Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Auch das Wohngeld wurde neu geregelt. Für bisherige Empfänger steigt der Betrag um durchschnittlich 60 %. Zudem werden die Heizkosten zukünftig mit in die Berechnung des Wohngeldes einbezogen. So werden 800.000 Haushalte im Bundesgebiet - darunter knapp 300.000 Rentnerhaushalte von den steigenden Wohnkosten massiv entlastet.

Ich möchte auch ein Rechenbeispiel nennen: Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern unter 14 Jahren, einer Warmmiete von circa 600 € und einem Bruttoeinkommen von circa 1.600 € im Monat wirken sowohl die neue Mindesteinkommensgrenze als auch das verbesserte Wohngeld. Hatte die Familie vorher 1.923 € zur Verfügung, so sind es nun ganz genau 2.057 €.

Bei aller Euphorie durch die Erhöhung der Sätze das will ich allerdings auch deutlich sagen - sind auch Kritikpunkte im Vollzug zu nennen, und die hat Frau Birk in ihren Ausführungen und in ihrem Antrag genannt. Wir sollten sie auch nicht beiseiteschieben, sondern die Hartz-IV-Reform nicht für abgeschlossen erklären, sondern weiterentwickeln und insbesondere darauf achten, wie es Kindern in unserer Gesellschaft geht.

Ich bin daher froh und dankbar, dass die Landesregierung hier bereits gehandelt hat und auch zukünf

(Angelika Birk)

tig handeln wird, unter anderem im Bereich des Kindergeldes.

Bereits im Mai des Jahres 2008 und zuletzt am vergangenen Freitag hat der Bundesrat auf Initiative unserer Landesregierung die Bundesregierung aufgefordert, das Familienleistungsgesetz entsprechend anzupassen, und diese unmissverständliche Positionierung begrüßt die CDU-Lantagsfraktion ausdrückllich.

Bis zu einer Klärung des kinderspezifischen Bedarfs in den Regelsätzen soll die Kindergelderhöhung von zehn beziehungsweise 16 € je Kind auch Familien mit SGB-II- und SGB-XII-Bezug im Ergebnis zugute kommen.

Das ist auch dringend notwendig, und ich glaube, da sind wir uns auch einig. Hintergrund ist unsere Forderung, den besonderen Bedarf von Kindern im Hinblick auf die Mittagsverpflegung und die Beschaffung von Lernmitteln neu zu berechnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie merken, hier geschieht bereits einiges. Hier sollen Menschen entlastet werden, die es auch dringend nötig haben. Durch die Initiative der Landesregierung bin ich davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind, sowohl Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger als auch Familien im Niedrigsteinkommensbereich zu entlasten.

Aber, Frau Birk, Sie haben recht mit Ihrem Antrag: Wir sind noch nicht am Ziel angelangt. Dieses Ziel lautet „Hilfe aus einer Hand“ und Bündelung der Maßnahmen, damit die Beantragung von Hilfe wirklich nicht zu einem Irrweg und zu einem langen bürokratischen Weg wird. Von daher schlagen wir vor, Ihren Antrag an den Ausschuss zu überweisen, dort weiterzuberaten und an dem eigentlichen Ziel, Hilfe aus einer Hand zu gewährleisten, weiter gemeinsam zu arbeiten.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Abgeordneten Geerdts und erteile nun das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut vorliegendem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden sicherzustellen, dass die ARGEn in Schleswig-Holstein die Antragsberechtigten

umfassend beraten. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern, dafür zu sorgen, dass die ARGEn an Antragsteller vor der möglichen Leistungsgewährung schon mal Geld auszahlen. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern zu klären, dass in begründeten Einzelfällen durch die ARGEn Ermessenspielräume genutzt werden, und so weiter.

Ich glaube, dass man da festhalten muss: Ja, wir alle sind dafür, dass Menschen umfassend und vernünftig beraten werden. Nur, das entscheiden nicht wir hier im Landtag. Ich finde, es ist schwierig, die Landesregierung aufzufordern, dies entsprechend umzusetzen. Aber es bleibt festzuhalten: Natürlich ist es schwierig, sich in diesem Dschungel von Antragstellungen und verschiedenen Ämtern zurechtzufinden. Aber sich in die Umsetzung, wie und mit welchen Ermessenspielräumen vor Ort entschieden wird, einzumischen, das geht nicht, meine ich. Darum ist es gut, dass dieser Antrag - das hat der Kollege Geerdts auch schon gesagt - noch weiter im Ausschuss beraten wird.

Ich finde es auch schwierig, wenn der Antrag suggeriert, dass wir entsprechend Einfluss auf die anderen Gebietskörperschaften nehmen können. Die Kommunen gewähren unabhängig davon auf freiwilliger Basis Betroffenen auch finanziellen Ausgleich in Notsituationen. Wenn wir hier festlegen wollten, wie die Kommunen bestimmte Rabatte oder Vergünstigungen zu ordnen haben, würden wir auch auf der falschen Baustelle arbeiten.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Von daher habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Antrag, den die Fraktion der Grünen heute vorgelegt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nach wie vor enttäuschend, dass die Kindergelderhöhung von zehn beziehungsweise 16 € nicht bei Familien im SGB-II-Bereich zum Tragen kommt. Der Einsatz der Landesregierung, eine Übergangslösung bei der Bundesregierung zu erreichen - Kollege Geerdts hat es angesprochen -, ist ebenso zu begrüßen wie der beharrliche Einsatz für einen eigenständigen kinderspezifischen Regelsatz. Der Einsatz der Sozialministerin hat unsere Unterstützung. Der Bundesrat hat diese Initiative am Freitag letzter Woche aufgegriffen. Das macht Hoffnung auf eine baldige sachgerechte Lösung zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern.

Wir wissen, dass die Situation von Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, auch stark davon abhängt, wie gut die ARGEn ihre Arbeit machen. Das

(Torsten Geerdts)

haben wir im Landtag schon oft erörtert. Wir sollten im Bund und ebenso auf Landesseite sicherstellen, dass die ARGEn alle Voraussetzungen wahrnehmen, um die Situation von Arbeitslosen zu verbessern.

Genau hier setzen die neuen Regelungen an, die am Freitag letzter Woche beschlossen worden sind. Die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat der Bundestag am 5. Dezember verabschiedet. Mit diesem Gesetz wird es zum Beispiel leichter, pragmatisch mit den Bedarfen von Arbeitslosen umzugehen. Ein gutes Beispiel ist das des Lagerarbeiters, dem empfohlen wird, in Schlips und Kragen zum Vorstellungsgespräch zu gehen. Er besitzt aber keinen Schlips und Kragen. Diesem Mann ist mit einer unbürokratischen Hilfe für Vorstellungsbekleidung gut geholfen. Genau so etwas ist nach dem neuen Gesetz möglich.

Oder denken Sie an den neuen Rechtsanspruch auf das Nachholen eines Hauptschulabschlusses. Das wäre konkrete Hilfe. Sie wird gerade denjenigen zugutekommen, die schon häufiger im Leben die Erfahrung gemacht haben zu scheitern. Auch für die Bildungsträger ist dieser Rechtsanspruch eine neue Herausforderung. Daher steht für uns nach wie vor im Mittelpunkt: Die Arbeitsvermittlung ist an erster Stelle zu sehen, bevor wir uns auf die anderen Bereiche mit der Arbeitsgesetzgebung konzentrieren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Weitere konkrete Hilfen kommen direkt den Familien zugute: Familien mit Kindern bekommen mehr Geld. Das Kindergeld wird erhöht. Und mit der Kombination aus Kinderzuschlag und Wohngeld werden rund 250.000 Kinder von dem Bezug von Arbeitslosengeld II unabhängig. Das Schulbedarfspaket in Höhe von 100 € pro Schuljahr ist auch eine richtige Entscheidung, wenngleich ich mir gewünscht hätte, dass es auch für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe gilt, denn wir wollen ja auch die Bildungsgerechtigkeit verbessern. Hier bleibt die Hoffnung auf die Bundesratssitzung am 19. Dezember. Für eine Korrektur dieser Entscheidung hat die Landesregierung, Herr Arbeitsminister, die volle Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion. Denn es bleibt dabei: Der Geldbeutel der Eltern darf nicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kind eine weiterführende Schule besucht oder nicht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das ist reale Politik, eine Politik, die unterstützt, wo Hilfe notwendig ist, die Chancen, auch zweite

Chancen, eröffnet und sich im Interesse der Betroffenen weiterentwickelt.

Ich freue mich darauf, dass wir dieses Thema noch einmal im Ausschuss behandeln, denn über soziale Gerechtigkeit kann man nicht oft genug sprechen. Nur eines ist noch besser: sie umzusetzen. Und genau das wird mit den neuen Gesetzen, die am 5. Dezember beschlossen worden sind, versucht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der 2005 im Zuge der Reformen zur Modernisierung des Arbeitsmarktes eingeführte Kinderzuschlag ist eine Familienleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz. Er wird Eltern gewährt, die zwar ihren eigenen Bedarf durch Erwerbseinkommen bestreiten können, aber nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um den Bedarf ihrer Kinder zu decken. Der Kindergeldzuschlag und das Wohngeld leisten natürlich deshalb einen Beitrag dazu, dass Armutsrisiko bei Familien mit Kindern zu minimieren. Die Nachfrage nach diesen Leistungen ist groß. Denn für die Familien ergibt sich eine ganze Reihe von Vorteilen. Sie werden als Gemeinschaft unabhängig vom Arbeitslosengeld II berücksichtigt. Das Einkommen für Familien im Niedriglohnbereich wird verbessert. Der Anreiz, Familieneinkommen selbst zu erzielen, bleibt erhalten und wird gegenüber den Beziehern von Leistungen nach SGB II sogar erhöht.

Genau das wird von den Familien mit eigenem Erwerbseinkommen als großer Vorteil wahrgenommen, nehmen sie doch eine Familienleistung in Anspruch und eben keine Bedürftigkeitsleistung. Dennoch wurden in der Vergangenheit die meisten Anträge auf einen Kinderzuschlag abgelehnt, insbesondere von den Eltern mit zu niedrigem Einkommen. Hauptgrund der Ablehnung sind die restriktiven und komplizierten Antrags- und Prüfungsanforderungen. Wer den Kinderzuschlag bekommen kann, scheint auf den ersten Blick einfach feststellbar zu sein: Eltern, die gerade so viel verdienen, dass sie ohne Kinder keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hätten.

(Wolfgang Baasch)

Tatsächlich sind aber komplizierte und komplexe Berechnungen notwendig. Zunächst muss bestimmt werden, ob ein Anspruch nach SGB II bestünde, wenn der betroffene Elternteil kinderlos wäre und deshalb zum Beispiel auch mit einer kleineren Wohnung auskommen könnte. Erst dann lassen sich Einkommensober- und -untergrenzen für den Kinderzuschlag ermitteln. Gleichzeitig sind verschiedene Behörden zuständig: die ARGE oder die Optionskommune für die Ansprüche nach dem SGB II, die Familienkasse der Arbeitsagentur für den Kinderzuschlag und die Wohngeldstelle der Kommunen für das Wohngeld. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das Gegenteil von Beratung aus einer Hand,

(Beifall bei der FDP)

und daran hat die seit Oktober 2008 geltende Neuregelung des Kinderzuschlages mit der Pauschalierung der Einkommensgrenzen, der Entfristung der Leistungen und der Absenkung der Anrechnungssätze bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit nichts geändert.

Frau Birk, sollte der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Antrag darauf abzielen, dass künftig die Antragstellung aus einer Hand möglich sein soll, dann wird das aus dem Antrag nicht wirklich deutlich. Denn mit einer Informationspflicht der ARGEn allein ist es nicht getan. Das haben Sie in Ihrem Redebeitrag auch selbst dargestellt. Es gibt zwar jetzt ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme des Kinderzuschlags und Leistungen der Grundsicherung, die Beratung führt aber ausschließlich die Familienkasse durch. Oder, Frau Birk, ist mit Ihrem Antrag die Gleichstellung der Bezieher von Kinderzuschlag und Wohngeld mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II gewollt?

Sie haben gesagt, die Gleichstellung wollten Sie nicht. Aber wenn man Ihren Antrag genau anschaut, könnte man darauf kommen, dass Sie darauf abzielen, eine Gleichstellung herbeizuführen. Dann aber geht die Forderung an der Zielsetzung des Kinderzuschlags und des Wohngelds komplett vorbei. Familien mit einem geringen Einkommen brauchen und wollen gar keine Gleichsetzung einzelner Familienleistungen mit Leistungen nach dem SGB II. Diese Familien brauchen eine unbürokratische Förderung und kein Sammelsurium komplizierter Einzelregelungen, die von unterschiedlichen öffentlichen Stellen bearbeitet werden.

Allein 18 % der Gesamtkosten für den Kinderzuschlag versickern derzeit in der Bürokratie. Inso

fern wäre es sinnvoll gewesen, bei der Neufassung des Kinderzuschlags Alternativen zu prüfen. Eine Alternative bestünde beispielsweise darin, die bestehende Mindesteinkommensgrenze nach unten flexibel zu öffnen und den Familien eine Wahlfreiheit einzuräumen. Eine weitere Maßnahme wäre es, Kindergeld und Kinderzuschlag zusammenzuführen und ab einem oberhalb der Bezugsgrenzen des SGB II liegenden elterlichen Einkommen bis zu einem Mindestkindergeld gleitend abzuschmelzen.

(Beifall bei der FDP)

Damit würde die Festlegung einer starren Höchsteinkommensgrenze überflüssig, und eine vom Existenzminimum unabhängige Förderung der Familien würde erreicht. Genau dies wünschen sich diese Familien auch. Ich denke, wenn wir in diesem Sinne im Ausschuss noch einmal darüber sprechen - nicht nur darüber, wie Ihre Vorschläge gemeint sind, sondern wenn wir auch diese Alternativen prüfen -, täten wir einem Großteil dieser Familien einen echten Gefallen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit will ich versuchen, mich kurz zu fassen,

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

insbesondere weil die Kollegin Birk bereits ganz deutlich gemacht hat, worin das Problem besteht. Es besteht nicht unbedingt darin, dass man einen Leistungsanspruch hat. Ich glaube, es liegt eher daran, dass man diese „Leistung aus einer Hand“ nicht bekommen kann, dass ein Kompetenzgewirr besteht, und zwar nicht nur innerhalb der jeweils zuständigen Behörde. Das Problem besteht insbesondere auch darin, dass die Leute, die einen Antrag stellen wollen, dies alles nicht durchschauen. Das ist ein Webfehler im Gesetz.

Damit sind wir wieder sehr schnell bei einer HartzIV-Kritik und ähnlichen Dingen. Darüber können wir uns auch fleißig streiten. Aber jetzt geht es darum, Strukturen zu schaffen, die es den Leuten erleichtern, Anträge zu stellen, die es ihnen erleichtern, die Leistungen, auf die sie einen Anspruch ha