Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem vorliegenden Gesetzesentwurf stimmt die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zu. Diese sogenannte Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten macht nicht frei, sondern wir unterwerfen uns damit einem unbegrenzten Ökonomismus. Einkaufskultur und Konsum statt Lebenskultur. Wir erschließen uns uneingeschränkte Einkaufserlebniswelten bei gleichzeitiger kultureller Verarmung. In Abwandlung von Karl Marx heißt es in Zukunft: „Das Design prägt das Bewusstsein.“
Diese sogenannte Liberalisierung macht auch nicht diejenigen freier, die im Einzelhandel über Nacht schuften müssen. Schichtarbeit ist kein Vergnügen. Man sollte sie auf das notwendige Maß beschränken. Das schlechte Gewissen und krampfhafte Bemühen der Großkoalitionäre zeigt sich auch in dem in § 13 des Landeöffnungszeitengesetzes, wo großzügig ein Absatz 4 hinzugefügt wird, der lautet: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können verlangen, an einem Sonnabend im Monat von der Arbeit freigestellt zu werden.“
Damit wollen Sie die Arbeitnehmerschaft für dumm verkaufen, indem Sie sagen: „Schaut her, wir tun doch auch etwas für euch!“ Hätten Sie doch wenigstens den Arbeitgeber verpflichtet, einen Sonnabend - es hätten ja auch zwei Sonnabende sein können - zu gewähren! Stattdessen müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Chef betteln gehen. Ich bezweifle, dass diese Regelung eindeutig ist. Die Arbeitnehmerseite kann verlangen; ob die Arbeitgeberseite das gewähren muss,
Ich hoffe, Sie haben das Problem der konkurrierenden Gesetzgebung ausreichend berücksichtigt. Ich habe im Ausschuss darauf hingewiesen. Das Ladenöffnungszeitengesetz regelt die Ladenöffnungszeiten. Es ist kein Arbeitszeitgesetz und auch kein Tarifgesetz. Sie normieren hier jedoch Arbeitszeitregelungen.
Der Beitrag der CDU - um diejenigen zu informieren, die im Ausschuss nicht dabei waren - beschränkte sich in diesem Punkt darin, das Wort „Samstag“ in „Sonnabend“ auszutauschen. - Hervorragend, ich gratuliere dazu!
Diese sogenannte Liberalisierung macht auch nicht diejenigen freier, die als Inhaber ein vergleichsweise kleines Geschäft führen. Sie haben die Freiheit der Wahl zwischen Personalkostenerhöhung und weiterer Selbstausbeutung, um sich gegen die Ketten behaupten zu können. Mittelbar stärkt das Gesetz die Ketten und Filialisten. Ein ganz besonderer Beitrag zur deutschen Einheit: der Einheitslook in den Städten und an ihren Rändern! Wir wollen die Innenstädte stärken und nicht die grünen Wiesen in der Peripherie, die nur über das Auto erschlossen sind. Genau das aber wird die Folge des schwarzroten Gesetzes sein: ein weiterer Schritt hin zu amerikanischer Lebenskultur hier im Norden Europas.
Damit vergibt die Mehrheit im Hohen Haus die Chance, mit einem fortschrittlichen Gesetz zu Ladenöffnungszeiten aktive Strukturpolitik zuzulassen. Wir Grüne fordern, dass die kommunale Ebene über die Gestaltung der Ladenöffnungszeiten entscheiden soll. Insbesondere die CDU wird doch nicht müde, die Verlagerung von Kompetenzen auf die Gemeinden und Städte zu fordern. An dieser Stelle allerdings sind Sie völlig zentralistisch. Das Gesetz von CDU und SPD ist keine kommunale, sondern eine zentralistische Regelung. Damit verschenken Sie Chancen auf eine Privilegierung der Innenstadtgeschäfte gegenüber den Einkaufszentren auf der Grünen Wiese,
auf eine Privilegierung kleiner, inhabergeführter Läden gegenüber Filialisten und Einkaufszentren, auf mehr Gestaltung des Lebens der Bürger durch die Kommunen und auf Regelungen für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Einzelhandel.
Werktagen wollen wir ersatzlos streichen, sobald dafür die landesrechtliche Zuständigkeit besteht.“ Das haben Sie jetzt geschafft. Dem Land haben Sie damit einen schlechten Dienst erwiesen.
Herr Präsident, darf ich noch eine Bemerkung zur Berichterstattung des Ausschussvorsitzenden machen? - Aus meiner Sicht ist hier bewertend vorgetragen worden, wenn gesagt wird, die Argumente der Befürworter seien vom Vertrauen in die Marktwirtschaft getragen. Solche Worte sind im Ausschuss nicht gefallen. Das ist kein Bericht, sondern eine Wertung. Ich bitte, das in Zukunft zu unterlassen, Herr Kollege Arp. Das sollte man als Ausschussvorsitzender in der gebührenden Neutralität vortragen.
Herr Kollege, die letzte Bemerkung werte ich im Rahmen Ihrer Redezeit. Ich hatte aufgefordert, zum Bericht direkt Stellung zu nehmen, das ist nicht erfolgt. - Jetzt hat für die Abgeordneten des SSW Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation des Standortes Deutschland krankte in der Vergangenheit immer wieder an der lahmenden Binnenkonjunktur, nicht am Export, da sind wir nämlich Weltmeister. Das heißt unter anderem, dass wir Anregungen zum Konsum in unserem Land geben müssen. Was der Gesetzgeber dabei machen kann, ist, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Konsum leicht ermöglicht wird.
Die Liberalisierung des Ladenschlusses ist eine solche Möglichkeit, die der Gesetzgeber nutzen kann und muss. Wenn die Läden länger offen sind, entstehen mehr Möglichkeiten zum Konsum. Durch dieses Mehr an Möglichkeiten schaffen wir die Basis, Arbeitsplätze zu erhalten oder gar auszubauen. Mit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten können wir es schaffen, neben den bestehenden Arbeitsplätzen weitere zu schaffen. Ich stelle ausdrücklich fest, dass gerade auch neue Teilzeitarbeitsplätze möglich werden, die uns jetzt immer noch bitter fehlen.
Millionen von Menschen haben inzwischen andere Arbeitszeiten als zwischen acht und 16 Uhr; das ist eigentlich nicht mehr die Regel, sondern eher die Ausnahme. Alle diese Menschen werden dadurch
nicht rechtlos. Im Gesetz ist deshalb noch einmal in § 13 festgelegt worden, dass das Arbeitszeitgesetz entsprechend weiter gilt. Diese Regelung war notwendig, weil das bisherige Ladenschlussgesetz wortgleiche Regelungen enthielt und ein Wegfall dieser Regelungen möglicherweise eine neue Auslegung des Rechtsgebietes ermöglicht hätte. Aus diesem Grunde ist dieses sogenannte Annexgebiet weiterhin auch im Ladenöffnungszeitengesetz mitgeregelt worden. So ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.
Oft gibt es auch eine Tarifbindung, die unverhältnismäßige Arbeitszeiten ausschließt. Auch hierzu ist eine weitere Regelung in das Gesetz aufgenommen worden, nämlich der Absatz 4 in § 13. Er sichert das derzeit in Tarifverträgen geregelte Recht auf mindestens einen freien Sonnabend im Monat ab. Für uns als SSW ist dieser § 13 von entscheidender Bedeutung, da hier Arbeitnehmerrechte abgesichert werden und es so zu keinen ungewollten Auswüchsen kommt.
Wenn es aber um die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten geht, dann geht es vor allem auch um Ausnahmeregelungen. Dass der Grenzhandel im Gesetz weiterhin abgesichert bleibt, ist sehr zu begrüßen. Im Norden hängen sehr viele Arbeitsplätze vom Grenzhandel ab und daher war es im ureigenen Interesse des Landes, hier an den bestehenden Regelungen festzuhalten. Aber auch die Bäderregelung hat sich in den touristischen Hochburgen und manches Mal auch darüber hinaus zu einem wichtigen Standbein der regionalen Wirtschaft entwickelt. Hier hätten wir uns gewünscht, dass man den Vorschlägen der touristischen Verbände noch mehr nachgekommen wäre.
Die Konkurrenz im Tourismus ist groß und beschränkt sich nicht nur auf Nachbarbundesländer, sondern auch auf Regionen, die weiter entfernt sind. Diese Regionen haben in Bezug auf Ladenöffnungszeiten noch wesentlich liberalere Regelungen als wir hier bei uns. Um bei dieser Konkurrenz bestehen zu können, müssen auch unsere touristischen Regionen entsprechend den Kundenwünschen reagieren können. Eine Begrenzung der Bäderregelung auf die Zeit vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober ist touristisch nicht zu rechtfertigen, obwohl ich weiß, dass die Kirchen eine andere Haltung haben, und man befürchtet, dass das Grundgesetz einer ganzjährigen Bäderregelung entgegenstünde. Trotzdem glaube ich, dass wir hier in ein bis zwei Jahren noch einmal nachhaken müssen, um zu sehen, ob nicht doch noch mehr möglich ist, als es uns jetzt erscheint.
Ein anderer Punkt, den wir ebenfalls überprüfen müssen, ist, dass sich die Bäderregelung nur auf den Urlaubstourismus bezieht. Das heißt, dass nur Regionen mit einer starken Ferienvermietung von dieser Regelung profitieren. Ich glaube aber, dass auch Regionen mit einem ausgeprägten Tages-, Ausflugs- und Geschäftstourismus durchaus Bedarf haben, ihren Gästen erweiterte Einkaufsmöglichkeiten zu bieten.
Würde man die Bäderregelung auf den Tourismus in allen seinen Ausprägungen abstellen, würden gerade auch die Städte in Schleswig-Holstein profitieren. Die touristischen Verbände haben deutlich gemacht, dass nur 17 % des Umsatzes von Übernachtungstouristen getätigt wird. Der absolute Großteil des Umsatzes entfällt auf Tagesausflügler und Geschäftsreisende. Deshalb wäre es eine wichtige Maßnahme, für diese Zielgruppen ein Angebot rund um die Uhr zu ermöglichen, sodass sie ihr Geld hier bei uns in Schleswig-Holstein ausgeben können. Eine weitere Ausweitung der Bäderregelung würde somit noch mehr Arbeitsplätze und noch mehr Einkommen in Schleswig-Holstein sichern.
Trotz unserer Ergänzungswünsche werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, da er jetzt endlich Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr an Werktagen ermöglicht und somit einen Fortschritt gegenüber dem Status quo darstellt. Gleichzeitig werden Arbeitnehmerrechte gewahrt und bei einer späteren Evaluation des Gesetzes können dann die von mir aufgeworfenen Fragen noch einmal aufgearbeitet und möglicherweise noch weitere Verbesserungen eingearbeitet werden.
Jetzt ist aber erst einmal Eile notwendig, damit das Weihnachtsgeschäft in unserem Land florieren kann. Dafür wünsche ich insbesondere unserem Einzelhandel viel Erfolg.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Matthiessen von den Grünen veranlassen mich, doch noch einmal zusammenzufassen, was gesagt worden ist.
lichkeit rund um die Uhr abgelehnt wird. Sie begründen es damit - das ist zumindest intellektuell nachvollziehbar -, dass Sie den Schutz von kleinen Gewerbetreibenden nicht aufgeben wollen und dass Sie sich den Arbeitnehmerschutzrechten verpflichtet fühlen.
Allerdings verstehe ich nicht - und da wird die Sache bei den Grünen zur Mogelpackung -, dass Sie umgekehrt sagen, dass die Ladenöffnungszeiten von den Kommunen geregelt werden sollen. Ich schaue jetzt einmal zwei Jahre in die Zukunft und phantasiere darüber, was passieren würde, wenn wir Ihrem Anliegen folgen würden. Zum einen wäre es von den politischen Mehrheitsverhältnissen vor Ort abhängig, ob die Regelung, die wir jetzt flächendeckend für ganz Schleswig-Holstein einführen, gelten würde. Zum anderen hätten wir einen Schneeballeffekt. Womöglich hätten wir in den Randlagen um Kiel die Regelung, dass dort rund um die Uhr geöffnet werden dürfte, nicht allerdings in Kiel, weil der Bürgermeister oder die politischen Mehrheiten dies nicht zuließen. Wie lange würden Sie so etwas durchhalten wollen?
Ich interpretiere Sie insofern dahin gehend - ansonsten müssten Sie es mir erklären -, dass Sie im Grunde genommen auch für die Öffnungszeiten rund um die Uhr sind. Ihre Vorschläge hätten nämlich genau dieses praktische Ergebnis zur Folge.
Ich finde es an der Stelle übertrieben, dies so herauszuarbeiten, nur um dann in der Presse die letzte Erwähnung zu bekommen. Ich weiß doch, dass sich die Grünen sowohl auf der Bundesebene als auch in den meisten Landesparlamenten anders positioniert haben, als Sie es hier dargestellt haben.
Natürlich können Sie Ihre Haltung hier gern vertreten, aber seien Sie bitte ehrlich dabei. Bitte denken Sie Ihre Argumente konsequent zu Ende. Denn sie würden genau dorthin führen, wo wir mit unserem Gesetz hinkommen. Wir haben mit unserer Regelung zumindest dafür gesorgt, dass es eine einheitliche Regelung in ganz Schleswig-Holstein gibt.
Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht so einfach ist. Ich erinnere an MecklenburgVorpommern. Dort hat man genau den Gedanken
verfolgt, den Sie entwickelt haben, und dieser ist auch von der FDP in vorigen Debatten geäußert worden; der Sonntag solle grundsätzlich in die Ladenöffnungszeiten einbezogen werden. Das geht aber nicht, weil wir - und ich finde dies ausdrücklich richtig - den Schutz des Sonntags im Grundgesetz verankert haben. Das ist ein besonderer Status, der nicht einmal durch einen Beschluss des Bundestages zu ändern wäre.
Ich warne insofern vor Folgendem: Wenn wir zu scharf an Veränderungen gehen, dann passiert das, was in Mecklenburg-Vorpommern passiert ist. Dann wird solch eine Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt und läuft Gefahr, ganz zu kippen. Das wollen wir nicht.