Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Drittens. Das Gesetz wird an das vom Bund geänderte Medienprivileg in § 41 Bundesdatenschutzgesetz angepasst. In § 10 a wird auf die bundesrechtlichen Regelungen über die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Presseunternehmen verwiesen. Daten über Personen, die die Presse ausschließlich zu eigenen publizistischen Zwecken verarbeitet, sind durch die ausdrückliche bundesrechtliche Regelung geschützt. Die Presse ist damit im Ver

(Minister Klaus Buß)

gleich zu anderen privaten Unternehmen und öffentlichen Stellen hinsichtlich des Datenschutzes privilegiert. Durch die Neuregelung in § 10 a werden Auslegungsschwierigkeiten und eine Ungleichbehandlung der Presseunternehmen in den Ländern vermieden.

Viertens. Durch bundeseinheitlich übereinstimmende Verjährungsregelungen soll bei Presseinhaltsdelikten eine effektivere Verfolgung von politisch extremistisch und menschenverachtend motivierten Straftaten erreicht werden. Daher werden die Verjährungsvorschriften vereinheitlicht. In § 24 werden Delikte wie Verbreitung von Propagandamitteln und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verbreitung von Schriften volksverhetzenden Inhalts und von pornografischen Schriften sowie Gewaltdarstellungen in Schriften und Verbreitung von Kennzeichen von verbotenen Vereinen und Parteien in periodisch erscheinenden Druckwerden aus der kurzen Verjährungsfrist von Presseinhaltsdelikten ausgenommen.

Ich denke, diese Regelungen sind insgesamt sehr vernünftig. Sie kommen den Leserinnen und Lesern der Zeitung entgegen. Ich hoffe, dass wir auch hier eine große Übereinstimmung finden.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offenbar erhofft sich der Innenminister mit der Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse und mit der erweiterten Impressumspflicht mehr Transparenz, die für eine demokratische Willensbildung notwendig sei. Dem kann man im Grundsatz zustimmen; das will ich begründen. Die örtliche Tageszeitung gehört für viele von uns schon morgens beim Frühstück dazu. Gleiches gilt für die Lokalsender. Die Medien berichten, kommentieren und informieren; jedenfalls sollten sie das tun. Sie sind in jedem Fall einflussreich. Nicht von ungefähr werden die Medien in der modernen Demokratie als vierte Gewalt bezeichnet. Umso wichtiger ist es, dass Medien politisch fair sind. Nur aufgrund einer neutralen und überparteilichen Berichterstattung können sich die Bürgerinnen und Bürger ihre eigene Meinung bilden.

Ich frage mich aber, ob die Medienmacht der SPD diesen fairen Wettbewerb und die Unabhängigkeit nicht doch ein Stück in Gefahr bringt. Über die Me

dienholding DDVG hält die SPD immerhin Anteile an über 60 Printmedien, unter anderem an mehr als 30 Tageszeitungen, an vielen Anzeigenblättern und fünf Magazinen sowie am „Vorwärts“. Diese Zeitungen haben eine Gesamtauflage von 8 Millionen Exemplaren und erreichen 16 Millionen Leser. Darüber hinaus hat die Partei Beteiligungen an drei TVProduktionsgesellschaften und an fast 20 Radiosendern mit über 7,5 Millionen Hörern. Fazit: Die SPD ist also ein regelrechter Medienkonzern. Dabei sollen die Medien als vierte Gewalt die Parteien doch eigentlich kontrollieren und nicht umgekehrt.

Nicht genug damit. Die Medienbeteiligungen zahlen sich für die SPD auch finanziell aus, was ich persönlich in einem marktwirtschaftlichen System nicht für vorwerfbar halte. Ich will aber feststellen, dass fast 10 Millionen € in die Kassen der Sozialdemokraten - und damit natürlich auch in den Wahlkampf - flossen. Deswegen ist die Union der Auffassung: Insbesondere für Zeitungen sollte dasselbe gelten wie für Lebensmittel. Es muss drauf stehen, was drin ist.

(Beifall bei der CDU)

Da hilft Ihre erweiterte Impressumspflicht auch nicht annähernd, denn natürlich weiß jeder, wer Springer, Burda und die landläufigen Verlage sind. Wer aber kennt DDVG? Wer weiß, wer oder was Madsack ist? Das Problem ist, dass mit Ihrer Impressumspflicht zwar Begriffe offen gelegt werden, die Inhalte jedoch nicht deutlich werden. Das mögen die Politiker wissen. Der normale Bürger weiß es nicht. Ich bin der Auffassung, dass der Bundeskanzler auch deshalb der Aufforderung des Journalistenverbandes noch nicht nachgekommen ist, angesichts der Konzentration auf dem Zeitungsmarkt die Besitzverhältnisse für die Leser transparenter zu machen. Herr Minister, deshalb glaube ich, dass der heutige Gesetzentwurf, den ich nicht in Bausch und Bogen kritisieren will und der sich an dem bayerischen Beispiel orientiert, ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein Weg zu mehr Transparenz ist.

Ich habe die Verhältnisse erwähnt, da wir als Politiker und Demokraten schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus die Fragen klären müssen, ob Medienbeteiligungen von Parteien überhaupt demokratisch sind und inwieweit dadurch die Pressefreiheit gefährdet beziehungsweise eingeschränkt wird. Einen guten Vorschlag für noch mehr Transparenz hat der bayerische Kollege von Redwitz gemacht. Er schlägt vor, dass mittelbare Medienbeteiligungen von Parteien explizit mit dem Namen der Partei im Impressum erscheinen müssten, weil Parteien im demokratischen Meinungsbildungsprozess eine besondere Rolle spie

(Martin Kayenburg)

len. Darüber sollten wir im Ausschuss miteinander diskutieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das gilt auch für die Frage, warum Sie mit Ihrem Gesetzentwurf keine Gesamtlösung beispielsweise entsprechend dem saarländischen Mediengesetz anstreben. Dann hätten wir nämlich die Chance gehabt, auch die anderen Medien zu berücksichtigen und den technischen Fortschritt einfließen zu lassen. Ich denke, auch dies kann ein Thema für den Ausschuss sein.

Dass an der einen oder anderen Stelle allerdings auch oberflächlich gearbeitet wurde, zeigt sich für mich an den persönlichen Anforderungen an den verantwortlichen Redakteur. Offenbar haben Sie vergessen, die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre anzugleichen. Dort heißt es nämlich wörtlich unter drittens: Als verantwortlicher Redakteur kann nicht tätig sein und beschäftigt werden, wer das 21. Lebensjahr nicht vollendet hat. Anscheinend haben Sie diesen Passus von 1964 ohne jegliche Prüfung übernommen. Damals lag die Volljährigkeit nämlich noch bei 21 Jahren.

Herr Minister, sollte das beabsichtigt gewesen sein, dann würde mich das allerdings sehr wundern;

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er will die Schü- lerzeitungen kaputtmachen!)

denn bisher galten ja eher wir als die Konservativen. Meine Forderung, die Altersgrenze an dieser Stelle herabzusetzen, wäre dann geradezu revolutionär. Auch dies sollten wir im Ausschuss beraten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Böhrk das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Ich möchte mich auf zwei Punkte des Landespressegesetzes konzentrieren, und zwar auf die Impressumspflicht und auf die Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse.

Bezüglich der erweiterten Impressumspflicht wird mit dem Gesetz auf eine Entwicklung reagiert, die viele noch gar nicht richtig mitbekommen haben, dass nämlich immer mehr Zeitungen ganze Rubriken und Seiten extern, also von fremden Zeitungen oder Mediendienstleistern, aufkaufen, um eigene Redaktionskapazitäten einzusparen.

Inzwischen wird zum Beispiel die Medienseite der „Kieler Nachrichten“ nicht mehr selbst gemacht. Bei anderen Zeitungen wird darüber nachgedacht, ob zum Beispiel die Bunte Seite komplett übernommen werden kann. Die dpa und andere Mediendienstleister bereiten sich darauf vor, ganze Zeitungsseiten, ja, fast vollständige Zeitungen, anzubieten. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Hier geht publizistische Vielfalt Stück für Stück verloren.

Natürlich gab es in der Vergangenheit bereits eine ähnliche Entwicklung. Dies geschah allerdings in einem viel geringeren Umfang. Ich denke an die so genannten Maternseiten. Dies bezog sich im Wesentlichen aber eher auf kleinere Zeitungen. Der wirtschaftliche Druck, dem die Verlage ausgesetzt sind, ist groß. Ich denke zum Beispiel an die eingebrochenen Anzeigenmärkte: Die Stellenmärkte, der Automarkt und viele Kleinanzeigen sind zum Teil fast vollständig in das Internet abgewandert und kommen auch nicht wieder.

Man reagiert darauf, indem der Kultur- oder Medienredakteur abgeschafft und die Fachredaktionen ausgedünnt werden. Damit verändert sich auch das Berufsbild des Redakteurs. Gefragt ist eben nicht mehr ausschließlich oder überwiegend der Spezialist und Sachkenner, sondern im Zweifel die Eier legende Wollmilchsau, nämlich derjenige, der flexibel in allen Sparten einsetzbar ist und der jede Seite zusammenschustern kann. Dieser hat aber von nichts eine richtige Ahnung.

Hier werden die Pressevielfalt und die publizistische Vielfalt bedroht. Natürlich kann die erweiterte Impressumspflicht diese Entwicklung nicht abbremsen. Sie ermöglicht es aber, dass die Menschen ein Stück genauer wissen, wer verantwortlich ist. Das Impressum muss aber gefunden werden können. Vielleicht sollten wir uns einmal darüber unterhalten, ob es auch eine Vorschrift geben sollte, in der steht, wo das Impressum jeweils zu finden sein muss. Mitunter sucht man sich wirklich tot. Das Impressum muss redaktionelle Abhängigkeitsverhältnisse deutlich machen. Jeder, der will, muss erfahren können, ob er sein Regionalblatt oder bundesdeutsche Fertigware liest.

Nun komme ich zur Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse. Herr Kayenburg, ich finde es sehr komisch, dass Sie ein Thema, welches eigentlich schon längst in der Mottenkiste verschwunden ist, wieder ausbuddeln.

Als die CDU Probleme mit der Parteispendenaffäre hatte, hat sie nach einem Thema für einen Gegenangriff gesucht. Sie suchte in den Medienbeteiligungen der SPD. Einige Journalisten haben davon gespro

(Gisela Böhrk)

chen - dem schließe ich mich an -, dass es quasi eine späte Rache an „Enteignet Springer“ war. Sie malen die SPD als Medienmogul an die Wand, der seine publizistische Macht heimlich über Deutschland ausbreitet.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch richtig!)

- Es fehlte nur noch, dass Sie das aufgegriffen hätten, was ein CDU-Mediensprecher gesagt hat. Er verstieg sich nämlich zu der Vision einer „Berlusconisierung“ der Zeitungslandschaft von links.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ich weiß, wo ich aufhöre!)

Ich finde das wirklich peinlich. Die SPD hält über die DDVG Anteile in Höhe von 1,9 % der veröffentlichten Zeitungen. Dies sind Minderheitsanteile. Allein die „Bild“-Zeitung hat einen Marktanteil von 17 %. Der Kanzler zeigt immer wieder, dass es für ihn mehr Sinn macht, sich darüber zu artikulieren, als über die „Frankenpost“ oder die „Peiner Allgemeine Zeitung“, die beide von der DDVG mit besessen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es würde wirklich Sinn machen, hier im Landtag und auch im Ausschuss über die Qualität von Journalismus unter veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu debattieren. Dies gilt aber nicht für Popanze. Wir Politiker müssen mit der Entwicklung leben, dass auch die Zeitungen immer mehr dazu neigen, auf die zünftige Überschrift, die schnelle Vermarktung und Effekthascherei aus zu sein, damit die Aufmerksamkeit des Konsumenten, also des Lesers, gefesselt wird und er sich diese Berichte anschauen will.

Wir Politiker und auch die Journalisten sind Täter und Opfer in einem Veränderungsprozess,

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie sind mehr Täter!)

in dem gar nicht mehr genügend Zeit für Aufklärung bleibt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Täter?)

- Ja, auch Täter, Herr Kubicki, Sie müssten darüber besonders gut Bescheid wissen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Würden Sie das freundlicherweise mal erläutern? Ich verste- he das nicht!)

- Ich will es Ihnen gern erläutern und mache es Ihnen anhand eines Zitats von Günter Gaus klar, der unter

der provozierenden Überschrift „Warum ich kein Demokrat mehr bin“ Folgendes gesagt hat:

„Das Funktionieren einer Demokratie aber gründet sich auf die Bereitschaft des Souveräns, sich gelegentlich beim Gewinnen von Einsichten in das politische Tun und Lassen und dessen Konsequenzen anzustrengen. Schneller als gedacht wird die Verflachung der Politik in den Massenmedien ein bisschen amüsieren, schließlich langweilen und abstumpfen - und in jedem Falle das gleiche und allgemeine Wahlrecht aushöhlen. … Wie einst das Drei-Klassen-Wahlrecht bestimmte Interessen begünstigte, so wird die Wahlausübung des bei Laune gehaltenen Fernsehpublikums“

- darauf bezieht er sich im Wesentlichen -

„interessengesteuert sein von gesellschaftlichen Gruppen, die selber wenig fernsehen.“