Ich danke der Frau Abgeordneten Tengler. Für die SPD-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Eichstädt das Wort.
Bin ich, Herr Kubicki. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede der Grünen und vor allen Dingen nach dieser Aktion sind mir gewisse Zweifel gekommen, ob Sie es wirklich ernst meinen mit diesem Thema. Ihr Outfit erinnert mich an meinen alten Schulsprecher; er hatte auch ein solch schickes T-Shirt an. Möglicherweise stehen uns noch andere Aktionen ins Haus und wird im Landtag in Zukunft wieder gestrickt. - Trotzdem: Sehr schick, das T-Shirt!
Der Beginn meiner Rede schließt unmittelbar ans Thema an: In unserem Land hat jeder das Recht, seine Gewohnheiten und Angewohnheiten, ja Süchte, auszuleben. Auch das nennen wir Wahrung der Persönlichkeitsrechte. Aber die Freiheit, alles zu tun, was Einzelne ihrer Persönlichkeit und deren Entfaltung zurechnen, hat dort Grenzen, wo es andere, ohne dass sie sich davor schützen können, in Mitleidenschaft zieht. Im Kern geht es beim heutigen Antrag bei ernsthafter Betrachtung um genau diesen Konflikt.
Der Absicht, Nichtraucher davor zu schützen, dass sie durch wenig rücksichtsvolles Verhalten der Raucher zu Mitrauchern werden und gesundheitliche Schäden erleiden, ist nicht ernsthaft zu widersprechen - auch deshalb nicht, weil wir wissen, dass für viele Kinder und Jugendliche der frühe Kontakt mit der Zigarette, mit dem Nikotin der Einstieg in eine häufig lebenslange Suchtkarriere ist.
Die Diskussion über einen verbesserten Nichtraucherschutz wird bundes- und europaweit geführt. Auf dem Prüfstand steht aber viel mehr, nämlich die grundsätzliche Haltung, die unsere Gesellschaft gegenüber dem Umgang mit Tabakkonsum einnimmt. Hier brauchen wir einen Paradigmenwechsel, der weit über die Befreiung des Landeshauses von Schleswig-Holstein vom blauen Dunst hinausgeht.
Ein Rauchverbot im öffentlichen Raum, wie es die Grünen vorschlagen, wird schon allein so lange unglaubwürdig bleiben,
wie der Bundesfinanzminister darüber klagt, dass durch die Erhöhung der Tabaksteuer der Nikotinkonsum sinkt und damit seine Steuereinnahmen sinken.
Widersprüchlich ist auch, dass, obwohl die Gefahren des Rauchens wohl bekannt sind, bei uns - anders als in vielen europäischen Ländern - das nahezu ungehemmte Werben für den Tabakkonsum erlaubt bleibt. Wenn der Zugang zu Tabakwaren wie in keinem anderen europäischen Land erleichtert
wird, indem von Kindern und Jugendlichen frei erreichbar Zigarettenautomaten aufgestellt werden können, dann, Kolleginnen und Kollegen, wird der Staat zum Dealer.
Alarmierend ist eine aktuelle Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, veröffentlicht vor 14 Tagen, nach der das Passivrauchen jedes Jahr mehr als 3.300 Nichtraucher in Deutschland tötet. Tabakrauch in Innenräumen ist danach keine Belästigung der harmlosen Art, sondern eine Gesundheitsgefährdung mit Todesfolge, sagen die Wissenschaftler.
Es geht in dieser Diskussion weniger um die Disziplinierung von Rauchern. Diese sollen meinetwegen selbst entscheiden, wie sie die Prognose für ihre Lebenserwartung programmieren. Es wird auch niemandem verboten, seine Gesundheit beim Bungeespringen, Extremklettern oder Boxen zu gefährden. Es geht vielmehr um die Menschen, die nicht rauchen wollen, durch passives Mitrauchen jedoch praktisch dazu gezwungen werden.
Die EU hat mit einer Richtlinie unter anderem dazu aufgefordert, rauchfreie öffentliche Räume in der gesamten EU zu schaffen. Länder, die für ihren fast kultartigen Umgang mit dem Rauchen bekannt sind - zum Beispiel Irland, Italien und Frankreich –, sind uns hier weit voraus. Selbst Rauchverbote in Bistros und Pubs werden dort akzeptiert und erstaunlicherweise sogar in Irland beachtet.
Nun komme ich zu dem Vorschlag, den Sie an den Anfang Ihres Antrags setzen. Als Allererstes fordern Sie, dass wir im Schleswig-Holsteinischen Landtag das Rauchen verbieten, um Nichtraucher vor dem „Mitgenuss“ von Nikotin zu schützen. Auch in Ihrer Rede, Herr Hentschel - insofern fand ich Ihre Einlassung etwas überflüssig –, haben Sie den Schwerpunkt deutlich auf diesen Aspekt gelegt. Das klingt auch gut, kommt in der Öffentlichkeit gut an, ist aber, ehrlich gesagt, ziemlicher Unsinn.
Zum einen haben wir als Parlament nicht die Aufgabe, zuerst für uns selbst zu sorgen, das heißt für die Nichtraucher im Parlament, sondern wir haben uns um die Gesundheit aller Menschen in Schleswig-Holstein zu kümmern. Von daher wäre es schon absurd, wenn wir als Allererstes in unserem eigenen Haus die Nichtraucher schützen und uns bei anderen Orten Ruhe und Zeit lassen. Wir sollten
Zum anderen: Die von Ihnen geforderte Regelung inklusive Raucherecken; diese Konzession haben Sie in Ihrem Antrag ja gleich gemacht - gibt es bereits. So heißt es in der Anweisung der Landtagsverwaltung vom März 2002:
„Im Landtag ist der Schutz von Nichtrauchern vorrangig vor den Individualrechten der Raucher zu gewährleisten. In allen Fluren im Landeshaus bis auf die Flure im dritten Obergeschoss“
„ist das Rauchen untersagt. Ebenso in der Lobby, dem Abgeordnetenfoyer, dem Bürgerfoyer, dem Besucherforum, dem Plenarsaal sowie in der Cafeteria. Andere Bereiche werden als Raucherbereiche ausgewiesen: Das sind die Eingangshalle des Landeshauses und die Havanna-Lounge.“
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, über alles kann man reden. Wir wollen den Antrag - das haben wir vorher schon so besprochen - in den Ausschuss überweisen. Ich bin sicher, dass wir eine angeregte rauchfreie Diskussion haben werden. Wenn Sie Lust haben, bringen Sie Ihre T-Shirts wieder mit.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Eichstädt. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jetzt muss ein ehemaliger Raucher, der seit viereinhalb Jahren nicht mehr raucht, zu diesem Thema Stellung nehmen,
Zwei Redner haben schon gesagt, wie viele Menschen jedes Jahr durch das Passivrauchen getötet werden. Interessant ist vielleicht einmal die Relation. Es sind nämlich mehr Menschen pro Jahr, die durch Passivrauchen getötet werden als durch illegale Drogen und Asbestbelastung zusammen. Bei dieser Relation wissen wir, dass das ein durchaus ernst zu nehmendes Thema ist. Der Landtag hat bereits - das muss man auch ganz klar sagen - durch eine Beschränkung des Rauchens auf bestimmte Räumlichkeiten ein Signal gesetzt.
Selbstverständlich haben wir eine Vorbildfunktion. Selbstverständlich macht es sich schlecht, wenn hier Besuchergruppen aus Schulen vorbeilaufen und wir über die rauchfreie Schule diskutieren.
Ich finde aber auch eine permanente Diskriminierung von Rauchern verfehlt angesichts der Tatsache, dass im Bundeshaushalt 2004 fast 14 Milliarden € an Einnahmen aus der Tabaksteuer fließen. Auf die will niemand verzichten. Hier sollte man ein bisschen vorsichtiger in der Abwägung und bei den Konsequenzen sein, die man fordert.
Wenn wir uns im europäischen Ausland umsehen, stellen wir fest, es herrschen mittlerweile - das haben viele schon gesagt - wesentlich striktere Regeln, was das Rauchen in der Öffentlichkeit betrifft. Diese Länder, bei denen wir bis vor kurzem nie geglaubt hätten, dass sich dort ein Rauchverbot durchsetzen ließe - wie in Irlands Kneipen und Pubs und Italiens Bars und Bistros mit Publikumsverkehr –, sind in der Tat mittlerweile weiter als die Bundesrepublik. Im Übrigen auch Spanien, das wie Deutschland im Dezember 2004 die Antitabakkonvention der Weltgesundheitsorganisation ratifiziert hat. Dort wird es ab 2006 nicht nur in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln, sondern auch an den Arbeitsplätzen ein generelles Rauchverbot geben. Seit letztem Sonntag gilt in Zügen der Schweizerischen Bundesbahn und auf den Bahnhöfen ein vollständiges Rauchverbot.
Auch die Zigarettenautomaten, die es in Deutschland gibt, wurden schon angesprochen. Hierzu muss man sagen, dass ab 2007 der Zugang für unter 16-Jährige erschwert werden soll. Auch da sage ich: Wer Zigarettenautomaten generell aus der Öffentlichkeit verbannen will, soll sich Gedanken dar
über machen, auf wie viele Anteile der Tabaksteuer am Bundeshaushalt er denn verzichten möchte. Ansonsten bin ich nicht bereit, die Debatte in dieser Schärfe zu führen, weil ich das - ehrlich gesagt - ein bisschen scheinheilig finde.
Der Ruf nach Aufklärung ist immer gut und richtig - vor allem, wenn es darum geht, Menschen die Gefahren von Tabakkonsum vor Augen zu führen. Aber auch da ist der Staat natürlich ein schlechtes Vorbild. Ich bin sicher, wir können im Ausschuss darüber diskutieren, inwieweit wir im Landtag das Rauchen möglicherweise auf noch enger begrenzte öffentliche Zonen beschränken wollen. Als ehemaliger Raucher will ich aber auch ganz deutlich sagen: Ich will meinen Kolleginnen und Kollegen auch der Kollegin stellvertretende Ministerpräsidentin - nicht vorschreiben, ob sie ihre Zigarette nach einer Plenardebatte rauchen dürfen. Ich finde, so weit dürfen wir nicht gehen.
Auch Regelungen, die eine freiwillige Selbstkontrolle des Landes beinhalten, das als Arbeitgeber seine Arbeitnehmer vor Passivrauch zu schützen hat, können ein erster Schritt sein. Er darf dann aber nicht nur diskutiert, sondern muss konsequent durchgeführt werden. An dieser fehlenden Konsequenz sind bisherige Anläufe regelmäßig gescheitert, wenn das Rauchen beispielsweise in öffentlichen Bereichen verboten werden sollte.