Auch die Ämter bereiten im Einvernehmen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der amtsangehörigen Gemeinden die dortigen Beschlüsse lediglich vor, und sie führen die bei den amtsangehörigen Gemeinden verbleibenden Selbstverwaltungsaufgaben lediglich durch. Darüber hinaus können amtsangehörige Gemeinden ebenfalls durch souveränen Beschluss der Gemeindevertretung Selbstverwaltungsaufgaben auch auf das Amt übertragen. Wir teilen nicht die Kritik an der tatsächlich zunehmenden Ausnutzung dieser Möglichkeit zur Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter und sind auch insofern der Auffassung des Innenministers, dass es für die demokratische Legitimation von Amtsausschussentscheidungen in übertragenen Selbstverwaltungsangelegenheiten einer unmittelbaren Gremienwahl für die Ämter nicht bedarf.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD sowie Bei- fall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Günther Hildebrand [FDP])
Auch mittelbar zustande kommende kommunalpolitische Sach- und Personalentscheidungen sind demokratische Entscheidungen. Mittelbare, repräsentative Demokratie ist nicht qualitativ weniger wert als direkte unmittelbare Demokratie. Auch ausgehend vom Wahlvolk mehrfach vermittelte Entscheidungskompetenz bleibt essentiell demokratische Entscheidungskompetenz.
Repräsentative, parlamentarische Demokratie ist auf allen politischen Ebenen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wir brauchen und sollten das auch für unsere Amtsverwaltungen nicht ändern, weil die dort praktizierte Demokratie hervorragend funktioniert.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile das Wort für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank erst einmal, Herr Minister Hay, für die Deutlichkeit und für die Klarheit Ihrer Aussage. Ich habe festgestellt, dass in einigen Bereichen auf einmal von Ihrem Ministerium ganz andere Meinungen vertreten werden, als es zu früheren Zeiten der
Fall war. Ich erinnere hier an die Kreisgebietsreform, die Ihr Vorgänger noch unbedingt durchsetzen wollte. Ich erinnere an den Landesentwicklungsplan, der in seinen Grundfesten verändert wurde, im Gegensatz zu dem Entwurf von Herrn Dr. Stegner. Auch bei diesem Punkt, denke ich mir, hätte Herr Dr. Stegner sicherlich eine andere Rede vor diesem Haus gehalten.
Die Große Anfrage von den Grünen und vom SSW dient im Prinzip nur einem Ziel. Sie soll als Grundlage für eine Verfassungsklage herhalten, um künftig zu erreichen, dass die Vertreter der Amtsausschüsse unmittelbar demokratisch legitimiert werden, also direkt gewählt werden. Kurz gesagt: Künftig soll es auch auf Ämterebene Wahlen geben und ein Amt eine eigene Vertretung bekommen. Dies wollen Grüne und SSW im Weg einer Verfassungsklage erreichen. Als Rechtsstaatspartei können wir den inhaltlichen Gedanken grundsätzlich nachvollziehen. Wenn in Schleswig-Holstein ein verfassungswidriger Zustand dadurch erreicht wird, dass die Gemeinden hierzulande viele Entscheidungen über ihre Selbstverwaltungsaufgaben auf den Amtsausschuss verlagern, dieser aber nur mittelbar demokratisch legitimiert ist, muss die Übereinstimmung mit der Verfassung überprüft und gegebenenfalls wiederhergestellt werden.
Für die FDP stelle ich aber fest, dass wir die Einführung einer weiteren Vertretungsebene mit direkten Wahlen ablehnen.
Ein direkt gewählter Amtsausschuss würde logischerweise auch Kompetenzen und ein erweitertes Budgetrecht einfordern zulasten der amtsangehörigen Gemeinden. Wenn anscheinend Grüne und SSW über Wahlen auf Ämterebene nachdenken, dann müssen sie folgerichtig auch die Frage nach der Existenzberichtigung der kleinen Gemeinden stellen und die Einführung von Großgemeinden analog der heutigen Ämter fordern.
Das wäre konsequent, wenn sie das machen wollen; die Grünen wollen das in der Konsequenz aber nicht.
Meine Damen und Herren, nach unserem Verständnis hat sich das Modell der Ämter als Schreibstuben der Gemeinden, wie man so schön sagt, grundsätzlich bewährt. Daran ändert auch die Antwort der Landesregierung nichts. Aber ich möchte schon
Ich kann sehr gut verstehen, dass Grüne und SSW ziemlich erbost über die Qualität der Antworten sind. Es mag zwar sein, dass die Fragen, die ja einen komplexen Regelungsbereich betreffen, umfangreich und zeitaufwändig zu beantworten waren. Das entlässt die Landesregierung aber nicht aus ihrer Verpflichtung, dem Landtag, einer Fraktion oder sogar einzelnen Abgeordneten nach Artikel 23 der Landesverfassung unverzüglich und vollständig zu antworten. Hierzu ist die Landesregierung gegenüber dem Parlament verpflichtet. Sie muss sicherstellen, dass alle befragten Gemeinden vollständig auf die durch die Landesregierung versandten Fragebögen antworten, da auch sie nach den Regelungen der Gemeinde-, Kreis- und Amtsordnung der Landesregierung zur Auskunft verpflichtet sind.
Das Innenministerium ist nicht zuletzt auch Kommunalaufsichtsbehörde. Der Wissenschaftliche Dienst hat darauf ja auch schon einmal hingewiesen.
So, wie uns die Antwort vorliegt, ist sie nur begrenzt bis gar nicht für eine wirkliche Debatte über die Frage geeignet, ob die Aufgabenübertragungen von Gemeinden auf die Ämter noch den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Daran ändert nach unserer Auffassung auch die mit viel Fleiß und Mühe ausgearbeitete Zusammenfassung der Grünen nichts. Da ist das Problem, dass eine Auswertung einer bereits unzureichenden und unvollständigen Antwort eigentlich nicht geeignet sein kann, um belastbare Rückschlüsse ziehen zu können.
Meine Damen und Herren, auch die von den Grünen gefertigte Zusammenfassung belegt nicht, dass die Gemeinden heutzutage die Selbstverwaltungsaufgaben in einem Maß auf die Ämter übertragen würden, dass es den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1979 nicht mehr genügt. Dafür ist sie zu undifferenziert. Aber gerade die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt auf, dass sehr differenziert bei der Frage einer Aufgabenübertragung vorzugehen ist. Überträgt eine Gemeinde eine Selbstverwaltungsaufgabe nach § 3 der Amtsordnung auf das Amt, so dient das Amt als klassische Schreibstube der Gemeinde. Das Amt nimmt hier eine dienende und ausführende Funktion wahr, um Entscheidungen der Gremien
Um nur ein Beispiel zu nennen: Eine Gemeinde kann einem Amt sogar im Einzelnen vorschreiben, wie gemeindliche Satzungen auszulegen sind. In diesen Fällen bleiben nach der Bewertung des Bundesverfassungsgerichts die Aufgaben rechtlich in vollem Umfang in der Zuständigkeit der Gemeinden.
Anders verhält es sich bei einer Aufgabenübertragung nach § 5 der Amtsordnung. Das ist quasi eine Zweckverbandsregelung in der Amtsordnung. Wenn hier mehrere Gemeinden gemeinsam Aufgaben an das Amt übertragen, dann findet eine volle Kompetenzübertragung statt. Aber auch hier stellt das Bundesverfassungsgericht die Besonderheit fest, dass es sich weiterhin um Aufgaben der amtsangehörigen Gemeinden handelt, die lediglich von einer anderen Behörde und anderen Organen wahrgenommen werden, selbstverständlich rückholbar.
Hier entscheiden im Amtsausschuss aber nur die Mitglieder der Gemeinden, die gemeinsam diese Aufgabe an die Ämter übertragen haben. Sie sind mittelbar demokratisch legitimiert. Das heißt, es stimmen nicht die Mitglieder des Amtsausschusses mit, die diese Aufgabe nicht übertragen haben.
„Eine vollständige Übertragung der Selbstverwaltungsaufgaben ist nach diesen Vorschriften nicht möglich. Ob überhaupt eine Übertragung stattfindet, hängt allein vom Willen mehrerer amtsangehöriger Gemeinden und nicht von dem Amt ab.“
Im Kern haben sich diese Vorschriften nicht geändert, sodass es selbst bei einer Häufung von Aufgabenübertragungen fraglich ist, ob dies juristisch zu einem verfassungswidrigen Zustand führt. Wir haben hier ganz erhebliche Zweifel.
Lassen Sie mich als jemand, der bereits seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik ehrenamtlich tätig ist, noch etwas Grundsätzliches sagen. Diese Große Anfrage und besonders die von den Grünen vorgenommene Verquickung der Frage der Aufgabenübertragungen von Gemeinden auf Ämter mit der Frage der Repräsentanz der sogenannten kleinen Parteien in den Ämtergremien lässt nur einen Schluss zu: Es geht den Grünen eigentlich nicht nur
um die Frage der demokratischen Legitimation der Entscheidungsgremien, sondern es geht ihnen um eine Beteiligung an diesen Gremien. Bei mir hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Grünen in erster Linie ihre Machtbasis ausbauen wollen. Denn bei einer Direktwahl zu den Ämtergremien beziehungsweise dem Zusammenschluss von Amtsgemeinden zu einer Großgemeinde muss die dann zu wählende Vertretung dann natürlich eine entsprechende Größe haben, die es für Grüne, SSW, aber auch - ich gebe zu - für die FDP leichter macht, einen Sitz zu erringen, als bei den heute bestehenden faktischen Sperrklauseln in kleinen Gemeinden. Dort braucht man teilweise deutlich über 10 % der Stimmen für den ersten Sitz in der Gemeindevertretung.
Uns geht es um eine gute Verwaltung. Ich möchte hier einmal als ehrenamtlicher Bürgermeister eine Lanze für die kleinen Gemeinden und ihre Vertretungen brechen,
quasi als letzter Mohikaner, wie heute Morgen schon einmal gesagt wurde. Durch die heute im ländlichen Raum etablierte Ämterstruktur ist gesichert, dass auch die Interessen kleiner Gemeinden hinreichend berücksichtigt werden, die in einer Großgemeinde oder einer direkt gewählten Amtsvertretung von größeren und stärkeren Gemeinden dominiert werden würden. Darüber hinaus funktioniert Kommunalpolitik in kleinen Gemeinden weniger nach Parteiproporz beziehungsweise Parteiräson.
Wie auch der Bericht ausführt, gibt es in vielen kleinen Gemeinden nur Wählergemeinschaften. Da muss ich sagen: Wo es nur eine Wählergemeinschaft gibt, könnte die Wahl - das muss ich mal einschieben - eigentlich entfallen. Wenn eine Wählergemeinschaft ihre Liste aufstellt, macht sie das hinter verschlossenen Türen, und die Einwohnerinnen und Einwohner einer solchen Gemeinde haben keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Hier müsste das von uns geforderte Panaschieren und Kumulieren greifen. Dann hätten auch die Bürger solcher Gemeinden die Möglichkeit, die Listenreihenfolge zu verändern. In einer solchen Wählergemeinschaft finden sich dann oftmals Personen zusammen, die verschiedenen Parteien angehören und bei entsprechenden überregionalen Wahlen verschiedene Parteien wählen. Diese Vertreter sind der Bevölkerung gerade bekannt, weil es sich um überschaubare Gemeindegrößen handelt. Sie sind nicht unbekannt, wie Sie, Kollege Hentschel, vorhin gesagt haben. Gerade in den kleinen Gemeinden sind
die dort kandidierenden Bürgerinnen und Bürger sehr wohl bekannt. Diese haben auf kommunaler Ebene selbstverständlich das Wohl ihrer Gemeinde im Blick. Sie werden auch von einer solchen Gemeinde in den Amtsausschuss gesandt, also aufgrund menschlicher Integrität und fachlicher Kompetenz dorthin delegiert. Somit sitzen auch Grüne und Liberale in Amtsausschüssen, sind teilweise sogar Amtsvorsteher. Auch das kommt vor. Sie sind aber nicht unbedingt für ihre Partei dort vertreten, sondern für die Wählergemeinschaft, der sie angehören, oder für ihre Wohnsitzgemeinschaft.
Auch wenn man - so wie wir - die heutige Ämterverfassung für bewährt hält, bleibt die rechtliche Frage, ob sich die in den vergangenen Jahren gehäufte Aufgabenübertragung von Gemeinden an Ämter noch im Rahmen der verfassungsmäßigen Vorgaben bewegt. Wir werden diese wichtige Frage offen angehen und uns die Argumentation aller Seiten genau anhören. Bisher sehen wir aber nicht, dass die Antwort auf die Große Anfrage hierzu eine abschließende Bewertung zulässt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Hentschel hat zur Qualität der Antwort auf unsere Große Anfrage den Wissenschaftlichen Dienst zitiert. Dem kann ich mich nur anschließen. Herr Minister, dennoch möchte ich mich bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit bedanken. Das Gleiche gilt auch in Richtung der Ämter, die geantwortet haben. Ich finde nicht, dass sie darunter leiden sollen, dass der Rücklauf eher bescheiden war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine Landesregierung, die sich die Verwaltungsreform in großen Lettern auf die Fahnen geschrieben hat oder sollte ich besser sagen: hatte -, wäre die Beantwortung der Großen Anfrage eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen, gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit die erzielten Fortschritte in den für die Verwaltungspraxis so zentralen Bereichen ausführlich zu dokumentieren.
Die Landesregierung begründet ihre lückenhafte Beantwortung zum einen mit der Arbeitsverdichtung vor Ort. Zum anderen führt sie an, dass die
Sachverhaltsermittlung völlig überflüssig sei, da die Fragestellung bereits im Jahre 2002 vom Gemeindetag untersucht wurde. Ich weiß, das war das Argument der Gemeinden.
Dieses Argument hat es durchaus in sich. Große Anfragen sind ein Instrument, mit dem der Souverän die Exekutive kontrollieren kann. Die Landesregierung gibt hier zu erkennen, sich der Kontrolle dadurch entziehen zu können, dass sie sich auf die Beurteilung anderer Exekutivorgane - hier der Amtsverwaltungen - beruft, die der Auffassung seien, die Kontrolle sei ohnehin überflüssig.
Nun mag es den Amtsverwaltungen unbenommen sein, diese Ansicht zu vertreten. Doch dass sich die Landesregierung diese Ansicht zu eigen macht, ist ein latenter, aber klarer Verstoß gegen die Gewaltenkontrolle.
Im Grundsatz bedeutet das nämlich, dass Exekutivorgane beurteilen, ob der Informationsbedarf des Parlaments berechtigt ist oder nicht berechtigt ist. Das dürfen sich Parlamente - selbst in Zeiten der Dämmerung Großer Koalitionen - keinesfalls gefallen lassen.