Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

(Karl-Martin Hentschel)

legenheit eingehen, die meine Amtsvorgängerin betrifft. Herr Hentschel, ich will das hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, diese Vorarbeiten sind durchgeführt worden, und zwar im Detail. Es ist nur nicht entschieden worden und ich sage Ihnen auch warum: ganz einfach, weil Sie keinen Mut hatten zu entscheiden. Dass ich das an dieser Stelle nicht mehr mit Anne Lütkes diskutieren kann, fällt wohl eher in Ihren Zuständigkeitsbereich.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist beantragt worden, Herr Oppositionsführer, den Gesetzentwurf Drucksache 16/769 dem Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so entschieden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Pflegewissenschaft und -forschung in SchleswigHolstein

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/780

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/804

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Angelika Birk.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist zu Recht darauf hin, dass wir zunächst über Absatz 1 des Antrages Drucksache 16/780 abstimmen sollten. Danach wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden. Damit kommen wir zur Aussprache über die Absätze 2 ff. und über den Antrag der Fraktionen von CDU und SPD. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere liebe Kollegen von der SPD, dieses Verhalten macht doch etwas Schmunzeln. Offensichtlich haben Sie Angst, die Regierung könne nicht berichten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich hatte eigentlich Frau Erdsiek-Rave, die in doppelter Funktion hier sprechen könnte, nämlich einmal als Vertreterin der Sozialministerin, aber eben auch als frühere Wissenschaftsministerin, schon zugetraut, dass sie Frau genug ist, hierzu Position zu beziehen. Aber sei es drum.

(Zuruf von der SPD)

Sie hat den ganzen Vorgang zum UK S-H verfolgt. Schon zum damaligen Zeitpunkt - und das ist der erste Grund, warum es an der Zeit ist, nicht nur zu berichten, sondern auch zu entscheiden - war das Thema Pflegeforschung zwischen den damaligen Koalitionsfraktionen und dem Wissenschaftsminister Thema. Wenn jetzt Herr Staatssekretär Körner hier zuhören würde, wüsste er das auch. Wir haben sogar einen Schriftwechsel darüber geführt, weil schon damals deutlich war: Wir brauchen Pflegeforschung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war nur eine Frage der Zeit, man konnte nicht alles auf einmal machen, das UK S-H gründen und zusätzlich dieses neue Thema festigen.

Nun ist Zeit ins Land gegangen und erfreulicherweise - das möchte ich hier unterstreichen - ist das UK S-H nicht untätig geblieben. Aus der Mitte der Praktikerinnen und Praktiker sind Vorschläge gemacht worden und es sind sogar Gelder für eine Stiftungsprofessur eingeworben worden. Ich meine, bei so viel Eigenengagement, das die öffentliche Hand erst einmal nichts kostet, müssten wir tätig werden. Schleswig-Holstein ist das einzige Land in der BRD ohne Pflegeforschung. Es ist doch unglaublich - wenn wir uns überlegen: wir sind Gesundheitsland Schleswig-Holstein! -, dass es in einem so wichtigen Bereich, der alle Patientinnen und Patienten betrifft, ob sie nun im Krankenhaus sind, ob sie ambulant gepflegt werden müssen, ob sie in Heimen sind, keine Forschung gibt. Das ist einfach ein Stück aus dem Tollhaus, wenn wir das hier heute wieder vertagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Minister Uwe Döring)

Ich glaube, dass Schleswig-Holstein nicht darum herumkommt zu handeln. Ich sage jetzt einmal etwas selbstkritisch zu diesem hohen Haus: Selbst wenn der Landtag sich nicht bewegt, es wird sich etwas tun. Die Medizin vor Ort und die Krankenhäuser können sich das gar nicht mehr leisten, ohne auszukommen. Wissen Sie, was sie derzeit machen? Wenn sie leitendes Personal suchen, gehen die in die anderen Bundesländer. Die führenden Kräfte in Schleswig-Holsteins Krankenhäusern kommen zunehmend nicht mehr aus den eigenen Reihen, weil hier keine Weiterqualifikation in ein solches Führungsamt möglich ist. Allein das sollte uns zu denken geben, denn es geht nicht darum, dass jede Krankenschwester den Doktorhut aufhat. Es geht darum, ein Masterstudium für diejenigen einzurichten, die Verantwortung in der Pflege sowohl für die Lehre als auch für die Leitung von Stationen oder die Leitung von gesamten Krankenhäusern übernehmen. Darum geht es. Das ist ein Schritt, der längst überfällig ist.

Wir haben hier nun ein Modell aus dem UK S-H vorliegen. Die Koalitionsfraktionen wollen grundsätzlich noch einmal prüfen und auch andere Modelle vorschlagen lassen. Schauen wir einmal, ob dabei sehr viel Konkreteres herauskommt. Wir jedenfalls wissen, was wir wollen. Ich finde, wir sind es den Leuten, die hier vorgearbeitet haben, schuldig, dass die Initiative aufgegriffen wird.

Die Uni Lübeck steht schon in den Startlöchern und wartet nur noch auf dieses politische Signal heute, dass auch politisch gewollt wird, was fachlich längst notwendig ist. Deswegen ist es sinnvoll, dass wir die Anträge zur Abstimmung stellen. Schauen wir einmal, wie lange die Koalition braucht, um zu erkennen, dass das, was wir hier vorschlagen, längst an der Zeit ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage denjenigen, die schon so lange vorgearbeitet haben: Halten Sie durch! Schleswig-Holstein kommt an der Pflegeforschung nicht vorbei und Sie haben dazu gute Vorarbeit geleistet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich danke Frau Abgeordneter Birk und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Recht auf menschenwürdige Pflege - darüber sind wir uns alle einig - soll als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen werden. Schleswig-Holstein geht mit dieser Staatszielbestimmung einen ganz anderen Weg als alle anderen Bundesländer. Wir werden uns nach der endgültigen Verankerung in der Landesverfassung - noch mehr als Politiker anderer Bundesländer - daran messen lassen müssen, ob wir die richtigen Prioritäten setzen, um älteren und jüngeren Pflegebedürftigen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Die Messlatte für uns in Schleswig-Holstein liegt also wesentlich höher als in anderen Bundesländern.

Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, ob wir die knappen Haushaltsmittel so ausgeben, dass sie die Lebenssituation der Pflegebedürftigen nachhaltig verbessern können. Genau diese Frage werfen die beiden vorliegenden Anträge auf.

Die Fraktionen von CDU und SPD wollen prüfen, inwieweit Pflegewissenschaft, Pflegeforschung und Weiterbildung in der Pflege innerhalb der vorhandenen Hochschulstrukturen und des UK S-H gestärkt werden können. Wir wollen ganz genau wissen, ob damit knappe Ressourcen optimal eingesetzt werden können.

Wir verfolgen gemeinsam das Ziel, die Pflege am und mit dem Menschen zu verbessern. Das sind wir den Pflegebedürftigen, aber auch den pflegenden Angehörigen schuldig. Kann es gelingen, durch die Gründung eines solchen Instituts die Lebenssituation von Pflegebedürftigen und die der pflegenden Angehörigen zu verbessern? Ist es möglich, das Ziel „ambulant vor stationär“ noch stärker in den Blickwinkel zu nehmen? Welche Notwendigkeit besteht gerade angesichts der demographischen Entwicklung und der sich daraus ergebenden verstärkt auftretenden Pflegebedürftigkeit zur Gründung eines Instituts für Pflegewissenschaften? Sind wir auf die pflegerischen Herausforderungen durch eine immer größere Anzahl von an Altersdemenz leidenden Menschen ausreichend vorbereitet? Die Pflegeforschung muss auf einer sehr fundierten Grundlage basieren.

Die CDU-Landtagsfraktion erkennt an, dass am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein bereits eine Arbeitsgruppe Pflegeforschung eingerichtet worden ist. Sie besteht zurzeit aus zwei Mitarbeiterinnen, die leitende und beratende wissenschaftliche Tätigkeiten durchführen.

(Angelika Birk)

Diese Arbeitsgruppe führt bereits heute Pflegeforschungsprojekte durch, die zum Ziel haben, die pflegerische Versorgung kontinuierlich zu verbessern. Dabei gilt es, an einem weiteren Ziel zu arbeiten. Irgendwann muss es eine Vergleichbarkeit der pflegerischen Versorgung geben, nicht nur im Land Schleswig-Holstein, sondern deutschlandweit und irgendwann auch europaweit. Das ist wichtig für die Pflegebedürftigen, für die pflegenden Angehörigen, für das Pflegepersonal, aber auch für die jeweilige Pflegeeinrichtung, die sich am Markt behaupten muss.

Ein weiterer Schwerpunkt soll in der pflegewissenschaftlichen Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen. Ich will ganz deutlich sagen: Wir als CDU wollen das Hauptaugenmerk auf die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen, weil wir damit wirklich etwas für die Menschen, aber auch für diejenigen, die dort arbeiten, tun. Wir müssen uns während der Diskussion die Frage stellen, ob es uns mit der Gründung eines solchen Instituts gelingen kann, den Ausbildungsstand und damit auch das Image des Pflegepersonals deutlich weiter zu steigern.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen wir uns nicht fragen!)

- Herr Hentschel, wir stellen uns hin und wieder noch Fragen; das ist vielleicht der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Fraktion. - Nicht umsonst reden wir sehr selbstbewusst vom Gesundheitsland Schleswig-Holstein. Wir wollen die medizinische und die pflegerische Aus-, Fort- und Weiterbildung ausbauen. Dabei sind die Schwerpunkte Geriatrie, Gerontopsychiatrie und die nachhaltige Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger besonders zu berücksichtigen.

Wir bitten zu prüfen, inwieweit die Gründung eines Instituts für Pflegewissenschaften realistisch ist

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

und einen nachhaltigen Beitrag zur Steigerung der Pflegequalität leisten kann. Wir bitten um Zustimmung zum gemeinsamen Antrag von CDU und SPD.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts und erteile für die SPD-Fraktion Frau Abgeordneter Jutta Schümann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann fast sagen: In jeder Sitzung eine Stiftungsprofessur, erst eine für Palliativmedizin und jetzt eine für Pflegewissenschaft. Das wiederholt sich ein Stück weit. Demnächst haben wir noch eine für Gerontopsychiatrie und so weiter. Das klingt zunächst einmal sehr gut, aber nichtsdestotrotz müssen wir doch etwas intensiver über die Umsetzungs- und Realisierungsmöglichkeiten nachdenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bereits mehrfach über die ständig steigende Bedeutung der Pflege von alten und kranken Menschen gesprochen. Diese Herausforderungen wachsen aufgrund der demographischen Veränderungen quantitativ wie qualitativ. Aber auch der medizinische Fortschritt stellt neue Anforderungen an eine qualifizierte Pflege, zum Beispiel nach schweren Operationen oder bei der Versorgung von Frühgeburten.

Wenn wir von Pflege sprechen, so meinen wir damit auch immer die drei wichtigen Berufsfelder in diesem Bereich, nämlich die Kranken-, die Kinderkranken- und die Altenpflege. Wir müssen alle drei Berufe nennen. Alle Berufe hat der Bundesgesetzgeber definiert und die Ausbildungen gesetzlich geregelt. Für die Krankenpflege ist das letztmalig 2003 erfolgt.

Das Dilemma, das in der Begründung des Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig beschrieben ist, liegt darin, dass weder staatliche noch private Krankenhäuser - aber auch ambulante Dienste und Pflegeheime - wirtschaftlich in der Lage sind, die persönliche Zuwendung für den kranken oder alten Menschen so intensiv zu gestalten, wie dieses wünschenswert wäre. Geringe Personalkapazitäten und infolgedessen geringe Zeitbudgets führen dazu, dass die Patienten sich häufig allein gelassen fühlen. Die finanziellen Ressourcen der Krankenhäuser und der Träger der Pflege werden sich nicht grundsätzlich verbessern. Umso wichtiger ist es, immer wieder Pflegeprozesse zu optimieren und die Qualität der Pflege durch bessere Ausbildung zu verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Pflegewissenschaft ist heute ein eigenständiger Zweig im wissenschaftlichen Bereich, neben den anderen medizinischen Wissenschaften. Die Kollegin Birk hat darauf hingewiesen, dass wir in den letzten Jahren zunehmend Lehrstühle für Pflegewissenschaften im Bundesgebiet bekommen haben. Das ist gut und richtig so. Aber ob wir einen eige