Protokoll der Sitzung vom 16.12.2005

Auch Regelungen, die eine freiwillige Selbstkontrolle des Landes beinhalten, das als Arbeitgeber seine Arbeitnehmer vor Passivrauch zu schützen hat, können ein erster Schritt sein. Er darf dann aber nicht nur diskutiert, sondern muss konsequent durchgeführt werden. An dieser fehlenden Konsequenz sind bisherige Anläufe regelmäßig gescheitert, wenn das Rauchen beispielsweise in öffentlichen Bereichen verboten werden sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten erst einmal die Debatte darüber führen, ob eine objektive Abwägung zwischen individueller Freiheit und dem Schutz der Allgemeinheit beim Thema Rauchen gemacht werden kann, bevor wir generelle Verbote aussprechen.

(Beifall bei der FDP)

Eine ausführliche, aber auch ergebnisoffene Debatte im Ausschuss ist mit Sicherheit ein erster Schritt.

Vielleicht noch eines, weil das vorhin einige erwähnt haben: Ich kann weder stricken noch häkeln. Ich werde ein solches T-Shirt mit Sicherheit auch nicht anziehen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es muss auch noch Unterschiede ge- ben!)

- Eben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche den Kollegen - insbesondere dem Kollegen Astrup - weiterhin Genuss bei Ihren Zigaretten.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob Ihnen das Schild an der Wyker Kurpromenade bekannt ist. Dort heißt es nämlich: „Vernünftige fahren hier nicht mit dem Rad, den anderen ist es verboten.“ Diese Regelung sollte auch beim Rauchverbot gelten: Vernünftige rauchen nur dort, wo sie andere nicht stören, und den anderen ist es verboten.

Nun mag man einwenden, dass es uneinsichtige Raucher gibt, die sich nur schwer davon überzeugen lassen, dem geliebten Laster nicht zu frönen; denen sei nur mit einem Verbot beizukommen. Diese Meinung teile ich nicht ohne weiteres. Verbote ändern oftmals nur kurzfristig etwas. Nachhaltige Maßnahmen entstehen nur im Miteinander.

(Beifall bei SSW und FDP)

So, wie es der SSW ablehnt, den Schulen einen Rauchererlass überzustülpen, haben wir in der Debatte zu diesem Thema vorgeschlagen, dass Lösungen vor Ort, eine Politik der rauchfreien Schule vor Ort, durchgeführt werden. Wir sind nicht davon überzeugt, dass der von den Grünen beschriebene Weg des Verbotes der richtige ist.

(Beifall bei SSW und FDP sowie vereinzelt bei CDU und SPD)

Einschränken möchte ich, dass ich die Abschaffung der Zigarettenautomaten durchaus befürworte, denn sie sind doch die Beschaffungsquelle für Kinder und jugendliche Raucher. Aber das läuft, dass man das regulieren kann.

In dem Antrag ist von freiwilliger Selbstkontrolle die Rede. Genau die brauchen wir auch im Landtag als einem öffentlichen Gebäude.

Dem Landtag kommt zweifelsohne eine besondere Vorbildfunktion zu. Ich kann mir aber nicht vorstellen, eine Besuchergruppe durch Rauchschwaden hindurch durchs Haus zu führen. Damit würden wir allen zeigen, dass wir zwar von anderen Gesund

(Dr. Heiner Garg)

heitsbewusstsein fordern, es selbst aber bei Appellen belassen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will das aber gleich einschränken. Mir behagt es auch nicht, den Landtag zur rauchfreien Zone zu erklären, ohne den Menschen, die hier täglich im Gebäude arbeiten, die Chance zu geben, dazu Stellung zu beziehen. Mir ist bewusst und bekannt, dass es für den Landtag als Verwaltungsgebäude, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Regeln gibt. Das meine ich damit auch nicht. Ich meine, dass sich alle Nutzer dieses Gebäudes zusammensetzen sollten, um gemeinsame Lösungen zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade im Zusammenspiel mit dem Personalrat eine kreative und tragfähige Lösung erreichen können, die über die Sensation des Tages hinaus Bestand hat. Darum sollte es gehen.

Auch für andere öffentliche Gebäude erscheint mir das der beste Weg zu sein: sich gemeinsam an den Tisch zu setzen und dann eine Lösung anzustreben, mit der alle leben können, denen dieses Gebäude Arbeitsplatz ist.

Der Antrag der Grünen will aber gleich den gesamten öffentlichen Raum rauchfrei machen. Entsprechende Erfahrungen in Italien und Irland liegen bereits vor. Auch Norwegen hat das eingeführt. Ich komme jetzt auf Italien zu sprechen. Einmal abgesehen davon, dass dort jetzt vor allem die Terrassen der Cafés bevölkert sind, weil dort lustig weitergeraucht wird, halte ich das hehre Ziel eines vollständigen Rauchverbots nur für eine Herausforderung an die Raucher, möglichst viele Nischen zu finden. In Deutschland hat die Erhöhung der Tabaksteuer gezeigt, dass findige Raucher durchaus in der Lage sind, sich Zigaretten zum halben Preis zu besorgen, entweder im Ausland oder als selbst gedrehte. Dieses Schlupfloch soll jetzt geschlossen werden.

Bis 2009 will die ehrgeizige EU-Kommission in allen Mitgliedstaaten das Rauchen verbieten, zumindest im öffentlichen Raum. Ich halte das für unrealistisch. Nur ein Raucher, der aus eigenem Antrieb dem Glimmstängel Ade sagt, wird langfristig Nichtraucher bleiben. Ich weiß das auch aus eigener Erfahrung.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Alle anderen fangen früher oder später wieder damit an. Für den SSW heißt das, dass wir zunächst dabei ansetzen müssen zu verhindern, dass junge Menschen überhaupt mit dem Rauchen anfangen,

also mit der Prävention. Dann müssen wir die Aufklärung auch für die Erwachsenen weiter verbessern. Die Erfolge der frühen Anti-AIDS-Kampagne haben ausdrücklich belegt, dass es mit einer Kampagne gelingen kann, Verhalten zu ändern. Da hierfür die Mittel aber drastisch zurückgefahren wurden, steigt die Neuinfektionsrate weiter an. Der Kollege Garg hat das gestern auch schon zur Sprache gebracht.

Die Schlussfolgerung ist also klar: Man darf einfach nicht nachlassen. Wer die Zahl der Raucher dauerhaft senken möchte, muss Geld in die Hand nehmen, und zwar viel Geld. Verbote sind schnell erlassen, werden aber am Verhalten wenig ändern.

Ich fasse noch einmal zusammen, das ist auch der letzte Satz, Frau Präsidentin: Auch der SSW ist für rauchfreie öffentliche Räume. Wir behaupten aber - nichts ist einfacher, als ein Schild hinzustellen und Erlasse zu beschließen –, Rauchen ist eine Sucht, eine legale und akzeptierte Sucht, aber dennoch eine Sucht. Das heißt, wir sollten allmählich anfangen, die Erkenntnisse, die uns die Suchtforschung über Jahre geliefert hat, auch in die Antiraucherdiskussion mit einzubringen. Ich denke, das wäre ein vernünftiger Weg.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das waren vier letzte Sätze, liebe Frau Kollegin, aber es sei erlaubt. Ich habe Meldungen zu mehreren Kurzbeiträgen. - Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Wadephul zu einem Kurzbeitrag das Wort.

(Zurufe: Jetzt kommen die Selbstbekenntnis- se!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kubicki, ich habe nicht die Absicht, hier ein Selbstbekenntnis abzulegen, obwohl ich ebenfalls ehemaliger Raucher bin. Aber das Anliegen ist ernst und die Kollegin Tengler hat aus der Sicht unserer Fraktion zu diesem Thema das Notwendige gesagt.

Mich treibt hier der Auftritt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach vorn. Ich muss in allem Ernst sagen: In einer der vergangenen Plenartagungen sind hier Sachen verteilt worden, als wenn wir uns auf einer Gewerkschaftsdemonstration befänden, und heute treten Sie hier auf - das ist auch schon von Peter Eichstädt gesagt worden –, als

(Anke Spoorendonk)

wenn wir hier auf einer Schülerdemo oder in einem Studentenparlament wären.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie eigentlich ermutigen, etwas mehr Selbstbewusstsein zu zeigen, Ihren Worten und Ihren Argumenten zu vertrauen und sich hier nicht mit T-Shirts oder anderweitig zu verkleiden. Es ist darüber geredet worden, welchen Eindruck wir auf die Öffentlichkeit machen. Das gilt auch für Sie.

Wir können viele andere ebenfalls sehr ernsthafte Themen aufgreifen - hier handelt es sich auch um ein sehr ernsthaftes Thema und ich möchte das Anliegen, das dahinter steckt, auch gar nicht relativieren –, wir können über Arbeitslosigkeit, über Haushalt, über viele andere Themen miteinander reden, zu denen mir ebenfalls eine ganze Menge Verkleidungen oder Aktionen einfallen. Aber dies ist eine Parlamentsgebäude und gerade in einer Woche, in der wir durch den Landtagspräsidenten einen Bericht über den Status und die Entschädigung von Landtagsabgeordneten gehört haben, haben wir allen Anlass, uns auch der Würde des Hauses entsprechend zu verhalten und es nicht zu einer Klamaukbude verkommen zu lassen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Worten des Fraktionsvorsitzenden der CDU, des Kollegen Wadephul, inhaltlich nur voll anschließen. Ich möchte das noch etwas ergänzen. Ich bin ja ein sehr toleranter Liberaler, wie man weiß. Ich bin auch Nichtraucher. Ich akzeptiere auch, wie die Kolleginnen und Kollegen im Parlament erscheinen, solange sie nicht über Gebühr schlecht bekleidet sind. Aber dass man schlechter Kleidung nun auch noch T-Shirts hinzufügt, die nicht einmal angemessen passen - das sage ich in allem Ernst –, ist weder der Würde des Hauses angemessen noch dem Respekt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo kommen wir hin, wenn wir demnächst alle bei bestimmten Themen in demonstrativer Kluft erscheinen, wenn wir

uns sozusagen uniformieren? Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zum Beispiel bei der Frage des Tourismus, zur Tourismuswirtschaft, Kollege Hans-Jörn Arp - das wäre vielleicht sogar eine Augenweide –, geschlossen in Badehose und Bikini erscheinen.

(Heiterkeit)

Herr Landtagspräsident, ich werde dies auch zum Gegenstand der Erörterungen im Ältestenrat machen, weil ich glaube, dass wir ein gewisses Mindestmaß an wechselseitigem Respekt verdienen, und das bedeutet eben, dass wir uns hier im Haus nicht mit solchen demonstrativen Akten belästigen. Dass das nicht für die Debatte gedacht war, sondern für die Wirkung in der Öffentlichkeit, erschließt sich jedem von selbst. Ich denke, wir sollten die Debatten hier im Haus ernster führen; was wir draußen in der Öffentlichkeit machen, ist etwas anderes.

Nun noch ein kurzes Wort zur Frage nicht rauchen oder rauchen. Wie gesagt, ich bin Nichtraucher und ich werde es bleiben. Trotz hohen Alters werde ich dem Genuss nicht mehr verfallen, glaube ich.

(Zuruf von der CDU: Versuch’s mal noch einmal!)

- Ja, versuch’s mal noch einmal. - Ich habe Respekt davor, dass Nichtraucher in Räumlichkeiten geschützt werden wollen, zu denen sie Zugang haben müssen. In öffentlichen Gebäuden, wo man nicht ausweichen kann, besteht ein Anspruch der Nichtraucher darauf, dass sie von Rauchern nicht mit Rauch belästigt werden. Aber alles, was im Bereich der Privatautonomie geschieht, überall dort, wo Private ausweichen können, wenn zum Beispiel Nichtraucher auch darauf verzichten können, in ein Lokal zu gehen, halte ich es für unangemessen - mit meinem Verständnis der gesellschaftlichen Organisation halte ich es für unangemessen –, das gesetzlich und staatlich regeln zu wollen.

(Beifall bei FDP, CDU, des Abgeordneten Lars Harms [SSW] und vereinzelter Beifall bei der SPD)