Ich komme zum Schluss. - Ob allerdings die bei Gebäuden und Personal in Aussicht gestellten Einsparungen in einem guten Verhältnis zu dem immensen Ärger, den wir alle hatten, steht, wage ich zu bezweifeln.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Fraktionsvorsitzende, der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass auch eine Vizepräsidentin einmal die Erfahrung macht, dass die Redezeit knapp wird. - Es handelt sich bei dem Thema
um ein sehr weites Feld, weshalb ich nur auf einige Punkte eingehen möchte, die mir wichtig sind. Vielen Dank an die Landesregierung, dass die Umfrage so umfassend beantwortet wurde.
- Herr Kubicki, wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. - Die Anfrage ist sehr umfangreich beantwortet worden, wofür ich mich bei den Verantwortlichen bedanken möchte.
Die Verfahrensdauer ist von großer Bedeutung, und zwar nicht nur für die Justiz, sondern vor allen Dingen für die betroffenen Bürger. Für den Bürger, der sein Recht einklagen möchte, ist es entscheidend, dass er nicht erst nach Monaten und Jahren einen Prozess bekommt, sondern zeitnah; das gilt natürlich besonders dann, wenn er tatsächlich Recht hat.
In der jetzigen finanziellen Situation des Landes ist der Ruf nach mehr Personal nicht besonders kreativ und hilfreich. Daher gilt es, weiterhin mögliche Modernisierungspotenziale auszuschöpfen und zu schauen, an welchen Stellen Arbeit eingespart werden kann, um eine angemessene Verfahrensdauer realisieren zu können; das ist dringend nötig.
Es gibt eine ganze Reihe von Bereichen, in denen die Zahlen durchaus positiv sind. Es ist schon gesagt worden, dass der absolut kritische Bereich die Sozialgerichtsbarkeit ist. Bei der Zahl der Harz-IV-Verfahren gibt es einen so großen Zuwachs, dass bereits über 13 % der Verfahren über zwei Jahre dauern. Bei Harz-IV-Verfahren geht es in der Regel darum, dass Menschen, die ohnehin sehr wenig Geld haben, sich mit dem Sozialamt darüber streiten müssen, ob sie die volle Summe bekommen. Angesichts dessen ist eine Prozessdauer von zwei Jahren dramatisch.
Häufig geht es bei diesen Verfahren um die Existenz der Menschen. Diesbezüglich muss sich dringend etwas ändern. Das kann aber nicht nur durch mehr Personal geschehen, sondern es sind gesetzliche Änderungen nötig. Es kann nicht sein, dass die Menschen und die Justiz ausbaden müssen, dass die Fraktionen im Parlament verfehlte und schlechte Vorlagen geliefert haben. Auch meine Fraktion war an der Verabschiedung der entsprechenden Gesetze im Jahr 2005 beteiligt. Aber man muss innerhalb von drei Jahren in der Lage sein, kritische Stellen zu erkennen und Fehler zu korrigieren.
Es geht aber auch um eine institutionelle Frage. Denn die Sozialgerichtsbarkeit befasst sich mit Fällen, die früher in der Regel im Rahmen der Sozialhilfeleistungen der Kommunen bearbeitet worden sind. In den Kommunen war man nahe am Bürger dran. Aus Gesprächen mit Mitarbeitern vor Ort weiß ich, dass eine Ursache der Häufung der Prozesse in der Sozialgerichtsbarkeit ist, dass die ARGEn immer noch aus Nürnberg ferngesteuert sind und Vorgaben gemacht werden, von denen die Mitarbeiter in den ARGEn genau wissen, dass sie vor den Sozialgerichten scheitern werden, wenn sie sie umsetzen. Es gab sogar Fälle, in denen das Justizministerium und die Justiz Gespräche mit den ARGEn geführt haben, in denen sie gesagt haben, dass sie bestimmte Dinge juristisch nicht durchgehen lassen werden, wenn sie vor Gericht landen. Trotzdem wurden dann Entscheidungen zulasten von Betroffenen gefällt mit der Folge, dass es zu Prozessen kommt. Dann hieß es nur, das sei von Nürnberg so gewollt. Die Fernsteuerung aus Nürnberg ist meiner Ansicht nach nicht angemessen. Deswegen vertrete ich weiterhin eine Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung.
Ich glaube, dass man die Arbeitsverwaltung kommunal besser organisieren kann. Einige Dinge müssen allerdings weiterhin überregional geschehen, wie zum Beispiel die Akademikervermittlung und Informationen im Internet. Aber der Rest sollte lokal organisiert werden und nicht als eine zentrale, von Nürnberg ferngesteuerte Veranstaltung.
Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen möchte, betrifft die Staatsanwaltschaften. Gegenüber 2000 ist es zu einem Wachstum der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften um 17 % gekommen. Gleich ist die Erledigungszahl um 15 % gesunken. Diese Entwicklung ist nicht gut. Aber trotz dieser hohen Belastung liegen die Acht-Monats-Reste nur bei 1,5 %. Die Arbeit ist also immer noch bewältigt worden, die Situation ist aber kritisch. Darauf hat das Ministerium auch hingewiesen.
Es ist außerdem sehr wichtig, dass wir gerade bei den Strafverfahren an den Landgerichten relativ rasche Erledigungen kommen. Das ist insbesondere im Hinblick auf den großen Anteil jugendlicher Tä
ter wichtig. Sie müssen merken, dass etwas passiert. Es kann nicht sein, dass über Monate und Jahre hinweg ermittelt wird und die Jugendlichen das Gefühl bekommen, dass da gar nichts passiert. Die Justiz muss in der Lage sein, schnell zu reagieren, und der zeitliche Zusammenhang zwischen der Tat und dem gerichtlichen Verfahren muss relativ eng sein.
In Bezug auf die Entlastung der Justiz ist ein Thema, das immer wieder diskutiert werden muss, sicherlich das, ob es Alternativen zum normalen Strafprozess und zu den entsprechenden Strafen gibt. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist bei bestimmten Delikten im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität und in Fällen, in denen eine Konfrontation des Opfers mit dem Täter möglich ist, unzweifelhaft eine wirksame Alternative zur klassischen Freiheits- oder Bewährungsstrafe. Dadurch konnte eine Entlastung um fast 1.200 Fälle erreicht werden. Das ist eine beachtliche Zahl, weshalb dieser Kurs fortgesetzt werden sollte.
Die Mediation hat immerhin dazu geführt, dass in 500 Verfahren kein Prozess nötig war; vor dem Prozess fand ein Mediationsgespräch statt. In 78 % aller Fälle konnten sich die Beteiligten einigen, und ein Prozess konnte verhindert werden. Das ist eine beachtliche Leistung. Viele Richter sind mittlerweile in der Mediation engagiert. Wenn man das noch ausweiten könnte, könnte man noch mehr Verfahren vermeiden und damit zu einer Entlastung der Justiz kommen.
In den Bereichen, in denen Mediation angeboten wird, ist diese Möglichkeit immerhin von der Hälfte aller Betroffenen genutzt worden. Ich weiß nicht, warum die andere Hälfte dieses Verfahren noch nicht nutzt. Es muss darüber geredet werden, ob man möglicherweise die Beratung noch verbessern kann. Auf jeden Fall ist das aber ein sinnvoller Weg, der erheblich zur Entlastung der Justiz beitragen kann.
Meine Damen und Herren, wir stimmen sicherlich alle darin überein, dass eine funktionstüchtige und effiziente Justiz eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat ist. Gerade in Zeiten der Krise halte ich es für wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in den Rechtsstaat haben. Die Bürger müssen subjektiv das Gefühl haben, dass es eine Justiz gibt, auf die sie sich verlassen können und von der sie gerecht behandelt werden, wenn sie ungerecht behandelt worden sind oder wenn es Streit mit anderen Bürgern - zum Beispiel mit den Nachbarn gab.
Das ist ganz wichtig. Deswegen ist es erfreulich, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, einiges in der Justiz zu verändern und zu bewegen. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei dem von mir geschätzten Minister.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP gibt einen guten Einblick in die derzeitige Situation der Gerichte und Staatsanwaltschaften unseres Landes. Das ist eine Große Anfrage gewesen mit sehr vielen Zahlen, wir müssen daran festhalten, dass wir so eine Bestandsaufnahme brauchen.
Das Justizwesen wird weitgehend aus der Perspektive der Personalplanung beschrieben. Diese ist natürlich der Dreh- und Angelpunkt eines funktionierenden Justizapparates, weil die meisten Vorgänge in der Justiz nicht automatisiert sind. Jeder Vorgang muss von echten Menschen in die Hand genommen und bearbeitet werden. Fehlen diese Menschen, entwickelt sich im Handumdrehen ein Nadelöhr, und die Verfahrensdauer verlängert sich spürbar. Das ist besonders ärgerlich, wenn es sich bei den Klagenden um Hartz-IV-Empfänger handelt, die in der Regel über keinerlei finanzielle Rücklagen verfügen.
Schon mehrfach haben sich der Landtag und auch der Justizminister in den letzten Jahren mit dieser Problematik und den Problemen der Sozialgerichte befasst. Leider steht es nicht in unserer Macht, das Sozialgesetzbuch II zu ändern, das mit seinen mangelhaften Hartz-Gesetzen der Hauptgrund für die Klagewelle bei den Sozialgerichten ist. Was wir tun können, ist die Verankerung von mehr Richterstellen im Landeshaushalt, sodass es bei den sogenannten Hartz-IV-Verfahren zügig zu Entscheidungen kommt. Mit der Erhöhung der Zahl der Richterstellen - so die Hoffnung des SSW - würden die Verfahren beschleunigt und die unseligen Wartezeiten verkürzt.
Nun zeigt der Bericht aber auch, dass es am Sozialgericht in Kiel an geeigneten Räumlichkeiten fehlt, nämlich etwas mehr als 1.000 m2, und das bereits seit mehreren Monaten. Dieses Detail belegt, wie
zäh Strukturveränderungen in der Justizverwaltung umgesetzt werden. Ob sich das alles mit dem Programm „Justiz 2010“ beschleunigen lässt, bleibt abzuwarten. Der neue zehnköpfige Verwaltungsrat in Schleswig soll nämlich als oberstes Gremium der Selbstverwaltung einstimmig entscheiden. Nur bei Beschlüssen zur Organisation und Informationstechnik genügt eine Zweidrittelmehrheit. Kommt allerdings keine Einigung zustande, bleibt alles beim Alten, und der Minister entscheidet.
Das kann vielleicht auch nicht anders sein und soll auch nicht so verstanden werden, als würde der SSW nicht weiterhin den vom Ministerium eingeleiteten Vorstoß zur Verwaltungsmodernisierung positiv begleiten, aber der Praxistest steht immer noch aus.
Entschieden hat der Minister die Amtsgerichtsreform. Die Personalsituation an den kleinen Amtsgerichten war die Begründung für die Schließung der Amtsgerichte in Kappeln, Mölln und Geesthacht. Der SSW hat bekanntlich die Schließung des Standortes in Kappeln als falsche regionalpolitische Entscheidung abgelehnt. Wir halten unsere Kritik aufrecht, auch weil die Einspareffekte durch den Wegfall einer Wachtmeisterstelle als gering einzustufen sind und durch die Kosten für die Umbaumaßnahmen in Schleswig mehr als aufgefressen werden. Im Gegenzug sind durch die Schließung des Kappelner Amtsgerichts die Wege für die Bürgerinnen und Bürger zweifellos länger geworden.
Immerhin muss man anerkennen, dass sich die Bearbeitungszeiten verringert haben, allerdings nicht, weil der Gerichtsstandort jetzt Schleswig heißt, sondern weil mittlerweile technische Neuerungen wie das elektronische Grundbuch eingeführt wurden. Das hätte man natürlich auch in Kappeln so haben können.
Der Bericht zeigt, dass die Amtsgerichtsreform, die von den Bürgern überwiegend als Amtsgerichtsschließungs-Programm erlebt wurde, die Ziele, die damals in Aussicht gestellt wurden, tatsächlich nicht umsetzen konnte. Das ist eine ernüchternde Bilanz.
Ernüchternd ist auch das Eingeständnis der Landesregierung, dass sie nicht imstande ist, die Entlastungsfunktionen der Schlichtungsverfahren zu beziffern. So stellt man bei der Lektüre des Berichts verwundert fest, dass es überhaupt keine detaillierte Statistik zu Schlichtungsverfahren gibt. Dabei liegen die Vorteile solcher außergerichtlichen Verfahren auf der Hand. Ich weiß, dass das auch bei der Anhörung zum neuen Schlichtungsgesetz ein Punkt
war. Es wäre schön, wenn wir das ein bisschen genauer beziffern könnten. Denn richtig ist natürlich, dass die moderierten Gespräche, die durch das Schlichtungsverfahren möglich sind, verhindern, dass sich Kleinigkeiten zu Prozesslawinen auswachsen.
Es ging beim Schlichtungsgesetz zwar nie ausschließlich um die Entlastung der Justiz, sondern sie hat aber in den Erwägungen eine Rolle gespielt. Eine Bewertung kann laut Antwort der Landesregierung aber nicht erfolgen.
Überhaupt gibt es eine Reihe von lakonischen Antworten zu Sachverhalten, die tiefer gehende Überlegungen verdient hätten. Die Tatsache, dass Jurastudentinnen bessere Abschlüsse als ihre Kommilitonen machen, hat zum Beispiel schon so manchen Personalplaner zum Grübeln gebracht. Denn eigentlich müssten die Richterinnen und Staatanwältinnen langsam in der Mehrheit sein. Dass dem nicht so ist, lässt sich sogar aus der dürren Statistik des Berichts ohne Weiteres ablesen.
Bisher hat sich der gestiegene Frauenanteil bei der Einstellung nämlich nicht auf die Besetzung von Beförderungsämtern ausgewirkt.