Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes für die geleistete Arbeit und den umfangreichen Bericht bedanken. Der Verfassungsschutz kommt damit seiner Verpflichtung nach, über Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu informieren, und legt gleichzeitig ein aufschlussreiches Dokument vor. Es listet jene Aktivitäten auf, die unsere freiheitliche Gesellschaft gefährden. Alle demokratischen Kräfte sind daher aufgefordert, gemeinsam den Rechtsstaat und seine Werte zu verteidigen. Dazu müssen nach unserer Ansicht alle zur Verfügung stehenden legalen Mittel eingesetzt werden.

Der Verfassungsschutzbericht macht deutlich, dass wir extremistischen Tendenzen in unserem Land gegenüber nach wie vor wachsam sein müssen. Dies gilt vor allem für Rechtsextreme, die in zunehmendem Maße Gewalt ausüben. Dabei sind

insbesondere Jugendliche, die sich benachteiligt fühlen, anfällig für rechtsradikale Propaganda. Hier müssen alle demokratischen Parteien aktiv gegensteuern. Der Versuch, sich bei den Fragen der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren, ist ein neues durchsichtiges Manöver rechtsradikaler Gruppierungen, um Ängste zu schüren und diese für ihre Ziele zu missbrauchen. Gerade die aktive Bekämpfung von Arbeitslosigkeit insbesondere bei jungen Menschen und die erneute deutliche Zunahme an Ausbildungsplätzen in Schleswig-Holstein ist in diesem Zusammenhang besonders erfreulich, weil sie eine konkrete Zukunftsperspektive für die betroffenen Jugendlichen aufzeigt. Auch hier gilt: Sozial ist, was Arbeit schafft. Das entzieht Extremisten den Nährboden für ihre polemische Agitation.

Festzustellen bleibt, dass rechts- und linksradikale Parteien bei den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land weder Zulauf noch irgendeine Chance haben. Die Zahlen der Straftaten, die dem linksund rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, stagnieren. Einer Zunahme rechtsextremistischer Straftaten steht eine Abnahme linksextremistischer Straftaten in nahezu gleichem Umfang gegenüber. In diesem Punkt stimme ich mit Kollege Kubicki überein.

Was die Bedrohung durch den sogenannten islamistischen Terror betrifft, gehen unsere Auffassungen allerdings deutlich auseinander. Die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus und seinem ideologischen Umfeld ausgehen, bestimmen vielmehr maßgeblich auch unsere aktuelle Sicherheitslage. Deutschland ist Teil des europäischen Gefahrenraums und verschiedene Straftaten haben gezeigt, dass sich auch in Deutschland Terrorstrukturen herausgebildet haben.

Unter Mitwirkung verschiedener nationaler wie internationaler Sicherheitsbehörden konnte in Kiel eine Person lokalisiert werden, bei der Anhaltspunkte für die Unterstützung des internationalen Dschihad vorlagen und die von der Bundesanwaltschaft verdächtigt wird, die El Kaida durch Rekrutierung von potenziellen Selbstmordattentätern für den Einsatz im Irak und durch Geldzahlungen unterstützt zu haben. Die gescheiterten Kofferbombenanschläge in Nordrhein-Westfalen, bei denen die Landeshauptstadt als Studienort eines der mutmaßlichen Täter besonders ins Blickfeld rückte, sowie die Warnungen der Sicherheitsbehörden hinsichtlich der bestehenden Anschlagsrisiken bestätigen das Gefährdungspotenzial auf dramatische Weise.

Wenn Schleswig-Holstein darüber hinaus bisher nicht berührt war, so hat sich aber die Einschätzung

(Minister Dr. Ralf Stegner)

erhärtet, dass es zumindest Personen mit Kontakten in das militante islamistische Spektrum auch hierzulande gibt. Aber auch die Ereignisse in Großbritannien machen die Dimension der bestehenden und andauernden Gefahren deutlich. Ohne die Vereitelung der in großem Maßstab geplanten Attentatswelle auf Transatlantikflüge wären die Auswirkungen, was Opferzahlen und wirtschaftliche Schäden betrifft, denen vom 11. September 2001 gleichzusetzen gewesen. Das Ausbleiben verheerender Großanschläge in westlichen Ländern im Jahre 2006 rechtfertigt nicht einmal vorsichtige Entwarnungssignale. Die Zuordnung zum Kreis gewaltbereiter Islamisten ist häufig schwierig und vielfach nur unter Vorbehalt möglich.

Ein besonderes Problem ist die Vielzahl islamistischer Publikationen, die Abgrenzung und Konfrontation bewirken wollen, häufig auch in deutscher Sprache und über das Internet verbreitet. Es werden nicht nur ausländische Provider benutzt, sondern bei terroristischen Bezügen Internetadressen häufig gewechselt.

Die geistige und politische Auseinandersetzung mit dem Islamismus, gerade auch dort, wo er sich gemäßigt gibt, wird eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre sein. Dabei geht es um den Dialog mit der Religion Islam und um Aufklärung über die politische Ideologie des Islamismus. Von den über 3 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen ist nur eine verschwindend kleine Minderheit islamistischen Strömungen zuzurechnen. Deren Vorstellungen kollidieren allerdings mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wenn unsere Verfassungsordnung von Islamisten pauschal abgelehnt wird, so gilt dies umso mehr für die individuellen Freiheitsrechte in unserer Gesellschaft. Islamisten sind bestrebt, die Entfaltung der Persönlichkeit, die Meinungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung der Frau als verabscheuungswürdigen Gegensatz zu ihrem eigenen Gesellschaftsmodell darzustellen. Islamisten aller Couleur sind sich auch einig im Antisemitismus, in ihrem Hass auf Juden und den Staat Israel. Ein Beispiel dafür sind die wiederholt vorgebrachten antisemitischen Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten, die in islamistischen Kreisen nachhaltig Zustimmung finden.

Die in diesem Kontext geäußerte Meinung, der Holocaust sei nur ein Mythos, entspricht im Übrigen den gängigen Agitationsmustern des internationalen Rechtsextremismus, womit wir feststellen müssen, dass es hier sogar zu einer Interessenüberschneidung von Islamisten und Rechtsextremisten kommt. Nur die konsequente Beobachtung, Über

wachung und Erhöhung des Drucks auf diese Gruppierungen kann extremistische Islamisten in Schach halten. Dabei ist es wichtig, Rahmenbedingungen sicherzustellen, unter denen der Verfassungsschutz und unsere Ermittlungsbehörden erfolgreich arbeiten können. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass sich verfassungsfeindliche Kräfte hierzulande Freiräume schaffen für ihr gesetzwidriges Handeln. Deshalb gilt für die CDU: Null Toleranz gegenüber allen extremistischen Kräften, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen und dabei auch vor Terror gegen Menschen und Sachen nicht zurückschrecken.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lehnert. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Thomas Rother.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir in der vergangenen Tagung schon über die Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung von politischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit gesprochen haben, sind wir jetzt mit dem Verfassungsschutzbericht bei Situation und Analyse hier in Schleswig-Holstein. Über diese Situation jetzt schon wieder zu sprechen, dafür gibt es leider Gründe. Zum Ersten ist die Entwicklung der Straftaten mit politischem Hintergrund insgesamt zwar stagnierend - darauf ist hingewiesen worden -, aber es gibt eine deutliche Verschiebung in der Zahl der Straf- und Gewalttaten von links nach rechts.

Im Bundesvergleich nimmt Schleswig-Holstein in Bezug auf die Gewalttaten mit rechtsradikalem Hintergrund leider einen Spitzenplatz ein. Nach Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen kommt schon unser Bundesland mit gut zwei Gewalttaten pro 100.000 Einwohner im Jahr. Diese Vorfälle häufen sich und sind unerträglich. Ein sogenanntes Propagandadelikt ist zwar widerlich, lässt sich in der Regel aber auch wieder beseitigen. Opfer von Gewalttaten haben es da nicht so einfach. Die physischen und psychischen Folgen einer solchen Tat bleiben meist ein Leben lang. Organisationen, die eine solche Gewalt rechtfertigen, propagieren und praktizieren, gehören meiner Ansicht nach schon deshalb verboten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

(Peter Lehnert)

Zweitens hat die derzeit gefährlichste rechtsextreme Gruppe, die NPD, leider ziemlich viel Oberwasser. Sie hat sich von einer dahinsiechenden Altherrenpartei durch ein Bündnis mit der DVU und den freien Nationalisten als Sammlungsbewegung eine Führungsposition in der rechtsextremen Szene erarbeitet. Nach den jüngsten Wahlerfolgen rüstet sie sich auch hier bei uns zur Kommunalwahl und greift plötzlich ganz andere Themen als sonst üblich auf. Bisher ging es immer um Themen wie die Verteidigung der deutschen Ehre oder den Nachweis, dass alle Ausländer eigentlich kriminell seien und abgeschoben werden müssten. Neben dem Thema Hartz IV gibt es jetzt auch die Themen der Schulpolitik in Schleswig-Holstein, die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs oder - wie bereits angesprochen - die Verwaltungsstrukturreform und die Kreisgebietsreform.

Dass im Verfassungsschutzbericht auf Letzteres hingewiesen wird, hat natürlich nicht zum Ziel, die Gegner einer möglichen Gebietsreform im Kreis Dithmarschen zu diffamieren, Herr Kubicki. Der Herr Innenminister hat darauf hingewiesen. Vielmehr machte dies lediglich die neue Qualität der NPD-Agitation deutlich. Die NPD ist auch gegen die Atomenergienutzung. Dennoch diffamiert niemand alle Atomkraftgegner als Nazis. Ebenso wirft niemand NPD und FDP in einen Topf, weil beide gegen das Schulgesetz in Schleswig-Holstein sind. Ich möchte allerdings betonen, dass die Initiatoren von Demonstrationen oder Veranstaltungen meiner Ansicht nach schon die Aufgabe haben, sich von dieser Art von Unterstützern ihres Anliegens zu distanzieren und sie aus ihren Reihen fernzuhalten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Im Verfassungsschutzbericht ist auch nachlesbar, dass die rechtsextreme Szene in Dithmarschen Schwerpunkte setzt. Der Innenminister hat darauf hingewiesen: Erst vor Kurzem ist in Neufeld ein größerer Polizeieinsatz erfolgt. Deshalb möchte ich betonen, dass wir als SPD-Fraktion ganz eindeutig an der Seite des Landrats von Dithmarschen und an der des Bürgermeisters der betroffenen Gemeinde in ihrem Kampf gegen die Neonazis stehen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Anke Spoorendonk [SSW])

Es bleibt notwendig, die Ergebnisse des Berichts der letzten Tagung konsequent umzusetzen und die vom Bund geforderte Koordinierungsstelle zur Intervention gegen Rechtsextremismus zu benen

nen und die örtlichen Projekte auch von Landesseite aus zu unterstützen. Darauf wurde bereits hingewiesen. Hier muss noch einiges nachgearbeitet werden, denn nach der Situationsbeschreibung des Berichts darf es für uns eigentlich kein böses Erwachen geben. Wir sind tatsächlich gewarnt.

Drittens. Der G-8-Gipfel im Juni dieses Jahres in Heiligendamm dient zur Klärung internationaler politischer Streitfragen. Er ist daher auch ein berechtigter Anlass zu Protesten gegen die negativen Folgen der Globalisierung. Er bietet aber leider ebenso linken und rechten Extremisten einen Ansatzpunkt für Krawall, Gewalt und Bürgerkriegsspielereien sowie für Politrituale, für die sich gerade dieser Anlass gefunden hat. Es ist so falsch, wie es absurd ist, hier ein Ventil für die eigene politische Erfolglosigkeit zu öffnen. Ich bedauere die dort eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten schon jetzt, die ihre Zeit sicherlich sinnvoller verbringen könnten.

Zum vierten und letzten Punkt: Deutschland ist leider Teil eines weltweiten terroristischen Gefahrenraums. Die Bedrohung durch Islamismus ist angesichts von Anschlägen und Anschlagsversuchen leider real und nicht scheinbar, wie manche es in der Presse oder an verschiedenen Orten leider immer noch behaupten. In Schleswig-Holstein konnten trotz der im Bericht genannten Festnahmen keine entsprechenden Strukturen ausgemacht werden. Die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung haben das vielleicht verhindert. Für weitere Grundrechtseingriffe, die zu diesem Zweck zurzeit in der Diskussion sind, ist derzeit keine Notwendigkeit gegeben. Die Sicherung der Demokratie darf nicht durch einen immer größeren Verlust von Freiheit erkauft werden, denn dann hätten die Terroristen schon einen ziemlich großen Erfolg errungen. Das ist keine Blauäugigkeit.

Ich bitte, den Bericht, für den ich dem Ministerium und den Verfassungsschutzbehörden ganz herzlich für die Arbeit danken möchte, zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Rother. Für die FDP-Fraktion hat deren Vorsitzender und Oppositionsführer, der Abgeordnete Wolfgang Kubicki, das Wort.

(Thomas Rother)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kollegen! Im Prinzip ist der Verfassungsschutzbericht in diesem Jahr bis auf wenige Ausnahmen identisch mit den Berichten der Vorjahre. Der Bericht besteht aus drei Schwerpunkten, die sich aus den Ergebnissen der Beobachtungen der rechtsradikalen und nationalsozialistischen Szene, der linksradikalen und autonomen Szene und der religiös-fundamentalistischen Szene in Schleswig-Holstein zusammensetzen. Dabei ist der Grundtenor des Berichts beruhigend. Schleswig-Holstein ist ein Land, das keinen guten Nährboden für radikale Szenen bietet, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP)

Die Straftaten im linksradikalen Bereich gehen zurück. Sie haben sich seit der Landtagswahl im Jahr 2005 mehr als halbiert. Die Anzahl der Anhänger in diesem Bereich stagniert über die letzten drei Jahre auf - ich denke - niedrigem Niveau. Die Zahl der organisierten Parteigänger rechtsextremistischer Parteien in Schleswig-Holstein ist leicht rückläufig. Stieg die Zahl der Parteimitglieder von NPD und DVU zusammen wegen der Landtagswahl noch von 590 im Jahr 2004 auf 620 im Jahr 2005, so fiel dieser Wert im Jahr 2006 auf nunmehr 540 Mitglieder. Das ist immerhin ein Rückgang von fast 20 %. Die Anzahl der Mitglieder der gewaltbereiten Skinheadszene blieb mit 660 ebenfalls konstant, allerdings ist sie - wie ich meine - zu hoch. Hier liegt wohl auch das Problem. Nimmt man die Anzahl der Straftaten, so stieg die Anzahl der Straftaten von rechts von 337 im Jahr 2005 auf 510 im Jahr 2006 an. Die Gewaltdelikte haben mit 65 Taten zwar immer noch einen geringen Anteil, aber auch hier ist der Wert von 59 Gewalttaten im Jahr 2005 leicht angestiegen.

Herr Innenminister und Herr Kollege, das kann auch mit einem anderen Verhalten der Polizei, mit einem anderen Verfolgungsverhalten und mit einem anderen Anzeigeverhalten etwas zu tun haben. Ich bin froh, dass der repressive Druck des Staates hier für Klarheit sorgt,

(Beifall bei der FDP)

was unter anderem auch dazu führen muss, dass wir eine erhöhte Anzahl von verfolgbaren Straftaten haben. Ich denke, das ist kein Ausweis von einem Anstieg in der Szene, sondern von konsequenter Umsetzung rechtstaatlicher Grundgedanken auch in diesem Bereich. Dafür bin ich dankbar und dafür haben Sie auch immer die Unterstützung der FDP, Herr Innenminister.

Ich glaube, dass Schleswig-Holstein kein Problem mit rechtsradikalen Unterwanderungen hat. Vielmehr hat die rechtsradikale Szene eher ein Problem mit den Schleswig-Holsteinern, die sich von dem braunen Gedankenmüll nicht anstecken lassen. Bestes Beispiel hierfür ist die Kreisgebietsreform in Dithmarschen. Möglicherweise haben einige wenige Rechte versucht, diese Initiative zu nutzen. Möglicherweise haben auch einige von ihnen eine Unterschrift für diese Initiative geleistet. Es ist ihnen aber auch nicht nur ansatzweise gelungen, diese Initiative zu beeinflussen, die von Menschen aller Schichten der Bevölkerung getragen wird und die ein Sinnbild gelebter Demokratie ist. Ich will ausdrücklich hervorheben, dass dies auch durch Sozialdemokraten so ist.

Ich bleibe trotzdem dabei: Herr Innenminister, Sie müssen der Versuchung widerstehen, die Volksinitiative gegen die Kreisgebietsreform dadurch zu diffamieren, dass der Eindruck erweckt wird, sie sei rechtsradikal unterwandert. Herr Kollege Rother, wir müssen uns nicht von der NPD distanzieren, wenn diese in einer bestimmten Sachfrage gleiche Forderungen erhebt wie wir. Genauso wenig sinnvoll ist die Aufforderung an die Initiative, sich von möglichen rechten Unterstützern zu distanzieren, weil sie sich in entsprechende Listen eingetragen haben. Demokraten haben es nicht nötig, sich zu distanzieren, wenn sie für demokratische Grundwerte eintreten. Man soll sie auch nicht wichtiger machen, als sie sind.

(Beifall bei der FDP)

Als letzten Punkt möchte ich noch auf die Festnahme eines der beiden Täter der versuchten Kofferbombenattentate in Köln eingehen. Einer dieser Täter kam aus Kiel. Er studierte hier und war auffällig geworden, da er eine aggressive Auffassung gegen die Zulässigkeit der Mohammed-Karikaturen vertrat. Er hatte den Unterricht an seiner Hochschule mehrfach ausfallen lassen und wurde bereits 2005 aus dem Kolleg ausgeschlossen. Kollege Lehnert, dem Verfassungsschutz blieb der Täter jedoch unbekannt. Der Bericht führt es auch aus, dass die Radikalisierung einer Person, die sich immer weiter zurückzieht, von den Sicherheitsbehörden nur schwer zu erkennen ist.

Ich denke, dass solche Täter auch künftig nur schwer vor einer Tat ermittelt werden könnten. Ich glaube, dass es trotz aller neuen Sicherheitsgesetze auch künftig die Gefahr geben wird, dass Anschläge verübt werden können. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass der Ansatz, noch mehr Überwachungsmechanismen einzuführen, falsch ist. Wir müssen vielmehr die Fragen klären, warum Men

schen, die nach Deutschland kommen, sich erst hier, in einem Land, das von Meinungsfreiheit und von Toleranz lebt und immer wieder dafür eintritt, radikalisieren. Wir müssen klären, mit welchen Maßnahmen wir entgegenwirken können. Kollege Lehnert, bisher haben wir - und hier schließe ich die FDP-Fraktion und mich ein - auf diese Fragen noch keine ausreichenden Antworten gefunden. Das wird der Schlüssel sein. Der Schlüssel wird nicht die Frage sein, ob wir noch mehr Sicherheitsmaßnahmen einführen oder nicht.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde darauf verzichten zu wiederholen, was in dem Bericht steht. Ich will mich auf einige Punkte konzentrieren, die den Aspekt betreffen, der mir am meisten Sorgen bereitet. Das ist die Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein. Eine Untersuchung im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem letzten Jahr stellte fest: Rechtsextreme Einstellungen sind durch alle gesellschaftlichen Gruppen und in allen Bundesländern gleichermaßen hoch vertreten. Rechtsextremismus ist ein politisches Problem in der Mitte der Gesellschaft. Das unterscheidet es auch von anderen Themen, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Es ist eine Herausforderung an die gesamte Gesellschaft, die durch soziale Umbrüche, durch Destabilisierung, durch Unsicherheitsgefühle und durch Zukunftsängste verstärkt wird. Innenpolitische Reaktionen können die Ursachen nur begrenzt bekämpfen. Gefordert sind von uns allen Konsequenzen in allen Bereichen, insbesondere in den Bereichen der Sozialpolitik, der Familienpolitik, der Bildungspolitik und der Arbeitsmarktpolitik, denn die einzige wirksame Waffe gegen jede Form des Extremismus ist eine stabile und soziale Gesellschaft.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, immer wieder werden einfache Lösungen propagiert, wie der Entzug der Geldquellen oder Verbote von rechtsextremen Or

ganisationen. Das klingt gut, ist aber kaum praktikabel. Bei der Finanzierung der NPD machen - das wissen wir alle - staatliche Gelder, also Wahlkampfkostenrückerstattung, neben Spenden und Mitgliedsbeiträgen den größten Teil aus. Das ist nicht angenehm, aber es ist folgerichtig in einem demokratischen System, solange sie nicht verboten ist. Dass Verbote nur in Einzelfällen hilfreich sind, hat uns die Geschichte auch zur Genüge gelehrt; denn es ist kein Problem, neue Organisationen zu gründen.

Ich meine, wir müssen deshalb unser Augenmerk auf die Nachwuchsgewinnung richten. Viele der Jugendlichen werden über das Medium der Musik, über provokante Aktionen und die Sauf- und Prügelkumpanei der Kameradschaften sowie auch durch sogenannte Fan-Clubs angezogen und mit menschenfeindlichen Weltbildern vertraut gemacht.