Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Vier Jahre?)

- Viele Jahre. Ich hätte es aber vor vier Jahren wiederholen können.

Ich kann es an dieser Stelle kurz machen, aber nicht deshalb, weil mich das Thema nicht interessieren würde beziehungsweise weil es nicht wichtig wäre.

Sie sagten es schon: Letztes Jahr sind 24 Menschen in Schleswig-Holstein ertrunken. Darüber hinaus hat die DLRG 79 Rettungen vor dem Ertrinken durchgeführt. Ohne den lobenswerten Einsatz der DLRG wäre diese Zahl noch sehr viel höher. In einem Land mit viel Wassertourismus nicht nur zwi

schen den Meeren, sondern auch in vielen Binnenseen und auf Flüssen, wo die meisten Unfälle passieren, ist das ein nicht zu unterschätzender Punkt.

Sie sagten, wir sollten das im Bildungsausschuss intensiv beraten. Das ist meiner Meinung nach der richtige Weg. Dort wird man den Bogen hoffentlich ein bisschen breiter spannen, als nur den Schwimmunterricht anzusprechen. Denn ein erhebliches Problem gerade beim Retten vor dem Ertrinken stellen mittlerweile die älteren Menschen dar. Diese erreichen wir natürlich nicht durch Unterricht in der Grundschule.

(Heiterkeit)

Wir sehen natürlich auch, dass die Problematik mit den Trainingsmöglichkeiten zusammenhängt. Bei der Zuteilung von Trainingsstunden gibt es Licht und Schatten, ebenso wie es auch an den Grundschulen sehr unterschiedliche Erfahrungen gibt. Es gibt nämlich auch Positives mit viel Engagement der Lehrerschaft zu vermelden.

Insofern wäre es gut, wenn wir den Antrag, den ich in der Intention unterstütze, im Ausschuss beraten und uns kreative Wege suchen. Denn lediglich die Aussage, wir würden die Anzahl der Unterrichtsstunden erhöhen, ist in dieser Zeit ohnehin schwierig. Ich glaube, mit ein bisschen gutem Willen und Engagement gerade vor Ort kann man eine ganze Menge erreichen. Deshalb ist die Ausschussberatung der richtige Weg.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Niclas Herbst und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dr. Klug, unter der Überschrift „Wie man dem Wahlvolk Fitness zeigt“ formulierte die „ZEIT“ einmal als Beispiel: „Mao Zedong schwamm, um nicht ins Schwimmen zu geraten.“ Daran fühlte ich mich lebhaft erinnert, als ich den vorliegenden Antrag der FDP sah. Mao ist offenbar der kleinste gemeinsame Nenner der Opposition geworden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das ist jetzt ein bisschen gaga gewesen!)

Ich hätte es als angemessen empfunden, wenn dieser Punkt zur Diskussion im Bildungsausschuss an

(Dr. Ekkehard Klug)

gemeldet worden wäre. Dies gilt umso mehr, als das Bildungsministerium den Sachstand bereits vor wenigen Wochen in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage von Herrn Dr. Klug dargelegt hat.

Das Ministerium hat in der Drucksache 16/617 den Stellenwert des Schwimmunterrichts im Lehrplan dargelegt und Daten zur Mitgliedschaft von Kindern und Jugendlichen in den Schwimmvereinen des Landes geliefert. Es hat auf einige Fragen nach der Statistik des Schwimmunterrichts geantwortet, dass diese Daten nicht erhoben werden.

Die FDP kartet nach und verlangt mit ihrem heutigen Antrag, diese statistischen Daten nun doch zu erheben. Das ist ein weiteres schönes Beispiel dafür, wie gerade FDP-Politiker draußen im Lande das hohe Lied der Entbürokratisierung singen und gleichzeitig im Parlament den Erhebungsaufwand für Verwaltung und Schulen immer wieder nach oben schrauben. Am Rande bemerkt: Die Lehrer sollten meiner Meinung nach mit ihren Schülerinnen und Schülern zum Schwimmen gehen und nicht Statistiken ausfüllen.

Und dann soll die Regierung einmal wieder ein Konzept entwickeln. Für alles und jedes wird ein Konzept gefordert. Die Landesregierung hat dieses Konzept aber bereits vor zehn Jahren vorgelegt. Es nennt sich „Lehrplan für die Sekundarstufe I“, der als Themenbereich IV die verschiedenen Aspekte des Schwimmens berücksichtigt und sie verbindlich für die Klassenstufen 5 bis 10 festlegt. Dazu gehört übrigens auch die von der FDP zu Recht problematisierte Fähigkeit, Menschen aus dem Wasser zu retten.

Wir gehen davon aus, dass der Ausbau der Ganztagsschulangebote in enger Zusammenarbeit mit den Sportvereinen am besten geeignet ist, eventuell vor Ort vorhandene Defizite beim Schwimmunterricht auszugleichen.

Es ist auch ein bisschen zu kurz gegriffen, dass mit Verweis auf eine Ansprache beim Landessportverband automatisch unterstellt wird, dass Todesfälle beim Baden automatisch Folge von unzureichenden Schwimmfähigkeiten seien. Es gibt genügend Fälle - das können Sie mir als Abgeordnetem von der Küste durchaus glauben -, in denen gerade geübte Schwimmer ihre Fähigkeiten überschätzen und sich beim Schwimmen, Segeln oder Surfen in Situationen bringen, aus denen sie sich selbst nicht mehr retten können. Insbesondere der Gang ins Wattenmeer zu ungünstigen Zeiten des Jahres ist hier ein Beispiel, auf das die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit einer großen Übung aufmerksam gemacht hat.

Ich schlage deshalb vor, dass wir den Antrag der FDP zur Diskussion und abschließenden Beratung an den Bildungsausschuss überweisen und dass das Bildungsministerium im Rahmen des Möglichen weitere Informationen gibt. Meine Fraktion ist jedoch nicht bereit, dem Bildungsministerium einen weiteren und völlig unnötigen Konzeptauftrag aufzubürden. Vielleicht können wir im Rahmen dieser Bildungsausschusssitzung noch vor Ort gemeinsame Erkenntnisse sammeln und gemeinsam zum Schwimmen gehen - möglichst dann, wenn in der Nähe Schüler im Schwimmbad sind und von fachkundigen Lehrern unterrichtet werden. Wir sollten einen geeigneten Termin noch vor der Sommerpause wählen.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Buder und erteile für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich nicht besonders liberal, wenn man die Pflicht zum Freischwimmen einführen will, aber ich finde es richtig. Es muss ja nicht immer falsch sein, was antiliberal ist. Manchmal ist Bürokratie auch sinnvoll und in diesem Fall handelt es sich um eine Kulturtechnik, die in den letzten 100 bis 150 Jahren Standard geworden ist. Übrigens setzte sich gerade die Sozialdemokratie in den Arbeitersportvereinen führend dafür ein, dass die Jugend der Arbeiterklasse Schwimmen lernte. Ich finde es bedauerlich, dass Herr Buder dies mit seinem Beitrag so herabgewürdigt hat.

Ich empfinde es durchaus als ein ernstes Problem, dass infolge von Spaßbädern und der Abschaffung von kommunalen Badeanstalten die Fähigkeit zu schwimmen und die Erteilung von Schwimmunterricht abgenommen haben. Die Zahl der Kinder, die schwimmen können, ist rückläufig. Ich finde, das ist ein ernsthaftes Problem und insofern ist es richtig, dass wir uns damit beschäftigen. Ich finde den Antrag der FDP in Ordnung und bin bereit, mich darüber im Bildungsausschuss intensiv zu unterhalten. Deswegen verzichte ich hier auf ausführliche Ausführungen zum Thema. Ich schlage vor, wir machen das im Bildungsausschuss, damit wir heute noch einen Feierabend haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Detlef Buder)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Für den SSW erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse den ersten Teil meines Manuskripts weg. Darüber können wir im Ausschuss weiter miteinander reden. Ich finde, es ist trotzdem wichtig festzuhalten, dass die Kleine Anfrage des Kollege Klug zeigt, dass die Landesregierung beim Thema Schwimmen weitgehend im Dunkeln tappt. Ich möchte nicht einer weiteren Ausweitung der statistischen Pflichten der Schulen das Wort reden. Tatsache ist aber, dass die Landesregierung den Umfang des Schwimmunterrichts in Schleswig-Holstein laut der Antwort auf diese Kleine Anfrage nicht benennen kann. Dies bedauern wir. Daher unterstützen wir den Antrag ausdrücklich, denn Schwimmen ist eine Kulturtechnik, die droht, in Vergessenheit zu geraten. Die Zahlen der Nichtschwimmer unter den Grundschülern zeigen dies. Wir müssen wissen, worüber wir reden.

Werden aufgrund gekürzter Zuschüsse für die Kommunen weitere Bäder geschlossen, so wird dies zwangsläufig zu weniger Schwimmunterricht an den Schulen führen. Jedoch nicht einmal diese Entwicklung könnte die Landesregierung aufgrund der fehlenden Daten nachvollziehen. Damit meine ich, es gibt weitere Aspekte, die mit diesem Thema zu tun haben. Das Thema betrifft nicht nur Schule im engeren Sinn. Es umfasst auch die Frage, wie wir die Entwicklung auf kommunaler Ebene zu gestalten haben. Hier bin ich bei den Kürzungen des kommunalen Finanzausgleichs.

(Beifall bei SSW und FDP)

Ich danke auch Frau Abgeordneter Spoorendonk für die Kurzfassung. - Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Ute Erdsiek-Rave das Wort.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Wassersicherheit und Schwimmen können hat in Schleswig-Holstein schon immer eine wichtige und große Rolle gespielt. Das ist in diesem Land zwischen den Meeren und mit den vielen Seen überhaupt kein Wunder.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Schulen nehmen die Verantwortung ernst, zu dieser Fähigkeit beizutragen. Ich glaube, das haben die Antworten auf die Kleine Anfrage von Herrn Dr. Klug auch zum Ausdruck gebracht. Ich will sie hier nicht im Einzelnen wiederholen. Ich will nur sagen, dass es auch ausreichende Angebote zur Gewährleistung der Rettungsfähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wir haben die Frist zur Wiederholung jetzt noch einmal verkürzt. Auf diese Weise haben wir den Anforderungen, die die Wassersport treibenden Verbände an uns gestellt haben, entsprochen. Die Angebote sind da, die Sicherheit ist gewährleistet. Dies sind ganz wichtige Punkte. Die Nachfrage besteht auch.

Die Zahlen der DLRG für Schleswig-Holstein belegen in der Leistungsbilanz 2004, dass die Zahl der Schwimmprüfungen beim Anfängerschwimmen und beim Jugendschwimmen gegenüber 2000 gestiegen ist. Das sagt mehr aus als die allgemeinen Bemerkungen der DLRG, die sich auf eine repräsentative Emnid-Umfrage im ganzen Bundesgebiet beziehen. Daraus präzise Schlussfolgerungen für Schleswig-Holstein abzuleiten, finde ich etwas gewagt. Bei dieser Statistik der Schwimmabzeichen stehen übrigens Bayern und Baden-Württemberg ganz hinten. Endlich sind auch wir einmal an der Spitze.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unsere Schulen führen allerdings über den Schwimmunterricht keine speziellen Statistiken. Liebe Anke Spoorendonk und lieber Herr Dr. Klug, ich möchte nachdrücklich dafür werben, dass wir die Schulen mit Rücksicht auf die umfassenden Aufgaben, die sie haben, in Zukunft nicht zu neuen Statistiken verpflichten. Sonst ist doch Bürokratieabbau Ihre Devise. Auf der anderen Seite fordern Sie, dass wir immer wieder neue Statistiken führen sollen und dass die Schulen Rechenschaft ablegen sollen. Ich empfehle den Schulen das Prinzip des Führens durch Ziele und Eigenverantwortung und nicht das Prinzip des Führens durch Statistiken.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Jürgen Feddersen [CDU])

Im Übrigen arbeiten wir gut mit der DLRG zusammen. Es gibt eine ganze Reihe von landesweiten Schwimmwettbewerben sowie gesonderte Wettkampfgruppen „Jugend trainiert für Olympia“ und zahlreiche Arbeitsgemeinschaften zwischen Schulen und Schwimmvereinen.

Die Rahmenvereinbarungen, die wir dazu mit dem Landessportverband getroffen haben, regeln alle wichtigen Voraussetzungen, sodass Einzelvereinbarungen eigentlich nicht notwendig sind. Wenn es aber der Sache hilft, dann will ich diese gern unterstützen. Für dramatische Hilferufe gibt es also keine Gründe. Gleichwohl weiß ich, dass für manche Schulen die Wege zum nächsten Schwimmbad wirklich weit sind. Möglicherweise werden sie noch weiter. Ich weiß, dass Schullehrschwimmbecken und Schulschwimmbäder zum Teil von den Gemeinden aus Kostengründen wieder dichtgemacht und einbetoniert werden. Daran ist aber nicht die Schule schuld. Darin bin auch ich nicht schuld. Das ist vielmehr die kommunale Situation. Darauf aufmerksam zu machen, ist okay.

Bustransporte sind aufwendig und teuer. Oft gibt es auch nur im Sommer im Freibad Schwimmgelegenheiten. Mancherorts sind die Eintrittspreise für die Schwimmbäder derart gestiegen, dass die Schulen sich diese nicht mehr leisten können. Dafür gibt es keine Patentlösung. Dafür müssen vor Ort mit den Beteiligten Lösungen gefunden werden. Das versuchen die Schulen auch. In der Regel kann dies gelingen, denn jeder weiß, dass Schwimmen gerade in Schleswig-Holstein lebenswichtig sein kann. Man weiß, dass man mit guten Schwimmkenntnissen auch Leben retten kann. Es sind aber nicht allein die Schulen in der Pflicht. Bei diesem Thema muss man es immer wieder sagen: Viele Eltern gehen mit ihren Kindern für hohe Kosten am Sonntag in die Spaßbäder. Wie wäre es, wenn sie versuchen würden, ihren Kindern selber das Schwimmen beizubringen, und zwar möglichst schon vor der Schule?

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das kann man, wenn man als Erwachsener pädagogisch nicht ganz unbegabt ist und schwimmen kann. Eltern können ihre Kinder auch schon vor Schuleintritt in Schwimmkurse schicken. Diese sind für den Preis von Besuchen in Spaßbädern durchaus zu haben. Die einschlägigen Vereine und Verbände halten jedenfalls ein reichhaltiges Angebot vor, wenn jemand professionelle Hilfestellung braucht. Das ist auch eine gute Gelegenheit, sowohl der DLRG, die sich in diesem Bereich wirklich engagiert, als auch den vielen Verbänden herzlich zu danken. Dahinter steckt nämlich wirklich Ehrenamt.

(Beifall)

Gemeinsam mit dem Ehrenamt wollen wir auch diese Sache voranbringen.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/725, an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich unterbreche die 12. Tagung und schließe die heutige Sitzung. Ich wünsche Ihnen bei dem guten Wetter einige schöne Stunden.