Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Solange sich das Vogelgrippevirus auch nicht dahin gehend verändert, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar wird, besteht für die hiesige Bevölkerung ohne Kontakt zu infiziertem Geflügel auch kein erhöhtes Risiko. Mit anderen Worten: Eine gefährliche Grippeepidemie könnte genauso gut auch von einem völlig anderen Erreger als dem Vogelgrippevirus ausgelöst werden.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, das Problem Vogelgrippe zum jetzigen Zeitpunkt möglichst an der Wurzel zu packen. Das heißt, wir brauchen eine effektive und konsequente Tierseuchenbekämpfung vor Ort. Mir ist dabei bewusst, dass die Möglichkeiten Schleswig-Holsteins begrenzt sind. Die aktuelle Tagung der Vereinten Nationen zur Vorbereitung einer

(Dr. Heiner Garg)

Geberkonferenz zur Bekämpfung der Geflügelpest weist in die vollkommen richtige Richtung. Diese Konferenz und ihre Ergebnisse verdienen umgesetzt zu werden - mit unserer Unterstützung, wo immer das geht. Hierzulande können und müssen wir alles dafür tun, damit es nicht zu dem kommt, was wir alle nicht hoffen, einer Übertragung von Vogelgrippeviren auf unsere Tiere hier im Land.

Wir brauchen Informationen, Informationen über die möglichen Gefahren für Tier und Mensch. Nur so lassen sich Ängste und Verunsicherungen abbauen. Nur so lässt sich die Vernunft bewahren. Nur so sind wir dann vielleicht auch in der Lage, angemessen auf eine hoffentlich nie auftretende Vogelgrippe und mögliche Folgen zu reagieren. Mit diesem Bericht haben Sie, Frau Ministerin, den Startschuss hierzu gegeben. Nochmals herzlichen Dank!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Sprecher der antragstellenden Fraktion, Herrn Dr. Heiner Garg. - Nunmehr erteile ich für die Fraktion der CDU der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP hat einen umfangreichen Fragenkatalog zu Vorsorgemaßnahmen und gesundheitspolitischen Aktivitäten der Landesregierung gegen die Vogelgrippe in Schleswig-Holstein für die heutige Tagung vorgelegt. Der Berichtsantrag ist auf den ersten Blick sehr beeindruckend, aber beim zweiten Hinsehen lediglich die Anhäufung von zahlreichen Fragen, die dem derzeitigen Informations- und Aufklärungsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nur bedingt entsprechen - so möchte ich es formulieren.

Herr Kollege Garg, ich hätte an Ihrer Stelle entweder einen fundierten schriftlichen Bericht als Grundlage für weitere Diskussionen eingefordert oder aber die vordinglichen, unter den Nägeln brennenden Fragen im Rahmen einer Fragestunde gestellt.

Wir haben aus der BSE-Krise gelernt, dass sorgfältiger Umgang mit gesundheitlichen Risiken und umfassende, verantwortungsvolle Information der Bürgerinnen und Bürger der Schlüssel für die Überwindung einer Krise sind. Es ist ebenso unverantwortlich, Panik zu verbreiten wie Risiken zu verharmlosen.

Aus gesundheitspolitischer Sicht ist vor allem die Frage von zentraler Bedeutung, wie gefährlich Vogelgrippe für die Menschen ist. Ich möchte das hier nicht wiederholen. Es sind dieselben Erkenntnisse,

auf die auch ich mich stützen konnte, die bereits von der Ministerin berichtet wurden, von Ihnen genannt wurden und die sicherlich nachher noch wiederholt werden. Also: Es handelt sich um eine Tierkrankheit. Sie ist vor allem für Vögel gefährlich, kaum für Menschen. Wir haben auch schon gehört, wie man sich infizieren kann: durch den engen Kontakt mit Vögeln oder über Federn oder den Kot infizierter Vögel.

Das Grippevirus ist von Mensch zu Mensch nicht direkt übertragbar. Wir haben aber auch schon gehört, dass durch Mutation ein Virus entstehen kann, das doch auf Menschen übertragbar wäre. Dann könnte auch eine Pandemie entstehen, die sich innerhalb kürzester Zeit weltweit ausbreiten könnte. Im Schnitt gibt es drei- bis viermal in 100 Jahren eine Influenzapandemie. Im 20. Jahrhundert gab es 1918, 1957 und 1968 Influenzapandemien. Vielleicht - hoffentlich - schafft es das Vogelgrippevirus H5N1 nie, zwischen Menschen übertragbar zu werden.

Die alljährlich wiederkehrende normale Grippewelle wird von Influenzaviren verursacht, die sich nur geringfügig von denen der Vorjahre unterscheiden. Sie sind dem Immunsystem bekannt und erzeugen eine schnelle und starke Immunantwort. Trotzdem sterben bei diesen Grippewellen mit gewöhnlichen Influenzaviren jedes Jahr 7.000 bis 20.000 Menschen in Deutschland, vor allem Geschwächte und Kranke. Das muss man auch einmal bedenken.

Sollte es eines Tages tatsächlich zu einer Influenzapandemie kommen, könnten die gelagerten Medikamente die Bevölkerung - das hoffen wir - so lange schützen, bis es einen Impfstoff gibt. Der müsste noch entwickelt werden. In Deutschland werden solche Mittel für etwa 10 % der Bevölkerung gelagert.

Ein Großteil der Bevölkerung glaubt immer noch, sich mit einer saisonalen Grippeimpfung auch vor der Vogelgrippe schützen zu können. Das geht selbstverständlich nicht. Die Impfstoffe, die jedes Jahr neu gegen die saisonalen Influenzaviren hergestellt werden, schützen nur vor den Human-Influenzaviren der jeweiligen Saison.

Ich möchte jetzt einiges bereits Gesagte überschlagen, aber noch auf die Frage hinweisen, ob auch der Verzehr von Geflügel und Eiern gefährlich sein kann. In Deutschland ist es völlig problemlos, Geflügel und Eier zu essen. Der Verzehr gut durchgegarten Geflügels ist auch in Ländern, in denen die Vogelgrippe vorkommt, kein Risiko. Noch ist es wahrscheinlicher, am Verzehr verdorbenen Geflügelfleisches zu erkranken, das mit krimineller Energie in Umlauf gebracht wurde, als an der Vogelgrippe.

(Ursula Sassen)

Ich hoffe, dass uns die Landesregierung über die weitere Entwicklung umfassend informieren wird und über die heutigen, sehr guten Informationen hinaus einen international abgestimmten Notfallplan griffbereit in der Schublade hat und uns mit allem auf dem Laufenden hält.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Kollegin Sassen und erteile nunmehr für die Fraktion der CDU dem Herrn Kollegen Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen den Schwerpunkt auf die Vorsorgemaßnahmen legen. Ich tue das nicht, um die Augen vor den Gefahren einer möglichen Vogelgrippe zu verschließen, sondern um möglichst Doppelungen in der Debatte zu vermeiden.

Wir wissen aber: Am empfänglichsten für das H5N1Virus ist Hausgeflügel, insbesondere Hühner und Puten. Für die Übertragung des Virus von einem Individuum auf ein anderes ist eine große Menge Influenzaviren erforderlich. Solche großen Mengen werden insbesondere von Hausgeflügel ausgeschieden. Wir wissen weiter, dass eine Übertragung des Virus auf Enten, Tauben, Greifvögel und andere Vogelarten möglich ist und insbesondere im asiatischen Bereich auch stattgefunden hat. Diese Arten sind für die Ausbreitung insofern von Bedeutung, weil sie zwar relativ geringe Virenmengen ausscheiden, diese jedoch für Hausgeflügel wiederum hochgradig infektiös sind.

Was passiert nun, wenn es bei uns zu einer Infektion von Geflügelbeständen kommt? - Für Menschen und Säugetiere besteht nach heutigem Kenntnisstand keine akute Gefahr. Die aus Asien bekannten Fälle - das wurde schon angesprochen - rühren aus einem sehr engen Kontakt mit Hausgeflügel her, der bei uns äußerst unüblich ist. Ein Schutz von Menschen und Säugetieren beim Auftreten der Vogelgrippe erscheint insofern leistbar. Es besteht an dieser Stelle sicherlich Anlass, auch in der Bevölkerung für Beruhigung einzutreten.

Leider ist die Entwicklung von Impfstoffen - die Ministerin hat darauf hingewiesen - noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein Impfschutz für Geflügelbestände generell verfügbar wäre und eingesetzt werden könnte. Der einzige aktuell gangbare Weg, dem einmal eingeschleppten Virus zu begegnen, ist die Tötung der betroffenen Bestände. Wir haben auch für

diesen Fall bereits etwas über die bereitstehenden Entschädigungen gehört.

Unser Ziel muss es deshalb sein, das Einschleppen des Virus zu verhindern.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Es gibt zwei Wege, die ein besonderes Risiko darstellen.

Der eine dieser Wege ist der Vogelzug. Das Influenzavirus vom Typ H5N1 trat 1997 erstmals in Südostasien auf und hat sich seitdem über elf Länder der Region ausgebreitet. Es hat China und Sibirien erreicht und bewegt sich offenbar weiter in Richtung Westen. Mit Blick auf den Vogelzug ist aber zu beachten: Zum einen liegt Schleswig-Holstein nicht in den Hauptzugrichtungen aus den betroffenen Gebieten. Zum anderen ist nicht bekannt, ob Tiere, die nicht am Virus erkrankt sind, diesen trotzdem weiter verbreiten können. Wir wissen aber, dass bereits infizierte Tiere in der Regel nicht mehr zugfähig sind.

Im Rahmen des intensivierten Wildvogelmonitorings - auch das wurde angesprochen - sind bislang bei uns keine infizierten Tiere erkannt worden. Mit dem Auftreten des Virus in Rumänien und im Raum Moskau wurde ein Einschleppen nach SchleswigHolstein durch Zugvögel theoretisch denkbar. Das Ministerium hat an dieser Stelle mit dem Aufstallungsgebot bis zum Ende der Zugzeit schnell und mit Augenmaß reagiert. Es ist davon auszugehen, dass Transport und Handel von Geflügel und Geflügelprodukten ein höheres Potenzial zur Verbreitung des Virus in sich tragen als der Vogelzug.

Der Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium hat deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung der Vogelgrippe EU-weit geschehen muss. Er sagte, wenn das Virus möglicherweise erst einmal in der EU sei, müssten die Bekämpfungsmaßnahmen wegen des schnellen und komplexen Tier- und Warenverkehrs ausgesprochen drastisch sein. Genau das gilt es zu verhindern.

In der Mittagspause bekam ich die Meldung mit, dass ein Verdachtsfall in Norditalien aufgetreten ist, sodass das Virus jetzt tatsächlich die EU erreicht hat. Wir können nur hoffen, dass man dort ebenso gut darauf vorbereitet ist wie in Schleswig-Holstein.

Das Importverbot von Vögeln, Geflügel und Geflügelprodukten aus den Risikogebieten ist deshalb völlig angemessen. Das gilt auch für die verstärkte Kontrolle des Reise- und Warenverkehrs.

Uns betrifft - auch das haben wir schon gehört - die EU-Außengrenze zu Russland insbesondere in den

(Axel Bernstein)

Ostseehäfen. Wir bitten die Ministerin beziehungsweise den Minister, weiterhin alle Maßnahmen zu ergreifen, die nötig sind, um gemeinsam mit Zoll- und Veterinärbehörden ein Eindringen des Virus auf diesem Wege zu verhindern. Jeder zusätzliche Aufwand, der das Eindringen des Virus in die EU verhindert, ist gering im Vergleich zu dem Aufwand und dem wirtschaftlichen Schaden, der durch die Infektion großer Geflügelbestände verursacht würde. Dies ist auch ein Gebot des Verbraucherschutzes und der Fürsorge gegenüber der heimischen Ernährungswirtschaft.

Die CDU-Fraktion bittet das zuständige Ministerium, auch weiterhin mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit Akzeptanz für die nötigen Maßnahmen zu schaffen und über die Risiken sachlich zu informieren.

(Beifall im ganzen Haus)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich zunächst einmal bei der Ministerin für den - wenn ich das einmal so sagen darf - aus gesundheitspolitischer und landwirtschaftlicher Sicht umfangreichen Bericht.

Wir haben uns den Beitrag geteilt. Meine Kollegin Frau Rodust wird sich zum Thema Tierhaltung äußern. Ich möchte die gesundheitspolitischen Aspekte dieses Themenfeldes beleuchten.

Experten der Weltgesundheitsorganisation, WHO, warnen seit den 90er-Jahren vor einer neuen, länderübergreifenden Grippewelle, die sich in Form einer Pandemie in nur wenigen Monaten weltweit ausbreiten könnte. Inzwischen scheint nicht mehr fraglich, ob, sondern nur noch wann ein neues Virus entsteht, durch das Millionen Menschen erkranken und auch sterben könnten. Als wahrscheinlicher Auslöser gilt eine abgewandelte Form des umgangssprachlich als Vogelgrippevirus bezeichneten Erregers.

Schon jetzt führt in Deutschland eine Grippewelle jährlich bei 5.000 bis 8.000 Menschen zum Tode. Die Zahl ist in der Regel höher als die Zahl der Verkehrstoten. Diese Zahl, die wir schon mehrfach gehört haben, sollte uns gesundheitspolitisch große Sorgen machen. Da können wir, glaube ich, gesundheitspolitisch in Deutschland beziehungsweise in SchleswigHolstein noch eine ganze Menge tun. Besonders betroffen von den Grippewellen sind alte Menschen, Kinder, Kranke und Menschen, deren Immunsystem

geschwächt und instabil ist. Deshalb gelten die jährlichen Empfehlungen zur Teilnahme an Grippeschutzimpfungen besonders für diese Personenkreise.

Wir wissen, dass die häufige Veränderung der Oberflächenstoffe von Grippeviren eine ständige Neu- und Weiterentwicklung von Impfstoffen erforderlich macht. Da nicht bekannt ist, welcher Virusstamm potenziell eine Pandemie auslöst, können Impfstoffe auch nicht im Voraus produziert werden. Sie können leider auch nicht lange eingelagert werden.

Hinzu kommt, dass die derzeit verfügbaren Grippeimpfstoffe nicht vor einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus schützen. An einem Impfstoff gegen den Vogelgrippeerreger arbeiten derzeit weltweit Forschungslabore mit Hochdruck. Wir wissen, dass weltweit bisher circa 60 Menschen an der Vogelgrippe gestorben sind - auch diese Zahl haben wir schon mehrfach gehört -, fast ausschließlich im asiatischen Raum. In Deutschland ist zum Glück noch kein Fall aufgetreten.

Aufgrund der WHO-Warnungen hat das Bundesgesundheitsministerium Anfang 2005 einen nationalen Influenza-Pandemieplan vorgelegt und inzwischen veröffentlicht. Dieser sieht eine Reihe von Maßnahmen für verschiedene Phasen vor, zum Beispiel die Möglichkeit von Reisebeschränkungen wie auch eine bundesweit koordinierte Verteilung und Produktion von Impfstoffen und so weiter. Die Ministerin hat darüber ausführlich berichtet.

Die norddeutschen Bundesländer haben sich anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz im letzten Sommer darauf verständigt, im Falle einer Pandemie gemeinsam zu handeln.

Ein weiterer wichtiger gesundheitspolitischer Aspekt ist die Reduzierung des Ansteckungsrisikos. Ich zitiere Herbert Schmitz vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, der sagt, dass eine Übertragung von Mensch zu Mensch bisher nicht bewiesen wurde und dass eine Infektion einen intensiven Kontakt mit den Viren voraussetzt. Für die Allgemeinbevölkerung besteht daher kein erhöhtes Infektionsrisiko. - Der Sittich im heimischen Vogelkäfig ist also ungefährlich.

Es besteht konkreter Handlungsbedarf in den asiatischen Ländern und es bedarf internationaler Unterstützung vor Ort. Die Konferenz von 100 Staaten, die derzeit in Genf unter Leitung der WHO stattfindet, hat mit ihrem Aktionsplan und der Bereitstellung von circa 1 Milliarde Dollar für die von der Vogelgrippe betroffenen asiatischen Länder genau die richtigen Weichen gestellt. Wir hier in Schleswig-Holstein sollten wachsam sein, die Entwicklungen aufmerksam