Protokoll der Sitzung vom 16.11.2001

Frage, seit wann es Aufgabe eines Finanzbeamten ist, einen Terroristen dingfest zu machen?

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie haben nicht zugehört, sonst würden Sie diesen Unsinn nicht vertreten!)

Sie, Herr Neugebauer, sind unehrlich und - so behaupte ich - von Sozialneid getrieben.

(Günter Neugebauer [SPD]: Unsinn!)

Auf der einen Seite sind Sie gegen die Rasterfahndung, wenn es um die Terrorismusbekämpfung geht - jedenfalls haben Sie sie befristet -, auf der anderen Seite wollen Sie die Rasterfahndung für jeden Sparbuchbesitzer. Das ist doch das Falsche an Ihrem Ansatz.

(Günter Neugebauer [SPD]: Unsinn!)

Auf der einen Seite wehren Sie sich gegen biometrische Daten in den Ausweisen - warum eigentlich? -, auf der anderen Seite wollen Sie die gläsernen Konten. Wenn Sie die richtigen Mittel für die Rasterfahndung zur Bekämpfung des Terrorismus zur Verfügung stellten, wenn Sie generell die richtigen Mittel zur Verfügung stellten, dann müssten Sie sich nicht hinter der Aufhebung des Bankgeheimnisses verstecken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielleicht sollten Sie sich erst einmal mit dem Zusammenhang zwischen Bankgeheimnis und Strafverfolgung auseinander setzen, bevor Sie solche unsinnigen Anträge stellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt!)

Das von der Rechtsprechung entwickelte Bankgeheimnis wurzelt nämlich in der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Kunden und Bank, dem Bankvertrag, Herr Neugebauer. Diese Vereinbarung verpflichtet die Bank zur Verschwiegenheit in allen Belangen des Kunden, es sei denn - hören Sie genau zu -, es besteht ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO. Ich frage Sie, Herr Neugebauer, wenn dies alles schon geregelt ist, was wollen Sie dann eigentlich noch regeln?

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Selbstverständlich sind die Kreditinstitute im Steuerstrafverfahren gegenüber den Finanzbehörden auskunftspflichtig, wenn ein hinreichender Anlass, wie beispielsweise der Verdacht der Steuerhinterziehung gegeben ist. Das gilt sogar im Steuererhebungsverfahren. Ich frage mich, was noch geregelt werden soll.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: So ist es!)

Im Übrigen erinnere ich Sie daran, dass neben einer genauen Identifizierung des Kunden bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen gemäß § 11 Geldwäschegesetz auch eine Meldepflicht besteht, also beides Feststellung der Identität des Kunden und Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz. Damit haben Sie doch den Zugriff. Das heißt im Klartext: Kreditinstitute müssen bei Verdachtsmomenten eine Anzeige an die zuständige Strafverfolgungsbehörde erstatten. Diese Meldepflicht bezieht sich nicht nur auf die Drogenkriminalität und auf die organisierte Kriminalität, sondern umfasst natürlich auch die Verbrechen, die üblicherweise von Terroristen begangen werden. Ich frage Sie also, was Sie hier eigentlich wollen? Wir haben kein Gesetzesdefizit, sondern wir haben lediglich ein Vollzugsdefizit. Deswegen gibt es diese Probleme.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich frage mich wirklich, Herr Neugebauer, mit wem Sie das alles abgestimmt haben. Auf der einen Seite hat das Bundesfinanzministerium noch im Oktober gesagt, dass es von der Aufhebung des Bankgeheimnisses überhaupt nichts halte, ganz im Gegenteil. Wenn Sie nach Niedersachsen gucken, so hat Finanzminister Aller gesagt, dass Seriosität vor Schnellschüssen gehe und das gelte auch für das Bankgeheimnis.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Ihnen das nicht genug ist, erinnere ich Sie daran, dass Frau Lütkes zu Herrn Schily und seine Vorhaben gesagt hat, dass sie diese Vorhaben als rechtstaatlich bedenklich betrachtet und dass sie als Beispiel für das, was rechtstaatlich bedenklich ist, die erhöhten Kompetenzen des Bundeskriminalamtes bei Auskunftsansprüchen gegenüber Banken ansieht.

Wie kommen Sie eigentlich dazu, einen derartigen Antrag zu stellen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Vor diesem Hintergrund lehnen wir den Antrag des Herrn Neugebauer ab.

Im Übrigen habe ich wenig Verständnis dafür, wenn sich die Grünen - eine Partei, die Geschäfte über Moral stellt und die in Berlin dabei ist, ihre eigene Identität zu verleugnen - hinter solch einen Antrag stellen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ehe ich dem Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort erteile, möchte ich Ihnen sagen, dass in Berlin im Bundestag die Vertrauensfra

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

ge soeben beantwortet worden ist. Ich möchte Ihnen das Ergebnis mitteilen. Abgegebene Stimmen: 662, JaStimmen: 336, Nein-Stimmen: 326.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Herr Abgeordneter Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Wir beglückwünschen den Bundeskanzler zu diesem herausragenden Erfolg, zu dem acht Grünen-Abgeordnete erklärt haben, dass sie nach wie vor in der Sache anderer Auffassung sind!

(Beifall bei der FDP)

Das war ja eine wunderbare Vertrauensabstimmung!

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was war denn mit Ihrer Frakti- on? Die war in der Sache auch anderer Auf- fassung!)

- Herr Kollege Hentschel, ich gehe gern auf Sie ein, weil Sie am politischen Leben bald nicht mehr teilnehmen werden.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU)

Frau Präsidentin, erlauben sie mir diesen einen Satz: Wenn der Sinn der Vertrauensfrage gewesen ist, in der Sachfrage eine eigene Mehrheit zu erhalten, und wenn dann acht Mitglieder der Grünen-Fraktion erklären, dass sie in der Sache anderer Auffassung sind, dann war die Vertrauensabstimmung sinnlos. Nur das wollte ich damit ausdrücken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dass Sie an der Regierung in Berlin festhalten wollen, das stand ja außer Frage.

Herr Kubicki, einen Satz habe ich Ihnen zugestanden. Kommen Sie nun aber bitte zum Thema.

Frau Präsidentin, nun wollte ich gerade zur Sache kommen. Ich komme jetzt auch zur Sache, weil ich die Rede des Kollegen Neugebauer allen Anwälten in Schleswig-Holstein, die etwas von Steuerfragen verstehen, und allen Steuerberatern zuleiten werde. Denn das, was Sie, Herr Kollege Neugebauer, gesagt haben, zeugt von einer so absoluten Unkenntnis, dass man wirklich einmal verbreiten muss, dass ein Parlamentarier dieses Hauses, der am Gesetzgebungsverfahren mitwirkt, solche Äußerungen macht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Bankgeheimnis gibt es nicht erst seit 1988 - wie Sie fälschlicherweise immer wieder behaupten -, sondern seit dem Bankerlass von 1949. Auch das sollten Sie wissen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Abgabenord- nung!)

Die Forderung der Kollegen Heinold und Neugebauer, das in § 30 a der Abgabenordnung niedergelegte Bankgeheimnis abzuschaffen, ist nicht neu. Bereits vor zwei Jahren hat der noch amtierende Umweltminister - damals finanzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion - eine entsprechende Initiative gestartet. Er konnte sich seinerzeit nicht durchsetzen. Vor dem Hintergrund der veränderten weltpolitischen Lage - bin Laden muss ja nun für alles herhalten

(Heiterkeit bei FDP und CDU)

scheint aber nun die Zeit reif zu sein, um noch bestehende Grenzen staatlicher Einsichtnahme und Überwachung zu öffnen. Die Abschaffung des Bankgeheimnisses hat aber weder etwas mit der Bekämpfung organisierter Kriminalität noch mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun. Insofern ist es Nonsens, wenn Sie im Antrag behaupten, die Verfolgung internationaler terroristischer Finanzströme würde durch die Abschaffung des Bankgeheimnisses unterstützt. Leider muss man Ihnen immer wieder sagen: Ein Terrorist wie Osama bin Laden braucht sein Geld nicht erst zu waschen, er hat es durch legale Geschäfte in der Baubranche verdient. Selbst illegales Geld lässt sich von Terrorgruppen gefahrlos durch das so genannte Underground-Banking, das Netz von Vertrauensleuten, um den Globus schicken, ohne dass man überhaupt auf eine reguläre Bank zugreifen müsste. Vielleicht lassen Sie sich das einmal von Ihrem Innenminister erläutern.

Wir sollten uns fragen, worum es in der Sache eigentlich geht. Herr Kollege Neugebauer, bei § 30 a der Abgabenordnung geht es um die Frage, ob die Finanzämter ohne jeden konkreten Anlass von den Banken flächendeckend die Übermittlung von Kontendaten verlangen können, und darum, ob anlässlich einer Außenprüfung der Bank gewonnene Daten für andere Zwecke verwendet werden können. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es. Wenn Sie behaupten, dass Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren nicht die Möglichkeit hätten, sich bei einem konkreten Steuerfall von den Banken Unterlagen vorlegen zu lassen, dann sage ich Ihnen: Schauen Sie einmal in § 97 der Abgabenordnung, die nicht erst seit 1988 gilt. Dort finden Sie die Regelung zur Vorlage von Urkunden im konkreten Besteuerungsfall. Da Sie nun den Eindruck erwecken, dass beim Anfangsverdacht einer Steuer

(Wolfgang Kubicki)

hinterziehung die Finanzbehörden gehindert seien, die Konten bei den Banken abzufragen, möchte ich Ihnen nur anbieten: Kommen Sie einmal in meine Kanzlei! Ich verteidige im Jahr circa 100 bis 150 Fälle dieser Art.

Wie war es denn eigentlich mit Ihrer Aufsicht bei der Landesbank Schleswig-Holstein? Wir haben 14.000 bis 15.000 Ermittlungsverfahren in SchleswigHolstein, weil sich Menschen in Führungsfunktionen in der von Ihnen geführten Landesbank der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben, weil es Kontenbewegungen nach Luxemburg gegeben hat. Dafür hatten Sie die Verantwortung! Und nun kommen Sie und fordern, den Bankenerlass zu beseitigen! Wären Sie doch Ihrer Verantwortung zur Aufsicht nachgekommen! Das haut wirklich dem Fass den Boden aus.

(Beifall bei CDU und FDP)