Ich unterstütze die Auffassung des Ministers, dass eine enge Abstimmung mit Hamburg beziehungsweise mit der Hamburger Stadtreinigung sinnvoll ist. Ein politisches Planungskonzept, wie es der Antrag der Grünen fordert, schießt in meinen Augen über das Ziel hinaus.
Im Übrigen hätten Sie ja zwei Legislaturperioden Zeit gehabt, in eigener Verantwortung voranzugehen. Stattdessen war es aber wohl wichtiger, lange Zeit die Abfallverbrennung insgesamt zu verteufeln.
Im Bereich der Restabfallbehandlung haben wir es mit einem Markt zu tun, der verlässliche Rahmenbedingungen für ein Funktionieren braucht. Die klare Absage der Landesregierung an den Mülltourismus ist eine wichtige Grundlage für zukunftssichere Investitionen in Schleswig-Holstein. Weiter gehende staatliche Vorgaben, die über diesen zuverlässigen Rahmen hinausgehen, schaden dem Markt möglicherweise, wie wir es oft erleben.
Die Frage der Erweiterung von Kapazitäten ist in erster Linie eine wirtschaftliche Entscheidung der zuständigen Entsorger. Eine rechtliche Handhabe zur Unterbindung solcher Investitionen gibt es nicht. Eine enge Abstimmung der Entsorger in Schleswig-Holstein und Hamburg mit dem Ministerium ist gewährleistet und schützt den Gebührenzahler vor Fehlinvestitionen.
Ich sehe vor diesem Hintergrund keinen Bedarf für eine weiter gehende verbindliche Planung. Bei aller Begeisterung für die Kooperation mit Hamburg - da bin ich immer gern dabei - darf guter Wille zur engeren Zusammenarbeit einen wirklichen Regelungsbedarf nicht ersetzen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zur Nutzung von Restabfällen als Ersatzbrennstoff sagen. Wo es möglich ist, fossile Brennstoffe durch Ersatzbrennstoffe zu substituieren, sollte dies konsequent genutzt werden. Auf die steigende Unabhängigkeit von fossilen
Brennstoffen haben Sie hingewiesen. Entsprechende Initiativen der heimischen Wirtschaft sind ausdrücklich zu unterstützen.
Für mich stellt sich die Frage, ob es auf Sicht nicht richtig wäre, solche Nutzungen ausdrücklich auch in der Abfallwirtschaftsplanung zu berücksichtigen. Wir haben gehört, das Thema ist vielschichtig, die Anzahl der Beteiligten ist hoch; deshalb sollte eine angemessene Behandlung im Ausschuss erfolgen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Axel Bernstein und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jahr für Jahr hinterlassen wir in Deutschland einen millionenschweren Abfallberg. Fast 50 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle fallen jährlich in Deutschland an. Pro Kopf summiert sich der Wohlstandsmüll auf rund 590 Kilogramm pro Jahr. Mehr als ein Drittel davon wird inzwischen getrennt gesammelt und entsorgt. Ein weiteres Drittel entfällt auf den Hausmüll im Abfalleimer. Verwertet werden mittlerweile fast 60 % des Siedlungsmülls; im Jahr 1990 waren es noch weniger als 15 %. Insofern muss ich Karl-Martin Hentschel Recht geben: Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass wir dorthin kommen, wo wir heute sind!
Unsere Abfallpolitik in Deutschlands wirkt. Sie basiert darauf, Abfall weitgehend zu vermeiden, unvermeidbaren Müll aufzuarbeiten und der Wiederverwendung zuzuführen und den Restmüll umweltschonend zu behandeln. Dazu gehören heute auch Müllverbrennungsanlagen, wenn sie am Ende einer technischen Kette stehen und lediglich nicht weiter verwendbare Materialien verbrannt werden.
Die erlassenen Maßnahmen greifen. Die Produktverantwortung als Kernbereich einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ist konkretisiert, aber leider noch nicht perfekt. Die Verpackungsordnung ist geändert worden, damit Mehrwegverpackungen auf dem Markt eine Chance behalten, die Umsetzung der Pfandpflicht ist nun vereinfacht. Nach dem Altautogesetz können Letztbesitzer ihre Fahrzeuge kostenlos an den Hersteller abgeben. Dies
Mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz übernehmen auch die Hersteller Verantwortung für ihre Produkte und teilen sich mit den Kommunen die Aufgaben. Ich denke, hier ist - Stichwort Produktverantwortung - noch nicht ganz erreicht, was wir erreichen wollten.
Auch für Verwertung und Beseitigung gibt es klare Regeln, die zum Beispiel die umweltverträgliche Verwertung von Althölzern und den Vorrang der Aufarbeitung von Altöl zu Basisöl festlegen. Die Scheinverwertung von hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen ist inzwischen eingeschränkt. Seit dem 01. Juni 2005 dürfen nur noch vorbehandelte Abfälle auf klar definierten Deponien abgelagert werden.
Hier kommen wir nun zum Antrag der Grünen. Aus dem Bericht der Landesregierung - der auch der Beantwortung der Kleinen Anfrage zu diesem Thema entspricht - haben wir bereits erfahren, dass dem Volumen behandlungsbedürftiger Restabfälle in Schleswig-Holstein von etwa 990.000 t pro Jahr trotz der neuen mechanisch-biologischen Anlagen in Neumünster und Lübeck - auch wegen notwendiger Kapazitäten bei Revisionsarbeiten oder möglicher Ausfälle von Behandlungskapazitäten - eine noch nicht ganz ausreichende Behandlungskapazität im Land gegenübersteht. Zwar treten wir stets für eine möglichst landesinterne Behandlung und möglichst geringe Verkehrsströme dabei ein, jedoch macht es zum Beispiel Sinn, Müll aus Südholstein auch Hamburger Abfallbeseitigungsanlagen anzudienen.
Dies gilt jedoch nicht nur für Hamburg, auch eine Kooperation im Grenzgebiet zu Dänemark oder mit Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern kann bei speziellen Abfällen wirtschaftlich und umweltschonend sein. Sogar mit Bremen haben wir eine Kooperation im Bereich der flüssigen Abfälle.
Letztlich handelt es sich bei der Entscheidung, in Schleswig-Holstein neue Behandlungskapazitäten aufzubauen, um eine kommunale Entscheidung, die in eigener wirtschaftlicher Verantwortung in Absprache mit dem Land zu erfolgen hat. Ob durch den geplanten Ausbau zum Beispiel der MVA Kiel um 100.000 t pro Jahr tatsächlich Überkapazitäten geschaffen und somit Fehlinvestitionen getroffen
werden, die in der Folge durch die Bürgerinnen und Bürger finanziert werden müssen oder die nur durch Mülltourismus nach Schleswig- Holstein aufgefangen werden können, kann an dieser Stelle nicht abschließend bewertet werden. Hier gewinnt auch die Verbrennung der hochkalorischen Fraktion aus dem Restmüll beim Ersatz von Primärbrennstoffen an wirtschaftlicher und umweltpolitischer Bedeutung, da sie unser Land in Teilen unabhängiger vom internationalen Energiemarkt macht. Das ist bereits von mehreren Rednern gesagt worden.
Der von den Grünen vorgelegte Beschluss bedarf aus den vorstehenden Gründen trotz einer richtigen Richtung unserer Meinung nach noch der intensiven Diskussion im Umwelt- und im Wirtschaftsausschuss. Ich bitte deshalb, diesen Antrag federführend dem Umweltausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen, und freue mich auf die weitere Bearbeitung dieses Themas.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Konrad Nabel und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei den Antragstellern von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedanken, die dieses Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben. Ich freue mich, dass auch die Grünen im Heute und Jetzt angekommen sind. Denn, Herr Hentschel, wenn Sie davon sprechen, dass der Stand der Technik auch von den Grünen akzeptiert wird, müssen wir natürlich sagen, dass das nur dadurch möglich war, dass die Müllverbrennung seinerzeit eingeführt wurde und wir durch die weitere Entwicklung diesen Stand erreicht haben, der dann auch von den Grünen akzeptiert wird, sodass es dort keine Vorbehalte mehr gibt.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kämpfen immer noch gegen die Verbrennung in Neumünster!)
Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Antrag auch mit der Problematik um den geplanten Ausbau der Müllverbrennungsanlage in Kiel einhergeht, denn auch dort ist die entscheidende Frage, wie sich die Müllmengen langfristig entwickeln und ob die heute in Schleswig-Holstein geplanten Ausbaukapazitäten eher
über- als unterdimensioniert sind. Die Grünen befinden sich da offensichtlich in einem nicht zu übersehenden Gewissenskonflikt. Es steht dabei außer Frage, dass wir angemessene Kapazitäten zur Entsorgung des Mülls in unserem Land vorhalten.
Zu große Kapazitäten haben den Nachteil, dass sie letztlich zu höheren Müllgebühren für die Bevölkerung führen, weil die Fixkosten der Verbrennungsanlage nun einmal gedeckt werden müssen. Allein die Abschreibungen auf die Müllverbrennungsanlagen machen ungefähr 70 bis 80 % der Müllgebühren aus. Ganz egal, wie die Auslastung dieser Müllverbrennungsanlagen ist, müssen die Kosten letztlich über die Müllgebühren hereingeholt werden.
Dabei müssen wir auch die Entwicklungen in den anderen Bundesländern und den osteuropäischen Ländern beobachten; denn gerade in den neuen EU-Ländern werden zurzeit Kapazitäten an Müllverbrennungsanlagen und mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen aufgebaut, um den EUStandards zu entsprechen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass die Abfallmengen aus diesen Ländern, die heute beispielsweise noch bei uns mit verbrannt werden, künftig vor Ort meist kostengünstiger entsorgt werden können. Die Folge ist, dass hier zu viel aufgebaute Kapazitäten leer stehen könnten bzw. dass unter Preis akquiriert und behandelt werden müsste - mit dem Ergebnis, dass die Gebührenzahler zusätzlich belastet werden.
Was ist in Schleswig-Holstein und Hamburg geplant? Welche Kapazitäten gibt es zurzeit? Welche Müllmengen fallen künftig an? - Nach der Prognose - das ist bereits gesagt worden - aus dem Abfallwirtschaftsplan des Landes aus dem Jahr 2002 werden ab 2006 990.000 t pro Jahr an behandlungsbedürftigen Restabfällen entstehen. Die Landesregierung schätzt diese Größenordnung für die kommenden Jahre als realistisch ein.
Die Gesamtkapazität der Entsorgungsanlagen nach Fertigstellung der MBA in Lübeck liegt lediglich bei 871.000 t pro Jahr. Das ergibt zurzeit eine Unterdeckung an Entsorgungskapazitäten in Höhe von knapp 120.000 t pro Jahr.
Bezüglich der Neuplanung von Abfallverbrennungsanlagen in Schleswig-Holstein gibt es nach Aussage einer uns vom Umweltverband „Das bessere Müllkonzept“ zur Verfügung gestellten Tabelle folgende geplante oder in der Diskussion befindliche Kapazitäten: MVA Tornesch mit zusätzlich 120.000 t pro Jahr; MVA Kiel mit zusätzlich 100.000 t pro Jahr; MVA Neustadt mit zusätzlich 80.000 t pro Jahr; KWK Flensburg mit zusätzlich
182.000 t pro Jahr; IHKW Glückstadt mit zusätzlich 135.000 t pro Jahr; Zementwerk Lägerdorf mit zusätzlich 150.000 t pro Jahr. Hinzu kommen zusätzliche Kapazitäten in Hamburg allein bei der Norddeutschen Affinerie und der Hamburger Stadtreinigung von zusammen 750.000 t pro Jahr.
Würden diese Mengen realisiert, hielten wir demnächst mehr als doppelt so viel Entsorgungskapazitäten vor, wie für den Anfall an eigenem Müll notwendig wäre. Aber auch die Zahlen, die dem Antrag der Grünen zugrunde liegen, ergeben bereits Überkapazitäten von knapp einer Million Tonnen Müll pro Jahr. Ich glaube nicht, dass wir dies wirklich wollen. Das würde sich auch negativ auf die Müllgebühren der Bürgerinnen und Bürger auswirken. Mülltourismus, um den Überhang der Kapazitäten abzubauen, wäre, wie bereits gesagt wurde, die Folge.
Daher müssen wir behutsam mit der Frage umgehen, welche Anlagen erweitert werden sollten und welche nicht. Wie meine Vorredner bin auch ich der Meinung, dass es sachdienlich wäre, diese Dinge im Ausschuss zu beraten. Ich freue mich auf die Diskussion.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand und erteile dem Herrn Abgeordneten Harms für den SSW das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon vor knapp drei Jahren haben wir als SSW im Rahmen einer Großen Anfrage versucht, halbwegs verwertbare Daten für die zukünftige Entwicklung der Abfallmengen und der Abfallbehandlungskapazitäten zu bekommen. Damals versuchte man, die Problematik herunterzuspielen, indem man sagte, dass das Land Schleswig-Holstein, wenn es mit Hamburg zusammengehe und man kleinere Exportmengen vernachlässigte, für seinen Müll geradestehen könne. Dies war seinerzeit natürlich eine Scheinargumentation, weil die damalige Landesregierung eigentlich die Maxime herausgegeben hatte, dass kein schleswig-holsteinischer Müll außerhalb von Schleswig-Holstein verarbeitet werden solle.
Dieses Ziel hatte Rot-Grün, lieber Kollege Müller, klar verfehlt und so musste eine neue Definition her. Auf einmal wurde die große Liebe zum Nachbarn aus dem Süden entdeckt, der mit seinen Müllverbrennungskapazitäten der damaligen Landesregierung aus der Patsche helfen sollte.
Das Ziel, dass der hiesige Müll ausschließlich in Schleswig-Holstein entsorgt werden sollte, wurde nun auf Hamburg ausgedehnt