Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Puls das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kubicki, Sie hatten ausdrücklich gefragt: Was will die SPD? - Ich will Ihnen sagen, was die SPD will:
Erstens. Wir wollen heute die Verkleinerung des Landtages von 75 auf 69 Abgeordnete mit verfassungsrechtlicher Basis in zweiter Lesung beschließen. Für die Umsetzung bis 2005 müssen Fristen eingehalten werden. Deswegen müssen wir diesen Beschluss heute fassen.
Zweitens. Wir wollen deshalb dem Änderungsantrag, den Sie gestellt haben, heute nicht zustimmen. Wir stellen anheim, das in einem gesonderten verfassungsrechtlichen Verfahren zu machen, appellieren aber weiterhin an Sie, um die Zweidrittelmehrheit für den einen oder anderen Punkt zu gewährleisten, in Gespräche einzutreten, die alle Fraktionen im letzten Jahr untereinander beschlossen haben.
Drittens. Zur Sache in diesen Punkten sage ich Ihnen: Wir wollen als SPD das Landesverfassungsgericht. Ich verweise auf die „Lübecker Nachrichten“ vom 8. August 2002. Überschrift: „SPD will ein höchstes Gericht im eigenen Land“. Begründung: Wir brauchen dringend zeitnahe, ortsnahe und sachnahe Urteile. Dazu der weitere Hinweis des Abgeordneten Klaus-Peter Puls: Wir wollen aber kein SPDProfilierungsstück daraus stricken. Wir wollen mit allen Fraktionen gemeinsam versuchen, die erforderliche verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit in Gesprächen zu erzielen, und wollen nicht mit Einzelanträgen in die Öffentlichkeit gehen, schon gar nicht, um andere Anträge zur Landesverfassung dadurch zu blockieren oder andere Fraktionen auszutricksen.
Zu den Staatszielen, Herr Kollege Kubicki, darf ich Ihnen - viertens - Folgendes sagen: Wir als SPDLandtagsfraktion sind dafür, dass die Minderheit der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit in die Landesverfassung aufgenommen werden, damit sie entsprechend Schutz und Förderung genießen. Ich verweise auf den Umdruck 15/2257 vom 5. Juni 2002, in dem ich für die SPDLandtagsfraktion den Wortlaut Ihres heutigen Änderungsantrages als Vorschlag für die weiteren interfraktionellen Gespräche eingebracht habe.
Fünftens, Herr Kollege Kubicki, wollen wir als SPDLandtagsfraktion den Schutz und die Förderung von pflegebedürftigen Menschen. Wir wollten das auf
Ich verweise auch in diesem Zusammenhang wieder auf den Vorschlag der SPD-Landtagsfraktion in dem Umdruck 15/2257 vom 5. Juni 2002, in dem wir genau diesen Schutz in demselben Wortlaut, den Sie heute zur Abstimmung stellen wollen, als Vorschlag in die interfraktionellen Gespräche eingebracht haben.
Sechster Punkt. Herr Kollege, wir wollen den Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Auch das haben wir seinerzeit als Vorschlag in die interfraktionellen Gespräche eingebracht.
Siebtens wollen wir auch, Herr Kollege Kubicki - Sie haben eben darauf hingewiesen -, den Schutz und die Förderung der behinderten Menschen in SchleswigHolstein in die Landesverfassung aufgenommen haben.
Sie appellieren an uns, dem heute zuzustimmen. Gucken Sie einmal in Ihren Antrag: Da steht es gar nicht drin.
Da hinsichtlich der Staatsziele, aber auch hinsichtlich der Einzelmodalitäten in Bezug auf die Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts aus unserer Sicht weiterer Beratungsbedarf besteht, wollen wir für eine Verfassungsänderung das zweistufige Verfahren, das heißt eine erste und zweite Lesung. Dafür sind die von Ihnen eingebrachten Beratungsgegenstände uns wichtig genug. Lassen Sie uns uns weiter damit befassen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollten wir alle einmal lernen, dass zwischen der Innenwelt dieses runden Kreises und der Welt draußen ein großer Unterschied besteht.
Beide großen Fraktionen scheinen das offensichtlich trotz der Ergebnisse der letzten Wochen noch nicht richtig verinnerlicht zu haben.
Herr Kollege Puls, zunächst einmal sage ich Ihnen, dass Ihre Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, unwahr sind, und zwar unwahr dahingehend, dass wir jetzt die Verfassungsänderung vornehmen müssten, weil ansonsten die materiell-rechtliche Regelung des Wahlrechtes zeitnah für die Landtagswahlen nicht mehr möglich sei. Sie haben uns - nicht heute, sondern vor geraumer Zeit - erklärt, dies habe Zeit bis zur Sommerpause. Der Landeswahlleiter hat erklärt, hinsichtlich der Neuregelung hätten wir die Chance, das auch noch in der nächsten Tagung zu verabschieden und das Wahlrecht zu ändern. Die Behauptung, wir müssten jetzt handeln, wenn der Ausbruch des Chaos verhindert werden solle, ist unwahr. Das belege ich Ihnen im Zweifel auch.
Noch einmal: Es waren nicht wir, die kleinen Fraktionen, die in einer - vorsichtig formuliert - Nacht- undNebelaktion - denn die Änderung der Verfassung, von der ich immer dachte, sie sei das höchste Gut des Landes, das wir bewahren sollten, ist mir über Nacht zugeflattert - die Verfassung ändern wollten. Heute erklären Sie völlig überraschend - denn bis Sonntag waren Sie noch anderer Auffassung -, dass Sie die Vorschriften, was die Funktionszulagen angeht, doch nicht mehr so wie bisher ändern wollen. Insofern kann ich die Ausführungen der Kollegin Fröhlich nachvollziehen, die die Frage aufgeworfen hat, warum dann nicht das gesamte Paket - die Begründung für die Verkleinerung des Landtages auf 69 Abgeordnete war ja, dass das der Finanzierung der Diätenerhöhung und der künftigen Versorgung dient - auf den Prüfstand gestellt wird und wir zu einer vernünftigen Lösung kommen. Das, was Sie momentan machen, ist wieder hoppla hopp.
Ich bin gespannt darauf, wie Sie den Menschen draußen erklären, warum Sie sich so verhalten, wie Sie es jetzt tun. Ich will das wissen. Die Menschen müssen unterscheiden können zwischen den hehren Worten, die Sie immer vor sich hertragen, und den Taten, die sich nur im Abstimmungsverhalten hier im Parlament wieder finden.
Das gilt übrigens auch in Richtung CDU, was das Landesverfassungsgericht angeht. Sie müssen erklären, aus welchen Gründen Sie sich heute der Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts verweigern. Sie können sagen, dass wir da noch weiter beraten müs
sen. Aber das müssen Sie dann gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und gegenüber den Verbänden erklären, anstatt sich hinter vermeintlichen weiteren Diskussionslagen hier im Landtag zu verstecken. Wir werden bei unseren Anträgen bleiben.
Ich sage noch einmal: Wir werden auch der Verkleinerung des Landtages zustimmen, weil wir davor gar keine Furcht haben müssen. So, wie Sie es angelegt haben - darauf hat die Kollegin Hinrichsen zu Recht hingewiesen und darauf hat auch die Kollegin Fröhlich zu Recht hingewiesen -, werden Sie aber das Strukturproblem nicht lösen, das darin besteht, dass die Sollzahl, die Sie in die Verfassung schreiben, bei dem Wahlverfahren, das Sie vorschlagen, in aller Regel nicht erreicht werden wird, sondern dass die Istzahl die Sollzahl immer bei weitem überschreiten wird.
Ich sage noch einmal: Gerade bei der Änderung eines solchen Gesetzes oder der Verfassung, ist der Gesetzgeber aufgerufen, dem Verfassungssinn so weit wie möglich Geltung zu verschaffen, das heißt, sich bei den einfachgesetzlichen Regelungen so weit wie möglich den Verfassungsvorschriften zu nähern. Es geht nicht an, eine Verfassungsvorschrift zu machen und bei der einfachgesetzlichen Regelung sehenden Auges in Kauf zu nehmen, dass die Verfassungsvorschrift nicht eingehalten werden kann. Ich habe große Zweifel, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Verfahren, das Sie jetzt hier gewählt haben und mit dem Sie uns konfrontieren wollen, ein nach außen Vermittelbares ist. Ich sage das ausdrücklich, damit sich hinterher nicht wieder jemand hinstellt und sagt, er sei völlig überrascht davon, was die Menschen so sagen.
Aber noch einmal - das muss ich innerhalb meiner eigenen Partei ja auch nach außen vertreten -: Wir werden den Dingen, die wir hier gemeinsam auf den Weg gebracht haben, zustimmen. Wir werden der Verkleinerung des Parlaments auf 69 Abgeordnete zustimmen, und ich will sehen, wie sich die anderen Fraktionen dieses Hauses, abgesehen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, verhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich bemühen, ruhig zu bleiben, auch wenn es nicht immer leicht fällt.
Im Innen- und Rechtsausschuss sollte der Antrag von FDP und SSW zur Verfassung beraten werden. Dort wurde von SPD und CDU auf Nichtbefassung plädiert. Das heißt: Im Innen- und Rechtsausschuss ist eine Beratung dieses Antrages verhindert worden.
Dies war, wie der Wissenschaftliche Dienst bestätigt hat, rechtswidrig. Uns jetzt vorzuwerfen, wir seien nicht zu Gesprächen bereit oder, wie Herr Puls sagt, wir würden versuchen, andere auszutricksen, finde ich unglaublich.
Eines möchte ich noch sagen, um der Legendenbildung vorzubeugen. Natürlich hat es rot-grüne Spitzengespräche über die Frage gegeben, wie wir mit dem Thema Verfassung umgehen. - Ihre Fraktionsspitze nickt. - Wir haben gesagt: Solange es keine Einigung gibt, machen wir uns den Antrag von FDP und SSW nicht zu Eigen. Deshalb war bei der Beratung im Innen- und Rechtsausschuss in der letzten Woche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf dem Antrag nicht vermerkt. Dann hat es erneute Konsultationen zwischen Grünen- und SPD-Fraktionsspitze gegeben. Dabei ist vereinbart worden, dass wir beim Thema Verfassung, bei den Anträgen, getrennt marschieren. Das war vereinbart, das war bekannt. Uns heute vorzuwerfen, wir würden andere austricksen, wir hätten nicht beraten, wir seien nicht zu Gesprächen bereit, kann nur ein Kommunikationsproblem, wo auch immer, sein.
Zum Abstimmungsverhalten. Frau Fröhlich hat für uns vorhin sehr deutlich gemacht: Eine isolierte Änderung der Verfassung, bei der wir nur die Zahl der Abgeordneten verändern, ist mit uns nicht zu machen, weil die Wahlkreisreform sehr viel dringlicher und auch besser in der Sache ist. Deshalb lehnen wir Ihren Vorschlag ab. Sollte es aber eine Mehrheit für unsere Anträge geben, in Teilen oder auch in Gänze, dann würden wir sehr gern ein Paket schnüren und wären dann selbstverständlich bereit, in der Endabstimmung auch einer Verkleinerung des Parlaments auf 69 Abgeordnete zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon ein paarmal angesprochen worden, dass wir in der letzten Legislaturperiode, in den Jahren 1997/98, eine große Verfassungsdebatte hier im Landtag führten, dass wir dazu einen Verfassungsausschuss gebildet und auch Anhörungen durchgeführt haben. Vonseiten des SSW ist immer wieder deutlich gemacht worden, dass wir einerseits Verständnis dafür haben, dass Verfassungsänderungen, Staatszielbestimmungen nur im Paket zu beschließen sind. Andererseits haben wir immer wieder gesagt, dass für uns die Aufnahme von Sinti und Roma in die Landesverfassung am wichtigsten ist. Das war für uns der entscheidende Punkt. Das ist er immer gewesen und ist es auch heute noch.
- Das ist klar. Da haben wir immer gemeinsam agieren können. Ich hoffe, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird.