Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Zehntens. Die Regelungen über das barrierefreie Bauen sind im Wesentlichen zusammengefasst worden. Das Niveau des barrierefreien Bauens ist beibehalten worden.

Namentlich die Fortentwicklung der Verfahren, die Minderung der Verfahrensvorschriftendichte sowie die Erweiterung der verfahrensfreien Vorhaben mit der Klarstellung der Verantwortung der am Bau Beteiligten fanden im Innen- und Rechtsausschuss breite Zustimmung. Insofern hat die Landesregierung aus meiner Sicht das Erforderliche getan. Ich freue mich, dass dieses Gesetz von der großen Mehrheit im Landtag beschlossen wird. Aufgabe des Innenministeriums ist es dann, die notwendigen Verordnungen schnell umzusetzen. Dafür ist schon entsprechende Vorarbeit geleistet worden.

Letzte Bemerkung, was das Thema Rauchwarnmelder betrifft. Man sollte sich einfach einmal mit den Wohnungsbaugesellschaften unterhalten. Wenn eine Wohnungsbaugesellschaft 7.000 Wohnungen hat, kann man sich ungefähr vorstellen, wie viele Rauchwarnmelder dort angeschafft werden - immer

von dem Grundsatz ausgehend, dass pro Wohnung mehr als ein Rauchwarnmelder angeschafft werden muss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Innenminister - auch für die Punktlandung, was die Redezeit angeht. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich lasse über den Gesetzentwurf Drucksache 16/ 1675 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ablehnungen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Fraktion der FDP in der Fassung der Drucksache 16/2334 angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Mehr Verbraucherschutz beim Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2344

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 2004 - nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - ist Versandhandel mit Arzneimitteln möglich, wenn dieser von einer öffentlichen Apotheke aus erfolgt. Zu neuen Vertriebsformen hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein Bestell- und Abholservice für apothekenpflichtige Arzneimittel in Drogeriemärkten in Zusammenarbeit mit einer Apotheke, die Versandhandel mit Arzneimitteln betreibt, zulässig ist. Auch bei weiteren Vertriebsformen, die sich aus dem Versandhandel entwickeln, ist die versendende Apotheke für die Beratung des Kunden und die korrekte Auslieferung verantwortlich. Das hört sich gut, ist aber in der Praxis schwer umsetzbar.

(Minister Lothar Hay)

Dazu kommt, dass durch ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2008 höchstrichterlich entschieden wurde, dass Versandapotheken aus dem EU-Ausland für das Sammeln von Rezepten und die Aushändigung der bestellten Arzneimittel an Patientinnen und Patienten die Dienste von Gewerbetreibenden, zum Beispiel Drogeriemärkten, Videotheken, Tankstellen und so weiter, in Anspruch nehmen dürfen. Dies bedeutet faktisch eine Ausweitung des Versandhandels mit Arzneimitteln, deren Umfang gegenwärtig überhaupt noch nicht absehbar ist.

Die Freistaaten Sachsen und Bayern haben am 1. August 2008 einen Bundesratsantrag, nämlich den Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das europarechtlich gebotene Maß, eingebracht, was bedeutet, den Versandhandel gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003 mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Über diesen Antrag, der auch die Unterstützung meiner Fraktion findet, soll noch - das habe ich läuten hören - vor Weihnachten entschieden werden. Unabhängig von dieser ausstehenden Entscheidung ist es jedoch für uns wichtig, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch jegliche Vertriebsform denselben Qualitätssicherungsstandards unterworfen wird wie die Abgabe über die Präsenzapotheken. Eine qualifizierte Beratung und Betreuung bei jeder Form der Abgabe von Arzneimitteln muss gewährleistet sein.

Das Internet ist Einfallstor für Arzneimittelfälschungen. Wer einmal einen Blick auf die Informationsseite des Bundesgesundheitsministeriums wirft, wird mit den Warnungen vor möglichen Arzneimittelfälschungen und unseriösen Anbietern konfrontiert. Wir dürfen die Beratungskompetenz der Apotheker nicht den Geschäftemachern überlassen.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Arzneimittelvertrieb ist Vertrauenssache und muss es auch bleiben, und zwar auch für den Personenkreis, der nicht in der Lage ist, alles zu hinterfragen und unseriöse Angebote von seriösen zu unterscheiden. Während die Apotheker weiterhin an die umfassenden Anforderungen der Apothekenverordnung gebunden sind - zum Beispiel Vorhaltung von Laboren, Räumlichkeiten für den Nachtdienst, Mindestgröße der Betriebsräume -, sollen diese für Pick-up-Stationen offenbar nicht gelten; eine sachund fachgerechte Lagerung wäre dort gefährdet. Dies hätte - und da schließe ich mich dem CDU

Bundestagskollegen Dr. Wolf Bauer an - eine ungerechtfertigte und verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Präsenzapotheken zur Folge.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen es nicht zulassen, dass durch die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über Pick-upStationen bei Drogeriemärkten, Tankstellen et cetera die besondere Ware Arzneimittel Konsumgütern wie Rasierschaum oder Reinigungsmitteln gleichgestellt wird.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Damit wird in den Augen der Verbraucher insbesondere der Gebrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel verharmlost.

Ein Dorn im Auge sind mir die Bonuspunkte beim Kauf von Arzneimitteln. Wer hier von Kundenbindung als Mittel zum Zweck spricht, darf nicht außer Acht lassen, dass alle auf Rezept erworbenen Arzneimittel zulasten der Solidargemeinschaft gehen und gewährte Vergünstigungen an Einzelne daher nicht gerechtfertigt sind. Außerdem verleitet diese Vorgehensweise dazu, mehr Arzneimittel als nötig zu verbrauchen. Bereits in den ersten neun Monaten des Jahres ist der Arzneimittelverbrauch um 8 % höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Mit unserem Antrag fordern wir mehr Verbraucherschutz. Ein großer Teil der Verbraucher hat bei der Beschaffung von Arzneimitteln in erster Linie die Kostenersparnis im Auge. Wir müssen allerdings auch denen gerecht werden, die auf eine kompetente Beratung angewiesen sind. Qualitätssicherung zum Schutz der Verbraucher muss an erster Stelle stehen. Dafür sollten wir uns über die Ministerin im Bundesrat einsetzen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen. Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Jutta Schümann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 2003 wurde der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ausdrücklich erlaubt und gesetzlich geregelt. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es - ich zitiere -:

(Ursula Sassen)

„Die Ermöglichung des Versandhandels und des elektronischen Handels auch mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln trägt der geänderten Situation im Gesundheitswesen Rechnung. In zunehmendem Maße bestellen deutsche Bürgerinnen und Bürger über Internet sowohl verschreibungspflichtige als auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Ausland. Der Arzneimittelhandel ist nicht geregelt und nicht überwacht, weshalb der Verbraucher dabei ein unkalkulierbares Risiko eingeht. Diese Änderung des Arzneimittelgesetzes dient somit dem Verbraucherschutz, da der Verbraucher durch einen geregelten, kontrollierten und überwachten Versandhandel einschließlich des elektronischen Handels mit Arzneimitteln besser als bisher geschützt werden kann.“

Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt, dass die gesetzliche Regelung zum Versandhandel entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers so ausgelegt wird, dass die Abgabe von Arzneimitteln über sogenannte Abholstellen zum Beispiel in Drogeriemärkten oder in Poststellen möglich ist. Nach bisher geltender Rechtslage ist es ebenfalls möglich, dass anstelle des Apothekers zukünftig zum Beispiel auch Kioskbetreiber oder Tankwarte unkontrolliert Rezepte einsammeln und die bestellten Arzneimittel ausgeben. Eine sachgemäße Behandlung und Lagerung ist damit nicht gewährleistet.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Abgabestellen zum Teil Gutscheine für ihren Geschäftsbetrieb ausstellen, wenn Patienten Arzneimittel über sie beziehen. Damit verschwindet nach meinem Dafürhalten das Bewusstsein und die Erkenntnis darüber, dass es sich bei Arzneimitteln um eine ganz spezielle Ware handelt, die mit Nebenwirkungen verbunden ist und bei der eine sorglose Ausweitung des Konsums auf jeden Fall verhindert werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Zwischenzeitlich warnt auch das Bundeskriminalamt davor, dass immer mehr illegale Arzneimittel in Europa in den Handel gelangen und im Internet teilweise minderwertige und wirkungslose Pillen oder solche mit falschem Wirkstoff angeboten werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Viagra!)

Ein Ausweg aus dieser Entwicklung kann nur eine eindeutige Präzisierung im Umgang mit und in der Ausgabe von Arzneimitteln sein. Nur eine fachlich

fundierte Beratung in der Apotheke schützt vor bedenklichen Pillen und Pulvern aus dem Netz.

Bisher haben wir ein langfristiges und bewährtes System der Arzneimittelversorgung mit Rund-umdie-Uhr- und Notfallservice durch öffentliche Apotheken vor Ort. Ohne jetzt neue Möglichkeiten der Bestellung zum Beispiel über elektronische Verfahren und gleichermaßen auch einer Zustellung von Medikamenten zu unterbinden, muss es möglich sein, auch diese neue Form der Medikamentenversorgung sicher zu organisieren. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert, nachzubessern.

Die bereits bestehende Bundesratsinitiative zum Arzneimittelversand wird von uns vom Grundsatz her unterstützt. Dennoch möchten wir mit unserem Antrag deutlich machen, dass die Stellschrauben insbesondere an folgenden Punkten eindeutiger nachgezogen werden müssen:

Erstens. Wir fordern, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln durch jegliche Vertriebsformen, wie wir sie bisher haben oder wie sie möglicherweise entstehen können, denselben Qualitätssicherungsstandards unterworfen wird wie die Abgabe über die Präsenzapotheken.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Ursula Sassen [CDU])

Zweitens. Wir benötigen gesetzliche Klarstellungen aus Gründen der Arzneimittelsicherung, aber auch des Verbraucherschutzes, und damit geht es uns insbesondere um eine qualifizierte pharmazeutische Beratung und Betreuung bei jeder Form der Abgabe von Arzneimitteln. Diese soll auch im Rahmen des Versandhandels sichergestellt werden.

Ich weiß, es gibt auch aus Verbraucherschutzsicht immer wieder Kritik an Apotheken, die ihrer Beratungspflicht nicht in angemessener Weise nachkommen. Die Lösung kann allerdings nicht sein, die Apotheken zu übergehen und neue Strukturen zu schaffen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen die Apotheken in die Pflicht nehmen, angemessen zu beraten, auch im Sinn von Compliance.

Ein weiterer unverzichtbarer Bestandteil einer neuen gesetzlichen Regelung ist das Verbot einer gewerblichen Sammlung und Weiterleitung von Rezepten nach dem Motto: Hier steht eine Kiste, legen Sie mal Ihr Rezept hinein, und wir werden dann die Medikamente an Sie ausliefern. - Das ist absolut zu untersagen.

Ein dritter Punkt, der für uns notwendig ist, betrifft die Bekämpfung des illegalen Versandhandels und die Abwehr von Arzneimittelfälschungen. Dieses

(Jutta Schümann)

wollen wir zukünftig durch geeignete Qualitätssicherungssysteme unterbinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Apotheken in unserem Land sind Bestandteil der Gesundheitsversorgungsinfrastruktur. Sie haben eine wichtige Funktion im System. Sie können im Vorfeld beraten und Patienten begleiten. Sie haben auch bei der Versorgung chronisch Erkrankter und älterer Menschen eine wichtige Funktion. Das gilt besonders für den ländlichen Bereich, und wenn dort neue Dienstleistungsangebote zum Beispiel durch Onlinebestellungen oder auch Auslieferungen durch die Apotheken erfolgen, so darf das nicht zulasten einer kompetenten Beratung und Begleitung gehen.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Jutta Schümann. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bestimmte Zielgruppen freuen sich heute bestimmt über diese Initiative. Tatsache ist, dass der Versandhandel seit über vier Jahren zulässig ist. Das Nebeneinander verschiedener Betriebswege auf dem Arzneimittelmarkt ist Tatsache. Im Übrigen haben sich viele Apotheken genau auf diese Situation eingestellt. Sie besitzen eine Versandhandelserlaubnis, und ich empfehle Ihnen, sich einmal eine Apotheke anzuschauen, die ausschließlich oder überwiegend vom Versandhandel lebt. Sie geben apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege des Versandhandels ebenso wie rezeptpflichtige Arzneimittel ab.