Protokoll der Sitzung vom 14.07.2000

Sie, Frau Ministerin, haben gerade die letzte Frage auf der Regionalkonferenz in Kiel angesprochen. Sie haben die Notwendigkeit einer Steuerung bejaht, weil Sie die weitere Entwicklung der Krankenhauslandschaft nicht allein einem neuen marktorientierten Preissystem überlassen wollen, sondern einen sozialpolitisch geordneten Rahmen setzen wollen. Es geht zum Beispiel darum, auf die Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit stationären Gesundheitsleistungen Einfluss zu nehmen, um die Befriedigung eines stationären Bedarfs geriatrischer Versorgungsformen als unmittelbare Folge des demographischen Wandels oder auch um die Begrenzung der Kosten oder des Kostenanstiegs im stationären Sektor.

Das Ziel, das sich die Sozialministerin gesteckt hat, ist hoch und außerordentlich komplex. Innerhalb eines klar umrissenen sozialpolitischen Rahmens soll dem bislang von administrativer Planung dominierten Krankenhauswesen durch die Implementierung marktprozessualer Elemente die Fähigkeit zur Selbststeuerung verliehen werden.

Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist: Auf welcher Grundlage soll die Abkehr von der reinen Kapazitätsplanung eingeleitet werden? An dieser Stelle komme ich natürlich auf das viel zitierte Gutachten zu sprechen. Meiner Auffassung nach ist dieses Gutachten allenfalls eine Bestandsaufnahme. Deswegen hätte ich mir von allen Beteiligten ein wenig mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Gutachten gewünscht. - Das ist völlig richtig, Kollege Jahner.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Man kann es nicht oft genug sagen; deswegen sage ich es an dieser Stelle noch einmal: Das RüschmannGutachten ist nicht die Landeskrankenhausplanung.

(Beifall bei F.D.P., SPD und SSW)

Meine Kritik setzt ganz woanders an. Aus meiner Sicht beschreibt das Gutachten einen Status quo, dessen Komplexität jedoch bereits durch die Vorgehensweise so reduziert wurde, dass die Bestandsaufnahme nur ein sehr verzehrtes und unvollkommenes Bild von der schleswig-holsteinischen Krankenhauslandschaft widerspiegelt.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Einwände gegen den Einsatz der ICD-9- und OPS-301Datensätze erinnern, die ich ausdrücklich teile, oder daran, dass von fünf Indikationen, die für den Bereich der Psychiatrie herangezogen wurden, nicht eine einzige auch tatsächlich eine psychiatrische Indikation ist. Das führt dazu, dass sich die komplexe Intensivmedizin, etwa einer Universitätsklinik, nicht einfach mit der Basisversorgung eines Krankenhauses der Regelversorgung gleichsetzen lässt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Man wird mit dieser Vorgehensweise weder dem Anbieter von intensivmedizinischen Leistungen noch dem Anbieter von Regelleistungen gerecht.

Zur Weiterentwicklung ist der gewählte Ansatz meiner Auffassung nach aber deshalb völlig ungeeignet, weil auf der einen Seite zwar marktwirtschaftliche Steuerung ausdrücklich gewollt wird, auf der anderen Seite aber gerade diese marktorientierte Prozessdynamik durch ein rein planwirtschaftliches Instrumentarium angeschoben werden soll.

(Beifall bei der F.D.P.)

Das ist nicht nur widersprüchlich, das ist aus meiner Sicht ganz und gar unmöglich. Irgendwie, Frau Ministerin, habe ich den Eindruck, dass Sie das zumindest teilweise ähnlich sehen.

Der gemeinsame Antrag von CDU und F.D.P. bietet daher die Chance, auf der Grundlage des angeforderten Berichts die Möglichkeiten einer künftigen Steuerung des stationären Sektors auszuloten, eine Steuerung, die meiner Auffassung nach weniger statische Planung als vielmehr dynamische Prozessbegleitung

(Dr. Heiner Garg)

aller Beteiligten sein muss. Daher bitte ich die Kolleginnen und Kollegen der SPD sehr herzlich, ihren Antrag nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zum Antrag von CDU und F.D.P. zu stellen. Wie sonst wollen Sie Ihren Einsatz vor Ort - etwa in Uetersen, in Heiligenhafen oder in Neumünster - noch glaubhaft begründen? Wenn Sie unseren Antrag heute mit Ihrer Mehrheit vom Tisch wischen, dann zwängen Sie sich in ein Korsett, das Sie doch eigentlich selbst gar nicht wollen.

(Beifall bei der F.D.P. und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal gehen die Ansichten doch mehr „über die Bande“, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das ist immer dann der Fall, wenn man sich tatsächlich auf die Sache einlässt. Ich bin der Analyse, die der Vertreter der F.D.P. hier vorgetragen hat, durchaus nicht abgeneigt. Allerdings meine ich, dass die Schlussfolgerung, die Sie daraus ziehen, falsch ist. Daher möchte ich meinen Beitrag wie folgt überschreiben: Falscher Antrag zum falschen Zeitpunkt!

Das Rüschmann-Gutachten war von uns allen angefordert worden, damit wir uns auf das neue System der Krankenhausfinanzierung, auf die neue Gesetzgebung einstellen können. Fallpauschalen und monistische Finanzierung sind bereits vor vier Jahren diskutiert worden. Schleswig-Holstein ist das erste Bundesland, das sich mit diesen Fragen anhand eines Gutachtens befasst hat. Sicherlich würde man heute, vier Jahre später, einen solchen Ansatz anders und komplexer wählen. Das ist immer so. Es wäre merkwürdig, wenn die Wissenschaftler stehen bleiben würden, während die politische Diskussion weitergegangen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichwohl halte ich das Gutachten für eine gute Grundlage. So konstruktiv gehen inzwischen auch die Regionalkonferenzen damit um. Die Regionalkonferenzen haben längst einen Weg gefunden, um anhand der unterschiedlichen Fragestellungen zielführend neue Fragestellungen zu entdecken; sie sind lösungsorientiert. Jedenfalls ist das mein Eindruck von den Regionalkonferenzen, die ich besucht habe.

Natürlich müssen wir Somatik und Psychiatrie getrennt diskutieren und sie als getrennte Prozesse betrachten; denn auch im Gutachten ist damit sehr unterschiedlich umgegangen worden. Ich habe die Ministerin so verstanden, dass sie gerade bei der Betrachtung

dieser beiden Felder weitere Gesichtspunkte hinzuzieht.

Das Benchmarking-System wurde erwähnt. Auch das ist mit seinen bisherigen Vorgaben in die Diskussion geraten. Ich fordere an dieser Stelle, insbesondere die Krankenhäuser, bei denen ein Streit darüber entstanden ist, ob sie in den Plan hineingehören oder nicht und die bisher noch nicht in die Betrachtung einbezogen worden sind, einzubeziehen und insbesondere, was den Hamburger Rand angeht, sehr sorgfältig zu sein. Ich denke beispielsweise an ein Krankenhaus in Geesthacht. Es mag auch noch andere geben, bei denen Streit darüber entstanden ist, ob sie in den Plan gehören oder nicht.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der eigentliche Weg nicht über ein Gutachten beschritten werden kann. Der eigentliche Weg ist die Schwierigkeit, stationäre und ambulante Versorgung völlig anders als bisher miteinander zu verzahnen. Ich habe noch das Bedauern des Gutachters darüber im Ohr, dass er die ambulanten Daten, die ihm vorlagen, aus Datenschutzgründen nicht verwenden durfte und somit seinem und unserem Erkenntnisinteresse an dieser Stelle nur unvollkommen nachkommen konnte.

Es gibt noch andere Fragestellungen - darauf wird die Ministerin sicherlich noch eingehen -, die darauf zurückzuführen sind, dass die unterschiedlichen Finanzsysteme - Pflegekassen, Krankenkassen, Kommunen und Land - verhindern, dass es zur längst überfälligen Vernetzung von ambulanten und stationären Einrichtungen und zur Effizienzsteigerung, gerade was die Tageskliniken und die Rehabilitation angeht, kommt. Diese Grenzen müssen überwunden werden. Dazu hat das Parlament beizutragen.

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, was soll dieser eine Monat Vorsprung, den Sie hier einfordern? Gehen Sie davon aus, dass die Ministerin den Krankenhausplan bereits in der Tasche hat? Gehen Sie davon aus, dass die Regionalkonferenzen und all die vielen Einzelgespräche nur Show sind?

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gehen Sie davon aus, dass Demokratie in diesem Zusammenhang nicht mehr gewollt ist?

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?

Ich habe nur noch eine Minute Redezeit. Ich denke, es besteht Gelegenheit, sich noch einmal zu Wort zu melden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich jedenfalls gehe nicht davon aus. Mein Eindruck von den Konferenzen gibt mir Recht. Gerade weil das so ist, weil das der richtige Weg ist und weil die Ministerin Zeit braucht und viele Gespräche führen muss, um uns dann - wie sie es im Sozialausschuss versprochen hat und wie wir es alle gebilligt haben - vor einer Befassung im Kabinett ihren Entwurf für eine Krankenhausbedarfsplanung zu beschreiben, plädieren wir dafür, Ihren Antrag abzulehnen und den vereinbarten Zeitpunkt einzuhalten. Alles andere ist Vorführtaktik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ihre Fragestellungen werden alle in verschiedensten Varianten auf den Regionalkonferenzen diskutiert. Ich glaube, sie sind der Ministerin präsent. Ebenfalls präsent sind ihr auch noch andere Fragestellungen, die Sie leider überhaupt noch nicht entdeckt haben. Insofern ist Ihr Antrag überflüssig. Er hilft weder den Kranken noch den Beschäftigen, noch den Krankenhäusern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Der Wort hat Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW hat sich von Anfang an darum bemüht, die lange erwartete Krankenhausplanung möglichst sachlich zu beurteilen. Das Thema ist höchst sensibel und verdient es eigentlich nicht, von Politikern zur eigennützigen Stimmungsmache missbraucht zu werden.

(Beifall bei SSW und SPD - Anke Spooren- donk [SSW]: So ist das!)

Im Gesundheitsbereich kommen gewaltige Veränderungen auf uns zu, die unpopuläre Entscheidungen unvermeidbar machen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir versuchen, uns im Interesse der Sache zu einigen und Schaukämpfe zu vermeiden.

Bisher ist die Beratung zur Krankenhausplanung im zuständigen Sozialausschuss von einer verhältnismäßig nüchternen Stimmung und von Konsens geprägt gewesen. Dies scheint leider mit dem CDU/F.D.P.Antrag nunmehr zu Ende zu sein. Wir verstehen die

Zielrichtung des Antrags dahin gehend, dass versucht werden soll, die im Sozialausschuss vereinbarte Vorgehensweise zu ändern. Herr Kalinka, Sie haben vorhin ausgeführt, dass es Ihnen darum gehe, schon jetzt das Konzept der Landesregierung zu erfahren und später, was bei den anderen Sachen herauskommt. Nur leider finden wir das total unverständlich.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir hatten im Sozialausschuss mit der Ministerin abgesprochen, dass dem Ausschuss die Stellungnahme der Landesregierung sinnvollerweise erst dann zugeleitet werden soll, wenn die Regionalkonferenzen abgeschlossen und ausgewertet sind. Das ist verhältnismäßig spät und kann dann erst parallel mit der geplanten Beteiligtenrunde stattfinden. Das lässt sich aber nicht ändern, wie wir bereits im Sozialausschuss festgestellt haben.

Wir verkennen nicht, dass das Gutachten und vor allem die Planungsempfehlungen viel Verunsicherung in den betroffenen Häusern gebracht haben, die möglichst schnell der Klarheit weichen muss. Trotzdem lässt sich dieses Verfahren nicht abkürzen, wenn wir sowohl für die Krankenversorgung als auch für die betroffenen Beschäftigten das qualitative Optimum erreichen wollen.

Es ist unmöglich, dass die Landesregierung nach Ansicht von CDU und FDP bereits zur SeptemberTagung ein schriftliches Konzept vorlegen soll, obwohl die letzten Regionalkonferenzen in Flensburg und Pinneberg erst Anfang/Mitte September stattfinden. Ich persönlich empfinde es - ehrlich gesagt - als sehr bedauerlich, dass Sie den nördlichen Landesteil einfach vergessen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Flensburg hat die Regionalkonferenz erst Anfang September. Und Sie sprechen nur von den im südlichen Landesteil bereits stattgefundenen Regionalkonferenzen.