Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

ge der Versorgung mit R-1-Stellen eher im OLGBereich regeln lässt und die Frage der Beförderung stärker auf den Bereich des Richterwahlausschusses konzentrieren sollte.

Die Antwort auf die Große Anfrage gibt aber auch einen deutlichen Hinweis darauf, dass wir uns auf die Folgen der Föderalismusreform einstellen müssen. Wir haben zunehmend - das deuten Sie ja auch an - Probleme, oder wir stellen zumindest fest - Probleme will ich noch nicht sagen -, dass qualitativ besonders gewünschte Bewerberinnen und Bewerber, die auch Zusagen vom Land erhalten haben, nicht durch diese Tür schreiten, sondern sagen, sie haben Angebote aus anderen Ländern vorliegen.

Ich will damit sagen: Die Besoldungsdisparität darf nicht zu weit auseinandergehen. Wir haben schon jetzt die Situation, dass man in Hamburg ein Weihnachtsgeld von 60 % zahlt, in MecklenburgVorpommern von 40 % und in Schleswig-Holstein nur beim Vorhandensein von Kindern. Da müssen wir gucken, dass die materiellen Anreize nicht zu weit auseinandergehen. Wenngleich ich sagen will: Es ist auch richtig, in Schleswig-Holstein -

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Da warte ich auf Ih- re Angebote, Herr Kollege!)

- Herr Kollege Stegner, wir beschreiben eine allgemeine Tendenz, über die wir reden müssen, weil wir durch die Föderalismusreform I diese Disparitätsmöglichkeiten in den Besoldungsstufen haben mit der Konsequenz, dass materielle Anreize dazu führen könnten, dass wir, wenn die Bezahlung zu stark auseinandergeht, eventuell zu Verlusten kommen, die wir nicht vertragen können, die wir uns vielleicht auch nicht leisten können, was die Qualitäten angeht. Das betrifft jeden Bereich. Sie wissen, dass die Kultusminister neulich erst darüber geredet haben - Stichwort Verbeamtung, Stichwort andere Bestandteile - und ein Land wie Baden-Württemberg gebeten haben, doch nicht offensiv zu werben. Aber bei Qualifikationsstufen dieser Art brauchen Sie gar nicht offensiv zu werben, die können auch selber lesen. Insofern muss man bei diesem Punkt miteinander ins Gespräch kommen. Ich habe Ihre Gesprächsbereitschaft zumindest aufgenommen.

Stichwort Besoldung: Was wir nicht wissen, ist, wann mit dem Ausgang der Musterklage zu rechnen ist. Es läuft ja eine Musterklage. Die Frage ist, was das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Maßgeblichkeit vor dem Hintergrund von Alimentation und Abstandsgebot sagen wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Auf die Antwort warten wir ja!)

(Thomas Stritzl)

- Ja genau, darauf müssen wir warten. Aber auch das ist ein Punkt, über den man sich zu gegebener Zeit miteinander sachgerecht auseinandersetzen muss.

Stichwort Justizreform 2010: Es ist eine Frage zu den Staatsanwaltschaften gestellt worden: Wie passen die Staatsanwaltschaften in diese Reform hinein? Es wird in der Tat bei den Staatsanwaltschaften darüber diskutiert, was es für ihre Stellung bedeutet, wenn dieser Verbund von Gerichtsbarkeit, sprich Landgericht und Staatsanwaltschaften, in einem gewissen Bereich organisatorisch entkoppelt wird. Hier muss man noch einmal in die Diskussion einsteigen und versuchen, Antworten zu finden.

Es gibt auch Fragen im Hinblick auf das Haushaltsrecht. Auch hierüber müssen wir nachdenken. Wir werden diesen Prozess weiter konstruktiv, aber auch kritisch dahin gehend begleiten, dass wir uns gern im Vorfeld vergewissern wollen, dass das, was wir tun, und das, was wir entscheiden, auch wirklich zu mehr Entlastung auf der einen Seite, sprich Entbürokratisierung, aber auch zu mehr Effizienz in den Entscheidungsprozessen auf der anderen Seite führt.

Vor diesem Hintergrund freue auch ich mich mit meiner Fraktion auf die Beratung im Ausschuss.

Ich danke noch einmal dem Ministerium für die Beantwortung der Großen Anfrage und den bei uns in der Justiz Tätigen für das, was sie für dieses Land leisten.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Für die Fraktion der SPD hat die Frau Abgeordnete Ingrid Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vierte Rednerin muss man sich überlegen: Erzählt man noch einmal in etwa dasselbe wie die Vorredner, oder nimmt man einen anderen Schwerpunkt? Ich habe mich für einen anderen Schwerpunkt entschieden und will mich deshalb schwerpunktmäßig nicht mit der Situation der Richterinnen und Richter auseinandersetzen, sondern über die anderen dort Arbeitenden reden. Ich will mich aber genauso wie alle anderen ausdrücklich bedanken - der Minister hat es ja konkret gesagt - für zusätzliche 800 geleistete Stellen, wo immer, auch innerhalb der Justiz.

(Zuruf: Stunden!)

- Ja, Entschuldigung, Stellen wären nicht schlecht gewesen, ich war schon weiter; also für zusätzlich geleistete Stunden, wo immer sie geleistet werden mussten.

Auch dazu gibt es natürlich keinen Puffer bei der Beantwortung Großer Anfragen, Herr Kubicki. Das weiß ich aufgrund meiner eigenen Tätigkeit.

Nach übereinstimmender Einschätzung von Ministerium, Behördenleitung und Personalvertretung sind die genannten Stellen - 518 Richterinnen und Richter sowie 166 bis 168 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte - ausreichend. Sie finden nicht so schnell noch einmal einen Bericht im Bereich der Landesregierung, in dem ein solcher Satz in der Beantwortung einer Großen Anfrage im Grunde genommen unwidersprochen in der Diskussion steht.

Ergänzend kann ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Richterwahlausschuss berichten - ohne meine Verschwiegenheitspflicht zu brechen -, dass Schleswig-Holstein über sowohl qualitativ als auch quantitativ ausreichende Bewerbungen für jedwede ausgeschriebene Stelle verfügt. Daran mangelt es uns also nicht. Vielmehr mangelt es uns an Entscheidungen, aber das ist das Thema, das ich mit Ämtern öffentlich nicht erörtern darf.

(Heiterkeit des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Noch ein kritisches Wort zu den Sozialgerichten. Ich will nicht alles wiederholen, was hier gesagt worden ist. Hartz IV ist das, was es nicht sein sollte, nämlich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für diese „besondere Gerichtsbarkeit“. Wer kommt für die Kosten auf? Das sind wir. Warum ist das so? Dies ist so, weil im Grundgesetz keine Konnexität festgeschrieben ist.

Dabei sind wir besser aufgestellt. Das ist etwas, was wirklich nicht in Ordnung ist. Es sind die Stellenanhebungen, die Verlagerungen zu erwähnen. Das alles ist besprochen worden. Man muss aber auch sehen, dass wir von 2000 bis 2007 Klagen von plus 68 % und Erledigungen von plus 23 % zu verzeichnen haben. Erledigungszeiten von über 18 Monaten bei circa 45 % der Fälle sind für die Betroffenen nicht akzeptabel. Das muss man leider immer noch sagen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Gefordert ist in diesem Fall der Bundesgesetzgeber. Wir brauchen ein vernünftiges Gesetz. Ich sage das einmal so einfach, wie es scheinbar nicht zu machen ist.

(Thomas Stritzl)

Ich möchte mich schwerpunktmäßig mit den nicht richterlichen Diensten befassten. So heißt es wirklich in der Frage und auch in der Beantwortung. Meine Damen und Herren, was für ein negativer Begriff! Was ist damit gemeint? Kein Mensch in der Justiz redet so. Das sind die Diplomrechtspflegerinnen und -pfleger. Das ist der mittlere Dienst mit den Schreibkräften - heute Servicemitarbeiterinnen und -mitarbeiter -, das sind die Wachtmeister des einfachen Dienstes. Wenn wir in diesem Bereich nicht ausreichend qualifizierte Leute hätten, könnten die Richter und Staatsanwälte zu Hause bleiben, dann könnte die Justiz einpacken, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger des gehobenen Dienstes absolvieren ihr Studium an der Fachhochschule in Hildesheim. Die Ausbildung wird schon seit Jahrzehnten zusammen mit Niedersachsen durchgeführt.

Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger haben eine Besonderheit im gehobenen Dienst: Der Inspektor z.A. hat unmittelbar nach der Prüfung genau dieselben Befugnisse wie der im Nachbarzimmer sitzende Oberamtsrat. Das ist zum einen sehr sparend für die Justiz - das müssen Sie zugeben, Herr Minister: junge Leute arbeiten sehr viel preiswerter als die Hochbeförderten -, das ist zum anderen aber auch sehr attraktiv für die Bewerber. Wir haben immer noch weit über 300 Bewerbungen auf etwa 20 bis 25 Plätze. Diese Befugnis war auch für mich zur Ergreifung dieses Berufs ausschlaggebend.

Die Rechtspfleger sind immer noch die am meisten Belasteten innerhalb der Justiz. Das sagt Ihnen jeder Direktor jedes Amtsgerichts im Land, wie ich es bei meinen Besuchen landauf, landab erlebt habe. Die Belastung liegt bei 1,17, die der Rechtspfleger mit Zusatzausbildung als Amtsanwälte sogar bei 1,45.

Hier muss Abhilfe geschaffen werden. Ich will nicht sagen, dass hier nichts erkannt wird. Hier werden zusätzliche Stellen geschaffen und mehr Anwärter angeworben. Hier werden Rechtspfleger aus anderen Bundesländern eingestellt, dann aber ohne Diplom. Das Diplom ist bei uns maßgeblicher Bestandteil der Prüfung. Wer zum Beispiel bei seiner Diplomprüfung durchfällt, wundert sich, dass eine Rechtspflegerin aus Sachsen-Anhalt ohne Diplom hier arbeiten kann. Da müsste man dann vielleicht doch einmal nachhaken.

Der mittlere Dienst und die Schreibkräfte - heute heißen sie Servicekräfte - bilden das Herzstück der Justiz. Wenn diese nicht da sind, können alle zu Hause bleiben. Hier hat im Grunde genommen eine Reform stattgefunden, die ich fast als Revolution ansehen möchte; denn man hat zwei Dienste zusammengepackt, man hat sie partnerschaftlich zusammen arbeiten lassen. Man hat einen neuen Ausbildungsbereich für die Schreibkräfte gebildet. Ich kann allen Beteiligten nur meine Hochachtung dafür aussprechen, dass diese Operation am lebenden Körper so gut geklappt hat.

Ich hoffe, dass die im Richterwahlausschuss in fast jeder Beurteilung zu findende hervorragende Qualifikation im Hinblick auf die Zusammenarbeit der Richterinnen und Richter mit der Serviceeinheit hundertprozentig stimmt; denn wenn das gut läuft, dann läuft auch die Justiz gut.

Zum mittleren Dienst mit Zusatzausbildung gehören auch die Gerichtsvollzieher, die in der Zwangsvollstreckung hervorragende Arbeit leisten. Dabei steht die SPD-Fraktion dem Minister sehr nahe, der in der Beantwortung gesagt hat, dass er Bestrebungen nach mehr Unabhängigkeit dieses Berufszweiges unterstützt. Zuständig ist der Bundesgesetzgeber. Was hört man aus Berlin? Das schaffen wir nicht mehr. - Dazu sage ich „schade“, um parlamentarisch korrekt zu bleiben.

Bei der Justiz gibt es darüber hinaus den einfachen Dienst. Das sind die über 200 Wachtmeisterinnen und Wachtmeister. Ihre Aufgabenbereiche betreffen die Sicherheit beim Zutritt im Sitzungssaal, bei Vorführungen, aber auch Hilfestellung für das Publikum. Wir nennen die Besucher bei der Justiz Publikum. Wer jetzt an Zirkus denkt, der ist ein Schelm. Das Publikum begegnet oft den Wachtmeistern zuerst; denn es ist nicht leicht, in unseren Gerichten trotz guter Ausschilderung den richtigen Ort für sein Anliegen zu finden.

Ich bin sehr dankbar - Herr Justizminister, Sie haben es in der Beantwortung der Großen Anfrage noch einmal aufgezeigt -, dass ab dem Jahr 2010 alle Planstellen in der Endstufe A 6 sind und dass durch die Verkürzung der Beförderungszeiten dort auch alle landen können. Man hätte vielleicht noch dazuschreiben können, wie viel Geld A 6 in der Endbesoldung ist. Dann wären wir noch dankbarer dafür, dass zumindest das geklappt hat.

Meine Damen und Herren, wenn man einen Blick auf die Beförderungsstellen und auf die Beförderungssituation des gehobenen und mittleren Dienstes wirft - dazu gibt es zahlreiche Tabellen -,

(Ingrid Franzen)

dann sieht man lange zweistellige Wartezeiten. Das geht von elf bis in die Zwanziger. Verglichen mit der Beförderungssituation in Ministerien - ich weiß, wovon ich rede - sind wir meines Erachtens nicht leistungsgerecht. Das muss auch einmal öffentlich gesagt werden.

Die Mediation als neues Rechtsinstrument möchte ich ansprechen, aber nicht wiederholen, was dazu gesagt worden ist. Es besteht ein großes Interesse daran. In Jena fand im Jahr 2008 eine Tagung unter dem Motto „Die Zukunft der Mediation - Handschlag statt Richterspruch“ mit über 300 Interessierten statt. Wir haben steigende Zahlen. Aktuelles Beispiel: Im „Pressespiegel“ findet sich eine Meldung über eine sehr weise Entscheidung im Zusammenhang mit dem Freilichtmuseum Molfsee, in Vereinssachen eine Mediation einzuschalten. Das kann nur klug sein, meine Damen und Herren.

Die FDP hat diese Anfrage unter dem Gesichtspunkt der Einsparungen gestellt. Ich bin aber wie alle Vorredner auch der Meinung, dass es eher um den Rechtsfrieden geht. Es geht eher darum, darauf zu verzichten, dies durch alle Instanzen zu pauken, um es einmal deutlich zu sagen.

Ich glaube, unsere Lebenssituation wird immer komplexer. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht allein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang bereits im Februar 2007 deutlich gemacht, dass die einvernehmliche Konfliktlösung in einem Rechtsstreit grundsätzlich richterlichen Streitentscheidungen vorzuziehen ist. Damit sind weiß Gott nicht nur Nachbarschaftsstreitigkeiten gemeint, die etwas sehr Spezielles sind, wie wir alle wissen.

Bei der EU befindet sich derzeit eine Mediationsrichtlinie in Vorbereitung. Das erwähne ich nicht als Drohung, sondern als positive Nachricht. Der Europaminister sieht das sicher auch so. Auch der deutsche Gesetzgeber wird in nächster Zeit darauf reagieren müssen.

Ich komme zur Bewährungshilfe und möchte dies etwas unkritischer und etwas positiver darstellen, als Herr Kubicki dies vorgetragen hat. Nach jahrelang steigenden Fallzahlen und der danach erforderlichen und auch durchgeführten Verstärkung auf 72 Stellen sind wir im Ländervergleich im Hinblick auf die Fallbelastung auf Platz 2. Das ist nun wirklich kein schlechter Platz. Die Bewährungshelfer sind durch Spezialisierung auf bestimmte Tätergruppen natürlich belastet.

Die Neuordnung des Übergangsmanagements zwischen Vollzug und Entlassung ist sicher eine ganz

wichtige Aufgabe. Wenn es gut gemacht wird, kann es gelingen, keinen Kontakt mit den alten Freunden und zu den früheren Mittätern herzustellen, sondern es kann die Chance zu einem neuen Leben eröffnet werden. Auch Ehrenamtliche sind bereit, das zu leisten. Das hat meine große Hochachtung. Ich hoffe, dass wir genug Geld für die Beschulung haben werden. Eine Privatisierung der Bewährungshilfe lehnen wir ab.

Ich komme zum Schluss. Die Antwort der Landesregierung hatte auch einen enormen Informationsgehalt in Bezug auf den EDV-Bereich. Der Minister hat das hier vorgestellt. Ich kann allen Beteiligten nur sagen: Fahren Sie einmal in ein Amtsgericht, und schauen Sie sich das dort an. Dort werden Sie einiges darüber hören, dass der Teufel im Detail steckt. Denn an den Details sind viele schon verzweifelt, wie zum Beispiel bei der Umstellung des Grundbuches. Aber Sie werden auch sehen, dass die Probleme bewältigt wurden und dass das jetzt funktioniert.

Auch zur Amtsgerichtsstrukturreform sind in der Antwort der Landesregierung interessante Dinge enthalten; ich habe mich gewundert, dass das niemand angesprochen hat.

Frau Vizepräsidentin, kommen Sie bitte zum Schluss!