Protokoll der Sitzung vom 18.06.2003

(Irene Fröhlich)

wir heute. Ich will jetzt einmal nichts zu den Vorrednern sagen, ich bleibe einfach bei dem, was ich mir überlegt habe zu sagen.

Wir sind uns wohl alle darin einig, dass es notwendig ist, die Bremse zu ziehen, wenn die Verwaltungskosten einer öffentlichen Abgabe den Ertrag aus dieser Abgabe zu übersteigen drohen. Aber es gibt noch andere Gründe, warum wir Grünen die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe zum jetzigen Zeitpunkt begrüßen. Die Marktmieten haben vielerorts in den letzten Jahren so nachgegeben, dass sie teilweise unter oder zumindest gleichauf mit den Sozialmieten lagen. Das hat dazu geführt, dass mancherorts die geförderten Wohnungen leer standen. Nun muss man zwar immer damit rechnen, dass der Wohnungsmarkt in einigen Jahren wieder angespannter sein wird, weil es Schwankungen in der Wohnungsentwicklung gibt. In der Zwischenzeit haben wir trotzdem eine etwas ausgeglichenere Lage und die müssen wir nutzen.

Der zweite Grund ist: Wir brauchen auch - wir sind uns darin offensichtlich einig - Mieterinnen und Mieter im sozialen Wohnungsbau, die ohne Wohnungsberechtigungsschein in den geförderten Wohnungen leben. Das ist ein wichtiges Mittel gegen die Ghettobildung in manchen Stadtteilen, dass Menschen, die zum Beispiel aus der Sozialhilfe wieder in Arbeit gekommen sind, nicht sofort in Stadtteile mit höheren Durchschnittseinkommen abwandern.

Zum Glück hatten wir bisher die Möglichkeit, bestimmte Stadtteile aus diesen Gründen von der Fehlbelegungsabgabe zu befreien, und haben diese auch in der Vergangenheit, nämlich vor zwei Jahren, noch einmal erweitert. Aber jetzt scheint die gänzliche Abschaffung der Abgabe möglich zu sein und ist dann natürlich auch ein wirksameres Mittel. Ich begrüße, dass das Ministerium angepasst und mit Augenmaß reagiert hat.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nehmen es sehr ernst, wenn das Umweltbundesamt zur Überprüfung besonders umweltschädlicher Subventionen vor allem im Wohnungsbau mahnt und der Landesmieterbund angesichts steigender Zahlen bei den Räumungsklagen fordert, dem Abschmelzprozess im sozialen Wohnungsbestand mehr neue Preis- und Belegungsbindungen, und zwar nicht nur im Neubau, entgegenzusetzen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich finde, das Bundesumweltamt hat eine interessante Studie vorgelegt. Die sollten sich alle, die sich dem Subventionsabbau verbunden fühlen, dringend zu Herzen nehmen, weil es einen dreifachen Gewinn hätte, wenn wir ernst nehmen und umsetzen würden, was uns das Umweltbundesamt zu Subventionen mitgeteilt hat, übrigens nach einer Studie des ifoInstituts und des Wuppertaler Ökologieinstituts. Es könnte bei einer Umsteuerung der Mittel aus der Eigenheimförderung helfen. Dies ist ein Vorhaben, was leider von CDU und FDP im Bundestag zu Fall gebracht wurde. Wir bleiben aber dran, und ich sage Ihnen, wir haben einen langen Atem. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, Mittel aus der öffentlichen Förderung denen zugute kommen zu lassen, die sie wirklich brauchen, und nicht nach dem Gießkannenprinzip breit zu streuen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich der Frau Abgeordneten Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines war von vornherein klar: Aufgrund des vorliegenden Gesetzentwurfes der Landesregierung zur Aufhebung des schleswig-holsteinischen Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung werden sich einige in diesem Land ein Loch in den Bauch freuen. Die Landesregierung muss mit der Kritik leben, dass man es schon immer gewusst habe; die Fehlbelegungsabgabe sei ein Fehler roter sozialer Wohnungspolitik.

Für den SSW möchte ich aber festhalten, als im Mai 2001 die Fehlbelegungsabgabe debattiert wurde, haben auch wir uns für eine solche Abgabe ausgesprochen, und dies nicht ohne Grund. Wir wollten so auch eine Vertreibung der Fehlbeleger vermeiden. Wir wollten nicht, dass diese Mieter aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden, nur weil sich ihre Einkünfte verbessert haben und sie deshalb nicht mehr berechtigt sind zum Zugang zu Sozialwohnungen. Aus diesem Grunde haben wir unter anderem seinerzeit dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Aber auch aus ökonomischen Gründen war unsere Zustimmung zu dem Gesetzentwurf begründet, bedenkt man, dass die Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe im Jahre 2000 noch ein Gesamtaufkommen von 11,5 Millionen DM ausmachten und die Verwaltungskosten bei rund 4 Millionen DM lagen.

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Aufhebung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubven

(Silke Hinrichsen)

tionierung sowie die Durchführungsverordnung wird dieses nunmehr vom Tisch genommen. Die Landesregierung begründet dies mit geringeren Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe, denen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand gegenüber steht. Im Übrigen gibt es da auch noch die „gesetzliche Zwangslage“dass es eben gar nicht so weit kommen darf, weil sie ansonsten automatisch entfällt. Es werden im Übrigen nach Einschätzung der Landesregierung schon ab 2004 keine Nettoerträge mehr erwirtschaftet werden. Selbstkritisch müssen wir also erkennen, dass die erhoffte Verwaltungsvereinfachung durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfes aus dem Jahre 2000 nicht ganz den Erfolg hatte, wie gewünscht.

Darüber hinaus ging auch die Anzahl der Wohnungen zurück, die dem Wohnungsbindungsgesetz unterliegen. Dies war vor zwei Jahren bekannt, aber der Überschuss, den es aus dieser Fehlbelegungsabgabe gab, kam der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zugute, und das hielten wir weiterhin für absolut notwendig, dass dieses Geld kommt. Daher begrüßen wir jetzt aber auch den Schritt der Landesregierung, die diese Entwicklung rechtzeitig erkannt hat und dieser Entwicklung mit ihrem Gesetzentwurf gegensteuert. Unter den jetzigen Voraussetzungen hält auch der SSW die Entscheidung, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen, für sinnvoll. Das bedeutet, dass rund 10.000 Privathaushalte, die zurzeit noch fehlbelegungsabgabepflichtig sind, sich auf den 1. November 2004 freuen können.

Abschließend möchten wir aber trotzdem darauf hinweisen, dass die heutige erste Lesung zu diesem Gesetzentwurf kein Anlass zu übermäßiger Freude sein sollte, denn ein weiterer Grund, dass es diesen Gesetzentwurf gibt, ist der gesunkene Anteil abgabepflichtiger Mieter. Bei anhaltender Wirtschaftsflaute und hoher Arbeitslosigkeit ist mit einer weiteren Abnahme derjenigen, die aus eigener Kraft ihre Miete zahlen können, leider zu rechnen. Dagegen müssen wir wesentlich mehr tun.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Frau Abgeordnete Gröpel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich will noch einmal kurz auf Ihren Wortbei

trag eingehen, dass andere die Fehlbelegungsabgabe schon abgeschafft hätten. Die Gründe bei Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin sind einfach nicht vergleichbar mit dem Wohnungsbestand in SchleswigHolstein. Schleswig-Holstein ist das erste Flächenland, das die Abgabe abschafft. In NordrheinWestfalen war jetzt gerade im Landtag eine heftige Debatte. Im Grunde sind alle bei ihren Argumenten geblieben, dass es tatsächlich ein Stück Subventionsgerechtigkeit ist, die beizubehalten ist. Alle anderen Flächenländer haben aus dem eigentlichen Ansatz der Fehlsubventionierung heraus den Schritt nicht getan, das abzuschaffen. Dies nur, weil das bei Ihnen vielleicht nicht so bekannt ist, Herr Kubicki. Wir in Schleswig-Holstein sind das erste Flächenland, wo das gemacht wird. Das haben auch die Wohnungsunternehmen schon sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratungen. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so angenommen.

Ich möchte jetzt zunächst auf der Tribüne die nächste Besuchergruppe begrüßen, und zwar den CDUOrtsverband Altenkrempe-Schashagen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/2730

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Beratung. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schwalm.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der zu mehr Sicherheit für polizeiliches Handeln bei so genannter Wegweisung und bei längerfristigen Platzverweisen führen soll. Das Instrument der Wegweisung hat sich bewährt. Gewalttätige Partner können für eine Zeit bis zu 14 Tagen aus der

(Monika Schwalm)

Wohnung verwiesen werden, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abzuwehren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rechtsgrundlage - das haben wir an anderer Stelle schon häufiger diskutiert, auch in anderem Zusammenhang - für das polizeiliche Handeln ist § 201 Landesverwaltungsgesetz. § 201 regelt den vorübergehenden Platzverweis. Wir glauben, dass dieser Gesetzestext nicht ausreicht, und wollen ihn um zwei Absätze erweitern. Ein Absatz soll ausdrücklich das Problem der Wegweisung regeln, der zweite Absatz dann das Problem des längerfristigen Platzverweises. Sie haben das vorliegen. Ich muss es nicht vorlesen.

Einen Augenblick, Frau Abgeordnete. Ich möchte darauf hinweisen, dass Dialoge von der Regierungsbank aus nicht gestattet sind.

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Der Wunsch nach einer eindeutigen Rechtsgrundlage kommt aus der Polizei selbst. Ich vermute einmal, Herr Minister, dass Ihnen dieser Wunsch auch bekannt ist. Wir haben dafür großes Verständnis. Jede Wegweisung ist auch ein Eingriff in die Grundrechte. Berührt ist das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, das Grundrecht der Freizügigkeit und, soweit es um Ehepaare und Familien geht, auch der grundrechtlich verfasste Schutz von Ehe und Familie. Auch dies ist für uns ein Grund, für eine eigenständige Eingriffsregelung zu plädieren. Gleichzeitig wollen wir bei dieser Gelegenheit eine bessere Rechtsgrundlage für das längerfristige Aufenthaltsverbot schaffen. Längerfristige Aufenthaltsverbote, insbesondere im Zusammenhang mit der Kontrolle von offenen Drogenszenen, die seit Anfang der 90er-Jahre zunehmend diskutiert wurden und werden, stellen keine Platzverweise nach § 201 Landesverwaltungsgesetz dar. Auch hier sollten wir den Polizeibeamtinnen und -beamten eine zweifelsfreie Rechtsgrundlage geben.

(Beifall bei der CDU)

Einige Bundesländer haben bereits entsprechende Vorschriften in ihre Gesetze aufgenommen. Unsere Polizei blickt in dieser Hinsicht neidisch über die Landesgrenzen. Die Politik ist verpflichtet, unserer Polizei verlässliche Rückendeckung zu geben. Ich bin sicher, dass wir für unsere Gesetzesinitiative viel Zustimmung erfahren werden. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Sie können zustimmen.

Die Zustimmung der Polizei im Lande ist Ihnen sicher.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schlosser-Keichel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode mit der Problematik häuslicher Gewalt. Das ist gut so; denn nachdem seit jeher Gewalttätigkeiten in der Familie als Privatangelegenheit ignoriert und selten sanktioniert worden sind, ändern sich nun die Sichtweisen und auch die Handlungsweisen.

Wir haben in der Debatte im vergangenen Oktober auch die notwendige Kooperation der verschiedensten Stellen beleuchtet, die nötig sind, um die Opfer wirkungsvoll und dauerhaft zu schützen. Eine Schlüsselposition in diesem Zusammenspiel hat in der Tat die Polizei. Durch ihr Einschreiten wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Staat Gewalt im häuslichen Bereich nicht als Kavaliersdelikt betrachtet, sondern als kriminelles Unrecht missbilligt und verfolgt. Durch die Wegweisung der Gewalttäter aus der Wohnung - in Schleswig-Holstein für immerhin bis zu zwei Wochen - wird klargestellt, dass der Staat die Gefährdung der misshandelten Frauen und Kinder ernst nimmt.

Die Beamtinnen und Beamten der Polizei haben Fortbildungsmaßnahmen absolviert. Es wurden ihnen ein ausführlicher und außerordentlich konkreter Erlass und Ausführungsbestimmungen an die Hand gegeben. Es hat sich schnell gezeigt, dass die Wegweisung von den Polizeikräften als neue Reaktionsmöglichkeit in diesen Konflikten begrüßt und auch angewandt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Dank gilt an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten, die sich sehr offen und engagiert dieser neuen Aufgabe, diesem neuen Verfahren gestellt haben. Im Wegweiseverfahren sind schwierige Abwägungen zu treffen; meine Vorrednerin hat bereits darauf hingewiesen. Es ist eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit andererseits zu treffen. Das ist keine Kleinigkeit. Es erfordert im zwischenmenschlichen Bereich viel Fingerspitzengefühl der betroffenen Beamten. Im rechtlichen Bereich benötigen sie in der Tat ein solides Fundament.

(Anna Schlosser-Keichel)

Deshalb wurde von Beginn an, noch vor Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes, auf Bundes- und Landesebene die Diskussion darüber geführt, welche Rechtsgrundlage für diese polizeiliche Erstintervention notwendig ist. Die Innenministerkonferenz vom Mai 2001 etwa vertrat die Auffassung, dass die bestehenden polizeirechtlichen Befugnisse ausreichen, um im Rahmen akuter Krisenintervention wirksam vor häuslicher Gewalt zu schützen. Die Konferenz hielt aber auch Anpassungen in den Polizeigesetzen für möglich. Eine ganze Reihe von Bundesländern haben das inzwischen getan, aber beileibe nicht alle.