Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Mein Haus arbeitet in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe derzeit an einheitlichen Standards, weil es keinen Sinn macht, dass wir in Deutschland in jedem Bundesland und auf Bundesebene insgesamt 17 unterschiedliche Standards entwickeln, um zu unterschiedlichen Bewertungen der Wirtschaftlichkeit zu kommen, und insbesondere um zu vermeiden - das hat auch der Abgeordnete Müller gesagt -, dass sich Einzelne etwas, um ein Projekt durchsetzen zu können, schön rechnen. Deshalb brauchen wir schlicht und ergreifend Standards, die für alle gelten. Wir werden uns bemühen, sehr schnell, Anfang nächsten Jahres die Arbeit der Arbeitsgruppe zu einem erfolgreichen Ende zu führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neue Formen der öffentlichen und privaten Zusammenarbeit erfordern auch die im zweiten Punkt des Antrages beschriebene Notwendigkeit, haushaltsrechtliche Vorschriften anzupassen. Bisher war es nicht möglich, bei Bund, Ländern und Gemeinden den Verkauf von Vermögensgegenständen einzuleiten, wenn diese noch zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlich waren. Der Bund hat sich mit dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz inzwischen davon verabschiedet und das für sich ermöglicht. SchleswigHolstein hat das in der Landeshaushaltsordnung seit 1999 ermöglicht und davon ist auch reichlich Gebrauch gemacht worden, wie wir gesehen haben.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die Stimmen der CDU!)

Wir wollen eine solche Möglichkeit ebenfalls für die kommunale Ebene eröffnen.

Ich werde dem Kabinett in Kürze einen umfassenden Katalog derjenigen Maßnahmen vorlegen, die sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene im Gesetzgebungsverfahren und im Verordnungsweg erforderlich sind, um diese Dinge beschleunigt, aber auch risikofest und zukunftssicher zu ermöglichen. Ich bedanke mich für die Unterstützung des Hauses.

(Beifall)

Danke, Herr Minister Wiegard. - Zu einem Kurzbeitrag erteile ich dem Abgeordneten Tobias Koch das Wort.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt noch einmal etwas zur Staatsverschuldung, ob die Frage gelöst wird!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über den ungeteilten Beifall der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für unseren Finanzminister Rainer Wiegard.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Bei Ihnen haben wir nicht ge- klatscht!)

Damit es hier nicht zu Missverständnissen kommt, will ich noch einmal deutlich sagen: Hier gibt es absoluten Konsens zwischen der CDU-Fraktion und der Landesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe)

Kein Einziger in unserer Fraktion geht davon aus, dass wir mit Öffentlich Privaten Partnerschaften eine neue sprudelnde Finanzquelle eröffnen, mit der wir auf einmal alle Projekte finanzieren können, die wir uns bisher nicht leisten konnten.

In meinem Redebeitrag habe ich deutlich gemacht, dass es ausschließlich um Effizienzgewinne geht. Es geht darum, dass man sich bei Planung und Bau Gedanken macht, wie auch der Betrieb zukünftig kostengünstig möglich ist. Deshalb der Spruch: Es ist kein Bauen ohne Geld. Das ist vollkommen richtig. Das möchte ich noch einmal nachdrücklich unterstreichen. Da besteht absolute Übereinstimmung mit der Landesregierung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Davon sind wir ausgegangen, Herr Kollege!)

Deshalb bietet sich vielleicht auch für Sie die Möglichkeit, unserem Antrag geschlossen zuzustimmen, genauso wie Sie geschlossen für den Finanzminister geklatscht haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zurufe)

- Ausschussüberweisung ist beantragt worden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Überweisung an den Ausschuss mit den Stimmen

von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.

(Weitere Zurufe)

- Herr Kollege Müller, das Präsidium hat diese Willensbekundung eindeutig festgestellt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Teilen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung von anderen Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des SSW angenommen.

(Weitere Zurufe)

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 8:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Schleswig-Holstein (Landesbehindertengleichstellungsgesetz - LBBG) Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 16/317

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich vorausschicken, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass viele Kollegen über alle Fraktionen hinweg in der Sache vermutlich dasselbe wollen wie das, was wir hier in unserem Gesetzentwurf fordern, und dem Ganzen vermutlich dennoch etwas skeptischer gegenüberstehen. Das ist mir klar. Es ist der zweite Anlauf, dafür zu werben, immer dann, wenn wir über den Bericht des Landesbehindertenbeauftragten im Plenum diskutieren, daraus auch konkrete Schlüsse zu ziehen und in der praktischen Arbeit umzusetzen. Das ist der Versuch, dafür zu werben, dass Gleichstellung behinderter Menschen kein Lippenbekenntnis bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir meinen es mit der Barrierefreiheit ernst und wollen die bisher eingeschränkten gesetzlichen Anforderungen so ändern, dass das Ziel der Barrierefreiheit auch erreicht wird. Die Gleichstellung läuft mit den bisherigen Regelungen unseres Landesbehindertengleichstellungsgesetzes jedenfalls zum Teil ins Leere.

Somit ist das Landesbehindertengleichstellungsgesetz manchmal nur ein gut gemeintes Placebo mit wenigen konkreten Auswirkungen. Faktisch wird vor Ort im

(Dr. Heiner Garg)

mer noch zu wenig erreicht. Wir müssen und wir wollen deshalb mittelfristig dafür Sorge tragen, dass die Barrierefreiheit letztendlich in allen Gebäuden und öffentlich zugänglichen Verkehrsanlagen, die in öffentlicher Trägerschaft stehen, hergestellt wird.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Dies allein schon deshalb, weil mit der Herstellung von Neubauten mittelfristig kaum zu rechnen ist. Ich glaube, das weiß jeder in diesem Haus.

Umso ärgerlicher ist es dann, wenn bei den wenigen Neubauten die Maßgaben zur verpflichtenden barrierefreien Gestaltung nicht oder nur unzureichend eingehalten werden. Dies wollen wir jetzt mit unserem vorgelegten Gesetzentwurf mittelfristig ändern.

Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass nach einer Übergangsfrist von 15 Jahren - also bis zum 31. Dezember 2020 - eine solche Barrierefreiheit auch in bereits bestehenden Gebäuden und Anlagen herzustellen ist. Durch die Übergangsfrist wollen wir den Trägern in der Erfüllung des selbst gesetzten Anspruchs, Vorbild bei der Herstellung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum zu sein, Planungssicherheit geben. Darüber hinaus wollen wir die Möglichkeiten eröffnen, dass mittels Zielvereinbarungen mit den anerkannten Interessenverbänden konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit auch zu einem anderen Zeitpunkt getroffen werden können. Wir kommen damit denjenigen, die finanziell gefordert sind, noch ein Stück weiter entgegen. Damit wird den Trägern der öffentlichen Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, die Frist im Konsens mit den Betroffenen zu verlängern.

Das gilt auch für Verkehrsanlagen. Das Netz von barrierefrei gestalteten Stationen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr ist bei uns noch recht lückenhaft. Umso wichtiger wäre es gewesen, gerade bei der Vergabe von Strecken darauf zu achten, dass sowohl die Stationen als auch das Fahrzeugmaterial innerhalb einer gesetzten Frist barrierefrei gestaltet werden müssen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gerade hier hätte das Land das Ausschreibungskriterium ,,Barrierefreiheit" anders gewichten können. Deshalb können und dürfen wir von den Trägern der öffentlichen Verwaltung erwarten, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen und bestehende Barrieren beseitigen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Denn Menschen mit Behinderung können zu Recht erwarten, dass ihr Bürgerrecht auf gleiche Teilhabe umfassend Wirklichkeit wird.

Wer die Durchsetzung dieser Bürgerrechte, die Herstellung von Barrierefreiheit, mit der Begründung verweigert, man könnte durch eine entsprechende Regelung das in Artikel 49 Abs. 2 der Landesverfassung verankerte Konnexitätsprinzip auslösen, zeigt, dass Barrierefreiheit in Schleswig-Holstein nur auf dem Papier existieren könnte und an rein fiskalischen Überlegungen zu scheitern droht.

Das Konnexitätsprinzip hat die Signalfunktion, dass der Landesgesetzgeber nicht einfach zulasten der Kommunen kostenträchtige Beschlüsse fasst. Das darf die Politik aber auch nicht davon abhalten, kostenauslösende Entscheidungen zu treffen, wenn die Zielsetzung der Barrierefreiheit tatsächlich erreicht werden soll. Es genügt eben gerade nicht, dass wir regelmäßig im Rahmen der Debatte über den Bericht des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung darüber lamentieren, dass in Schleswig-Holstein zu wenig auf die Barrierefreiheit geachtet wird. Vielmehr muss hier konkret gehandelt werden.

Um die Barrierefreiheit mittelfristig zu verwirklichen und innerhalb der von uns vorgeschlagenen Frist von 15 Jahren umzusetzen, gehören für uns folgende Maßnahmen zwingend in Ergänzung dazu: die Anerkennung von Behindertenorganisationen als Träger öffentlicher Belange, um diese neben dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung bei der Planung von Gebäuden und vor Baubeginn einzubinden - auch bei kommunalen Projekten; die Verschärfung bauaufsichtsrechtlicher Prüfungen im Hinblick auf die Barrierefreiheit; Barrierefreiheit als Förderkriterium und als stärker gewichtetes Kriterium bei der Vergabe von Neubauten und im öffentlichen Personennahverkehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie herzlich, Ihre zögerliche und etwas vorsichtige Haltung zu unserem Gesetzentwurf noch einmal zu überdenken. Vielleicht bieten auch die Ausschussberatungen Möglichkeiten, den einen oder die andere von der Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung zu überzeugen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Vielen Dank, Herr Dr. Garg. - Ich erteile nunmehr für die Fraktion der CDU deren sozialpolitischem Sprecher, dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitglieder des Sozialausschusses haben bereits während der Debatte über das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen im Herbst 2002 um eine Optimierung der Regelungen zur Steigerung der Barrierefreiheit gerungen. Letztendlich mussten wir über Fraktionsgrenzen hinweg feststellen - ich glaube, am Ende war es eine einhellige Feststellung -, dass das Konnexitätsprinzip einer weiterführenden Regelung zur Barrierefreiheit entgegensteht.