Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Ich will sehr deutlich sagen: Der Minister hat nicht dem von ihm benannten Landesnaturschutzbeauftragten das Vertrauen aufgekündigt und gesagt: „Ich will dich nicht mehr haben“, sondern der Landesnaturschutzbeauftragte hat von sich aus gesagt: „Ich gebe diese Aufgabe ab und auf.“ Das sollten wir hier alle nicht vergessen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Begründung!)

Die Anbindung des Landesnaturschutzbeauftragten an den Landtag - wie im Gesetzentwurf von

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgesehen schwächt dessen Position gegenüber bisherigen Regelungen deutlich. Das finde ich außerordentlich bedauerlich. Darum können wir ihn nicht mittragen. Das lässt sich auch nicht durch vorgesehene Sachausstattungen und Personal wegdiskutieren.

Der entscheidende Nachteil dieser Konstruktion ist, dass die bisher rechtlich verankerte enge Zusammenarbeit zwischen dem Beauftragten und den Behörden damit in Zukunft nicht mehr verbindlich ist. Nicht zuletzt auch in dieser Verbindlichkeit lag aber in der Vergangenheit die Stärke des Landesnaturschutzbeauftragten. Verbindlicher Partner der Exekutive zu sein, ist für einen umsetzungsorientierten Naturschutzbeauftragten meines Erachtens von unverzichtbarem Wert.

Deshalb gehe ich davon aus, dass wir den Landesnaturschutzbeauftragten wie bisher verankern. In dieser Erwartung hoffe ich, dass wir in absehbarer Zeit einen neuen Landesnaturschutzbeauftragten haben werden und an die bisher erfolgreiche Arbeit anknüpfen können.

Wir stimmen der Ausschussüberweisung zu. Ich gehe davon aus, dass wir den Gesetzentwurf im Rahmen der Beratung der anstehenden Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes mit beraten werden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie auch bei der vorigen Debatte zeigt sich hier, dass die Zeit manchmal neue Töne in die Debatte bringt. Schleswig-Holstein hatte bisher stets starke Anwälte für den Naturschutz in Form der Landesnaturschutzbeauftragten. Ich will nur einige nennen, weil sie für mich wichtig waren, Dr. Riedel und Professor Dr. Janßen, zuletzt Roger Asmussen. Für den damit verbundenen hohen persönlichen Einsatz bedanke ich mich an dieser Stelle auch im Namen der SPD-Landtagsfraktion.

Die Hintergründe für den Rücktritt Roger Asmussens nach nur sechsmonatiger Amtszeit am Anfang dieses Jahres und der damit verbundene, uns heute vorliegende Gesetzesantrag der Grünen geben uns Anlass, über die Zukunft des Landesnaturschutzbeauftragten nachzudenken und zu diskutieren. Wir, SPD, haben mit der CDU bei den Koalitionsver

(Herlich Marie Todsen-Reese)

handlungen lange über die Funktion des Landesnaturschutzbeauftragten diskutiert und schließlich seine Zukunft im Koalitionsvertrag erfolgreich verankert. Das geltende Landesnaturschutzgesetz wie auch der Entwurf der Landesregierung für ein neues sehen unverändert einen Landesnaturschutzbeauftragten vor, der vom Umweltministerium berufen und durch einen Beirat in seiner Arbeit unterstützt wird.

Der Gesetzentwurf der Grünen hingegen sieht vor, dass das Amt des Landesbeauftragten für Naturschutz in Zukunft beim Präsidenten des Landtages dieses Wort fehlt im Übrigen in eurem Gesetzentwurf, Karl-Martin Hentschel - eingerichtet und auf Vorschlagsrecht der Fraktionen durch Mehrheit des Parlamentes gewählt werden soll.

Ich begrüße zwar die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, der stärker als bisher die Unabhängigkeit des Landesnaturschutzbeauftragten von der Landesregierung betonen soll. Ich habe mich bereits beim Rücktritt Roger Asmussens dafür ausgesprochen, dass zur Wahrung der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit dieser Funktion auch zu prüfen ist, ob er oder sie zukünftig vom Landtag berufen werden sollte.

Dennoch sollten wir aufgrund der weitreichenden Folgen dieser Weichenstellung alle Auswirkungen sorgfältig betrachten und dabei nicht vorschnell persönliche Umstände in strukturelle Entscheidungen gießen.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

In jedem Fall ist für mich klar: Ein Mitspracheoder gar Weisungsrecht des Umweltministeriums bei Stellungnahmen oder anderen Tätigkeiten des Landesnaturschutzbeauftragten darf und wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Zum vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf. Dies betrifft die neu geforderte Personal- und Sachausstattung im Einzelplan des Landtages angesichts der Haushaltslage und die isolierte Anbindung des Beauftragten an den Landtag, den neuen Aufgabenkatalog, der weit über die bisherige Beratung der Landesregierung hinausgeht, und das Berufungsrecht für die Mitglieder des Beirats - ohne Mitwirkung der Landesregierung und des Beauftragten selbst. Wir sollten uns im Umweltausschuss ausreichend Zeit nehmen und den vorliegenden Gesetzentwurf gemeinsam mit dem Entwurf des Landesnatur

schutzgesetzes mit allen Beteiligten im Naturschutz diskutieren.

Wichtiger als die strukturelle Frage ist für mich derzeit allerdings die persönliche Besetzung des Amtes einer Naturschutzbeauftragten oder eines Naturschutzbeauftragten in Schleswig-Holstein. Hier kann ein Ruhenlassen bis zum Beschluss eines novellierten Landesnaturschutzgesetzes nicht hingenommen werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die damit verbundene Lücke von mindestens einem Jahr ist nicht zu vertreten. Ich bitte daher den Landwirtschafts- und Umweltminister, schnell in eine Diskussion mit Verbänden, Behörden und allen Interessierten im Naturschutz einzutreten und zeitnah einen Vorschlag für eine neue Landesnaturschutzbeauftragte oder einen neuen Landesnaturschutzbeauftragten zu entwickeln und das Amt zu besetzen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Die Diskussion im Ausschuss - ich habe das erwähnt - werden wir zusammen mit dem Naturschutzgesetz führen.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Kollegen Konrad Nabel und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Einrichtung eines Landesbeauftragten für den Naturschutz beim Landtag. Er ist in seiner Entwicklungsgeschichte logisch, findet dennoch nicht die Unterstützung meiner Fraktion. Er ist in seiner Entwicklungsgeschichte deshalb logisch, weil er die Konsequenz aus dem Konflikt des ehemaligen Landesnaturschutzbeauftragten, Herrn Minister a. D. Asmussen, mit dem Landesumweltminister von Boetticher zieht.

Herr Asmussen hatte zum 1. Januar dieses Jahres sein Amt zur Verfügung gestellt, weil er sich erstens in inhaltlichen Fragen mit dem Landesumweltminister in einem nicht auflösbaren Konflikt von gegensätzlichen Auffassungen befand und sich zweitens in seiner im Landesnaturschutzgesetz

(Konrad Nabel)

verankerten Unabhängigkeit durch die Hausspitze des Umweltministeriums gehindert sah.

So hatte der Landesnaturschutzbeauftragte so wie auch wir rechtliche Probleme mit der Kormoranverordnung des Ministers und er hatte inhaltliche Probleme mit der vom Ministerium erarbeiteten Jagdzeitenverordnung. Insbesondere aber wollte sich der ehemalige Landesnaturschutzbeauftragte nicht zum Alibibeauftragten der Landesregierung machen. Er beanspruchte genau das, was ihm im Naturschutzgesetz zugesichert wird: Unabhängigkeit.

Das galt insbesondere für die Pressearbeit. So wurde der Wunsch an ihn herangetragen, künftig „rechtzeitig vorab das MLUR über beabsichtigte Formen und konkrete Inhalte“ mit der eindeutigen Zielsetzung einer Überprüfungsmöglichkeit zu informieren. Das hielt Herr Minister a. D. Asmussen zu Recht für eine Zumutung. Nach Auskunft des ehemaligen Landesnaturschutzbeauftragten äußerte sich der Staatssekretär im Umweltministerium, Herr Rabius, in folgender Weise dazu: „Wir wollen bestimmte Ziele umsetzen und können dabei keinen Sand im Getriebe gebrauchen.“ Diese Sicht der Tätigkeit des Landesnaturschutzbeauftragten als „Sand im Getriebe“ spricht für sich.

(Beifall bei der FDP)

Der ehemalige Landesnaturschutzbeauftragte war es dann auch selbst, der in seinem Abschiedsbrief dazu riet, den künftigen Landesnaturschutzbeauftragten beim Landtag anzusiedeln, wenn man ihn denn weiter als Institution haben wolle. Diesem Vorschlag sind die Grünen gefolgt. Das ist nachvollziehbar. Wir teilen die Kritik an der Vorgehensweise des Umweltministeriums, aber wie gesagt, wir werden die Forderung nach der Einrichtung eines weiteren Beauftragten beim Parlament nicht mittragen.

Wir sind, wie man unserem Entwurf für ein neues Landesnaturschutzgesetz bereits entnehmen kann, für die Abschaffung dieses Beauftragten. Wir glauben, dass wir genügend engagierte Verbände haben, die bereits heute mit finanzieller Unterstützung des Landes die Aufgaben eines dem Parlament unterstellten Landesnaturschutzbeauftragten wahrnehmen. So machen die Naturschutzverbände Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, sie bewerten sehr wohl politische Programme und nehmen zu Kabinettsentwürfen wie auch zu Gesetzgebungsverfahren im Landtag im Wege der Anhörung Stellung. Sie sind auch Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sowie Politik in Fragen des Naturschutzes.

So weit war auch schon einmal die Landesregierung. So hatte die Arbeitsgruppe zur Entbürokratisierung von Staatssekretär Schlie zum Zeitpunkt des Rücktritts des Landesnaturschutzbeauftragten bereits die Abschaffung der Institution als solcher geplant. Auch die Runde der Staatssekretäre hatte auf ihrer Sitzung am 7. Januar dieses Jahres beschlossen, auf diese Aufgabe zu verzichten. Erst in der letzten Kabinettssitzung zum Abschlussbericht der Projektgruppe hat sich das Kabinett doch noch zu einer unveränderten Beibehaltung dieses Postens durchgerungen. Es fehlte vor dem Hintergrund des seinerzeitigen Konflikts zwischen dem Landesnaturschutzbeauftragten und dem Umweltminister anscheinend der Mut, diese Entscheidung durchzustehen.

Wir brauchen keinen Landesnaturschutzbeauftragten, weder bei der Landesregierung, weil dort die Unabhängigkeit nicht hinreichend gewährleistet ist, noch beim Parlament wegen der bereits bestehenden guten Strukturen der ehrenamtlichen Verbände im Umweltbereich. Diese Ressourcen können eingespart werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand und erteile das Wort für den SSW dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Bestehen der großen Koalition hat es im Bereich des Landwirtschaftsministeriums erhebliche rechtliche Änderungen gegeben. So wurden beispielsweise der Knickerlass geknickt, die Jagdzeitenverordnung geändert und mittlerweile eine Kormoranverordnung in Schleswig-Holstein erlassen.

Nicht nur der SSW hat diese Schritte der Landesregierung kritisiert. Insbesondere aufgrund der beiden letztgenannten Punkte hat es zwischen dem damaligen Naturschutzbeauftragten, Roger Asmussen, und dem Landwirtschaftsministerium unüberbrückbare Unterschiede gegeben. Ebenfalls unterschiedliche Auffassungen gab es zwischen dem Naturschutzbeauftragen und dem Landwirtschaftministerium hinsichtlich seiner Öffentlichkeitsarbeit. Dies war dann letztendlich auch der Grund, dass der Landesbeauftragte für Naturschutz nach einer Amtszeit von nur sechs Monaten das Handtuch geworfen hat. Diesen Schritt hat der SSW mit Bedauern zur Kenntnis genommen.

(Günther Hildebrand)

Mit seinem Rücktritt hat Roger Asmussen aber Anlass gegeben, über die Aufgabe und Stellung des Landesbeauftragten für Naturschutz neu zu diskutieren. Bisher ist dies im Landesnaturschutzgesetz geregelt und hat über Jahre hinweg auch keinen Anlass zur Diskussion gegeben, weil es keinen Anlass gab. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf über die oder den Landesbeauftragten für Naturschutz wird nun das vordringliche Ziel verfolgt, den Naturschutzbeauftragten aus dem Landwirtschaftsministerium herauszulösen und beim Präsidenten des Landtages anzusiedeln. Diese Forderung wurde bereits vom damaligen Landesnaturschutzbeauftragten gestellt und findet auch die Unterstützung des SSW.

Auch wenn derzeit im Landesnaturschutzgesetz geregelt ist, dass der Naturschutzbeauftragte nicht weisungsgebunden ist, halten wir diesen Schritt für äußerst sinnvoll angesichts der Begebenheiten, die wir erleben mussten. Denn es kann nicht angehen, dass die Stellung des Landesnaturschutzbeauftragten zu einer Art Alibifunktion verkommt oder dass seine Stellungnahmen und Texte mit dem Ministerium im Vorfeld abgestimmt werden müssen. Hier brauchen wir die Unabhängigkeit des Naturschutzbeauftragten, der sich auch ungehemmt kritisch gegenüber der Landesregierung äußert. Diese Möglichkeit sehen wir als gegeben an, wenn das Amt des Naturschutzbeauftragten beim Landtag eingerichtet wird.

Nicht nachvollziehbar ist für uns aber die Berufung eines Beirates durch den Naturschutzbeauftragten, wie es im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen ist. Dieser Beirat war als unterstützendes Gremium notwendig, als der Beauftragte noch beim Ministerium angesiedelt war. Das haben wir in den letzten zwölf Monaten immer wieder erleben müssen. Diese moralische Unterstützung braucht der Landesnaturschutzbeauftragte nicht mehr, wenn er unabhängig beim Landtag angesiedelt wird. Wir sind der Auffassung, dass es ausreichend ist, wenn dem Naturschutzbeauftragen zur Erfüllung seiner Aufgaben die notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung gestellt wird.

Im Rahmen seiner Tätigkeit hat der Landesnaturschutzbeauftragte die Möglichkeit, den Kontakt zu Naturschutzverbänden, dem Landesnaturschutzverband oder den Hochschulen zu suchen, um sich dort zu informieren. Das ist es, worauf es ankommen muss. Diese Möglichkeit wird dem Naturschutzbeauftragten durch den Verzicht auf einen Beirat nicht genommen. Sollte ein gewisser Beratungsbedarf entstehen, hat der Naturschutzbeauftragte die Möglichkeit, auf sein Personal zurückzu

greifen, wenn er es denn gestellt bekommt, analog zur Bürgerbeauftragten oder zum Flüchtlingsbeauftragten. Hier sollten wir von der bisherigen Vorgehensweise nicht abweichen, wenn wir ein solches Amt beim Landtag einrichten.

Grundsätzlich unterstützt der SSW die Intention der Grünen, das Amt des Naturschutzbeauftragten neu zu regeln. Wir sind aber der Auffassung, dass wir hierfür kein gesondertes Gesetz benötigen. Vielmehr sollte im Zuge der Änderung des Landesnaturschutzgesetzes angestrebt werden, die Aspekte des vorliegenden Gesetzentwurfs in ein neues Landesnaturschutzgesetz einzuarbeiten. Dies war die bisherige Vorgehensweise, wenn es um das Amt des Landesnaturschutzbeauftragten ging, und diesen Weg sollten wir beibehalten. Wir sollten nach Möglichkeit auf eine „Lex Landesbeauftragter für Naturschutz“ verzichten, wenn sich eine Neuregelung des Amtes auch über das Landesnaturschutzgesetz regeln lässt. Deshalb begrüßen wir, dass beide Gesetzentwürfe zu gegebener Zeit gemeinsam beraten werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)