Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Die Föderalismusreform 2006 hat zwei Gemeinschaftsaufgaben übrig gelassen und wir sind froh darüber, dass der Bund weiterhin bei der Erfüllung der Landesaufgaben bei der regionalen Wirtschaftsstruktur mitwirkt.

Immerhin sind es große Summen - Herr Kollege Callsen hat darauf hingewiesen -, um die es geht: 2005 wurden allein aus Mitteln der Gemeinschafts

(Johannes Callsen)

aufgabe investive Maßnahmen der gewerblichen Wirtschaft in Schleswig-Holstein mit 22,79 Millionen € gefördert, hinzu kamen Mittel der Europäischen Union. Bisher werden in Schleswig-Holstein Infrastrukturprojekte, Regional- und Clustermanagement aus Mitteln des Regionalprogramms, gewerbliche Investitionen aus dem Regionalprogramm und der Gemeinschaftsaufgabe sowie nichtinvestive betriebliche Innovationen gefördert.

Der Bericht zeigt auf, dass die neue GA-Förderung nahtlos an das anknüpft, was die frühere Landesregierung vorgelegt hat. Das darf man durchaus einmal erwähnen. Das sind beispielsweise die Schwerpunktförderung und die Orientierung an den eigenen Stärken der Regionen, die mit dem Clusterkonzept bereits eingeleitet worden waren.

Die Regionalpolitik verfolgt nach wie vor das Ziel, die Regionen in ihrer Entwicklung entsprechend ihrer Stärken- und Schwächen-Profile zu unterstützen und sie auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

Auch der Strukturwandel ist eine Fortsetzung der bereits eingeleiteten Maßnahmen und die Entwicklung Schleswig-Holsteins vom Agrarland zum Hightechland steht ebenfalls seit vielen Jahren ganz oben auf der Agenda. Das Gleiche gilt für die Erfolge bei der betrieblichen Ausbildung und bei der Entwicklung der Förderinstitute des Landes. Wir freuen uns, dass Minister Austermann auf den begonnenen Leistungen aufbaut.

Uns freut auch, dass die Kriterien der Nachhaltigkeit nach wie vor hoch im Kurs stehen und dass die Beschäftigungs- und Qualifizierungschancen von Frauen eine große Rolle spielen. Hierauf möchte ich kurz eingehen. Wir sollten gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Frauen und Männer gleichermaßen am wirtschaftlichen Fortschritt teilhaben.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Wenn von 558 neuen Dauerarbeitsplätzen, die 2005 mit GA-Mitteln geschaffen wurden, 152 auf Frauen entfallen, ist das kein besonders herauszuhebender Erfolg für die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt.

(Beifall der Abgeordneten Astrid Höfs [SPD], Anette Langner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Die Verbesserung der Teilhabe von Frauen am Arbeitsleben kann sich nicht auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschränken. Dafür sind die Zeiten, in denen Mütter zu Hause Kin

der betreuen, gemessen an ihrem gesamten möglichen Arbeitsleben zu kurz.

Auch der Wirtschaft gehen mit einer einseitigen Orientierung auf Männerarbeitsplätze wertvolle Ressourcen verloren. Das sind Ressourcen, in die die gesamte Gesellschaft während der langen Ausbildungsphasen investiert hat und die wir effektiver nutzen sollten. Gerade angesichts des demografischen Wandels und des immer wieder genannten Fachkräftemangels sollten die Fördermaßnahmen des Landes diese Aspekte stärker berücksichtigen.

Die Verknüpfung von Landesförderung, Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe und EU-Mitteln im „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll und ermöglicht eine einheitliche, durchgängige und transparente Förderstruktur. Für die Zukunft wünschen wir uns, dass das Land in der neuen Förderperiode gut durchstartet, dass die kleinen und mittelständischen Betriebe, die unsere schleswig-holsteinische Wirtschaftsstruktur ausmachen, weiterhin gezielt gefördert werden und dass es uns gemeinsam gelingt, den Aufschwung, der Schleswig-Holstein erreicht hat, zu nutzen, um langfristig Wirtschaftsstrukturen zu sichern und zukunftstauglich zu machen.

(Beifall bei SPD, CDU, SSW und des Abge- ordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich danke der Frau Abgeordneten Schümann. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Landesregierungen versuchen seit Jahrzehnten, den Rückstand großer Teile Schleswig-Holsteins zum westdeutschen Durchschnitt auszugleichen. Das ist den Landesregierungen - auch den vorangegangenen - bis heute nicht wirklich gelungen; denn hierzu hätten Wirtschaft und Beschäftigung in den strukturschwachen Gebieten überdurchschnittlich wachsen müssen. Genau dieses überdurchschnittliche Wachstum blieb bis heute aus.

Die Landesregierung räumt das in ihrem Bericht, Herr Wirtschaftsminister, unumwunden ein - ich zitiere -:

„Gleichwohl zeigt sich ein Mangel von innovativen Gewerbe- und modernen Dienstleistungsgebieten mit starker Wettbewerbskraft,

(Jutta Schümann)

von denen regionale Entwicklungsimpulse ausgehen.“

„Zurzeit reicht die wirtschaftliche Belebung aus, um die Lage am Arbeitsmarkt zu entspannen. Eine kräftige und nachhaltige Trendwende auf dem Arbeitsmarkt erscheint derzeit kaum absehbar.“

Ob das daran liegt, dass zu wenig Geld floss oder dass die Förderung grundsätzlich nicht geeignet ist, um dieses Ziel zu erreichen, oder dass andere Einflüsse schwerer wogen, mag dahingestellt bleiben. Die Landesregierung behauptet jedenfalls, ihre Förderpolitik sei - ich zitiere wieder aus dem Bericht

„… durch die Mobilisierung des endogenen Potenzials und die Verbesserungen der Standortbedingungen primär auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet.“

Da die vorangegangenen Landesregierungen das auch behauptet haben und der vorliegende Bericht sich in Form und Inhalt von den vorangehenden kaum unterscheidet - zugegeben, wir können im Landtagsinformationssystem nur bis 1986 zurückblicken; aber bis dahin unterschied sich kein Bericht, auch die von Vorgängerregierungen nicht, von diesem, auch verbal nicht -, scheint die primäre Ausrichtung nur wenig Einfluss auf die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zu haben.

Aber es tut sich trotzdem etwas in Schleswig-Holstein. So hat sich beispielsweise die Arbeitsmarktregion Ratzeburg so gut entwickelt, dass sie zukünftig nicht mehr aus der Gemeinschaftsaufgabe gefördert wird, obwohl sie direkt an das Hochfördergebiet Ostdeutschland grenzt und obwohl sich die GA-Indikatoren der Region bei der Arbeitslosigkeit und beim Lohnniveau deutlich verschlechtert haben. Verbessert haben sich allerdings die Erwerbstätigenprognose und vor allem der Infrastrukturindikator. Die Nähe zu Hamburg zahlt sich offensichtlich aus. Genau dieser Vorteil wird durch den Ausbau der Infrastruktur verstärkt.

Für die Nähe Ratzeburgs zu Hamburg können die Landesregierungen nichts, aber für den Ausbau der Infrastruktur. Vergleicht man die Entwicklung des Infrastrukturindikators für die alte Förderperiode von 2000 bis 2006 mit dem für die neue von 2007 bis 2013, dann hat sich die Region Ratzeburg innerhalb der schleswig-holsteinischen Gebiete am besten entwickelt. Der Vorsprung vor dem schleswigholsteinischen Durchschnitt stieg von 13 % auf 42 %.

Lieber Kollege Harms, für die Region Husum zeigt dieser Vergleich den höchsten Rückschritt. Lag der Infrastrukturindikator der Region Husum in der alten Förderperiode noch 48 % unter dem Durchschnitt der schleswig-holsteinischen Fördergebiete, so hängt Husum jetzt über 60 % zurück. Angesichts dessen sollte die Landesregierung ihre Entscheidung zum Ausstieg aus dem Ausbau des Hafens Husum vielleicht doch noch einmal überdenken.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend möchte ich die GA-Förderung mit anderen finanzpolitischen Maßnahmen dieser Landesregierung vergleichen. Das Finanzvolumen der Förderung soll für die Jahre 2007 bis 2011 - das ist von den Vorrednern der Großen Koalition gerade gefeiert worden - insgesamt 109 Millionen € betragen. Davon sollen 41 Millionen €, also knapp 38 %, in Infrastruktur investiert werden. In der gleichen Zeit will die Landesregierung den Kommunen jährlich 120 Millionen € wegnehmen, davon jährlich 20 Millionen € aus dem kommunalen Investitionsfonds. Angesichts der Bedeutung des Ausbaus der Infrastruktur - zu sehen am Beispiel Ratzeburg setzt die Landesregierung also ganz offensichtlich falsche Schwerpunkte.

Angesichts knapper öffentlicher Mittel sollten Investitionen in private Betriebe besser privaten Investoren überlassen werden. Das ist nicht die primäre Aufgabe der öffentlichen Hand. Die öffentliche Hand sollte sich auf Investitionen in öffentliche Anlagen konzentrieren. Da die Kommunen die größten Investoren in öffentliche Infrastruktur sind, sollte die Regierungskoalition hier auch schnellstens umsteuern. Verzichten Sie schon morgen auf die pauschale Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs und die Entnahmen aus dem kommunalen Investitionsfonds. Damit würden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, von Union und SPD, jedes Jahr mehr für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in Schleswig-Holstein leisten als mit der Gemeinschaftsaufgabe in der gesamten kommenden Förderperiode.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Garg. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

(Dr. Heiner Garg)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für den Bericht aus Ihrem Hause, Herr Minister Austermann.

Der durch die steigende Nachfrage nach Arbeitsund Ausbildungsplätzen anhaltende Problemdruck am Arbeitsmarkt wird im Bericht angesprochen. Trotz der gut laufenden Konjunktur schließt die Landesregierung eine konjunkturelle Dämpfung nicht aus. Die Lage am Arbeitsmarkt kann damit noch schwieriger werden. Wörtlich heißt es im Bericht:

„Eine kräftige und nachhaltige Trendwende auf dem Arbeitsmarkt erscheint derzeit aber kaum absehbar.“

Das ist einer der Gründe für die Förderung unserer Kreise im Norden einschließlich Steinburg, Teilen von Lübeck und Ostholstein. Die Beschränkung der Förderung von Großunternehmen auf Helgoland nehmen wir vor dem Hintergrund der Förderkulisse eines Raumes mit 1,86 Millionen Menschen zähneknirschend hin. Ich halte das für einen der bemerkenswertesten Hinweise. Offensichtlich hat da ein Beamter in der Kommission sehr gut aufgepasst, damit die Großunternehmen auf Helgoland nicht überhand nehmen.

(Lothar Hay [SPD]: Helgoland ist sehr wich- tig!)

- Ja, aber den Hinweis fand ich doch ein bisschen „funny“; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Großunternehmen Schlange stehen, um sich auf Helgoland anzusiedeln.

(Frauke Tengler [CDU]: Fahren Sie einmal dorthin!)

Wachstum und Beschäftigung sind die vorrangigen Ziele der GA-Förderung. Wir sprechen dabei von Wachstum, das möglichst dauerhaft Arbeitsplätze sichern soll. Die Innovationsfähigkeit der Betriebe wird durch investive, aber auch Entwicklungsmaßnahmen gestärkt. So können zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die persönliche und berufliche Bildung muss immer wieder dem neuesten Stand angepasst werden. Dem steht der bundesweit festzustellende Trend einer abnehmenden Weiterbildungsbereitschaft entgegen. Wir warnen davor, dem tatenlos zuzusehen. In dem Bericht sind Ansätze aufgezeigt, wie man dem entgegenwirken soll.

Qualifizierung und Qualität sind die Schlüssel für nachhaltiges zukunftsfähiges Wirtschaften. Zumin

dest die Tourismuspolitiker unter uns haben die Ausführungen zum Thema Qualität in dieser Branche noch sehr gut im Ohr. Der Bericht der Landesregierung über die GA-Finanzierung im Zeitraum 2007 bis 2011 spricht zu Recht die Tourismusbranche in Schleswig-Holstein an. Sie hat mit einem 10-prozentigen Wirtschaftsanteil einen besonderen Stellenwert, was die Gebiete mit dieser Förderkulisse angeht. Die Qualität der Betriebe ist zu verbessern und die Infrastruktur muss kundenorientiert modernisiert werden.

Die Landesregierung kündigt mit der Auflegung eines Mittelstandsfonds Schleswig-Holstein eine neue Förderung an. Der Fonds soll nach Genehmigung durch die EU-Kommission im Frühjahr 2007 starten. Vorgesehen sind typisch stille und atypische sowie auch offene Beteiligungen an kleinen und mittleren Unternehmen. Wir sind gespannt, welche Impulse durch diesen Fonds erreichbar sind; denn die vorhandene Förder- und Unterstützungslandschaft ist sehr differenziert und es wird erfolgreiche Arbeit geleistet.

Was man jedoch aus der Entwicklungshilfe lernen kann, ist der wirtschaftliche Gewinn durch Kleinkredite. Zu Recht werden Muhammad Yunus und die Grameen Bank mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ich meine, auch wir können davon profitieren. Die Erfahrungen, die Yunus gewonnen hat, gelten ja nicht nur für arme Länder.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Lothar Hay [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Meine Damen und Herren, die Investitionsbank, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft und die Bürgschaftsbank machen einen guten und wichtigen Job für unsere Wirtschaft. Sie können von diesen Ideen aber, denke ich, auch profitieren.