Ich danke den Kollegen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW für die Initiative, das Problem heute im Landtag zu thematisieren. Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. Insbesondere war uns dabei wichtig, auch die Untersuchungshaft zu benennen, weil - anders als Sie, Frau Lütkes, ausgeführt haben - bezüglich der Untersuchungshaft nach dem Koalitionsvertrag beziehungsweise der Anlage ausdrücklich eine Zuständigkeitsberatung vorgesehen ist. Auch das lehnen wir ab.
Ich weiß, dass es gerade nach der Konferenz der Ministerpräsidenten am vergangenen Mittwoch schwierig sein wird, aus dem Gesamtpaket noch Teile herauszunehmen. Gerade deshalb muss das Parlament der Landesregierung für die weiteren Beratungen den Rücken stärken. Wir wollen mit dem heutigen Beschluss auch an die Adresse der Verantwortlichen in Berlin gerichtet deutlich machen, dass diese Zuständigkeitsänderung dem übereinstimmenden Urteil der Fachleute und auch dem gesunden Menschenverstand widerspricht und wir sie für falsch und für fatal halten. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Frau SchlosserKeichel und erteile dem Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl für die CDU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist es nicht nur Vorweihnachtszeit, sondern auch fast Mittagspause. Deshalb bedarf es sicherlich nicht dessen, zu wiederholen, was richtigerweise gesagt worden ist.
Frau Lütkes, Sie fragten, warum es einen Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD im Hinblick auf den Grundantrag, der ja von Ihnen mit eingebracht wurde, gibt. Das liegt unter anderem darin begründet, dass wir das, worum es wirklich geht, in Bezug auf die Änderung des Vorhabens,
was den Koalitionsvertrag in Berlin angeht, in den Fokus nehmen wollen. Ich glaube, je breiter die Mehrheit ist, mit der wir das tun können, umso eher können wir das, was auch die Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen schon in den entsprechenden Besprechungsrunden angeschoben hat, zum Erfolg führen, sodass die Veränderung, wie sie in der Anlage zum Koalitionsvertrag geplant und angedacht ist, so nicht stattfindet, sondern wir im Ergebnis bei einer bundeseinheitlichen Regelung des Strafvollzugs bleiben können.
Hier geht es nicht um eine parteipolitische Frage, sondern schlicht um zwei Punkte. Ich meine, dass zum Beispiel die Fragestellung, wo in Deutschland jemand seine Freiheitsstrafe absitzt, unabhängig davon betrachtet werden sollte, wer wo wohnt, wie wo etwas ausgestaltet ist, und an der Intensität des Rechtseingriffs in die Persönlichkeitsrechte - das ist und bleibt es ja - zu messen ist. Bezüglich der Intensität der Eingriffssituation sollte es in Deutschland - dieser Meinung war ich stets - möglichst einheitliche Standards geben.
Der große Erfolg der Strafrechtsreform wurde mit der Einführung einer einheitlichen Regelung, was den Strafvollzug und die Maßregelung anbetrifft, im Jahre 1977 abgerundet. Ich kann nicht erkennen, dass sich irgendetwas so verändert hätte, dass es einer Abänderung bedürfte mit der Konsequenz, dass in Zukunft nicht mehr der Bund die Regelungskompetenz hätte, sondern nunmehr die Länder für die Spielräume - Frau Schlosser-Keichel hat dazu einiges gesagt - zuständig sein sollen.
Was mir auch Sorge macht, ist Folgendes: Würde es eine solche Regelung geben, wäre wahrscheinlich die rechtskräftige Konsequenz, dass zum Beispiel der Bundesgerichtshof nicht mehr abschließend Stellung nehmen könnte. Eine Zersplitterung der Landschaft wäre die Folge. Auch das halte ich vor dem Hinterrund dessen, um was es hier geht um die zwar gerechtfertigte, aber intensive Beeinträchtigung von Rechtsverfahren -, für nicht angemessen.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, über den man ehrlicherweise auch reden muss: Käme es zu einer solchen Regelung, müsste man auch der Gefahr begegnen, dass es den einen oder anderen Versuch gibt, Strafvollzug oder Maßregelvollzug nach Kassenlage zu machen. Auch das wäre nicht angemessen.
Insofern mein Dank an unsere Regierung, dass sie auch hier aktiv am Ball ist. Meine Bitte an alle ist, dass wir uns auf der Grundlage des eingebrachten
Änderungsantrages gemeinsam hierzu einlassen mit der Konsequenz, ein einheitliches Vorgehen von Regierung und Parlament zu haben. Das hilft dem gemeinsamen Anliegen am besten.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte jetzt gern von dem Instrument Gebrauch gemacht, meine Rede zu Protokoll zu geben, damit dies nachzulesen ist, weil ich dankbar dafür bin, dass in diesem hohen Hause trotz unterschiedlicher Konstellationen in dieser Frage eine, wie ich sehe, einmütige Auffassung herrscht. Das ist ja nicht selbstverständlich. Ich kann mich den Beiträgen insbesondere der Kollegen Schlosser-Keichel und Stritzl, aber auch Lütkes vollinhaltlich anschließen und will nur noch kurz auf drei Aspekte - auch zur Begründung unseres Antrages - eingehen.
Erstens. Es macht wenig Sinn, im Rahmen der Harmonisierung des europarechtlichen Instrumentariums - Stichwort: europäischer Haftbefehl - nun wieder in Kleinstaaterei zu verfallen, was den Strafvollzug angeht.
Ich erinnere an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Einheitlichkeit. Es macht wenig Sinn - Kollege Stritzl hat darauf hingewiesen –, eine höchstrichterliche Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof dadurch zu verhindern, dass man 16 Einzelregelungen schafft. Es gibt auch ein praktisches Problem. Wir würden unglaubliche Schwierigkeiten bei einer wohnortnahen Verbüßung haben - bei einer Verurteilung eines Straftäters aus Schleswig-Holstein, der in Bayern verurteilt worden ist, aber nicht dort, sondern wohnortnah einsitzen soll, um auch Familienkontakt zu halten -, weil die Vollzugsregelungen in Bayern unter Umständen komplett andere wären als in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder wo auch immer. Das ist extrem kontraproduktiv, vor allem was die praktischen Abläufe angeht.
Es macht in aller Regel - Kollege Stritzl hat darauf hinwiesen - auch überhaupt keinen Sinn, das komplexe Gebilde einer einheitlichen Regelung des Strafrechts, des Strafprozessrechtes und damit auch des Strafvollzugs auseinander zu hauen. Der nächste Schritt wäre, dass wir uns überlegen, ob wir nicht in 16 Ländern Strafgesetzbücher schaffen. Das gibt es übrigens in der Schweiz. Die haben in jedem Kanton ein eigenes Strafgesetzbuch. Ich kann nur dazu auffordern, einmal einen Blick in die Schweiz zu richten, um festzustellen, welche chaotischen Zustände damit ausgelöst werden. Ich kann mir schon vorstellen, dass die unterschiedliche Beurteilung dann auch zu unterschiedlichen Konsequenzen führt.
Also noch einmal: Lassen Sie uns bei dem bewährten System bleiben! Alles andere wäre kontraproduktiv.
Herr Kollege Stritzl, wir werden beide gleich noch einmal korrespondieren; wir gehen davon aus, dass wir in dem Antrag auch zu einer einheitlichen Linie kommen können.
Wir danken dem Herrn Abgeordneten Kubicki. Das Wort für den SSW erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann es kurz machen. Ich möchte nicht wiederholen, was über Föderalismus und Föderalismusreform gesagt worden ist. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass wir auf europäischer und internationaler Ebene zurzeit eine Auseinandersetzung über die Rechte von Gefangenen erleben und dass dabei immer der Vorwurf im Raum steht, dass diese Rechte einer - so möchte ich es einmal nennen - zynischen Relativitätstheorie unterworfen werden oder dass die Gefahr dazu besteht. Die europäischen Staaten bestehen zu Recht auf der Gültigkeit internationaler Standards, auch bei der Terrorismusbekämpfung - füge ich hinzu.
Nun wissen wir natürlich, dass Strafvollzug in der Gesetzeskompetenz der Länder nicht mit Willkür gegenüber Gefangenen gleichzusetzen ist, aber die Aufgabe, die in unserer Gesellschaft immerhin den schärfsten Eingriff in die Freiheitsrechte des Bürgers darstellt, eignet sich in keinster Weise als Beispiel für föderale Vielfalt. Ich denke, deshalb ist es
eine richtige Initiative zu sagen, dass hier weiterhin von bundeseinheitlichen Standards ausgegangen werden muss.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Für die Regierung erteile ich Herrn Minister Uwe Döring das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich dem, was Herr Kubicki gesagt hat, anschließen. Es ist schon alles zutreffend gesagt worden. Im Gegensatz zu ihm kann ich mich wirklich kurz fassen. Ich möchte diese Dinge nicht wiederholen.
Die Landesregierung stimmt mit dem hier Gesagten nahtlos überein, auch zu dem, was Zweck und Aufgabe eines Strafvollzuges sein muss. Es ist richtig, dass wir mit dem in der Föderalismusdebatte verfolgten Ziel eigentlich ein Kuckucksei bekämen und uns das auf Landesebene nicht helfen würde. Deswegen haben wir in der Zielsetzung eine völlige Übereinstimmung.
Zur Frage der Untersuchungshaft: In der Tat, auch dies ist im Katalog der großen Koalition, sodass es Sinn macht, das hier mit zu erwähnen. Es wäre sehr hilfreich, wenn hier eine einmütige Beschlussfassung des Parlamentes zustande käme.
Ich darf noch einmal sagen, der Ministerpräsident hat in der MPK einen Erfolg erzielt. Unser Antrag zu den einzelnen Themen, bei denen SchleswigHolstein Probleme sieht, ist dort eingebracht worden. Es wurde vereinbart, eine offene Länderarbeitsgruppe einzurichten, in der über einige Bereiche diskutiert werden soll. Wenn hier eine Einstimmigkeit erreicht wird, können wir diesen Bereich tatsächlich noch korrigieren, sodass die Debatte und die Beschlussfassung heute noch Sinn machen.
Es stärkt die Rolle des Landes, es stärkt die Rolle Schleswig-Holsteins in dieser Diskussion und auch die Rolle des Ministerpräsidenten, dem ich noch einmal sehr herzlich für seinen Einsatz danke. Wir kommen hier ein Stück voran und es wäre sehr schön, wenn wir diese Gemeinsamkeit als Abschluss eines kontroversen Vormittages noch einmal dokumentieren könnten - wenn auch leider nur
(Beifall im ganzen Haus - Wolfgang Kubicki [FDP]: Der Beitrag war genauso lang wie meiner! - Heiterkeit!)
Aber, Herr Minister, die treuen Protokollführer sind uns erhalten geblieben, sodass die Debatte auch der Nachwelt erhalten bleibt.
Vielen Dank für diese uneingeschränkte Worterteilung, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Rücksprache mit den beiden anderen Antragstellerinnen darf ich erklären, dass uns insbesondere der Herr Minister überzeugt hat. Wir übernehmen gern den Text aus der Drucksache 16/480 (neu).