Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.
Es ist Ausschussüberweisung der Drucksache 16/ 550 beantragt worden, und zwar federführend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie an alle anderen Ausschüsse. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so geschehen.
Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, als wir in Deutschland sehr ernsthaft und sehr ausführlich über das Wort „Ärzteschwemme“ geredet und nicht vorhandene Arbeitsplätze beklagt haben. Heute nun werden Ärztemangel und Ärztenotstand an die Wand gemalt und das eine oder andere interessengeleitete Süppchen wird darauf gekocht, wie wir in den letzten Tagen in Schleswig-Holstein erleben durften.
Das mag ja in Zeiten von Ärzteprotesten noch hinnehmbar sein, aber völlig unakzeptabel ist es, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und Schwarzmalerei zu betreiben.
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wie die Kassenärztliche Vereinigung hat solide Arbeit zu leisten und diese lautet unter anderem: Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Das ist ihr gesetzlich vorgegebener Auftrag.
Bundesweit, nicht nur in Schleswig-Holstein, müssen wir aber konstatieren, dass es Über- und Unterversorgung gibt. Das ist beklagenswert, auch aus Sicht der Versicherten, denn in überversorgten städtischen Regionen werden Mittel der Versicherung gebunden, die in unterversorgten ländlichen Regionen dringend gebraucht werden.
Diese Steuerung ist nicht gelungen, obwohl wir aus dem Vollen schöpfen konnten. Dazu zwei Zahlen: Seit Anfang der 70er-Jahre hat sich die Arztdichte in der Bundesrepublik Deutschland verdoppelt; die Bevölkerungszahl ist ungefähr gleich geblieben. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Vertragsärzte in Schleswig-Holstein um circa 400 auf über 4.000 an. Es hat also auch in den letzten Jahren noch eine erhebliche Zahl von Niederlassungen gegeben.
Zur öffentlichen Debatte! Die reale Situation ist in Schleswig-Holstein beileibe nicht dramatisch. Wenn es so wäre, hätte die Kassenärztliche Vereinigung bereits ein Feuerwerk an Aktivitäten entwickeln müssen. Das ist aber nicht geschehen.
Dem Ihnen vorliegenden Bericht können Sie entnehmen, dass wir im Land insgesamt eine hohe Vertragsarztdichte bezogen auf die Einwohnerzahlen haben. Wir haben eigentlich fast überall deutliche Überversorgungen, vor allem im Facharztbereich. Das verwundert auch nicht vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahrzehnte.
Ähnliche Feststellungen sind im Hausarztbereit zu treffen, allerdings auf einem niedrigeren Niveau, bezogen auf den so genannten Bedarfsplan, der kreisgrenzenbezogen erstellt wird.
Allerdings vermag die globale Betrachtung nicht in jedem Fall der individuellen Situation vor Ort gerecht zu werden. Der Ministerpräsident und ich diskutieren dies gerade an dem berühmten nicht vor
handenen Augenarzt in Bredstedt. Lange Wege und lange Wartezeiten werden von den Menschen als Belastung wahrgenommen. Deshalb sind ärztliche Versorgung, aber auch die Notdienstzeiten von Apotheken und anderes mehr Schlüsselthemen, die ich gerade in der jüngsten Zeit bei meinen regionalen Bereisungen und Besuchen mit den Seniorenbeiräten immer wieder auf den Tisch bekomme.
Die Anreize, sich im ländlich strukturierten Raum niederzulassen, müssen insbesondere für Hausärzte - damit meine ich natürlich auch Kinderärzte, Augenärzte, all das, was man unmittelbar zur ärztlichen Grundversorgung braucht - deutlich verbessert werden.
Sie werden aus dem Bericht erkennen, dass das Land an der Bedarfsplanung durch Zulassungsentscheidungen nicht beteiligt ist. Das ist gesetzlich an eine neutrale Stelle gegeben worden. Dennoch ist die ärztliche Versorgung unserer Bevölkerung eine politische Angelegenheit, um die wir uns zu kümmern haben.
Deshalb habe ich die eingehenden Problemanzeigen der Bevölkerung bereits vor einiger Zeit zum Anlass genommen, mich regelmäßig mit der Kassenärztlichen Vereinigung zu treffen, und habe sie aufgefordert, den jetzt vorgelegten Datenbericht vorzulegen. Ich habe sie aufgefordert, die bereits jetzt vorhandenen gesetzlichen Handlungsmöglichkeiten stärker zu nutzen. Ich habe sie aufgefordert, gemeinsam mit den betroffenen Regionen nach Möglichkeiten zu suchen, damit die Versorgung auch in den ländlichen Regionen tatsächlich sichergestellt ist. Ich habe darüber hinaus gesagt, dass ich offen dafür bin, Anregungen entgegenzunehmen, welche weiteren politischen Handlungsbedarfe, auch gesetzlichen Handlungsbedarfe es gibt, um das Problem in den Griff zu kriegen.
Meine Devise war: Kooperation statt Konfrontation. Denn wir brauchen motivierte und zufriedene Ärzte. Es ist gut, wenn die Organisationen gut zusammenarbeiten. Dies ist offensichtlich nicht die Devise der Kassenärztlichen Vereinigung, denn sie hat jetzt die Flucht nach vorn ergriffen, übrigens mit Unterstützung des kürzlich zurückgetretenen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Bittmann.
Lassen Sie mich ein Wort dazu sagen: Ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsauftrag durch die Kassenärztliche Vereinigung und eine Ärzte-Interessenvertretung durch die Ärztegenossenschaft Hand in Hand bei der Präsentation des Berichts - ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Offensichtlich wird der Kassenärztlichen Vereinigung der Boden unter den Füßen zu heiß, denn in den Abklärungen zwischen ihr und meinem Ministerium wurde deutlich, dass die Kassenärztliche Vereinigung die bereits vorhandenen gesetzlichen Instrumente überhaupt noch nicht ausgeschöpft hat, um das Missverhältnis tatsächlich in den Griff zu kriegen. Ich nenne sie stichwortartig: Sicherstellungszuschläge, Darlehen zur Praxisgründung, Umsatzgarantien und so weiter. Das Thema wird - so meine zugespitzte Bewertung - von der Kassenärztlichen Vereinigung insgesamt eher formal als kreativ bearbeitet. Das muss sich ändern.
Die Politik ist bereits tätig. Ein neues Vertragsarztrecht, um den Kassenärztlichen Vereinigungen weitere Handlungsmöglichkeiten zu geben, zum Beispiel die Möglichkeit von Praxiszweigstellen und angestellten Ärzten, ist in der politischen Abstimmung.
Die Politik denkt aber auch über den Tag hinaus. Die Frage, ob die Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten zukünftig über eine weitere Ausdifferenzierung dieser Planungsinstrumente möglich ist oder ob man alternativ diese Fragen eher über wirtschaftliche Anreize und Wettbewerb steuern sollte, gehört zu den Grundsatzfragen ebenso wie die Frage nach der zukünftigen Aufgabe von Kassenärztlichen Vereinigungen.
Für die sichere, qualifizierte und bezahlbare Gesundheitsversorgung werden die Zahl der Arztpraxen einerseits und die Zahl der Betten im Krankenhäusern andererseits zukünftig eine immer geringere Rolle spielen. Integrierte Versorgungsformen, medizinische Versorgungszentren, die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Versorgung auch gesetzlich Versicherter - diese Entwicklung erfordert integrative Planungsverfahren.
Seien wir gespannt, was in Berlin zur Gesundheitsreform beschlossen wird! Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass dies auch Thema der Debatten in Berlin ist.
Ich danke der Frau Ministerin und eröffne die Aussprache. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Ursula Sassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat unter dem Titel „Gehen dem deutschen Gesundheitswesen die Ärzte aus?“ eine Studie zur Altersstruktur- und Arztentwicklung vorgelegt und spricht in der aktualisierten Ausgabe des letzten Jahres sogar von einem spürbaren Ärztemangel. Auch in der Presse wird über leer stehende Landarztpraxen berichtet. Daher danke ich der Landesregierung, dass wir hier nun einen Bericht bekommen haben.
Man mag es Zufall oder gutes Timing nennen, wenn zeitgleich auch der Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung vorliegt. Frau Ministerin, bisher wurde oft der Eindruck erweckt, die Regelung und die Entwicklung der ärztlichen Versorgung in Schleswig-Holstein - anderswo natürlich auch - liege einzig und allein in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung. Im Sozialgesetzbuch V sind Bedarfsplanung, Unterversorgung und Überversorgung klar geregelt und die Kassenärztlichen Vereinigungen wissen aufgrund dieser Darstellungen, wie sie bei Unterversorgung oder Überversorgung zu verfahren haben.
Dennoch trägt auch die Politik ein großes Stück Mitverantwortung, da gesundheitspolitische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene in jede Arztpraxis ausstrahlen und Einfluss auf Strukturen und Motivation der Ärzte nehmen können.
Wie der Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung und auch der Bundesvereinigung zeigt, liegt das größte Problem einer Unterversorgung vor allem im ländlichen Raum. Das liegt zum einen an der Verweigerung des Nachwuchses, sich dort niederzulassen, und auch an der Tatsache, dass der ambulante hausärztliche Bereich vor einer Ruhestandswelle ohnegleichen steht. Gelingt es nicht, die Rahmenbedingungen attraktiver zu gestalten, kann es zu einer Unterversorgung im ländlichen Raum kommen.
Die im Bericht der Landesregierung genannten Zahlen bezüglich der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte geben auf den ersten Blick in der Tat noch keinen großen Anlass zur Besorgnis, lassen aber nicht erkennen, wie die Praxen im Land verteilt sind. Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen. Ich war über Ihren Bericht überrascht. Denn mit früheren Aussagen zu diesem Thema haben Sie häufig den Eindruck erweckt, dass Schleswig-Holstein auf allen Ebenen eher eine Überversorgung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten hat. Ich freue mich, dass Sie heute dargelegt haben, dass Sie
diese Entwicklung weiter aufmerksam beobachten werden und sich im Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung mit diesem Thema beschäftigen wollen. Das ist beruhigend. Ich hoffe, dass das gelingt und erfolgreich sein wird.
Ihrem Bericht entnehmen wir weiter, dass die Kassenärztliche Vereinigung einen großen Spielraum für Maßnahmen zur Vermeidung drohender Unterversorgung hat, den sie in Schleswig-Holstein unter anderem mit der eingeleiteten Umstrukturierung des Notdienstes mit zentral aufzustellenden Anlaufpraxen und anderen Maßnahmen auch nutzt.
Hinsichtlich der Frage, welche politischen Entscheidungen erforderlich sind, um den Entwicklungsprozess zur ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum günstig zu beeinflussen, messen Sie einer dauerhaften Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin große Bedeutung bei und Sie wollen ihn unterstützen. Die Anfang des Jahres vom Bundesgesundheitsministerium vorgestellten Eckpunkte für ein Gesetz zur Änderung des Vertragsrechts sind trotz viel gepriesener Flexibilität auch kritisch zu betrachten. Auf jeden Fall haben wir heute durch Ihren Bericht ein politisches Signal dahin gehend bekommen, dass im Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung dazu beigetragen wird, für Schleswig-Holstein eine optimale ärztliche Versorgung zu gewährleisten.
Nun noch eine Bemerkung zu dem Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung. Ich habe festgestellt, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes einen der abgebildeten Ärzte aus der Praxis kenne. Ich kann nur sagen, dass dieser nicht nur die Aneinanderreihung einer netten Bildergalerie ist. Vielmehr stehen hier Ärzte und Ärztinnen sowie Helfer und Helferinnen hinter den Inhalten dieses Berichts. Ich glaube, wir haben jetzt gute Diskussionsgrundlagen vorliegen, die wir nutzen sollten.
Ich danke Frau Abgeordneter Sassen. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Jutta Schümann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gesunde Branche boomt. Schleswig-Holstein ist ein starker und innovativer Gesundheitsstandort, den die Landesregierung in der Vergangenheit, aber auch zukünftig weiter stärken und ausbauen wird. Die soeben eröffnete dritte Landesgesundheitsmes
se Schleswig-Holstein liefert dafür einen eindrucksvollen Beweis, denn es gibt in den Holstenhallen von Neumünster auf über 6.500 m2 fast 200 Aussteller.
Die Gesundheitsadresse Schleswig-Holstein zu stärken, ist Absicht vieler Beteiligter. Dies geschieht im Interesse der Bewohner, aber auch im Interesse der zahlreichen Feriengäste, deren Durchschnittsalter steigt, was auch eine zunehmende Inanspruchnahme ärztlicher Dienstleistungen nach sich zieht.