Protokoll der Sitzung vom 30.11.2006

Ich bitte darum, dass dieser Antrag an den Innenund Rechtsausschuss überwiesen wird, damit wir die Sache intensiv und möglicherweise in vertraulicher Sitzung weiter beraten können.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Ursula Sassen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Antrag der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW zur Sicherstellung der Auskunftsrechte von Bürgerinnen und Bürgern ist in seiner Zielrichtung

uneingeschränkt zuzustimmen. Bürgerinnen und Bürger, die bei der Polizei des Landes SchleswigHolstein um Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten bitten, haben hierauf einen rechtlich abgesicherten Anspruch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Anspruch umfasst sämtliche bei der Landespolizei gespeicherten Daten und solche, die in den Verbunddateien INPOL gespeichert sind. Herr Kubicki sagte es schon: Auskunftsverweigerungen dürfen nur gemäß der engen Grenzen der Verfassung und der gesetzlichen Regelungen unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen.

Das ULD ist der Bitte des Innen- und Rechtsausschusses, einen Bericht über die Erteilung von Auskünften an Betroffene durch die Polizei zu erstellen, nachgekommen. Diesen detaillierten Bericht habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, zeigt er doch, wie auch viele andere Einlassungen und Kommentare des ULD, dass es sich beim ULD um eine wachsame Behörde handelt.

Die vorliegende Unterrichtung des Schleswig-Holsteinischen Landtags macht auch deutlich, dass noch vieles optimiert werden muss und in enger Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten auch verbessert werden kann. Die Bereitschaft dafür sollte auf beiden Seiten vorhanden sein. Davon gehe ich aus.

Insgesamt kann man aber von einer verantwortungsvollen Praxis des Landeskriminalamts und der Landespolizei sprechen. Wir befinden uns in einer extrem schwierigen Zeit. Menschen ohne jegliches Gefühl für Recht und Unrecht greifen in das Staatsgefüge ein, legen es teilweise lahm und ziehen Unschuldige mit hinein. Die Eindrücke des 11. Septembers haben uns sensibilisiert. Spätestens seit den gescheiterten Attentaten in Regionalzügen wissen wir, dass diese Bedrohung auch uns treffen kann. Jeder von uns muss wachsam sein. Ganz besonders ist aber unser Staat mit dem Landeskriminalamt und der Landespolizei gefordert, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einzustehen.

Es gilt, den Spagat zwischen dem Recht auf informelle Selbstbestimmung und dem Schutz der Allgemeinheit zu schaffen. Der Gesetzgeber hat bestimmt, worüber den Betroffenen mindestens Auskunft zu erteilen ist. Auskunft ist über die zu seiner Person gespeicherten Daten, über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Speicherung sowie über die Herkunft der personenbezogenen Daten, die Empfänger von Übermittlungen und die Teilnahme an automatisierten Abrufverfahren zu erteilen.

(Wolfgang Kubicki)

Nach § 198 Abs. 3 Landesverwaltungsgesetz entfällt die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht, wenn eine Prüfung ergibt, dass dadurch erstens die Erfüllung ordnungsbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet würde. Das Recht auf Auskunftserteilung und Akteneinsicht entfällt zweitens, wenn die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer anderen Rechtsvorschrift oder wegen berechtigter Interessen einer dritten Person geheim gehalten werden müssen. Drittens entfällt dieses Recht, wenn durch die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile entstehen würden.

Hier setzt die Kritik des ULD an, da nach Auffassung des ULD Fälle aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass diese Norm unter Heranziehung unzureichender beziehungsweise verallgemeinernder Erwägungen ausgelegt wird, um eine Vollauskunft nicht erteilen zu müssen.

In der Begründung des Antrages von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Abgeordneten des SSW ist sogar die Rede davon, dass das Recht auf Auskunft, das auch als die Magna Charta des Datenschutzes bezeichnet wird, verletzt und das Vertrauen der Bevölkerung in einen rechtskonformen Umgang der Polizei mit personenbezogenen Daten beeinträchtigt werde.

Nach meinem Empfinden ist diese Auffassung zu hoch gegriffen und wird den kooperativen Bemühungen des Landeskriminalamtes, datenschutzrechtliche Mängel zu beheben, nicht gerecht. Es handelt sich hier um Einzelfälle, die nach Rückfrage beim LKA und im Innenministerium weitgehend korrigiert werden konnten. Daher kann nicht von einer Besorgnis erregenden und zu weit gehenden Verweigerung der Auskünfte gesprochen werden. Ich gehe davon, dass auch der Innenminister dazu noch aufklärende Worte beitragen will. Wir haben dann noch die Gelegenheit, die restlichen Bedenken im Innen- und Rechtsausschuss auszutauschen und - so hoffe ich - auszuräumen.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen. Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich schon etwas Besonderes, wenn das Parlament die Regierung schlichtweg auffordern soll, ein Gesetz - in diesem Falle das Landesverwaltungsgesetz - einzuhalten. Darüber hinaus soll die Regierung Vorgaben der Verfassung beziehungsweise der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes einhalten. Es wäre tatsächlich ein unerhörter Vorgang, wenn dies nicht der Fall sein sollte.

Zum Ablauf der Dinge: Ursächlich für den Antrag ist eine Anmerkung des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz im Tätigkeitsbericht für das Jahr 2005. In der Überschrift zur Textziffer 4.2.5 heißt es: Eingaben bestätigen die Zweifel an der Richtigkeit von an Betroffene gegebenen Auskünften über Datenspeicherungen durch die Polizeibehörden des Landes. Konkret wurde angemahnt, dass Auskünfte über Datenspeicherungen bei örtlichen Polizeibehörden vollständig sein müssen, Speicherungen in Dateien anderer Stellen der Landespolizei zu berücksichtigen sind, über interne Dateien des Landeskriminalamtes Auskunft erteilt werden muss und INPOL-Verbunddateien umfassend abgefragt werden müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits in einer Stellungnahme des Innenministeriums aus dem Juli dieses Jahres wurde dem Vorsitzenden des Innenund Rechtsausschuss mitgeteilt, dass die frühere, tatsächlich restriktivere Sichtweise des Landeskriminalamtes in Bezug auf die Informationsgewährung verändert worden ist. Dem lag auch ein umfassender Schriftwechsel zwischen dem Unabhängigen Landeszentrum für den Datenschutz und dem Innenministerium zugrunde. Im September hat das ULD nochmals umfassend dazu Stellung bezogen.

Nunmehr hat der Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses einen weiteren Brief des Innenministeriums erhalten, nämlich den vom 17. November 2006 - Herr Kubicki hat es angeführt - mit dem Inhalt, dass die verschiedenen problematischen Sachverhalte geklärt seien. Allerdings schrieb dann am 23. November 2006 Herr Weichert für das ULD zurück und sah weiteren Klarstellungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf die plausible Darlegung der Ablehnung eines Informationsersuchens.

Aus dem internen Umdruck 16/1233, der den vorhergehenden Schriftwechsel enthält und der mit zu den Anmerkungen im Datenschutzbericht geführt hat, ist unter anderem ersichtlich, dass das Landeskriminalamt den Empfehlungen des ULD gefolgt ist und dem Betroffenen mittlerweile eine ergän

(Ursula Sassen)

zende Auskunft - soweit das möglich war - nebst Verfahrenshinweisen erteilt hat. Damit ist der Beschwerde aus meiner Sicht abgeholfen und die Angelegenheit eigentlich erledigt.

Etwas anderes würde tatsächlich gelten, wenn die Regelung des § 198 Abs. 3 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes verfassungswidrig wäre, wie manche behaupten. Was diese Regelung besagt, hat Frau Kollegin Sassen gerade vorgetragen, aber ich rufe es vielleicht noch einmal in Erinnerung. Diese besagt:

„Die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht entfällt, soweit eine Prüfung ergibt, dass

1. dadurch die Erfüllung ordnungsbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet werden würde …“

Dass das verfassungswidrig sein soll, kann ich mir allerdings kaum vorstellen, zumal die Kommentierung in „Praxis der Gemeindeverwaltung“ hier in Schleswig-Holstein sogar eine strengere Regelung zur Auskunftserteilung als im Bundesgesetz vorgeschrieben, sieht. Wenn das der Fall wäre, müssten wir das tatsächlich ändern. Das behaupten die Antragsteller nicht, andere aber schon.

Ich kann mich der Entscheidung des Innenministers in dem Einzelfall anschließen. Richtig ist aber auch, dass so etwas dem Betroffenen so mitgeteilt werden muss, dass ihm auch klar ist, warum er die begehrte Information nicht erhält. Da liegt der Hund begraben. Dies ist geschehen - wenn auch nachträglich und ich habe keinen Zweifel daran, dass das Innenministerium dies künftig auch bei anderen Auskunftsersuchen so beachten wird. Der Innenminister wird gleich dazu noch einmal Stellung beziehen.

Zu mir kommen gelegentlich Leute, die von mir eine politische Initiative fordern oder erwarten, um einem Klageverfahren in einer Angelegenheit, die sie vertreten, zu entgehen. In der Regel kann ich denen nicht das Risiko eines Gerichtsverfahrens abnehmen. Genauso wenig würde ein Beschluss des Landtages im Sinn von FDP, Bündnisgrünen und SSW dem Petenten nutzen - zumal das auch schon erledigt ist -, denn aus meiner Sicht ist das Anliegen der drei Antragsteller in beiden Punkten sowie in Gesetzestheorie und Einzelfallpraxis mittlerweile erfüllt. Das können wir aber gern im Innen- und Rechtsausschuss abschließend klären, vielleicht auch unter Hinzuziehung des Wissenschaftlichen Dienstes, weil es tatsächlich eine sehr verzwickte Materie ist.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rother. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Anspruch eines jeden Bürgers auf Auskunft gegenüber den Behörden, welche Daten über ihn gespeichert sind, ist grundgesetzlich verankert. Er ist eine Ausformung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das das Bundesverfassungsgericht 1983 als Grundrecht etabliert hat. In diesem Urteil heißt es:

„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. … Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl.“

Das ist der Grund, warum entsprechendes Recht auch im schleswig-holsteinischen Landesrecht verankert wurde.

Wenn das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz bemängelt, dass es in einer Reihe von Fällen nicht vollständige Auskünfte vonseiten des Innenministeriums gegeben hat, ist das ein Verstoß. Ich denke, dass das ein Grund ist, sich im Landtag damit zu befassen.

Wenn zur Begründung gesagt wird, man müsse keine Auskunft geben, wenn nichts vorliegt - die sogenannte Negativauskunft müsse nicht erfolgen -, dann widerspricht das eindeutig dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das muss man einfach feststellen. Dann ist nicht korrekt gehandelt worden, das ist auch zum Teil zugegeben worden. Es ist gesagt worden, das werde korrigiert. Ich denke aber, dass die Bemerkungen des Landeszentrums deutlich machen - auch die Antwort, die es uns ge

(Thomas Rother)

geben hat -, dass das Problem noch nicht vollständig gelöst worden ist.

Insbesondere haben wir ein Problem, das grundsätzlicher Natur ist und sich nicht nur auf den konkreten Fall bezieht. Dabei geht es um den Trend zur Pauschalisierung. Wir haben einen Trend, dass grundsätzliche Antworten geliefert und pauschale Entscheidungen mit der Begründung getroffen werden, es liege ein Sicherheitsproblem vor. Damit werden Bürgerrechte nicht gewährt. Wir haben es mit der Rasterfahndung erlebt und erleben das bei den Telefondaten und beim großen Umfang von Anfragen, wo häufig der Richter zustimmen muss, es aber keine Einzelfallprüfung gibt, sondern pauschalisiert wird. Diesen Trend zur Pauschalisierung kann man hier auch feststellen. Das Problem war nicht, dass im Einzelfall nachgeprüft worden ist, warum der Einzelne keine Auskunft bekommen soll, sondern dass pauschalisiert angenommen worden ist, dass aus Sicherheitsgründen keine Informationen gegeben werden können. So ist es uns berichtet worden.

Ich glaube also, dass wir auch als Gesetzgeber daraus Konsequenzen ziehen sollten und in Zukunft gefordert sind, bei entsprechenden Formulierungen noch mehr als bisher konkrete Einzelfallprüfungen tatsächlich auch zu verlangen. Dass man das im Parlament deutlich macht, ist auch deswegen wichtig - man könnte auch argumentieren, das Gesetz liegt vor, was sollte man im Parlament dann noch diskutieren -, weil bei Gerichtsentscheidungen natürlich auch die Interpretation des Parlaments eine Rolle spielt. Das heißt, die Frage, wie ein Parlament ein Gesetz diskutiert, ist bei Gerichtsentscheidungen immer im Zweifelsfall auch mit entscheidend, hat also gesetzgebende Wirkung. Das gilt auch für die Debatte, die wir heute führen. Von daher plädiere ich unbedingt dafür, dass wir in der entsprechenden, von uns vorgeschlagenen Art verfahren und einen entsprechenden Beschluss fassen.

Wir erwarten von der Polizei und von der Regierung Sicherheit für den einzelnen Bürger. Wir erwarten aber auch die Sicherung unserer Grundrechte. Ich bitte deshalb das Parlament um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer viel mit E-Mails korrespondiert, wird auch trotz Spam-Filter fast täglich mit ärgerlichem Datenmüll überschwemmt. Viele persönliche Daten rotieren im Netz, werden weiterverkauft oder ausspioniert. Diese Erfahrungen haben viele Bürgerinnen und Bürger sensibel bezüglich der Verwendung ihrer Daten gemacht. Mündige Bürger wollen ganz einfach wissen, was andere über sie wissen. Diese Neugier hat der SSW immer unterstützt. Das Informationsfreiheitsgesetz ist nicht zuletzt deshalb vom SSW so massiv eingefordert worden, weil immer mehr Bürger um ihre Datensicherheit besorgt sind. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Informationsfreiheit und Datenschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Dass die Polizei dem verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch der Bürger nach Selbstauskunft nur lückenhaft und fehlerhaft nachkommt, wiegt vor diesem Hintergrund besonders schwer. Dass der Datenschutzbeauftragte ein Jahr auf eine Antwort des Innenministers auf seine Frage warten musste, wann die Probleme abgestellt werden, die ihm zu Kenntnis gekommen sind, ist - auch das muss ich deutlich sagen - ein Skandal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier also nicht um Fehler; diese können schließlich jedem unterlaufen. Es geht um systematische Defizite in Sachen Auskunftserteilung. Die Vermutung liegt nahe, dass sicherheitsrelevante Fragen vorgeschoben werden, um Auskunftsersuchen zu sabotieren. Dieser Verdacht darf sich nicht erhärten, unterspült er doch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Polizei und Staat.

Das heißt: Die Polizei gebärdet sich bei der Auskunftserteilung wie eine obrigkeitsstaatliche Behörde, die durch Anfragen der Bürger in ihren Routinen gestört wird. Dieser Eindruck, dass Bürger sozusagen als Nörgler gesehen werden, darf sich ganz einfach nicht verfestigen.