Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab doch einige Punkte, auf die eingegangen werden muss, damit manches in der Debatte nicht falsch stehen bleibt.
Kein Mensch bejubelt den Bleiberechtskompromiss und Schleswig-Holstein wollte weiß Gott etwas anderes. Es bleibt trotzdem - gerade durch unser Eintreten - ein Bleiberechtskompromiss, der deutlich über das hinausgeht, was wir seit Jahren hatten. Schleswig-Holstein hätte auch mehr mitgemacht, aber andere Länder wollten das nicht. Darauf möchte ich deutlich hinweisen.
Lieber Herr Kollege Hentschel - das hat auch Herr Kubicki angedeutet -, es ist auch nicht richtig, dass parallel Menschen abgeschoben würden. Diejenigen, die in den Kreis kommen, werden nicht abgeschoben. Schleswig-Holstein hat auch ein Vierteljahr vorher schon gesagt: Das tun wir nicht, weil wir auf einen Bleiberechtskompromiss hinwirken. Auch das ist ein Erfolg, dass das möglich ist.
Wir können wirklich nur beantworten, was gefragt worden ist. Was Frau Birk angesprochen hat, das tun wir ohnehin längst.
Ich möchte gern auf das Thema eingehen, das Herr Lehnert und der Kollege Puls angesprochen haben. Er hat sich darauf bezogen, dass wir beobachten, wie sich das entwickelt. Unter Beobachtung verstehe ich, dass wir darauf einwirken, dass der Kompromiss, der zwischen Herrn Müntefering und Herrn Schäuble geschlossen worden ist, auch umgesetzt wird. Das ist der Punkt, darauf wollen wir hinwirken.
Lieber Herr Kollege Kubicki, ich wäre Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn Sie uns nicht für das kritisieren, was wir hier machen - wir nutzen nämlich die humanitären Spielräume -, sondern sich daran beteiligen würden, dass die, die die Umsetzung von Müntefering und Schäuble nicht wollen - dazu gehören Baden-Württemberg und Niedersachsen, wo
Das würde den Menschen mehr helfen, als das Land zu kritisieren, das humanitäre Spielräume am weitestgehend ausnutzt. Dazu bekenne ich mich hier ausdrücklich und daran wird sich auch nichts ändern.
Was den Einfluss Schleswig-Holsteins angeht, möchte ich daran erinnern, was der Bundesrat zur Integration beschlossen hat. Was dem Integrationsgipfel der Frau Bundeskanzlerin vorausgegangen ist, stammt zu 90 % aus der Feder des schleswigholsteinischen Innenministers. Darauf möchte ich einfach einmal hingewiesen haben. Das heißt, das Thema Integration auf die Tagesordnung zu setzen, sich darum zu kümmern, ist Teil schleswig-holsteinischen Einflusses auf die Bundespolitik.
Herr Kollege Kubicki, Sie haben über das ius loci und die Frage, was man sich da wünschen könnte, gesprochen. Auch das würde nicht an uns scheitern. Ich sage nur: Die unselige Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft führt jetzt dazu, dass die, die jetzt 18 werden, sich entscheiden müssen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben. Ich glaube übrigens, dass es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, jemanden auszubürgern, der Deutscher ist. Das heißt, wir werden das Problem noch kriegen.
Was mich wirklich ein bisschen geärgert hat, ist Ihr Hinweis, wir hätten nicht vernünftig auf die Frage geantwortet, wer möglicherweise in den Genuss solcher Regelungen kommt. Ich will Ihnen genau erklären, warum. Wir haben das deswegen so beantwortet, weil ich nicht weiß, was in Berlin herauskommt. Ich bin immer noch so optimistisch zu glauben, dass man sich an das hält, was wir zwischen den großen Parteien vereinbart haben. In der Zwischenzeit wollen wir für diejenigen, die hier sind, die Spielräume so extensiv auslegen, dass möglichst viele davon Gebrauch machen, unter wirklich harter Dehnung dessen, was rechtlich möglich ist.
Da bin ich mir, was das Arbeitsrecht angeht, mit dem Kollegen Döring völlig einig. Wenn sich die Innen- und Arbeitsminister in allen Ländern einig wären, hätten wir in der Bundesrepublik bei diesem Thema kein Problem. Wir wollen, dass sie arbeiten
Deswegen will ich das nicht anders beantworten, weil ich nämlich nicht in die Situation kommen möchte, rechtlich gerüffelt zu werden, sondern ich möchte versuchen, humanitäre Spielräume auszunutzen, wo immer ich das kann, und Ihnen nicht nur statistisch etwas geben, mit dem dann andere Leute möglicherweise etwas machen, was damit nicht gemacht werden sollte.
Ein weiterer Punkt, den ich gern ansprechen möchte, ist das Thema Migrationssozialberatung. Natürlich ist es richtig, dass wir da Veränderungen vorgenommen haben. Wir haben übrigens immer noch mehr, als wir im Jahr davor hatten. Wir hatten da eine Spitze. Wir haben eine flächendeckende Versorgung. Ich habe der Kollegin Spoorendonk zugesagt, dass wir, wo wir regionale Verwerfungen haben, damit umgehen.
Wie sollen wir mit denen umgehen, die nicht hierbleiben können? Haben wir bei dem Thema hier im Hause Konsens darüber, dass jeder, der nach Deutschland kommt, hierbleiben darf? Ist das Konsens? Das habe ich so nicht wahrgenommen.
Wenn das nicht so ist, muss man darüber reden, wie man dafür sorgt, dass die, die hier sind und sich integriert haben, hierbleiben können und die, die nicht hierbleiben können, möglichst nicht in die Illegalität kommen und freiwillig ausreisen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich darüber freuen, wenn sie von Organisationen dafür ausgezeichnet werden, dass sie möglichst viele Abschiebungen durchführen. Ich hoffe, dass auch der Kollege Beckstein in seinem neuen Amt als Landesvater das noch ändern wird.
Ich will Ihnen ehrlich sagen: Abschiebung ist mit Abstand das Schlechteste. Wenn Menschen mitten in der Nacht abgeschoben werden müssen, ist das mit das Schwierigste, was überhaupt getan werden muss. Ich hoffe, dass das in möglichst wenigen Fällen vorkommt und wir uns an der Stelle um freiwillige Ausreisen kümmern können. Ich teile übrigens nicht die Bewertung dieses Wortes, sondern es ist immer besser als Abschiebung.
Umgekehrt gilt aber: Wir müssen uns um die, die hierbleiben können, bemühen. Das Thema, um das wir uns kümmern müssen, ist das Thema Integration. Die meisten Ausländerbehörden in SchleswigHolstein wirken auf positive Weise mit. Das gilt solange, wie wir nicht sagen können, dass wir bei dem, was wir durch Härtefallkommissionen oder über andere Dinge leisten können, in die Lage kommen, humanitäre Spielräume immer zugunsten der
Menschen zu nutzen. Das gilt übrigens auch für Illegale, denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Das steht im Grundgesetz. Dort steht nicht, die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.
Solange man sich mit seinen Positionen nicht durchsetzen kann, solange geht es darum, im Interesse der Menschen um Kompromisse zu ringen. Ich glaube, die Praxis in Schleswig-Holstein kann sich im Vergleich zu dem, was in anderen Ländern der Bundesrepublik geschieht, weiß Gott sehen lassen. Dafür trage ich ausdrücklich die Verantwortung und dabei wird es bleiben.
Ich danke dem Herrn Innenminister. Damit sind neue Redezeiten eröffnet. Zum Teil gibt es auch noch Restredezeiten. Wir werden das großzügig handhaben. Zunächst hat sich Herr Abgeordneter Peter Lehnert zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die hier angezeigte Redezeit von acht Minuten will ich nicht ausnutzen. Herr Kubicki, ich muss nur noch zu zwei Punkten etwas sagen. Die erste Anmerkung ist zu der Frage der Illegalen, die sich in Deutschland aufhalten, und der Regelung, die die Spanier getroffen haben. Herr Hentschel hat diese Frage ebenfalls angeführt. Ich kann hier deutlich sagen: Mit der Union wird so eine Regelung ohne Prüfung und ohne Differenzierung für 400.000 bis 500.000 Menschen in Deutschland nicht machbar sein.
Zum Zweiten haben Sie, Herr Kubicki, die Frage nach der Glaubwürdigkeit und nach den Reden, die hier gehalten werden, gestellt. Ich habe für unsere Fraktion bereits eine Woche vor der Innenministerkonferenz klargemacht, welche Position wir zum Thema Bleiberechtsregelung haben. Ich habe für unsere Fraktion zehn Forderungen aufgestellt. Sie sehen neben diesen zehn Punkten überall Haken. Wir haben also vor der Innenministerkonferenz genau das Gleiche gesagt wie nach der Innenministerkonferenz. Wir als Union haben hier überhaupt keine Probleme. Wir haben eine ganz klare und nachvollziehbare Linie, die - so glaube ich - für die Menschen auch deshalb wichtig ist, weil sie für die Betroffenen und auch für die Menschen, die dieses Thema interessiert, Verlässlichkeit darstellt.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lehnert. - Zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, es wäre natürlich wünschenswert, wenn wir die Illegalen legalisieren könnten. Damit bin ich völlig einverstanden. So lange wir keine offenen Grenzen haben, so lange wird es auch Menschen geben, die hierherkommen, jedoch keine Aufenthaltsberechtigung haben. Ich glaube, über das Thema offener Grenzen brauchen wir nicht zu diskutieren. Natürlich werden sich diese Menschen nicht freiwillig melden. Vielmehr wird es illegale Situationen geben. Das ist so. Das ist übrigens in allen Industriestaaten der Welt so. Die Frage ist, ob man das zur Kenntnis nimmt und versucht, damit umzugehen, oder nicht. Wir haben die gleiche Diskussion beim Thema Schulgesetz gehabt. Insbesondere in Hamburg werden von ganz vielen Schulen die Fragen gestellt: Was machen wir mit Kindern, die hier praktisch gar nicht existieren, die wir aber beschulen? Wie gehen wir damit um? Diese Dinge werden in der Realität einfach ignoriert. Wir tun so, als gäbe es das nicht. Das ist etwas, von dem ich glaube, dass sich Politik das nicht leisten sollte.
Ich möchte jetzt mit dem Innenminister nicht in einen Streit um die Taktik zur Bleiberechtsregelung eintreten. Darüber könnte man viel sagen. Man könnte fragen, ob es klug war, schon mit einem Kompromiss in die Verhandlungen zu gehen. Ich glaube, wir sollten uns jetzt auf die konkreten Punkte konzentrieren, die die Frage behandeln, was wir in der aktuellen Situation tatsächlich tun können, damit möglichst viele Menschen eine Chance haben. Das ist auch mein Interesse in der Debatte. Hierzu möchte ich zwei Punkte ansprechen. Der eine Punkt, der sich auch an Ihre Adresse richtet, Herr Minister, betrifft die Migrations- und Sozialberatung. Es wäre gut, wenn es eine klare Aussage dahin gehend gäbe, dass die Migrationsberatung, die jetzt gefordert wird, obwohl sie nicht in Ihrer originären Zuständigkeit liegt, an dieser Stelle Hilfe leisten würde. Es würde sehr helfen, wenn die Menschen eine Anlaufstelle hätten. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, hier eine Klarstellung zu leisten.
Ich glaube, dass wir als Abgeordnete aller Parteien gefordert sind, in den jeweiligen Kreisen, in denen wir als Abgeordnete gewählt sind, zu gucken, was
die Kreisbehörden machen, denn die Umsetzung geschieht nicht durch den Innenminister. Die Umsetzung geschieht vielmehr durch die Kreisbehörden. Wir alle wissen, dass die Praxis in den Kreisen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Die Spanne reicht von Menschen, die sich kümmern und die engagiert versuchen, den Leuten zu helfen, bis zu Ausländerbehörden, zu denen sich keiner mehr hintraut, weil die Menschen Angst haben, dorthin zu gehen. Diese Situation sollte beobachtet werden. Wir können sie im Ausschuss beobachten. Ich glaube, es ist eine Aufgabe von uns allen, in den Kreisen nachzugucken, was da passiert, denn es wird sich in den nächsten Monaten entscheiden, ob dieser Bleiberechtskompromiss überhaupt etwas nützt oder ob er im Wesentlichen dazu führt, dass ein Großteil der Menschen daran scheitert.
Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, ich akzeptiere Ihre Motivationslage. Trotzdem werden wir uns im Ausschuss noch etwas intensiver unterhalten müssen. Es muss Sie aber ebenso wie mich schmerzen, dass der Kollege Lehnert sich hier hinstellt und sagt, er sei stolz darauf, dass Sie bei dem Kompromiss sämtliche Positionen der CDU mit durchgesetzt haben. Das hat er gerade gesagt! Mir würde das innere Schmerzen verursachen. Möglicherweise sind Sie aber anderes gewöhnt und so schmerzfreier.
Herr Kollege Hentschel, ich möchte mich zur Frage der Illegalen noch einmal äußern. Sie scheinen bestimmte Dinge anders zu sehen oder nicht nachvollziehen zu wollen. Wenn Sie die tatsächliche Situation von illegalen Menschen in Deutschland verbessern, verstetigen Sie damit einen rechtswidrigen Zustand. Ich frage Sie, wie wir von jedermann in Deutschland die Achtung vor der Rechtsordnung verlangen wollen, wenn Sie sagen, wir akzeptieren es aus humanitären Gründen, dass sich Leute in Deutschland illegal aufhalten und wir verbessern deren faktische Situation. Das genaue Gegenteil muss der Fall sein! Wir müssen versuchen, aus einem rechtswidrigen einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Jedenfalls müssen wir versuchen, die Rechtsordnung gegenüber jedem Mann und ge
genüber jeder Frau durchzusetzen. Das sind wir nicht nur uns selbst, sondern auch unserer Rechtsordnung schuldig. Sonst verlieren wir jede Form von Akzeptanz. Der Kollege Lehnert erklärt schon heute, was die Union nie machen wird. Das erinnert mich an Wahlaussagen der CDU vor Landtagswahlen.
Herr Kollege Lehnert, ich bin hier völlig ruhig und relaxt, denn ich glaube immer noch, dass die Union das C in ihrem Namen einigermaßen ernst nimmt und so ihre Position in der Diskussion mit den Kirchen mit Sicherheit gegenüber der humanitären Haltung, die Sie gerade einnehmen, noch ein bisschen verändern könnte. Weiterhin sage ich Ihnen mit Sicherheit voraus, dass die demografische Entwicklung Sie, uns oder Deutschland geradezu dazu zwingen wird, in Deutschland illegal lebende Menschen jungen und kräftigen Alters zu legalisieren, weil wir ansonsten mit den Problemen der demografischen Entwicklung nicht fertig werden.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang, einige wirtschaftswissenschaftliche Studien zu lesen. Das werden Sie dann feststellen! Ich gucke mir das in aller Ruhe an. Das wird im Jahr 2010 beginnen. Ich bin sicher, dass gerade aus Ihren Reihen, nämlich aus den Reihen derjenigen, die im Wirtschaftsrat der Union und in Wirtschaftsverbänden sitzen, die dringende Forderung kommen wird, für diejenigen, die sich in Deutschland momentan in einem Status befinden, der sich im rechtsfreien Raum bewegt, eine rechtmäßige Grundlage für ihr Hiersein zu schaffen, damit deren Kräfte für die Produktivität unserer Gesellschaft genutzt werden können. Herr Kollege Lehnert, seien Sie insofern mit solchen Aussagen wie „mit der Union niemals!“ vorsichtig. Ich bin sicher, das kommt schneller, als Sie es momentan noch ahnen.
Herr Kollege Hentschel, ein letzter Punkt, den ich mir nicht verkneifen kann: Ich würde mir irgendwann einmal von Ihnen in der Frage, wie man in Deutschland mit Menschen umgeht, eine Aussage dazu wünschen, wie denn Bundesaußenminister Fischer mit Herrn Kurnaz umgegangen ist. Das muss nicht heute sein, obwohl heute dazu Gelegenheit gewesen wäre.
- Moment, Moment! Das hat mit der Frage zu tun: Welche Politik wird erklärt und welche Politik wird faktisch umgesetzt? Irgendwann erwarte ich eine Stellungnahme zu der Frage, wie wir mit einer Person umgehen, die einen berechtigten Aufenthalts