Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

Die Position der schleswig-holsteinischen SPD zu einem CCS-Gesetz ist klar und seit Langem bekannt: Wir wollen wegen der offenen Fragen und der Kritikpunkte zur CCS-Technologie lediglich ein CCS-Gesetz nur für Demonstrationsprojekte haben und keinen Freibrief für die Deponierung von CO2 unter der Erde in Schleswig-Holstein erlauben. Wir wollen etwaige Standortdiskussionen für Deponien wie zum Beispiel in Brandenburg vor allem von der Beteiligung und Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Regionen abhängig machen.

Das sind die SPD-Vorschläge zu einem CCS-Gesetz, das die EU fordert. Zu dieser klaren Position stehen wir auch nach der Bundestagswahl. Ich wünsche mir, dass dies auch für andere gilt, die kurzfristig auf den Zug aufgesprungen sind, und hoffe, dass sie nicht die Notbremse ziehen und schnell aussteigen. Dies können wir in anderen Energiebereichen sicherlich viel besser gebrauchen. Neben der erforderlichen und zu führenden Debatte um ein CCS-Gesetz für Deutschland haben wir als SPD in Schleswig-Holstein insgesamt zur CCS-Technik eine klare und lange bekannte Position, zu der wir auch nach der Bundestagswahl stehen werden. Wir wollen in Schleswig-Holstein und ganz Deutschland keine Kraftwerksdinosaurier mit oder ohne CCS-Technik, sondern setzen auf kleine dezentrale Kraftwerke.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Dr. Axel Bernstein)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Schulze und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Bernstein, mir haben Ihre Ausführungen sehr gut gefallen: Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose. Und wenn wir gegen alles sind, dann wird es ziemlich dunkel. - In BerlinSteglitz steht überirdisch ein riesengroßer Erdgasspeicher. Erdgas ist jedenfalls nach meinen bescheidenen physikalischen Kenntnissen etwas gefährlicher als CO2, beispielsweise entflammbar. Davon wären auf einen Schlag drei Millionen Menschen betroffen.

Vielleicht sollte man bei der Art des Protestes immer auf die Mittel achten. Ich fand es zum Beispiel nicht besonders passend, dass man sich hier in der Auseinandersetzung verbal die Gasmasken aufzieht.

Ich fand es vollkommen richtig - das möchte ich ganz deutlich sagen -, dass wir uns in der letzten Landtagssitzung einstimmig gegen das CCS-Gesetz des Bundes entschieden haben. SchleswigHolstein hätte davon nur Nachteile gehabt. Das geht so nicht. Ich finde es auch richtig, dass alles vermieden wird, was gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung vor Ort passiert ist. Das ist vollkommen in Ordnung. Trotzdem bin ich der Auffassung: Die CCS-Technologie kann dazu beitragen, Klimaschutzziele einzuhalten und den CO2Ausstoß zu reduzieren.

Ich möchte es einmal mit den Worten von Ottmar Edenhofer, dem Vorsitzenden des Weltklimarates IPCC, sagen - ich zitiere -:

„Ohne die Möglichkeit, CO2 aus Kohlekraftwerken abzuscheiden und im Untergrund zu lagern, ist globaler Klimaschutz kaum möglich.“

Ich will an dieser Stelle auch daran erinnern, dass der von mir sehr geschätzte Professor Hohmeyer nicht die Gefährlichkeit ins Feld geführt hat, sondern er sagt ganz klar, man müsste sich diese Technologie im Zweifel für Notsituationen bewahren und nicht die ganze Erde damit vollstopfen. Ich will nur davor warnen, in einer Art Panikmache einer Technologie, die zugegeben noch nicht ausgereift ist, von vornherein jede Möglichkeit zu nehmen. Das macht überhaupt keinen Sinn.

Zumindest hier sind sich alle einig, dass es schlichtweg Unsinn ist, ein nordrhein-westfälisches Kraftwerk über eine 500 km lange Pipeline an Nordfriesland anzuschließen mit dem Ziel, Millionen von Tonnen CO2 in den Untergrund zu pressen, ohne vorherige Erkundungen durchzuführen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Genau aus diesem Grund hat meine Fraktion im Januar diesen Jahres beantragt, das neu zu errichtende Kohlekraftwerk in Brunsbüttel zu einem CCSPilotprojekt zu machen, um genau diese Erkundungen in einem eng begrenzten Raum durchführen zu können.

Es ist zudem unbestritten, dass ein so sensibles Thema wie die unterirdische CO2-Einspeisung nur in einem gesellschaftlichen Konsens zu erzielen ist. Denn nur dann, wenn die Betroffenen zu Beteiligten werden, kann man erwarten, dass im Zweifel die notwendige Akzeptanz erreicht werden kann. Aber ganz offensichtlich waren RWE Dea und auch die Landesregierung in den vergangenen Monaten nicht in der Lage, genau diese Akzeptanz zu schaffen. Denn wenn man eine Abfalldeponie für mehrere hundert Jahre errichten will, dann kann man das mit Sicherheit nicht gegen den Willen der Bevölkerung tun, die darüber leben soll, die die möglichen Risiken hautnah erlebt und im Zweifel aushalten muss.

Aus Sicht der FDP-Fraktion muss es das Ziel sein, eine offene, sachliche und ordentliche Diskussion zum Thema CCS - deswegen habe ich gesagt, dass ich es nicht richtig finde, wenn man sich verbal die Gasmasken aufzieht - und CO2-Einlagerungen zu führen. Dazu müssen sowohl Sachverständige als auch die Kritiker in der Region gleichberechtigt in den Prozess einbezogen werden. Der Wirtschaftsausschuss hat hierzu ursprünglich eine Anhörung geplant, die ich im Übrigen, wenn ein neues CCSGesetz des Bundes vorliegt, nach wie vor für richtig halte.

Noch einen weiteren Punkt müssen wir uns klarmachen: Wenn eine großtechnische Abscheidung von CO2 bei der Verbrennung gelänge, wäre dies eine ungeheure Leistung für die Energiewirtschaft und technologisch ein großer Sprung. Unter Umständen wäre es möglich, durch den CCS-Prozess nicht nur einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, möglicherweise wäre es dann sogar mit Hilfe der CCS-Technologie möglich, Ausgangsstoffe zu gewinnen, die in diversen Industriebereichen Anwendung finden könnten, beispielsweise in der chemischen Industrie. Anders ist der

Beschluss des SPD-Bundesparteitags wohl gar nicht zu verstehen; sonst hätten Sozialdemokraten das sicherlich nicht so beschlossen.

Um genau das festzustellen - das will ich an der Stelle genauso deutlich sagen -, brauchen wir Forschung, brauchen wir Entwicklung zunächst in ausgewählten Forschungsanlagen. Es spricht vieles dafür - ich sage das auch ganz klar -, die vorgesehenen Probebohrungen einzustellen und die Ergebnisse von Forschungsanlagen abzuwarten.

Von daher habe ich eine Menge Sympathie für den Antrag, den die Union und die SPD gestellt haben. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg und erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es Ministerpräsident Carstensen ernst meint mit seiner neuen Position zu CCS, die da lautet, gegen den Willen der örtlichen Bevölkerung soll es keine CO2-Verpressung geben, dann muss das Erkundungsprojekt für die CO2-Lagerstätten von der Landesregierung und RWE Dea endgültig abgebrochen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Hier offenbart sich meiner Meinung nach aber sehr eklatant eine merkwürdige Rechtsauffassung; denn Gesetze - wir werden ja eine CCS-Gesetzgebung bekommen müssen, das gibt die EU-Richtlinie vor haben nun einmal den Charakter, dass sie allgemeingültig sind. Von dem Redner der CDU ist hier ein Gegensatz aufgemacht worden. Er sagte, im Falle von CCS gelte der Bevölkerungswille, aber er machte dann auch darauf aufmerksam, dass fast überall, wo größere Projekte durchgeführt werden sollen - seien es Autobahnen, Kraftwerke oder sonst irgendwas -, natürlich häufig Widerstand in der Region zu beobachten sei. Die Politik muss darauf achten, aber sie kann sich davon nicht abhängig machen. Das wollte ich dann doch in diesem Zusammenhang einfach noch einmal klarstellen.

Herr Schulze, Sie sagten, dass RWE Dea den Antrag stellen soll. Meiner Meinung nach sind wir nicht davon abhängig, dass sie solch einen Antrag stellen, sondern § 54 Berggesetz gibt auch her, dass die Landesregierung selber einen Antrag versagen kann beziehungsweise eine Genehmigung so kompliziert machen kann, dass sie praktisch zu einer Versagung führt. Im Übrigen, ohne ein CCS-Gesetz suchen sie in Ihrem Antrag gar nicht nach Lagerstätten, sondern sie suchen Sole auf, salzführende Wasserschichten. Da sollten sie auch einmal den Nachweis erbringen, was sie denn damit wirtschaftlich wollen. Also, es gibt schon die Möglichkeit, auch durch einseitiges Handeln einem Antragsteller sein Begehren zu versagen.

Es ist keine Überraschung für uns Grüne, dass sich die Menschen, deren Heimatboden ausgewählt wurde, um dort CO2 zu verpressen, massiv wehren. Offensichtlich hatte die CDU nicht im Traum daran gedacht, dass ihre ländlichen Stammwähler wegen der CCS-Technologie auf die Barrikaden gehen würden. Sie hat unterschätzt, dass Nordfriesland, Ostholstein, aber auch Plön ganz wesentlich vom Tourismus leben und Regionen der erneuerbaren Energien sind. Die CDU, die SPD, aber auch Peter Harry Carstensen waren vorher noch ganz klar auf einem Kurs pro CCS-Technologie. Das war eine klare Ausrichtung. Ich erinnere an die Veranstaltung, die Wirtschaftsminister Austermann Seit an Seit mit RWE gemacht hat. Wir waren ja alle eingeladen. Es hieß, jetzt soll es hier losgehen.

(Zurufe von der CDU)

- Meine Meinung ist: Ich lehne die CCS-Technologie ab.

(Weitere Zurufe von der CDU)

- Herr Kollege, das hat Herr Garg schon sehr richtig ausgeführt. Es ist eine Technologie, mit der wir uns befassen müssen, die Zukunftschancen hat, aber nicht im Zusammenhang mit Kohlegroßkraftwerken, die Sie neu an die Elbe bauen wollen, weil dort die erforderliche Qualitäten nicht vorhanden sind, weil die Technik heute noch nicht zur Verfügung steht und weil wir die fossilen Energieträger gefälligst in der Erde lassen müssen. Wir dürfen sie nicht herausholen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Reinigungsleistung des CCS-Prozesses ist ja unvollkommen. Das sagen Sie selber. Sie reinigen nur 80 %, brauchen aber einen horrend höheren Energieaufwand. Sie haben 110 bis 120 % Kohle

(Dr. Heiner Garg)

bedarf und reinigen nur zu 80 %. Das bedeutet, sie kommen etwa auf Reinigungsleistungen, die ich vergleichen könnte mit einem gasbefeuerten Kraftwerk.

Herr Abgeordneter Matthiessen, erlauben Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Bernstein?

Gern. Das wird ganz bestimmt interessant werden.

Davon gehe ich aus. Mir geht es nur darum, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie die CCS-Technologie deshalb ablehnen, weil sie im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kohlekraftwerken zu sehen ist und Sie sie nicht ablehnen aufgrund der skeptischen Haltung der Bevölkerung in den betroffenen Regionen.

(Zuruf von der CDU: Gute Frage!)

- Ich bin sehr solidarisch mit den Ängsten der Bevölkerung. Die Frage ist damit schon einmal beantwortet.

(Lachen)

- Ist das wirklich so lächerlich, was ich hier sage, oder machen Sie damit Politik, Kollegen, die auf eine Frage ernsthaft antworten, auszulachen? Ist das ein netter Stil?

Herr Abgeordneter, beantworten Sie die Frage!

Erstens. Ich bin solidarisch mit der Bevölkerung. Zweitens sage ich: CCS-Technik muss erforscht werden. Sie ist aber nicht reif, und sie ist schon gar nicht reif für diesen Anwendungszweck, denn der führt klimapolitisch in die Irre. Große Kraftwerke stehen einer Energiewende strukturell entgegen, weil sie technisch nicht in der Lage sind, ihre Leistung zu modulieren. Sie können ihre Erzeugung nicht dem jeweiligen Strombedarf anpassen. Die Folge ist, es gibt entweder Windstrom oder Kohlestrom, aber mit dieser Technik nicht ein Wechselspiel zwischen den Erzeugungsarten. Daher leistet ein Großkraftwerk keinen Beitrag zur notwendigen ökologischen Energiewende. CCS soll diese falsche Strategie legitimieren. Das ist die politische Funkti

on von CCS-Technik, die rauf und runter diskutiert wird.

Herr Abgeordneter, Ihre Zeit!

Meine Damen und Herren, nach der Bundestagswahl kommt CCS wieder auf die politische Tagesordnung. Sie vertrauen auf die Vergesslichkeit der Wähler, wenn Sie das Gesetz am Anfang der Legislaturperiode durchziehen wollen. Das ist heute schon ein vorweggenommener Wahlbetrug.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat nun der Herr Wirtschaftsminister Dr. Jörn Biel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne auf die aktuelle Situation im Land zu blicken, möchte ich zunächst noch einmal darauf hinweisen, dass die CCS-Technologie ein Teil des Klimaschutzes ist, ernsthaft allerdings erst jenseits des Jahres 2020. Durch CCS soll die Entsorgung von CO2 in die Atmosphäre verringert werden, sowohl aus Kohlekraftwerken als auch aus anderer industrieller Produktion.

Hierfür sind entsprechende Forschungs- und Entwicklungsprojekte erforderlich. Eines dieser Forschungsprojekte ist beispielsweise das Projekt der submarinen Gashydrantlagerstätten des IFMGEOMAR. Hierbei soll geprüft werden, ob Methan aus Hydraten sicher zu gewinnen ist und zugleich CO2 dort zur Stabilisierung eingelagert werden kann. Vonseiten des Landes wurden solche Forschungsvorhaben des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften und des Instituts für Geowissenschaften an der Christian-Albrecht-Universität unterstützt. Bundeswirtschaftsministerium und Bundesforschungsministerium haben ihrerseits darüber hinaus insgesamt 18 Millionen € beigesteuert. Finanziell beteiligt hat sich zudem eine Reihe von Unternehmen, unter anderem RWE Dea sowie die Werft Lindenau und ELAC Nautic GmbH, um einige auch aus Kiel zu nennen.