Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Aber es hat sich auch ein anderes Problem entwickelt, das mindestens genauso viel Beachtung verdient wie der Einfluss staatlicher Macht auf die Medien. Medienmacht ist bei Menschen konzentriert, die nicht unbedingt ein politisches, mit Sicherheit jedoch ein ökonomisches Interesse haben. Auch dieses Phänomen ist nichts Neues.

Ferdinand Lassalle schrieb schon 1863 in einem Anfall gegen die Kommerzialisierung der Presse:

„Wenn jemand Geld verdienen will, so mag er Cotton fabrizieren oder Tuche oder an der Börse spielen. Aber dass man um schnödes Gewinstes willen alle Brunnen des Volksgeistes vergifte und dem Volke den geistigen Tod täglich aus tausend Röhren kredenze, es ist das höchste Verbrechen, das ich fassen kann.“

(Beifall bei der SPD)

Heute haben wir zwar ein anderes Bild von der Pluralität privater Unternehmen in der Medienlandschaft, aber wir leben in einer Mediengesellschaft, die Lassalle vermutlich in den Selbstmord getrieben hätte.

Trotzdem gilt es heute umso mehr, aufmerksam die Einflüsse zu beachten, die die Medienlandschaft prägen. Die wirtschaftliche Konkurrenz ist enorm. Die Interessenlagen sind verworren. Und die aufklärerischen journalistischen Ideale eines von Kleist oder eines Lassalle lassen sich in vielen privaten Medien nicht einmal mehr ansatzweise erkennen.

(Silke Hinrichsen)

Ich finde, es ist eine bedenkliche Entwicklung, dass es mittlerweile schon möglich ist, in nahezu allen Printmedien fremdproduzierte Nachrichten und Berichte unterzubringen, ohne dass diese gekennzeichnet oder erkennbar wären. Es ist das Mindeste, dass solche Zeitungen, die regelmäßig ganze Seiten von Dritten beziehen, dies kenntlich machen müssen.

Angesichts der Tatsache, dass Schleswig-Holstein dies erst als vorletztes Bundesland in sein Presserecht einführt, muss man auch sagen: Endlich. Ob das dann wirklich ausreichend ist, können wir an anderer Stelle diskutieren.

Ich nenne noch das Problem, zu dem vorhin Kollege Kubicki etwas ausgeführt hat: Was sind geringfügige redaktionelle Änderungen? Und von wem stammt ein so geänderter Bericht letztlich?

Ebenso richtig und wichtig ist, dass die Zeitungen und Zeitschriften zukünftig im Impressum veröffentlichen müssen, welche Inhaber und Beteiligungen hinter dem Medium stehen. Die starke Konzentration, die auf diesem Markt stattgefunden hat und gegenwärtig noch stattfindet, stellt nach unserer Ansicht eine Bedrohung der Vielfalt von Meinungen und Themen dar. Deshalb ist es notwendig, dass solche Verflechtungen öffentlich gemacht werden, um auf mögliche Interessenlagen eines Presseorgans hinzuweisen.

Auch hier hat Schleswig-Holstein nach Bekunden der Landesregierung einen im Ländervergleich eher moderaten Weg gewählt. Auch hier gilt: Das ist wohl das Mindeste.

Diese und die anderen Regelungen des Gesetzentwurfs stellen eine Verbesserung dar. Wir werden im Ausschuss aber sicherlich noch weiter darüber diskutieren, welche Auswirkungen sie haben werden. Viele Probleme sind ja eben genannt worden. Jedenfalls freue ich mich auf eine hoffentlich konstruktive Ausschussberatung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag gemäß § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es sind zwei Bemerkungen gefallen, auf die einzugehen sich lohnt.

Frau Böhrk hat das Thema der mengenmäßigen Anteilsverhältnisse angesprochen. Ich glaube, es ist weniger ein Problem, dabei die bundesweite Statistik zu Rate zu ziehen. Denn hier geht es um die tatsächliche Monopolsituation, die in einer Region besteht. Hier liegt eine Schwierigkeit, die wir zu diskutieren haben.

Bundesweit mag der statistische Wert bei nur 3 % liegen. Aber wenn man in einem bestimmten Einzugsbereich praktisch eine Monopolsituation hat, dann liegt hier das eigentliche Problem mit Blick auf die Pressefreiheit.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Ach, wissen Sie, bleiben Sie in Lübeck und bei der Sozialpolitik und lassen Sie hierzu andere sprechen! Hier geht es um das Thema, in welchem regionalen Einzugsbereich man welche Monopolsituation mit welchen Anteilen hat. Diese Diskussion gilt für alle Bereiche. Es geht nicht um die Frage, wie man mengenmäßig bundesweit organisiert ist. Man muss es auf den Einzugsbereich beziehen.

(Widerspruch des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Wolfgang, wir haben Regionen, in denen bestimmte Verlage heute bei 70 oder 80 % stehen. Als Beispiele nenne ich Leipzig und Verlage im Norden. Da gibt es Monopolsituationen; das kann man nicht bestreiten.

Meine zweite Bemerkung mache ich zu dem Verhältnis von Abhängigkeit und Macht; das richtet sich an Wolfgang Kubicki. Mein Eindruck ist, dass wir ein inneres Problem zwischen Journalisten und Politikern haben. Nach meiner Beobachtung und Erfahrung sind es eigentlich weniger die Verlagsspitzen oder die Verleger, die sich einmischen. Heute sind die tatsächlichen Macher in den Redaktionen diejenigen, die an den Mikrofonen das Sagen haben. Das verengt sich manchmal auf ganz wenige Meinungsbildner, die in einem Land selber die Meinung machen können. Diese Situation ist tatsächlich vorhanden. Wir müssen uns damit auseinander setzen.

Wenn man in einem Land nur ganz wenige, monopolausgerichtete Konzernbereiche hat und sich die tatsächliche Meinungsbildung auf wenige reduziert, dann stellt sich die Frage, wer wirklich etwas zu sagen hat.

Darüber hinaus haben wir heute eine Situation, in der häufig Themen nicht vorhanden sind, sondern gemacht werden. Der Journalismus lebt heute davon, dass man die Informationen vom nächsten Tag hat. Häufig gibt es aber gar keine Probleme. Aber am nächsten Tag muss auf der Zeitungsseite ordentlich

(Werner Kalinka)

etwas stehen. Deswegen werden heute häufig Themen gemacht, obwohl sie gar nicht da sind.

An diesem Zustand - das soll die letzte Bemerkung sein - sind natürlich beide Seiten, also auch die Politiker, schuld. Wir haben eine Abhängigkeit zwischen Politik und Journalismus. Sie definiert sich in eigenen Spielregeln. Da ist zu überlegen, was unter welchem Abschnitt gesagt wird. Viele haben ein Herrschaftswissen. Dessen Grundlagen reichen ein Stück zurück. Wer sich aber im richtigen Augenblick outet, läuft keine Gefahr, nachher deshalb angegriffen zu werden.

Diese Frage der eigenen Spielregeln in dem Verhältnis zwischen Politik und Journalismus ist das eigentliche Problem der Abhängigkeit, die heute bei den Medien besteht.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Um 15 Uhr fahren wir mit Tagesordnungspunkt 20 fort. Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:07 bis 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Nachmittagssitzung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen Antrag der Fraktion CDU Drucksache 15/2833

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/2851

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schwarz.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: In Vertretung von Frau Eisenberg!)

Frau Präsidentin! Liebe treue Kolleginnen und Kollegen, die Sie hier sind!

(Beifall)

Frau Fröhlich hat es eben schon gesagt: Ich rede für Frau Eisenberg, deren Tochter heiratet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht sein, dass wieder einmal am Parlament vorbei schleichend Fakten geschaffen werden, die dieses Mal im Bereich der Berufsschulen zu einer strukturellen Veränderung der beruflichen Bildung im Land führen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielm- crone [SPD])

- Lieber Ulf, es wird gleich wieder nett. - Der Entwurf eines Konzeptes zur vermehrten Einrichtung von Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen, der dem Finanzausschuss im März 2003 vorgelegt wurde, verstärkt diese Vermutung und veranlasst uns, die CDU-Landtagsfraktion, dieses Thema heute zum Thema im Landtag zu machen. Selbstverständlich sind wir der Auffassung, dass die Ressourcen gerade im Bildungsbereich sachgerecht und effizient eingesetzt werden müssen.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave: Aber!)

- Nicht aber! - Wir sind auch der Auffassung, dass zu kleine Fachklassen diesem Ziel widersprechen. Allerdings sind nicht nur ökonomische Kriterien anzulegen, sondern auch die bildungspolitischen und die wirtschaftlichen Fragen für die jeweilige Region müssen bedacht werden.

Wenn Fachklassen in Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen konzentriert werden, steht zu befürchten, dass das bisherige gemeinsame Ziel der wohnortnahen Beschulung im schulischen Teil der Berufsausbildung über Bord geworfen wird, wie es sich bereits jetzt bei der Konzentration der Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen zeigt. Eine besondere Konzentration findet in Lübeck und in Kiel statt. Diese Entwicklung vernachlässigt bereits jetzt die strukturschwachen Regionen. Man muss befürchten, dass diese Entwicklung durch die Absicht der Landesregierung, vermehrt Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen einzurichten, verstärkt wird - zum Nachteil der strukturschwachen Regionen.