Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zweitens will ich einige Dinge richtig stellen. Erstens. Worum geht es bei der Aufhebung der Pflicht zur äußeren Differenzierung in der neuen Vereinbarung der KMK zum Sekundarbereich I? Die KMK hat 1993 in der Vereinbarung über Schularten der SEK I festgelegt, in welchen Fächern und welchen Jahrgangsstufen die so genannte äußere Differenzierung in Schularten mit mehreren Bildungsgängen - nicht nur in Gesamtschulen stattzufinden hat, also wann Schüler in Kurse unterschiedlicher Anspruchsebenen aufgeteilt werden müssen.

Nach der geltenden Vereinbarung müssen die Schüler in der ersten Fremdsprache und in Mathe ab Klasse 7, in Deutsch ab Klasse 8 und in den Naturwissenschaften ab Klasse 9 in Kursen auf unterschiedlichem Niveau unterrichtet werden. Das ist die geltende Pflicht zur äußeren Differenzierung.

Zur Frage, wie tragfähig die Fachleistungsdifferenzierung und die Verpflichtung dazu heute noch ist! Die KMK prüft diese Vereinbarung derzeit nicht ohne Grund mit dem Ziel, sie zu vereinfachen und sie flexibler zu gestalten. Das hat zum einen damit zu tun, dass die schrittweise Einführung der nationalen Bildungsstandards, also der klaren Output-Orientierung, derart kleinteilige Vorgaben aus Sicht der KMK nicht mehr notwendig macht

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- klatschen Sie nicht zu früh -, zum anderen damit, dass es in mehreren Bundesländern Veränderungen im dreigliedrigen Schulsystem gibt, vor denen niemand die Augen verschließen kann, zum Beispiel in den neuen Ländern Zusammenschlüsse von Haupt- und Realschulen zu Mittelschulen, aus welchen Gründen auch immer, aus demographischen, aber auch aus pädagogischen Gründen. Die Auswirkungen dessen sieht man daran - das war ja einer der Gründe dafür, dass die KMK dies überarbeiten wollte -, dass sich die Liste der Sonderregelungen, die auch schon bisher auf Antrag möglich sind, kontinuierlich erweitert hat. Die Frage der Flexibilität der Regelung hat sich gestellt, und zwar nicht nur für Schleswig-Holstein. Aber sie betrifft uns natürlich insbesondere im Zusammenhang mit längerem gemeinsamen Lernen.

Nun hat der Schulausschuss, der im März dazu getagt hat, nicht das letzte Wort; das hat zunächst die Amtschefkommission und dann die KMK selber.

(Karl-Martin Hentschel)

Ich weiß nicht, welches Protokoll Sie vorliegen haben. Schleswig-Holstein hat bei beiden Varianten, die beide eine Flexibilisierung und eine Ausdehnung der Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung aus unterschiedlichen Gründen vorsehen, mit Ja gestimmt. Ich weiß nicht, wer Ihnen da ein unleserliches Protokoll gefaxt hat. Schleswig-Holstein hat im Verein mit Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Saarland und so weiter beiden Varianten, die beide eine Öffnung bedeuten, zugestimmt. Das ist Unsinn, was Sie hier verbreiten, und ich bitte Sie darum, das zurückzunehmen und abzuwarten, wie sich die KMK letztlich verhält.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich betone: Es muss immer Differenzierung und Individualisierung der Lernwege geben, auch äußere Differenzierung. Die Frage ist nur, ob sie so starr wie bisher sein müssen. Wir wollen flexible Möglichkeiten der Differenzierung, und zwar flexiblere, als dies derzeit in den Gesamtschulen der Fall ist.

Herr Dr. Klug, ich bin der Überzeugung, dass wir mit Bildungsstandards und zentral gestellten Abschlussprüfungen erreichen werden, dass das Leistungsniveau auch in Zukunft gesichert wird. Ich weiß gar nicht, woher Sie diese Skepsis nehmen. Dann müsste sich das Schulsystem in anderen europäischen Ländern - ich gucke jetzt gar nicht nach Finnland - auf niedrigerem Leistungsniveau als Deutschland bewegen; das Gegenteil ist leider der Fall. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler durch gemeinsame Lernangebote und flexible Differenzierung weiter kommen als im herkömmlichen System.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, dass beide Varianten, die in der Abstimmung sind, beinhalten, dass in Zukunft gemeinsamer Unterricht möglich wird. Bei der ersten Variante sehe ich das. Die zweite Variante lässt das aber nur zur Erprobung von neuen pädagogischen Konzepten und zur

Vermeidung unzumutbar langer Schulwege zu. Ist das richtig?

Nein, das ist nicht richtig, Herr Abgeordneter. Es folgt der Zusatz: Aus demographischen und schulstrukturellen Gründen können in den genannten Fächern klasseninterne Lerngruppen auf weitere Jahrgangsstufen ausgedehnt werden. - Insofern ist Ihre Behauptung nicht richtig. Man muss den Beschlussvorschlag ganz lesen. Schleswig-Holstein hat deswegen beiden Varianten zugestimmt, weil beide Varianten für uns möglicherweise tragbar wären. Inzwischen ist die Entwicklung aber ein Stück weiter gegangen. Wir werben in der KMK dafür, dass die neue Vereinbarung zur Sekundarstufe I möglich wird.

Die dritte Frage ist die, ob das auf dem Blockadeweg geschehen soll, wie es Ihr Antrag vorschlägt. Dazu hat Herr Buder schon das Richtige gesagt. Wenn eine Einstimmigkeit nicht erzielt wird, dann bleibt die Vereinbarung unverändert. Wenn wir die Vereinbarung blockieren, bleibt das Alte in Kraft. In der Politik sollte man stets über den kurzfristigen Effekt oder Affekt hinaus denken.

Das Einstimmigkeitsprinzip der KMK ist auch wichtig. Ich bin davon überzeugt, dass wir es gerade wegen der Föderalismusreform brauchen, damit wir die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sichern und die Mobilität in Deutschland gewahrt bleibt.

Deswegen werde ich dafür werben, dass die KMK Anfang Juni auf Schloss Plön eine Verhandlungslösung findet und verabschiedet, die die bisherigen Regelungen stärker flexibilisiert, und einen Interessenausgleich zwischen den wünschenswerten landesspezifischen Lösungen und den notwendigen Gemeinsamkeiten in Bildungsfragen schafft. Dafür stehe ich als Bildungsministerin von SchleswigHolstein im Verein mit vielen Kollegen und als Präsidentin der KMK.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag Drucksache 16/708 ist mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung des SSW abgelehnt.

Ich rufe für die heutige Sitzung als letzten Punkt Tagesordnungspunkt 11 auf:

Verbesserung der Schwimmausbildung an schleswig-holsteinischen Schulen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/725

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

(Heiterkeit und Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz der Heiterkeit handelt es sich um ein relativ ernstes Thema. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind Nichtschwimmer in Deutschland. In den letzten Monaten häufen sich Hinweise auf die Probleme, die daraus resultieren: Im Sommer 2005 hat die SPRINT-Studie des Deutschen Sportbundes die problematische Situation des Schwimmunterrichts an Schulen und das rückläufige Angebot an Schwimmstätten erstmals in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Die Deutsche Lebens-RettungsGesellschaft DLRG meldete für das vergangene Jahr eine Zunahme von 54 % bei der Zahl der jungen Menschen zwischen sechs und 20 Jahren, die den Tod durch Ertrinken erlitten haben. DLRG-Präsident Klaus Wilkens kommentierte diese Zahlen mit den Worten: „Im Hinblick auf die sinkende Schwimmfähigkeit vor allem bei den jungen Menschen ist dieser Anstieg bedenklich." Der Deutsche Schwimm-Verband beziffert den Anteil der Kinder unter 14 Jahren, die nicht schwimmen können, auf bis zu 30 %.

Dabei muss man hinzufügen: Verlässliche Zahlen gibt es zumindest bundesweit und in einigen Ländern wie Schleswig-Holstein nicht. Einzelne Bundesländer verfügen allerdings über sehr viel genauere Kenntnisse, als sie die Landesregierung Anfang März in der Antwort auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage zu erkennen gegeben hat. Damals lautete hier in allen konkreten Punkten die Auskunft des Bildungsministeriums: „Zu den gewünschten Angaben gibt es keine statistischen Erhebungen.“

Nun gibt es allerdings im Abgeordnetenhaus Berlin aus dem letzten Jahr die Anfrage eines CDU-Kollegen - das ist dort die Drucksache 15/12211 -, auf

die der Berliner Bildungssenator, Klaus Böger, antwortet, dass man in Berlin genaue Kenntnis darüber hat, wie viele Kinder in Berlin Nichtschwimmer sind beziehungsweise in der Grundschule bis zum Ende der dritten Klasse schwimmen gelernt haben. Der Anteil der Nichtschwimmer liegt in Berlin nach den Angaben von Senator Böger bei den Grundschülern am Ende der dritten Klasse bei 10,6 %. Die Berliner Zahlen verdeutlichen zweierlei: Einerseits wird in Berlin bereits sehr früh Schwimmunterricht erteilt und die Erfolgsquote ist im Vergleich zu den bundesweiten Zahlen, die in der Presse und von den Verbänden genannt werden, sehr hoch.

Für Schleswig-Holstein gibt es - wie gesagt - keine konkrete Datenbasis, aber die Antwort der Bildungsministerin Erdsiek-Rave macht deutlich: Erst für die Klassenstufen fünf und sechs und darüber hinaus vertiefend für die Klassen sieben bis zehn ist in den Lehrplänen für den Sportunterricht der Teilbereich Schwimmausbildung vorgesehen. Wie die tatsächliche Situation an den Schulen aussieht, dazu kann die Landesregierung keine konkreten Angaben vorlegen.

Wenn man mit Elternvertretern oder Kommunalpolitikern, die ihre Stadt- oder Gemeindeverwaltungen befragen können, spricht, hört man immer wieder, wie die Situation im Lande aussieht. So sagen etwa Elternvertreter, dass es an Grundschulen im Lande zum Teil überhaupt keinen Schwimmunterricht gibt.

Ich habe durch eine Erhebung, die die FDP-Kommunalpolitiker in Bad Oldesloe von ihrer Stadtverwaltung angefordert haben, in Erfahrung gebracht, dass es an einer der beiden Hauptschulen überhaupt keinen Schwimmunterricht mehr gibt, und die Gesamtschule in Bad Oldesloe bietet nur in der Oberstufe einen Leistungskurs Schwimmen an. Daraus kann man den Rückschluss ziehen, dass es an diesen Schulen in Bad Oldesloe viele Schüler gibt, die während ihrer Schulzeit nicht Schwimmen lernen.

Das ist zugegebenermaßen nur ein punktueller Einblick in die reale Situation, aber wir können daran erkennen, dass die Warnungen, die die Fachverbände wie der Deutsche Sportbund, die DLRG und der Schleswig-Holsteinische Schwimmverband aussprechen, offenkundig berechtigt sind. Deshalb meinen wir Liberale, dass es notwendig ist, auf eine Stärkung des Schwimmunterrichts an den Schulen in unserem Lande hinzuwirken, und zwar insbesondere im Grundschulbereich. Als Beispiel nenne ich das Vorbild Berlin.

Dies ist notwendig, um Ansatzpunkte für eine Verbesserung des Schwimmunterrichtes zu finden. Wir

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

müssen eine echte Bestandsanalyse vornehmen, um die Situation an den Schulen zu ermitteln, und dann müssen wir schauen, wie man in Zusammenarbeit mit den Vereinen die Situation in der Schwimmausbildung im Unterrichtsangebot verbessern kann. Das ist unsere Zielsetzung.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner.

Wir schlagen vor, dass wir über das Thema im Bildungsausschuss des Landtages noch einmal intensiver beraten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Die Aufmerksamkeit erbitte ich auch für die anderen Redner. - Für die CDU-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Niclas Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Baasch [SPD]: Noch ein Kampf- schwimmer! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber nicht, dass du uns jetzt baden gehst! - Holger Astrup [SPD] Hast du überhaupt Seepferd- chen?)

- Seepferdchen würde in dem Fall nicht ausreichen. Ich habe das Seepferdchen gemacht, aber das ist schon viele Jahre her.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Vier Jahre?)