Protokoll der Sitzung vom 23.03.2007

Zur Bedeutung der Kernkraftwerke im Klimaschutz: Europa macht Ernst mit dem Klimaschutz, das haben wir alle gelesen und gehört. Der CO2Ausstoß soll in Europa um 20 % bezogen auf das Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 reduziert werden. Gestern gab es in Deutschland die Entscheidung, daraus 30 % zu machen. Die drei Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein sparen jährlich 7 Millionen t CO2-Emissionen ein, die 17 Kernkraftwerke in Deutschland 160 Millionen t und die 450 Kernkraftwerke in der Welt 2,8 Milliarden t.

Meine Damen und Herren, das sind Zahlen, die Sie im Augenblick nicht vernachlässigen können. Deshalb brauchen wir die Zeit der Überbrückung.

(Beifall bei der CDU)

Der Koalitionsvertrag gibt natürlich nicht die Möglichkeit, hier eine Entscheidung zu fällen. Ich denke aber, dass wir dieses Thema im Wirtschaftsaus

schuss und begleitend im Europaausschuss weiter behandeln werden, um das Thema präsent zu halten, um Fakten auf den Tisch zu bringen und um eine rationale Begründung für die Verlängerung der Laufzeiten zu bekommen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir plädieren ausschließlich für eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke, die die modernsten und sichersten sind. Dabei ist Sicherheit das oberste Gebot jeder Argumentation für die Laufzeitverlängerung. Wir brauchen die Brückenfunktion der Kernkraftwerke für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Ich freue mich auf die weitere Diskussion im Wirtschaftsausschuss und begleitend im Europaausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die antragstellende Fraktion dieser Debatte nicht mehr beiwohnt. Ich stelle mir ernsthaft die Frage: Was sollen wir über einen Bericht diskutieren, warum sollen wir eine Erläuterung des Berichts durch die Landesregierung erhalten, wenn die Fraktion, die das beantragt hat, überhaupt nicht dabei ist? Deshalb beantrage ich, die Debatte an dieser Stelle zu unterbrechen und dann fortzusetzen, wenn die grüne Fraktion an der Debatte wieder teilnimmt. Natürlich müssen alle weiteren Fraktionen noch Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Es ist aber ein Absurdum, dass diejenigen, die die Veranlassung zu dieser Debatte geben, an der Debatte nicht teilnehmen. Das ist für den Rest des Hauses nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU)

Zur Geschäftsordnung, Herr Oppositionsführer!

(Ein Handy klingelt)

Verkaufen, Herr Kollege! - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche mich vehement gegen die Unterbrechung der Sitzung aus, nur weil eine der beteiligten Fraktionen nicht anwesend

(Manfred Ritzek)

ist. Ich würde gern hören, was die Sozialdemokraten nach dem Beitrag des Herrn Kollegen Ritzek zu sagen haben. Wir haben etwas dazu zu sagen. Wenn die Grünen dazu nichts zu sagen haben oder rummaulen, dann ist das ihr Problem, aber nicht das Problem des Hohen Hauses. Deshalb bitte ich um Fortsetzung der Debatte.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind hier doch nicht im Kindergarten!)

Frau Abgeordnete Jutta Schümann!

Herr Präsident! Ich sehe in meiner Fraktion dahin gehende Signale, die Debatte fortzusetzen. Ich weiß nicht, aus welchem Grund die Grünen hinausgegangen sind. Das muss hier auch nicht erörtert werden. Sie haben das beantragt und sie können an der Debatte teilnehmen, wie sie wollen. Das ist ihnen anheimgestellt. Ich finde, wir tagen weiter und führen die Debatte fort. Das wird protokolliert. Man kann das nachlesen.

(Beifall bei der FDP)

Man kann die Debatte möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen. Heute wurde dies jedoch auf die Tagesordnung gesetzt. Es besteht keine Veranlassung zu einer Unterbrechung.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle fest, dass das Plenum nicht beschlussfähig ist. Ich unterbreche die Sitzung, bis die Beschlussfähigkeit hergestellt ist.

(Unterbrechung: 11:31 Uhr bis 11:34 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beschlussfähigkeit ist wieder hergestellt. Ich erteile der Frau Abgeordneten Monika Heinold nach § 55 der Geschäftsordnung zu einer Erklärung das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion möchte, dass die Landtagssitzung ordnungsgemäß fortgesetzt werden kann. Wir sind nach draußen gegangen, weil wir empört waren. Wir haben uns über das, was hier passiert ist, geärgert. Sie alle erinnern sich wahrscheinlich daran,

dass eine Parlamentssitzung schon einmal für zehn Minuten unterbrochen worden ist, um zu warten, weil eine Ministerin nicht im Raum war. Damals wurde zehn Minuten gewartet, bis sie da war.

In diesem Fall war es so, dass unser Fraktionsvorsitzender da war. Er war als Redner gemeldet. Er hat das in dem Moment nicht mitbekommen, weil es Ärger über die Geschäftsordnung oder vielmehr über die Aktuelle Stunde gab. Wir sind davon ausgegangen, dass der Präsident mitbekommen hat, dass es Unruhe im Raum gab und dass unser Redner daher nicht gehört hat, dass er aufgerufen worden ist.

Wir waren empört darüber, dass man nicht einen Moment lang Pause gemacht und gewartet hat. Es hat jedoch keinen Sinn. Die Debatte ist wichtig genug. Lassen Sie uns die Debatte fortsetzen. Wir gehen davon aus, dass das Präsidium unseren Redner noch berücksichtigt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Selbstverständ- lich! - Zuruf des Abgeordneten Konrad Na- bel [SPD] - Beifall bei der FDP)

Damit erteile ich dem von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgesehenen Redner das Wort. Das scheint der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, zu sein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, in einem Haus wie diesem sollte es eine gewisse Art von Stil geben.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Wenn ich mich mit Anke Spoorendonk erregt unterhalte -

(Lachen)

- Jeder in diesem Haus weiß, dass ich sehr schwerhörig bin. Ich finde die Art und Weise, wie hier mit mir umgegangen wird, und das, was in diesem Haus passiert, hammerhart. Ich wünsche mir, dass so etwas nie wieder passiert und dass so etwas auch niemandem anderen passiert.

(Manfred Ritzek [CDU]: Dann hätte Frau Heinold Ihnen doch sagen können, dass Sie dran sind!)

Eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels erfordert bis 2050 eine weltweite Reduzierung der CO2-Emissionen um die Hälfte. Für Deutschland

(Wolfgang Kubicki)

bedeutet dies bis 2020 umgerechnet ein Minus von 40 %. Bis 2050 muss dieses Minus 80 % betragen. Für Europa bedeutet das 30 %. 20 % sind beschlossen worden. Die europäischen Staaten haben jedoch gesagt, dass 30 % notwendig sind. Sie sind auch bereit, das zu tun, wenn es eine internationale Vereinbarung gibt.

In dieser Lage mehren sich die Versuche, den Klimawandel als Grund dafür zu nutzen, den Ausstieg aus der Atomenergie infrage zu stellen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir haben diesen Antrag gestellt, damit sich der Landtag positioniert, damit die Landesregierung einen klaren Auftrag für ein Klimakonzept bekommt und damit die Prioritäten richtig gesetzt werden. Natürlich stellt sich auch mir die Frage: Kann die Atomenergie in der künftigen Energiewirtschaft nach 2050 eine wesentliche Rolle spielen? Die Antwort fast aller relevanten Wissenschaftler ist übereinstimmend Nein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Unsinn!)

Zum einen gibt es dafür gar nicht genug radioaktive Brennstoffe. Zum anderen ist der Neubau von Atomkraftwerken viel zu teuer. In keinem westlichen Land wird noch ein Atomkraftwerk gebaut. Eine Ausnahme ist der hoch subventionierte Vorzeigereaktor in Finnland. In den USA wurde seit 30 Jahren kein Reaktorbau mehr begonnen.

Die zweite Frage, die zurzeit viel intensiver diskutiert wird, lautet: Brauchen wir die Atomenergie vielleicht als Übergangstechnologie? Um einen glaubhaften Kronzeugen zu präsentieren, gestatten Sie mir, Frank Schirrmacher zu zitieren. Er ist Chefredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die mit Sicherheit kein atomkraftkritisches Blatt ist:

„Keiner der Forscher hält … Atomenergie für eine Option. … Sie zeigen in ihren Berechnungen, dass wir ohne Atomkraftwerke die dritte industrielle Revolution erreichen können.“

Um zu verstehen, warum das so ist, muss man sich den Umbau der Energiewirtschaft konkret anschauen. Der Kassler Diplomphysiker und Ingenieur Gregor Czisch vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen hat als Erster ein komplettes Simulationsmodell programmiert, das zurzeit in den internationalen Konferenzen intensiv diskutiert wird. Anhand dieses Modells wurde ausgerechnet, wie eine optimale Versorgung Europas und Nordafrikas mit regenerativer Energie aussehen kann. Das Ergebnis ist außerordentlich spannend.

Auf der Basis der heutigen Technologien und Preise würde Europa durch eine Vielzahl unterschiedlicher Kraftwerkstypen - unter anderem durch solartechnische Kraftwerke in der Sahara, durch Wasserkraftwerke in Norwegen und den Alpen und Windparks vor allem an der Atlantikküste, in der Nordsee, in Nordrussland und Ägypten - versorgt werden. Denn dort weht der Wind am gleichmäßigsten und Strom kann an einigen Standorten durch Wind bereits zu unter 3 ct/kWh erzeugt werden. Kapazitäten spielen praktisch keine Rolle, weil die regenerativen Energien ausreichen, um 1.000 Europas zu versorgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um das zu realisieren, brauchen wir ein Hochspannungsgleichstromnetz, ein sogenanntes HGÜ-Netz, das es erlaubt, große Strommengen kostengünstig von Afrika nach Norwegen und vom Ural an die Atlantikküste sowie umgekehrt zu transportieren. Durch dieses Netz wird eine hundertprozentige Verfügbarkeit mit großen Reserven gesichert.

Das Spannendste daran ist: Hätten wir eine solche Energieversorgung schon heute, dann würde die Kilowattstunde für den Endabnehmer nach den Berechnungen 4,6 ct kosten, also deutlich weniger, als E.ON heute von uns kassiert.

Man fragt sich natürlich: Warum haben wir diese Verhältnisse heute noch nicht? Der Grund ist einfach: Der Umbau im Zuge der Energiewende in Deutschland kostet nach den Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft in Berlin 800 Milliarden € Investitionen. Das ist nicht von heute auf morgen zu schaffen. Es wird uns die nächsten 50 Jahre beschäftigen.