Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Wir wollen den gewählten Gemeindevertreter wieder für möglichst alle kommunalen Aufgaben seines Bereichs zuständig machen. Kurt Hamers Worte sind auch nach drei Jahrzehnten aktueller, als es uns lieb sein kann.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unmittelbar und gleich werden die Abstimmungen in den neuen Amtsausschüssen, die ja noch mehr Aufgaben erhalten, nicht sein. Das ist mit kommunaler Selbstverwaltung und modernem Demokratieverständnis nicht vereinbar und den Bürgern auch nicht vermittelbar. Entweder handelt die Landesregierung hier fahrlässig oder sie riskiert bewusst, dass die Gerichte die Amtsordnung für verfassungswidrig erklären, um dann aus einem herbeiprovozierten Sachzwang die Ämter in Gebietskörperschaften umzuwandeln. Im Ergebnis wäre dies zwar durchaus zu begrüßen, aber der Schaden für die politische Kultur durch einen solchen Weg wäre fatal. Der Streit, ob wir Amtsgemeinden oder Ämter haben wollen, muss hier im Landtag geführt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie versichert, dass wir diesen Punkt im Ausschuss und in der Anhörung kritisch verfolgen werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Das Wort für einen Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Herlich Marie Todsen-Reese.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, es ist spät und Sie wollen in die Mittags

(Anke Spoorendonk)

pause, aber ein Teil der Aussagen des Herrn Innenministers veranlasst mich, noch einmal klar Stellung zu nehmen, und zwar mit einer ganz persönlichen Meinung.

Es ist bekannt, dass ich intern wiederholt Kritik an den Inhalten der Verwaltungsstrukturreform geübt habe. Ich kann darauf jetzt leider nicht in der Breite eingehen, aber ich will einen Punkt herausgreifen, nämlich die 8.000-Einwohner-Grenze. Man könnte meinen, big is beautiful und danach wird hier insgesamt gehandelt. Bis heute liegen mir klare Berechnungen für die Notwendigkeit einer solchen 8.000er-Grenze aus dem Innenministerium nicht vor. Es ist eine gegriffene Größe, die aus meiner Sicht nicht geeignet ist, um das einmütige Ziel, das wir haben, nämlich Verwaltung wirtschaftlicher, effizienter und bürgernäher zu machen, zu erreichen. Darum halte ich persönlich diese Maßnahme nach wie vor nicht für richtig. Das heißt nicht, dass wir nicht zu größeren Einheiten kommen können und vielleicht auch in Teilen kommen müssen, in jedem Fall dann, wenn wir überprüfen, was aus meiner Sicht erforderlich wäre, ob wir in Zukunft ganz auf Kreise verzichten können.

(Beifall bei FDP, SSW und des Abgeordne- ten Konrad Nabel [SPD] - Wortmeldung des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Frau TodsenReese?

Wenn es Abgeordnete gibt - ich persönlich gehöre dazu -, die ihre Gemeinden in diesem schwierigen Prozess, den Sie, Herr Minister Stegner, den Gemeinden nicht leichter gemacht haben, begleiten, dann verwahre ich mich dagegen, von Ihnen, Herr Minister Stegner, in dieser Art und Weise vorgeführt zu werden, wie Sie es heute hier gemacht haben und wie es aus meiner Sicht einem Minister nicht zusteht. Ich stehe dazu, dass ich nach persönlicher Überzeugung die Kommunen in meinem Wahlkreis begleitet und sie bei den Überlegungen unterstützt habe, zu anderen Zusammenschlüssen zu kommen, die sie zum Teil nicht aufgrund fachlicher Erkenntnisse, sondern aufgrund des Drucks, den Sie, Herr Minister, ausgeübt haben, vornehmen. Es wäre vielleicht besser und der Sache und uns allen dienlicher, wenn wir in Zukunft weniger auf die Kollegen in den kommunalen Familien und die Verantwortlichen in unseren Kommunen

schimpfen, sondern wenn wir sie konstruktiv begleiten und wenn Sie zum Anwalt der kommunalen Familie werden.

(Beifall bei FDP und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre geradezu fahrlässig, auf diese Vorlagen der Regierungsfraktionen nicht zu reagieren. Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn die Kollegin TodsenReese nicht einen auch in der Sache bemerkenswerten Beitrag geliefert hätte. Aber ich habe mich erst gemeldet, nachdem ich den Beitrag zur Kenntnis genommen habe.

Die Situation ist schon faszinierend. Ich glaube, dass der einzige Professionelle dieser Veranstaltung, also in der Frage der kommunalen Struktur, der jetzige Innenminister ist. Allerdings wollte ich ihm dieses Lob eigentlich gar nicht zuerkennen. Denn er setzt alles, was Sozialdemokraten und Grüne vereinbart haben, mit Hilfe der Union jetzt im Verhältnis 1:1 um.

Man muss sich einmal vorstellen, welches Chaos die Union in der Frage angerichtet hat, wie die kommunale Familie künftig strukturiert werden soll! Von Kommunalen Verwaltungsregionen, die ja nicht von der SPD, sondern von der Union kamen, hören wir, Hundertschaften von öffentlich Bediensteten hätten sich damit beschäftigt, wie die Reform ausgestaltet werden soll. Das hat Arbeit, Zeit und Geld gekostet. Plötzlich erfuhren wir über Nacht, dass die Kommunalen Verwaltungsregionen nicht kommen sollen, sondern dass es eine Kreisgebietsreform geben soll. Ich erinnere daran, dass der Ministerpräsident dieses Landes, Peter Harry Carstensen, noch im März dieses Jahres in Elmshorn - das kann man alles nachlesen - erklärt hat: Die Kreisgebietsreform wird es mit der Union nicht geben! Welche neuen Erkenntnisse sind denn hinzugekommen, dass die Union jetzt sagt, dass es eine solche Reform jetzt geben soll?

Was Herr Kollege Hentschel gesagt hat, trifft nicht meine Wortwahl, aber es ist im Kern zutreffend; das muss ich bedauerlicherweise sagen. Wenn man größere Kreisstrukturen schafft, braucht man eine größere Ämterstruktur.

Was die Union hier liefert, Herr Präsident Kayenburg, ist die Tatsache, dass es auf Ihrer Seite kein

(Herlich Marie Todsen-Reese)

Konzept gibt, wie die kommunale Familie strukturiert werden soll. Wir begeben uns in einen Blindflug zu einer Reform, von der wir nicht wissen, was sie bringt und was sie kostet.

Ich teile das, was der Journalist Zabel in der heutigen „Brunsbütteler Zeitung“ kommentiert hat. Ich lese es vor:

„Es liegt die Vermutung nahe, dass Innenminister Ralf Stegner die CDU einmal mehr übertölpelt hat.“

- Ich muss sagen: Das stimmt nicht. Denn er hat es mit einer Ansage gemacht. Das war keine Übertölpelung.

„Sein Taktieren hat dazu geführt, dass es für diese Koalition nur zwei Alternativen gibt: die unsinnigen Kommunalen Verwaltungsregionen oder Großkreise, deren Sinnlosigkeit immerhin nicht zweifelsfrei erwiesen ist.“

Wenn das der Maßstab der künftigen Politik dieser Union ist, dass nur die Sinnlosigkeit nicht erwiesen sein muss, um eine Maßnahme zu ergreifen, und nicht deren Sinnhaftigkeit, dann gute Nacht, Schleswig-Holstein!

(Beifall bei FDP und SSW)

Für die Landesregierung hat Herr Finanzminister Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider reicht die Zeit nicht aus, sich mit allen wertvollen Beiträgen aus dieser Debatte, auch mit dem letzten, in allen Feinheiten auseinanderzusetzen. Über den zuletzt gelieferten Beitrag von Ihnen, Herr Kollege Kubicki, können wir bei nächster passender Gelegenheit einmal sprechen.

Ich gehe auf den Beitrag des Kollegen Hentschel ein. Er posaunt wiederholt Dinge in die Öffentlichkeit, die fernab jeden Sachverstandes sind. Herr Kollege Hentschel, dass Sie nicht rechnen können, haben Sie in den letzten Jahren hinreichend bewiesen. Dass Sie nicht zählen können, haben wir nun auch festgestellt. Wenn die Referate in der Zuständigkeit des Kollegen Schlie wie alle Referate der Landesregierung eine Gliederungsnummer haben und das Referat „Deregulierung“ die Nummer 50 hat, dann hat das nichts mit der Zahl der Mitarbeiter zu tun. Lesen können Sie also auch nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Es kommt auch nicht darauf an, wie viel Leute in der Abteilung sind. Die Abteilung besteht aus den Referaten 50, 51, 52, 53 und 54. Die Referate 51 bis 54 gab es schon bisher. Das sind die IT-Referate, die der Kollege Finanzminister und damalige Strukturminister im Jahr 2003 ins Finanzministerium geholt hatte, damit dort die IT-Aufgaben der Landesregierung gebündelt wurden. Lediglich das Referat 50 - das ist die Gliederungsnummer, nicht die Anzahl der Mitarbeiter - ist neu hinzugekommen. Es hat sechs Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ich bedanke mich noch einmal ganz ausdrücklich bei diesen Kolleginnen und Kollegen für ihre hervorragende Arbeit, die sie geleistet haben.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Im Augenblick nicht, weil ich auf den Kollegen Hentschel eingehen möchte; dies scheint mir in der Auseinandersetzung jetzt wichtiger zu sein. Wir können uns ja noch auf andere Weise unterhalten.

Ihre Ausführungen wundern mich nicht, Herr Kollege Hentschel. Auch ansonsten haben Sie ziemlich wenig Ahnung von dem, worüber Sie hier lautstark reden. Sie bringen permanent hauptamtliche Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung durcheinander. Wir machen auf Amtsebene Verwaltung. Da werden wir keine Selbstverwaltungseinrichtungen unterhalten und betreiben. Wenn Sie davon nichts verstehen, wofür ich ja Verständnis habe, weil Sie in diesen Gremien wegen Ihrer „opulenten“ Größe nirgends vertreten sind, dann sollten Sie sich ein bisschen zurückhalten. Man muss einmal darüber diskutieren, ob ein Parlament das richtige Organ ist, über das Zusammenführen von Verwaltungseinheiten zu beschließen.

Das gilt genauso für die Frage der Aufgabenkritik und der Umsetzung von Aufgabenkritik in Gesetzgebung. Ich bin überhaupt nicht erstaunt, sondern freue mich - - Wenn Sie mir noch einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken würden! Ich freue mich, dass Sie uns geradezu unter Druck setzen, den bürokratischen Müll, den Sie überwiegend in Ihrer zehnjährigen Regierungszeit angerichtet haben, wegzuräumen. Aber das gelingt uns innerhalb von 15 Monaten nicht. Wir werden dafür allerdings auch keine zehn Jahre brauchen.

(Beifall bei der CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Wiegard, mich würde interessieren, ob die Abteilung 50 Mitarbeiter hat oder nicht. Herr Minister, Sie haben von einem Referat geredet. Ich redete von der Abteilung des Herrn Schlie. Ich möchte wissen, ob die Abteilung 50 Mitarbeiter hat oder nicht. Über die Aufgaben können wir uns gern unterhalten. Sie haben gesagt, ich wüsste nicht, wie viele Mitarbeiter die Abteilung hat. Als ich danach fragte, wurde mir gesagt, es seien 50 Mitarbeiter. Wenn das nicht stimmt, dann kommen Sie nach vorn und sagen es. - Das ist das eine.

Zweitens zur Frage der Selbstverwaltung und der Verwaltung! Ich empfehle Ihnen, in aller Ruhe das Gutachten zu lesen, das Ihr Abteilungsleiter Schliesky geschrieben hat; er dürfte Ihnen bekannt sein. Es geht also darum, was dieser Abteilungsleiter vor sechs Jahren im Auftrag des Gemeindetages zum Thema Selbstverwaltung, Verwaltung und Ämter geschrieben hat. Er hat dort dargestellt, dass immer mehr Selbstverwaltungsaufgaben von den Gemeinden an die Ämter übertragen werden und dass das verfassungswidrig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Kollegen Hentschel auf die von ihm gestellte Frage eine Antwort geben, obwohl ich sie gar nicht geben müsste. In der Antwort auf die Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/483, heißt es:

„Wie viele Personen beschäftigen sich in welchen Ministerien/Staatskanzlei zum 01.01.2006 mit Deregulierung, Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform oder Modernisierungsvorhaben (bitte gemäß dem Schema von Drucksache 16/0045, Seite 4 be- antworten)?

Entsprechend der Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 16/0045 zu der dortigen Frage 2 sind hier erneut diejenigen Beschäf

tigten berücksichtigt, die entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan mit Angelegenheiten der Deregulierung, Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform oder mit allgemeinen Modernisierungsvorhaben betraut sind.“

Danach sind gemäß der nachfolgenden Tabelle im Finanzministerium 44 Beschäftigte damit beschäftigt.