Unabhängig von Bayern hatte es ja bereits nach den Anschlägen des 11. September 2001 eine entsprechende Initiative der Unionsparteien im Bundesrat gegeben. Diese ist zu Recht gescheitert.
Im Zuge des Vorfalls im Januar machte sich nun auch Bundesverteidigungsminister Peter Struck derartige Gedanken, und er erhielt dafür sogar noch die Rückendeckung der neuen Vorsitzenden der Grünen, Angelika Beer. Beiden ging es dabei allerdings nur um die Möglichkeit, Flugzeuge im besonderen Notfall zum Schutz der Bevölkerung abschießen zu können. Polizeiliche Aufgaben zum Schutz von Flughäfen und Industrieanlagen, wie im gleichen Zuge von der CDU gefordert, sollten die Streitkräfte laut Struck nicht übernehmen.
Nach Artikel 35 Grundgesetz dürfen die Streitkräfte nur im Spannungs- oder im Verteidigungsfall oder zur Amtshilfe für die Länder bei Naturkatastrophen wie zum Beispiel bei der Flut im letzten Jahr oder bei größeren Unglücksfällen im Innern eingesetzt werden. Hinzu kommen - daran werden sich die 68-er sicherlich noch erinnern - die Notstandsartikel 92 a und 87 a Grundgesetz. Fälle wie der in Frankfurt sind nach dem Grundgesetz eben nicht eindeutig definiert. So jedenfalls lauten die Mitteilungen auch von unseren Leuten aus Berlin.
Daher ist als Ergebnis der Diskussion nach Frankfurt nun angestrebt, mit einem neuen Gesetz des Bundes eine klare Regelung für die Amtshilfeleistung durch die Bundeswehr zu treffen. Eine Grundgesetzänderung ist dafür nicht erforderlich.
Die Innenministerkonferenz hat am 6. Dezember 2002, also vor dem Frankfurter Vorfall, beschlossen, dass die Bundeswehr im Rahmen der neuen Strategie für den Schutz der Bevölkerung in Deutschland und für den Katastrophenschutz der Länder mit ihrem Wissen und ihren Ressourcen zur Vorbereitung terroristischer Angriffe beziehungsweise zu deren Abwehr zur Verfügung steht, soweit dies nach dem Grundgesetz möglich ist. Dabei geht es um Optimierungsmöglichkeiten bezüglich des Anforderungsverfahrens, und dagegen kann eigentlich niemand etwas haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Aspekte können auch wir guten Gewissens dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen. Die allgemeine Übertragung von polizeilichen Aufgaben auf das Militär - das hat einstmals Innenminister Schäuble 1993 gefordert - ist und bleibt aus unserer Sicht verantwortungslos; denn Ausbildung, Bewaffnung und Einsatzmethoden von Polizei und Bundeswehr unterscheiden sich grundlegend. Daher lehnen wir das ganz klar ab.
Das Grundgesetz unterscheidet auch ganz eindeutig zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben, und eine Vermischung dieser Aufgaben wollen wir auf gar keinen Fall.
Darüber können wir vielleicht morgen Abend im Maritim in aller Ruhe mit kompetenter Seite, nämlich mit der Bundeswehr, noch ein paar Takte reden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt nur bis zum 5. Januar zurückzugehen, ist eigentlich etwas kurz gesprungen. Wir müssen den Blick etwas weiter zurückwenden.
Nach den Anschlägen von New York und Washington ist - das haben wir mehr oder weniger einvernehmlich festgestellt - nichts mehr wie vorher. Allenthalben wird von Sicherheitsexperten und von Politikern ein „Umdenken“ gefordert. Die Form des Angriffs am 11. September 2001 auf die USA machte deutlich, dass eine neue Art von Krieg geführt werden kann, ohne dass sich klar erkennbare reguläre Truppen gegenüberstehen.
Terroristen halten sich nicht an die Haager Landkriegsordnung und auch nicht an die Genfer Konvention. Die Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit sind fließend geworden. Wenn Kriegshandlungen nicht von außen, sondern im Staat selbst vorgenommen werden, ist die Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit nicht länger so wie bisher aufrechtzuerhalten. Angesichts der vielfältigen Formen und Gefahren des Staatsterrorismus ist es nur folgerichtig, auch die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren zu überprüfen. Dies gilt vor allem für die Fälle, in denen offensichtlich ist, dass Polizei und Bundesgrenzschutz allein nicht in der Lage sind, die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten.
Dass bei solchen Formen des Angriffs der Phantasie verbrecherischer Hirne offenbar keine Grenzen gesetzt sind, hat uns der 11. September gezeigt. Das Undenkbare kann dabei nicht nur denkbar, sondern auch ganz schnell Realität werden.
Von daher ist verantwortliche Sicherheitspolitik gefordert, die unter Berücksichtigung der derzeitigen weltweiten Sicherheitsrisiken alle Handlungsoptionen überprüft und die für den Einsatz von Sicherheitskräften klaren und eindeutigen Rechtsgrundlagen zu schaffen. Wenn eine tödliche Bedrohung für die Sicherheit des Landes nicht anders als durch die Bundeswehr abgewehrt werden kann, wird auch niemand verantworten wollen, auf den einzig möglichen Schutz zu verzichten. Je eher und je klarer die rechtlichen Voraussetzungen dafür geregelt werden, umso geringer ist auch die Gefahr des Missbrauchs.
Verantwortliche politische Führung sollte die Last von Entscheidungen in der Stunde der Gefahr auch nicht auf nachgeordnete militärische oder zivile Entscheidungsträger abschieben, sondern frühzeitig selbst für klare Grundlagen und Grenzen sorgen. Das ist überfällig. Es kann nicht hingenommen werden, dass wegen falsch verstandener political correctness schwammig darauf verwiesen wird, dass notfalls nach den Regeln etwa von Amtshilfe oder übergesetzlichem Notstand gehandelt werden könnte. Es ist klar: Absolute Sicherheit gibt es nie. Das jedoch befreit nicht von der Pflicht, das menschenmögliche Maß an Schutz und Vorkehrungen zu versuchen. Andernfalls gefährdet der freiheitliche Rechtsstaat seine grundlegende Legitimation.
- Herr Kollege Kubicki, die Diskussion nach dem 11. September läuft. Ferner laufen noch verschiedene Prüfverfahren.
Zurzeit gibt es keine konkrete Bundesratsinitiative eines Bundeslandes. Der Vorstoß Bayerns vom November ist abgelehnt worden. Nichtsdestotrotz haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, eine Initiative mehrerer unionsgeführter Länder und auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei angekündigt worden. Es wäre gut gewesen, wir hätten hier auf Grundlage dieser Initiative diskutieren können. Ich lege Ihnen dar, was im Moment von unserer Seite her geplant ist. Es geht dabei im Wesentlichen um die Änderung des Artikels 35 des Grundgesetzes. Die besonderen Herausforderungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus belasten die Sicherheitskräfte von Bund und Ländern in einem bisher nie da gewesenen Maße. Natürlich gilt dies nicht für Schleswig-Holstein, sondern für andere Länder und Großstädte dieser Republik. Dabei bindet die Überwachung von gefährdeten Objekten Polizeikräfte, die damit für andere polizeiliche Aufgaben nicht zur Verfügung stehen. In einer solchen Situation könnte der Einsatz von Streitkräften zum Schutz ziviler Objekte die Polizei entlasten, denn Art. 87 a Abs. 3 und 4 Grundgesetz zeigen, dass ein solcher Einsatz keine den Streitkräften grundsätzlich fremde Aufgabe ist.
Das Grundgesetz lässt einen solchen Einsatz von Streitkräften bisher nicht zu. Anders als der Schutz militärischer Objekte, einschließlich solcher der Bündnispartner, ist der Schutz ziviler Objekte eine
Aufgabe der Polizei und gehört grundsätzlich zurzeit nicht zum Verteidigungsauftrag der Streitkräfte. Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich zulässt.
Wir wollen hier eine Änderung in Art. 25, um den Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte zur Entlastung der Polizei in besonderen Fällen zu ermöglichen, aber auch nur dann, wenn Polizei und BGS nicht ausreichend den Schutz dieser zivilen Objekte tatsächlich sicherstellen können.
Herr Kollege Kubicki, wir wollen das, was auch viele Experten fordern, nämlich Klarheit; auch über den Einsatz der Streitkräfte gegen die Bedrohung aus der Luft. Auch hier können Regelungen in Art. 35 GG vorgenommen werden. Um diese Punkte geht es bei unserer Bundesratsinitiative, die im Übrigen noch in der Vorbereitung ist. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir halten diese Regelung für sinnvoll und richtig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitte Januar wurde im Bundestag eine Debatte über die Befugnisse der Bundeswehr im Inneren geführt. Anlass war ein entsprechender Antrag der CDU. Dies wurde bereits erwähnt. Die Absicht der Antragsteller und Antragstellerinnen war klar: Vor den Landtagswahlen sollten noch einmal Muskeln gezeigt werden. Kurz zuvor hatte ein Geisterflieger über der Frankfurter Innenstadt die Öffentlichkeit einen Nachmittag lang in Atem gehalten.
Sehr geehrte Damen und Herren von der FDPFraktion: Es dürfte Sie nicht überraschen, dass Sie bei der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Ihrem Antrag offene Türen einlaufen. Wir müssen selbstverständlich auf eine Situation vorbereitet sein, in der terroristische Angriffe erfolgen, die von der Polizei und anderen Landesbehörden nicht abgewehrt werden können. Diese könnten aus der Luft erfolgen, aber eventuell auch - und das ist für uns in SchleswigHolstein besonders wichtig - mittels Schiffen von See.
Es wurde bereits erwähnt: Es gibt im Grundgesetz die Regelung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz.
Herr Maurus ist darauf zu sprechen gekommen. Dort ist ausdrücklich die Möglichkeit gesehen worden, dass ein Bundesland mit der Abwehr von Gefahren überfordert sein könnte und die Hilfe von Bundesbehörden oder Bundeswehr anfordern muss.
- Ich möchte Sie ja nicht stören, meine Herren, aber es wäre nett, wenn Sie zuhören würden oder zumindest den Anschein geben würden. Diese Regelung wurde zwar nicht in erster Linie für die eben beschriebenen Szenarien geschaffen, doch bietet sie auch in diesen Fällen eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage für einen eventuell notwendigen Einsatz der Bundeswehr, so wie es einigen Leuten zumindest am 5. Januar erschien. Es mag allerdings sein, dass es unterhalb der Ebene einer Verfassungsänderung - -
Es mag allerdings sein, dass es unterhalb der Ebene einer Verfassungsänderung die Notwendigkeit gibt, Verfahrensabläufe und Entscheidungszuständigkeiten zu klären. Dass so etwas dringend notwendig ist, und zwar im Vorwege, haben wir alle in bester Erinnerung, wenn wir uns an die „Pallas“ erinnern. Wie schwierig es ist, Bundes- und Landesbehörden unter einen Hut zu bringen, haben wir zur Genüge erlebt. Insofern finde ich es richtig, sich damit zu beschäftigen.
Das kann man selbstverständlich nicht erst tun, wenn die Gefahr vor der Tür steht. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass für die betroffenen Polizistinnen und Polizisten sowie für die Bundeswehrangehörigen Rechtsklarheit herrschen muss, damit gegebenenfalls mit der notwendigen Schnelligkeit entschieden werden kann. Es geht hier nicht um eine Kompetenzerweiterung der Bundeswehr, sondern um gesetzliche Klarstellungen, bei welchen schwerwiegenden Unglücksfällen die Streitkräfte aufgrund ihrer technischen oder persönlichen Fähigkeiten für die Landesbehörden im Wege der Amtshilfe tätig werden können und müssen. Wie auch der Bundesinnenminister zu Recht feststellt, brauchen wir dafür keine Grund
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Maurus hat es bereits gesagt: Spätestens seit den Attentaten des 11. Septembers 2001 ist klar geworden, dass die Abwehr von terroristischen Gefahren auch in Deutschland eine andere Dimension bekommen hat. Es reicht nicht länger aus, prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durch persönlichen Schutz vor Angriffen zu bewahren. Terrorattentate von der Dimension der Attentate auf Wolkenkratzer in den USA, der Geiselnahme eines gesamten Theaters in Moskau oder des Bombenangriffs auf Bali machen deutlich, dass heute die gesamte Öffentlichkeit getroffen werden soll.
Ob wir es wollen oder nicht, der Terror hat tief greifende Folgen gehabt, die über die unmittelbare Wirkung der Menschen verachtenden Gewalt hinausreichen. Er hat zu tief greifenden Veränderungen in den Gesellschaften geführt, die sich heute schützen wollen. Das wird schon deutlich, wenn man die politische Rhetorik zur inneren Sicherheit hört. Da ist vom „Krieg gegen den Terror“ die Rede, der schon zum realen Krieg in Afghanistan und anderen Ländern geführt hat. Da wird davon gesprochen, dass sich der Krieg ins Innere verlagert hat.
Die Rhetorik ist aber mehr als nur Worte oder politische Propaganda. Angesichts der Möglichkeiten eines internationalen Terrorismus wird heute nach neuen Lösungen gesucht, wie man die Gefahren abwehren kann. Wir haben heute eine neue Situation in der inneren Sicherheit. Es gilt Gefahren im Inneren abzuwehren, die wir bisher noch nicht gekannt haben.
Wer aber die Rede vom Krieg im Inneren so verinnerlicht hat, dass er meint, diesem nur mit militärischen Mitteln beikommen zu können, wird Opfer seiner eigenen Rhetorik. Wer von einem Krieg zwischen Terroristen und Staaten ausgeht, will dann auch konsequenterweise die Bundeswehr einsetzen. Die Sicherheitsprobleme der Zukunft aber lassen sich nicht mit den Mitteln von gestern lösen. Wir brauchen neue Antworten auf die neue Herausforderung Terrorismus, die den Polizeibehörden erlaubt, angemessen zu reagieren, ohne dass die Grundlagen unserer Gesellschaft infrage gestellt werden.
In der aktuellen Situation sind Politiker versucht, nach schnellen Lösungen zu greifen. Dabei geraten aber gerade die Grundfesten unserer Demokratie auf einmal ins Wanken. Die Väter und Mütter der deutschen Verfassung waren so weise, das Trennungsgebot zu erfinden. Danach ist die Bundeswehr im Inland nur für die Verteidigung im Rahmen eines Angriffs/Verteidigung zuständig und zwischenzeitlich auch noch durch weitere Änderungen im Falle der Katastrophenhilfe einsetzbar. Damit hat man die Lehre daraus gezogen, welche unheilvolle Rolle das Militär oder die Militärs in Deutschland in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gespielt haben.