeit wählen müssen, sondern die Möglichkeit haben, sich bewusst für die Familie und gleichzeitig für den Beruf entscheiden zu können. Wir haben im Moment das Glück, dass derzeit eine ganze Generation von hoch qualifizierten Frauen im Berufsleben steht beziehungsweise ins Berufsleben eintritt. Genau die Chance sollten wir nutzen.

Ich freue mich ebenfalls auf die Ausschussberatung.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Praktikern ist das immer so eine Sache. Ich kann nur sagen: Als praktizierende Mutter in Ausübung einer Karriere weiß ich, dass das Ganze etwas schwieriger ist als die theoretische Debatte darüber.

(Vereinzelter Beifall)

Was wir alle miteinander immer fordern, ist hartes Brot - um auch das einmal deutlich zu sagen -, das geht nicht alles einfach so.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])

Aber hier geht es ja nicht um die Darstellung der persönlichen Lebensumstände, sondern darum, was uns der Bericht sagt, vor allem auch mit Blick auf das, was wir in Zukunft im Lande machen müssen. Aus meiner Sicht ist es sehr erfreulich, dass sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit in den vergangenen zwei Jahren vor allem positiv auf den Rückgang bei den Frauen ausgewirkt hat. Davon waren überproportional die Frauen im Alter zwischen 25 und 30 Jahren betroffen, was zeigt, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändert.

Der Rückzug in die Familienarbeit findet heute allenfalls auf Zeit statt, die Gruppe der Berufsrückkehrerinnen und Teilzeitarbeit Suchenden wächst. Allerdings ist das Tätigkeitsfeld im Berufsleben noch immer eher traditionell geprägt. Darauf ist heute schon eingegangen worden. Der Dienstleistungsbereich ist mit 53,6 % in Schleswig-Holstein in Frauenhand. Dies ist allerdings nicht nur von Vorteil, weil das vor allem ein Lohnniedrigbereich ist. Wir wünschen uns ja alle miteinander Frauen in Führungspositionen.

Ich begrüße es, dass sich der Anteil von Frauen in den höheren Dienstgruppen des öffentlichen Dienstes in Schleswig-Holstein kontinuierlich gesteigert hat. Allerdings ist er - gerade auch im Bundesvergleich - noch immer nicht da, wo er sein müsste; auch das ist heute schon erwähnt worden. Schleswig-Holstein hat verschiedene Programme aufgelegt, um den Frauen auf dem Arbeitsmarkt gerechte Chancen zu ermöglichen. Eckpfeiler sind hier die Existenzgründungsberatung, die Hilfe zum Wiedereinstieg und die Förderung der Teilzeitarbeit.

(Monika Heinold)

Zur Existenzgründung! Durch die spezielle - auch finanzielle - Unterstützung von Existenzgründerinnen ist es in Schleswig-Holstein gelungen, den Anteil der Frauen unter den Firmengründern im Jahre 2000 auf fast 28 % zu steigern. Damit liegen wir nach Hamburg am höchsten unter den westlichen Bundesländern.

Die Frauen brauchen eine speziell auf sie zugeschnittene Förderberatung und Unterstützung. Dieser Punkt wurde ja auch im Parlament immer wieder kontrovers diskutiert. Ich glaube, der heutige Bericht gibt uns Recht. Denn die Frauen haben mit ihren Wirtschaftsprojekten meist einen kleineren Finanzierungsbedarf, worauf sich die Hausbanken noch immer nicht eingestellt haben. Insofern wird es für die Frauen aber nicht einfacher, wenn ich an die Diskussion um die Sparkassen denke.

Die Notwendigkeit, Existenzgründungen insgesamt zu fördern, liegt auf der Hand: Arbeitsplätze werden geschaffen, innovative Jungunternehmerinnen bereichern die Wirtschaft, die Selbstständigkeit ist ein Eckpfeiler unseres Wirtschaftssystems. Wichtig ist eine gute Beratung vorab. Immerhin scheitern 40 bis 50 % aller Existenzgründer in den ersten drei bis fünf Jahren; das ist sehr viel. Deshalb berät und begleitet das „Frauennetzwerk zur Arbeitssituation“ Existenzgründerinnen und bietet Fortbildungsseminare an. Aber auch die Investitionsbank unterstützt mit speziellen Angeboten gerade die Frauen und hat damit großen Erfolg.

Der zweite Bereich ist der Wiedereinstieg in den Beruf: Hier finden Frauen in Schleswig-Holstein kompetenten Rat. Beispielhaft erwähnen möchte ich die Beratungsstelle „Frau & Beruf“, die seit 1996 vom Land und von der EU gefördert wird. Jährlich nehmen 100.000 Frauen dieses Angebot wahr. 25 % befinden sich anschließend in einem Beschäftigungsverhältnis oder in einer Weiterbildungsmaßnahme, weitere 50 % nehmen diese Beratung als Ausgangspunkt für die weitere Arbeitsuche.

Ein weiterer Baustein ist die Förderung der Teilzeitarbeit für Männer und Frauen: Das Projekt „Man(n) teilt Zeit“ sensibilisiert die Unternehmen für Teilzeit auch für Führungskräfte. Die Bundesregierung hat gerade ein Gesetz zur Förderung der Teilzeitarbeit verabschiedet, was hoffentlich zusätzlich zu einer Veränderung beiträgt. Der Bericht zeigt auf, wie vielseitig die Beratungs- und Förderungsmöglichkeiten für Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind. Das ist gut so, denn es ist eine urgrüne Forderung, dass die Frauen gleichberechtigte Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch der Frauenministerin Anne Lütkes für ihre Initiative „online Frauen sind dran“ danken. Diese Initiative geht näm

lich genau in die andere Richtung, nämlich nicht in den traditionellen Frauenbereich, sondern in das, was zukunftweisend ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich möchte mich aber auch bei der Sozialministerin für den vorgelegten Bericht und für die finanzierten Programme bedanken. Ich gehe fest davon aus, dass auch unsere männlichen Minister in ihrem Tätigkeitsfeld berücksichtigen, dass die Frauen in allen Projekten mitbedacht werden müssen, denn es geht nicht nur um die Finanzierung von Frauenprojekten, sondern auch darum, die Projekte so auszustatten, dass sie auch und gerade für Frauen neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bieten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund des fraktionsübergreifenden Antrages legt die Regierung nunmehr den Bericht zur Arbeitsmarktsituation von Frauen vor. Leider konnte ich dem Bericht nicht allzu viel „Neues“ entnehmen, weil die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt auch uns bekannt ist. Deshalb ist es einleuchtend, dass wir als Landtag alles tun müssen, um die Situation zu verbessern.

Es ist erfreulich, dass in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren eine höhere Beschäftigung von Frauen erreicht wurde. Aber es bleibt festzuhalten, dass es noch nicht selbstverständlich ist, dass die Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Und das ist nicht gut. Auch wenn der Bericht in der Einleitung die veränderten gesellschaftlichen Umstände schildert - die Zahl der Einkindfamilien ist gestiegen, die Betreuungssituation für die Kinder wurde verbessert, aber auch ein Verzicht auf Kinder ist gesellschaftlich akzeptiert - bleibt doch festzuhalten, dass die Frauen eigentlich nie das richtige Alter haben, wenn sie sich eine Arbeit suchen. So wird auch heute bei den Arbeitgebern noch davon ausgegangen, dass die Frauen bis 45 ihre Familienplanung nicht abgeschlossen haben und ab 45 zu alt für den Arbeitsmarkt seien. Das ist ziemlich bitter. Diese Bedenken wegen des Lebensalters insbesondere wegen der Familienplanung bestehen jedoch nur bei den Frauen. Deshalb ist es nach unserer Ansicht wichtig, dass die Frage der Vereinbarkeit von Familie und

(Silke Hinrichsen)

Beruf auch einmal bei den Männern gestellt wird, anstatt immer nur beim Arbeitsmarktbericht für Frauen oder bei Frauenerwerbstätigkeiten darüber zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass dieser Aspekt hinsichtlich der Kinderbetreuung beim statistischen Arbeitsmarktbericht nicht ganz so häufig erwähnt wird wie bei dem nun vorliegenden Bericht. Die vorgelegten Statistiken für den öffentlichen Bereich zeigen auch, dass immer noch die Frauen überproportional im Bereich der Gehaltsstufen mittlerer und einfacher Dienst repräsentiert sind. Insofern muss ich dem Klagelied der Kolleginnen beipflichten: Frauen in Spitzenpositionen sind kaum zu finden. Dabei gehe ich davon aus, dass es in der freien Wirtschaft nicht viel besser aussieht.