Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

- Herr Garg, die FDP hat sich darüber aufgeregt, dass wir den Fehler begangen haben, Hedge-Fonds zuzulassen. Ich gebe zu, dass das ein Fehler war. Die Forderung der FDP war aber viel weitergehender. Die FDP hat viel mehr gefordert. Die FDP fordert eine Privatisierung von Rentenkassen. Die FDP fordert eine Privatisierung von Krankenkassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Unsinn!)

- Herr Kubicki, jetzt bin ich dran.

Stellen wir uns einmal vor, die Bundesrepublik wäre nach dem Modell der FDP konstituiert, und wir wären dann in die Krise geraten. Dann hätten wir die gleiche Situation wie in den USA, das Millionen Menschen ihre Renten verloren hätten. Dann hätten wir die Situation, dass Millionen Menschen ihre Krankenkassen verloren hätten, weil sie nicht mehr bezahlen können. Dann hätten wir die gleiche Situation wie in den USA. Das ist in Amerika jetzt der Fall, gucken Sie sich das an!

Herr Hentschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Garg?

Die kommt mir jetzt sehr gelegen. Bitte reden Sie deutlich, damit ich Sie höre.

Ich erteile Herrn Dr. Garg das Wort.

Herr Kollege Hentschel, da ich immer deutlich rede, bitte ich Sie, mir noch einmal die Passage aus meiner Rede in Erinnerung zu bringen, in der ich gegenüber einer Kollegin frauenfeindlich gewesen bin.

Ich schlage vor, dass wir das anhand des Protokolls kontrollieren, dann wird das deutlich. Ich kann nur darauf verweisen, dass selbst die Präsidentin Sie ermahnt hat. Das war nicht einmal ich. Vielleicht habe ich Sie auch falsch verstanden, Herr Dr. Garg.

Ich möchte noch auf einen Satz eingehen, den der Fraktionschef der größten Fraktion, Herr Dr. Wadephul, vorgetragen hat. Er sagte: Die Grünen wollen ein Konjunkturprogramm und glauben, es würde ausreichen, ein paar Peanuts und ein paar Windmühlen zu bauen. Das, was ich zitiert habe, stammt nicht einmal von den Grünen. Das, was ich zitiert habe, stammt von einem konservativen europäischen Think Pool mit Hans Tietmeyer und Roman Herzog an der Spitze. Das sind offensichtlich keine Grünen, sondern Konservative. Wenn sie fordern, wir sollten keine Peanuts, sondern in den nächsten 20 Jahren 300 Milliarden € in die regenerativen Energien sowie in den Ausbau der europäischen Netze investieren, damit die regenerativen Energien aus Wind, Wasser und Sonne sich innerhalb Europas ausgleichen könnten, dann sind diese Forderungen keine Peanuts. Herr Wadephul, Sie haben irgendetwas völlig missverstanden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht um die Kernfrage: Haben wir einerseits ein Klimaproblem und andererseits eine Finanzkrise? Haben wir an einer dritten Stelle eine Energiekrise? Ist es so, dass wir uns deshalb, weil wir jetzt eine Finanzkrise haben, darauf konzentrieren müssen und nichts zur Bewältigung des Klimaproblems tun? Oder ist es so, dass diese Krisen ursächlich miteinander zusammenhängen? Ist es vielleicht so, dass die Energiekrise mit den steigenden Energiepreisen ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Hausbesitzer in Amerika ihre Zinsen nicht mehr bezahlen konnten? Ist es vielleicht so, dass eine massive Investition in erneuerbare Energien dazu führt, dass wir die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen? Schaffen wir so die Arbeitsplätze, die wir in Zukunft brauchen? Können wir die Abhängigkeit von Öl, Kohle, Uran und Gas reduzieren? Für diese Energieformen geben wir in jedem Jahr viele Milliarden Euro aus. Können wir damit den Staatshaushalt besser stellen? Ist es vielleicht so, dass wir dann, wenn wir diese Dinge zusammen anpacken, auch noch etwas für das Klima tun? Ist es nicht vielleicht viel schlauer, die Probleme gerade in der jetzigen Krise insgesamt zu betrachten und auch in der Gesamtheit zu bekämpfen statt so zu tun, als seien dies Dinge, die man gegeneinander ausspielen müsste? - Herr Wadephul, ich kann Ihnen nur vorschlagen, darüber nachzudenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Karl-Martin Hentschel)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat nun Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort. Herr Dr. Garg hätte Ihnen nur eine Minute Redezeit gelassen. Das schien mir unzweckmäßig.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit vernimmt, wie hier im Parlament über eine der größten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg oder seit 1929 debattiert wird, dann glaube ich, dass die Menschen sich mir Erschrecken und mit Grausen abwenden würden. Sie würden dies tun, weil der geballte ökonomische Sachverstand, der sich hier breit macht, wirklich kein Vertrauen weckt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie eine Traditionspartei wie die SPD bei Meinungsumfragen auf einen Stimmenanteil von nur 22 % kommen kann. Ich kann nur sagen, das hat etwas mit Redebeiträgen wie denen von Herrn Dr. Stegner zu tun. Man kann nur sagen, er ist der Ypsilanti des Nordens. Machen Sie so weiter! Die Differenz von 6 % zwischen uns und Ihnen schaffen wir auch noch, wenn Sie so weiterreden. Einen größeren Gefallen können Sie uns nicht tun. Ich will Ihnen auch sagen, warum das so ist. Das ist so, weil es sich bei Ihnen und anderen aus der Sozialdemokratie um gespaltene Persönlichkeiten handeln muss.

(Zurufe von der SPD)

Darf ich das an einem konkreten Beispiel dokumentieren? - Herr Dr. Stegner saß bis März 2008 im Aufsichtsrat der HSH Nordbank. Anschließend erklärt er uns, er habe als Aufsichtsratmitglied von Gründungen auf den Cayman Islands nichts mitbekommen, das sei an ihm vorbeigelaufen. Von Steuersparmodellen, die die Bank anbiete, habe er nichts mitbekommen. Die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis erklärt uns und der deutschen Öffentlichkeit in einem Zeitungsinterview: Möglicherweise habe man das gewusst. Augenzwinkernd habe man diese Steuerspargeschichte auch in Kauf genommen. Die Finanzminister hätten aber jedes Mal darauf geachtet, dass das nicht zu doll wird. Der Finanzminister war Herr Dr. Ralf Stegner. Ich nenne noch ein interessantes Beispiel, das verdeutlicht, warum Sie in der Öffentlichkeit als ernst zu nehmender Gesprächspartner nicht mehr wahrgenommen werden können. Wir werden das selbstverständlich verstärken. Der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank, Herr Dr. Nonnenmacher, erklärt

uns das Folgende, die Sozialdemokraten sitzen im Saal, und Herr Astrup nickt als großer Weltökonom verständnisvoll.

(Zurufe von der SPD)

- Herr Dr. Stegner, mit Ihrer Ausbildung in Harvard kann ich nicht mithalten. Das will ich gar nicht erst versuchen.

(Holger Astrup [SPD]: Das merken wir doch!)

Er erklärt:

„Wenn die Bank keine Offshore-Gesellschaften mehr unterhalten dürfte, dann könnte sie ihr Geschäftsmodell nicht mehr aufrechterhalten, denn Investoren erwarteten aus Gründen der Rechtssicherheit die Gründung von Objektgesellschaften außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, weil sich das deutsche Steuerrecht permanent ändere.“

Kollege Astrup nickt. Ich finde das verständnisvoll. Sie stellen sich heute noch einmal ebenso wie der Bundesfinanzminister hier hin, der zu mir wahrscheinlich eine intensivere Beziehung pflegt als zu Ihnen - er wird wissen, warum - und sagen: Wir müssen Steueroasen weltweit trockenlegen. Der gleiche Sozialdemokrat, der nickt und sich freut, dass die HSH Nordbank in Steueroasen Geschäfte macht und sagt, dass dies zu ihrem Geschäftsmodell gehöre, sagt gleichzeitig, dass wir diese Oasen jetzt trockenlegen müssen. Wie glaubwürdig ist eine solche Politik eigentlich?

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin, zum Schluss nenne ich noch ein Argument im Zusammenhang mit den Grünen. Man kann von den Liberalen halten, was man will. Herr Kollege Hentschel, Sie haben eine bestimmte Vorstellung, und die Sozialdemokraten haben diese auch.

Herr Kollege, die drei Minuten sind um!

Ja, mein letzter Satz: Sie glauben auch, die Liberalen seien zu allem fähig, insbesondere dann, wenn man ihnen Posten anbietet. Dass wir so verkommen wären, gegen unsere Überzeugung einer Maßnahme zuzustimmen, nur um Sie zu ärgern, wäre für die Liberalen undenkbar. Das zeigt Ihre Beliebigkeit in Ihren moralischen Positionen.

(Beifall bei der FDP)

Der Herr Finanzminister hat erneut um das Wort gebeten. Nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung hat das zur Folge, dass für die Fraktionen neue Redezeiten entstehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Ausschussüberweisung beantragt worden ist. Nichts geht verloren, Sie können auch noch im Ausschuss diskutieren.

Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zu zwei Sachverhalten, die hier im Plenum eine Rolle gespielt haben, etwas zu ergänzen und klarzustellen. Es handelt sich hier um ein Programm des Bundes. Der Bund hat durch das Bundeskabinett vorgestern - vor zwei Tagen - den Entwurf des Gesetzes und den Entwurf der Verwaltungsvereinbarung gebilligt und ihn dem Bundestag zugeleitet, der morgen in erster Lesung darüber beraten wird, Herr Kollege Garg. Am 13. Februar erfolgen die zweite und die dritte Lesung. Der Bundesrat wird am 13. Februar im ersten Durchgang und am 20. Februar im zweiten Durchgang darüber beraten.

Wer sagt, wir seien in Schleswig-Holstein immer noch nicht fertig mit dem, was aus dem Programm im Land umgesetzt werden soll, dem sage ich, er verkennt immer noch die Zuständigkeiten. Der Bundestag wird möglicherweise an der einen oder anderen Stelle noch einige Änderungen vornehmen. Vielleicht wird auch der Bundesrat noch Änderungen vornehmen. Ich glaube, deshalb sind wir mit der vorhin geschilderten Geschwindigkeit gar nicht so schlecht davor. Dieses Programm wird innerhalb von vier Wochen umgesetzt. Das muss man für andere Dinge in dieser Dimension erst einmal umsetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich wollte noch einmal einen Dissens herausarbeiten, auf den der Kollege Stegner aufmerksam gemacht hat und den ich für sehr bedeutsam halte, weil er auch unsere Verhandlungen in der Föderalismuskommission berührt. Herr Kollege Stegner, hier geht es um die Frage, wie wir mit neuen Schulden und mit neuen Krediten umgehen, die dazu benutzt werden, einer Krise mit vorübergehenden Mitteln zu begegnen. Hier geht es beim Bund und bei den Ländern im Zusammenhang mit diesem

Programm möglicherweise um ein Investitionsvolumen in Höhe von 20 Milliarden €. Insgesamt reden wir über ein Volumen von 80 Milliarden €.

Da haben Sie, wie ich finde, einen Dissens herausgearbeitet, dem ich wirklich begegnen möchte, indem ich deutlich sage: Es kann nicht angehen, dass wir weiter wie in der Vergangenheit, wie in den letzten 40 Jahren, Jahr für Jahr für Jahr immer neue Schulden oben auf die vorhandenen draufpacken. Wir haben im vergangenen Jahr doppelt so viel für Zinsen ausgeben müssen, wie unser Haushaltsdefizit einschließlich Neuverschuldung ausmacht. Doppelt so viel! Das heißt, alles was wir immer neu oben draufpacken, wird uns künftig als Zinsen zusätzlich belasten und den Spielraum einengen.

Deshalb sage ich noch einmal, wie der Vorschlag von uns konkret aussieht. Er sieht - neben dem Altschuldentilgungsfonds, der definitiv innerhalb von 50 Jahren sämtliche staatlichen Schulden und staatlichen kommunalen Schulden tilgen soll - so aus, dass wir in Zeiten überdurchschnittlicher Steuereinnahmen das, was über dem Durchschnitt liegt, in Rücklagen einbringen, um uns in Zeiten, in denen wir unterdurchschnittliche Einnahmen haben, nicht weiter prozyklisch verhalten müssen. Das ist etwas ganz anderes und das Gegenteil dessen, was Sie hier dargestellt haben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn ich das jetzt einfach mal nicht an irgendwelchen hypothetischen Zahlen der Zukunft, sondern an konkreten Ist-Zahlen der Vergangenheit messe, dann stelle ich fest, dass wir in jedem Jahr von 1989 bis 2000 Steuereinnahmen gehabt haben, die oberhalb des durchschnittlichen Steuerzuwachses gelegen haben. Wenn immer das, was oberhalb des langfristigen Durchschnitts von 2,7 % Zuwachs gelegen hat - damit muss man auskommen -, Rücklagen zugeführt worden wäre, hätten wir in der Zeit der letzten Rezession 2001 bis 2005 hierfür keinen einzigen Cent zusätzliche neue Schulden aufnehmen müssen, weil wir sie aus der Rücklage hätten bedienen können. Das wird die Lösung sein, keine andere.

Ich sage das sehr deutlich, weil Sie gesagt haben, wir müssten diejenigen verantwortlich machen, die den Schaden angerichtet haben. Lassen Sie uns mit großer Sorgfalt über die Erkenntnisse aus der Vergangenheit reden, um sie in der Zukunft richtig umzusetzen. Wir sind jedenfalls in diesem Punkt nicht

(Wolfgang Kubicki)

auf dem Lösungsweg, den Sie hier aufgezeigt haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Finanzminister hat neue Redezeiten nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung eröffnet - viereinhalb Minuten. Ich habe eine Wortmeldung von Herrn Dr. Stegner. Mit Restredezeit haben Sie sechs Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte noch einmal zwei Punkte ansprechen. Das eine ist, dass ich Ihnen, Herr Wiegard, ausdrücklich zustimme. Wenn es so definiert ist, wie Sie das gerade gesagt haben, steht das überhaupt nicht im Widerspruch zu dem, was ich vorhin festgestellt habe. Ich sehe die Lösung in der Föderalismuskommission nur noch nicht, die in diese Richtung gehen soll. Ich sehe dafür weder eine Mehrheit, noch sehe ich im Augenblick eine Klärung, was das Thema Altschulden angeht, die für Schleswig-Holstein befriedigend wäre. Beides ist im Augenblick so nicht da. Ich weiß nicht, ob Sie Erwartungen haben, dass sich das nächste Woche ändert. Ich bin da skeptischer, ich höre da anderes, und dann werden wir hier nicht zustimmen können.

Ich habe mich zweitens zu Wort gemeldet, weil Herr Kollege Kubicki nach seiner alten Methode verfahren ist: Er sitzt zwar in der Regel als Verteidiger im Gerichtssaal, aber er betätigt sich hier immer gern als Ankläger, indem er Beschuldigungen erhebt, die er dann nicht belegt - nach dem Motto, es wird schon etwas hängen bleiben, wenn es nur schrill genug vorgetragen ist.

Herr Oppositionsführer, darf ich darauf aufmerksam machen, dass die weltweite Verflechtung der HSH Nordbank allen bekannt gewesen ist, übrigens selbst den Beiratsmitgliedern - wie Sie eines sind -, die da seit 1994 sitzen? Es ist vielleicht nicht immer allen bekannt gewesen, in welcher Anzahl, das hat auch niemand behauptet. Keine weltweiten Verflechtungen zu haben wäre übrigens auch unvernünftig, denn man wird nicht Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung, wenn man sich nur in Strande betätigt. Da muss man schon weltweit unterwegs sein, das ist wahr.

Aber die Behauptung aufzustellen - Sie haben das wiederholt getan -, dass es darüber Kenntnis gebe, dass jemand mit Schreiben, die an vermögende

Kunden wie Sie gerichtet waren, Geld an der Steuer vorbeigebracht hätte, ist eine Frechheit, die ich hier wirklich zurückweise. Wenn Sie solche Behauptungen aufstellen, dann belegen Sie sie bitte in Zukunft, anstatt sich hier hinzustellen und Leute zu beschimpfen, ohne einen Nachweis anzutreten. Übrigens hat sich auch Frau Simonis diesbezüglich so nicht geäußert.