Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Es gibt darüber hinaus auch das Problem, dass manche Sportler aus medizinischen Gründen - zum Beispiel bei Asthma - auf Substanzen zurückgreifen müssen, die zu den verbotenen Substanzen gehören und ihnen hierfür eine Ausnahmegenehmigung ge

(Jürgen Weber)

währt wird. Ansonsten wären sie im Wettkampf wegen ihrer Krankheit benachteiligt.

(Jürgen Weber [SPD]: 90 % der Radrennfah- rer haben Asthma!)

Es ist also ein sehr komplexes Thema und will man, wie die Grünen es vorschlagen, entsprechende Rechtsvorschriften im Strafrecht neu einführen oder bestehende Rechtsvorschriften ergänzen, dann muss man all diese Probleme berücksichtigen. Ob dies tatsächlich so einfach möglich ist, wie es sich in einer verkürzten Debatte in der Öffentlichkeit darstellen lässt, darf zumindest bezweifelt werden.

Doping ist bereits heute strafbar. Die Teilnahme eines gedopten Sportlers an Wettkämpfen wird bereits heute vom Betrugsstraftatbestand abgedeckt und Sponsoren können ihre Verträge so ausgestalten, dass sie sich im Dopingfall schadlos halten können.

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion vom 5. Februar 2007 geäußert, dass sie weitere strafrechtliche Vorschriften nicht für notwendig hält. Ebenso plant sie im Übrigen keine Verschärfung der arzneimittelrechtlichen Überwachung.

Der Deutsche Olympische Sportbund hatte eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die prüfen sollte, ob bereits der Besitz von Dopingsubstanzen unter Strafe gestellt werden sollte und sich im Ergebnis dagegen entschieden. In seinem Zehn-Punkte-Programm vom 9. Dezember 2006, welches wir bei den weiteren Beratungen im Ausschuss aufgreifen sollten, hat der Deutsche Olympische Sportbund Forderungen aufgestellt.

Dazu gehören Forderungen nach einer besseren Koordinierung zwischen Sport und Strafverfolgung, nach einer Verschärfung des Strafrechts im Bereich des banden- und gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Dopingsubstanzen, finanzielle Sanktionen beim Dopingtäter einzuführen, aber auch die öffentliche Förderung nur bei aktivem Anti-DopingKampf fortzuführen sowie die Kontrolldichte zu erhöhen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, diese Forderungen der Fachleute sollten wir als Maßstab für die weitere Diskussion im Ausschuss nehmen.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für den SSW im Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse mal meine Einleitung über den Zusammenhang von Doping, Jan Ullrich und Tour de France weg. Richtig ist, dass insbesondere der Radsport von der Doping-Seuche betroffen zu sein scheint. Allerdings ist es eine Tatsache, dass wir es in vielen Sportarten, natürlich insbesondere dort, wo es um viel Geld geht, mit gut organisiertem und leider weit verbreitetem Doping zu tun haben. Trotz der vielen internen Anstrengungen seitens der Sportverbände, dieses Problem in den Griff zu bekommen, scheint die Ausbreitung der Doping-Seuche immer weitere Kreise zu ziehen, nicht zuletzt unterstützt von immer neuen medizinischen Landgewinnungen von skrupellosen Hintermännern. Es gibt also immer mehr Hinweise darauf, dass die Sportverbände allein dieses Problems nicht mehr Herr werden.

Dies wurde Anfang des Jahres dadurch unterstrichen, dass der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur Deutschland zurücktreten musste, weil die NADA es versäumt hatte, ausreichend Kontrollen außerhalb von Wettkämpfen bei den Athleten durchzuführen. Obwohl es natürlich immer noch eine Aufgabe der Sportverbände selbst bleibt, einen fairen und sauberen Wettbewerb in allen Sportarten zu sichern, stellt sich dennoch die Frage, ob die Politik mehr als bisher dafür tun kann, den Doping-Missbrauch zu bekämpfen. Wir wissen alle, dass man zum Beispiel in Frankreich und jetzt auch in Spanien gesetzgeberisch zu sehr drakonischen Maßnahmen bei der Doping-Bekämpfung gegriffen hat.

Von daher ist es richtig, dass wir uns durch den vorliegenden Antrag der Grünen auch in Schleswig-Holstein damit befassen, was wir seitens der Landespolitik machen können und machen sollen, um diesen massiven Doping-Missbrauch in den Griff zu bekommen. Es geht ja nicht nur um die Sportler allein, die sich durch verbotene Substanzen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und sich vielleicht langfristig gesundheitlich selbst schädigen. Es geht auch um die Vorbildfunktion dieser Sportler für die Jugendlichen, die Sport treiben, und um die Einstellung unserer Gesellschaft zum Sport und zum Fairnessbegriff insgesamt.

Auch der SSW befürwortet deshalb, dass die Gewährung von Sportfördermitteln noch mehr als bisher an bestimmte Bedingungen anknüpfen,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

(Dr. Heiner Garg)

die dazu dienen, dass die Sportverbände die Doping-Kontrollen verbessern und ausweiten. Auch bei der Ausbildung von Trainern, von Lehrern und von Ärzten muss mehr Aufklärung über die Gefahren des Dopings erfolgen. Wir müssen also quasi an der Basis vor Ort mit der Doping-Bekämpfung anfangen.

So weit, so gut. Schwieriger wird es mit der Forderung der Grünen, dass das Strafrecht zur Bekämpfung des Dopings verschärft werden muss. Die Grünen haben auch im Bundestag eine entsprechende Initiative gestartet. Aber bisher scheint der Bundesinnenminister zumindest nicht gewillt zu sein, diesem Ansinnen nachzukommen. Dabei wird der Vorstoß auch von vielen betroffenen Sportverbänden unterstützt, allerdings nicht von allen.

Wir sind offen für zwei Änderungen des Strafrechts zur Bekämpfung des Dopings. Wir sind dafür, dass es bei organisiertem Doping eine Verschärfung des Strafrechts geben muss, weil es sich in vielen Fällen um international tätige kriminelle Doping-Netzwerke handelt und diese besser strafverfolgt werden müssen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch der Sportler, der durch Doping den wirtschaftlichen Wettbewerb im Sport verfälscht, sollte zukünftig mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müssen, weil es sich im Profisportbereich, wo es wirklich um Millionen Euro von Preisgeldern geht, bei der Einnahme von Doping quasi um Betrug handelt.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Eine Verschärfung des Strafrechts in diesem Bereich könnte durchaus abschreckende Wirkung auf einige der potentiellen Täter haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen der Großen Anfrage über den Sport in SchleswigHolstein haben wir gemeinsam beschlossen, dass wir im Herbst eine Anhörung durchführen wollen. Wir regen an, dass der vorliegende Antrag in die Anhörung mit einbezogen wird, damit wir alle Aspekte, gerade auch die rechtsstaatlichen Folgen des Vorschlages, in diesem Zusammenhang berücksichtigen können, bevor wir eine Initiative im Bundesrat starten.

Abschließend möchte ich unterstreichen, dass es auf lange Sicht wenig Sinn macht, wenn Deutschland zusammen mit wenigen anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien bei der Verschärfung der

Doping-Bekämpfung im internationalen Bereich allein steht. Wir brauchen gleiche Regeln in der gesamten EU und auch darüber hinaus. Gerade auch bei der Installierung eines modernen und funktionsfähigen Doping-Kontroll- und -Sanktionssystems müssen wir zu grenzüberschreitenden Lösungen kommen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für die Landesregierung Herrn Innenminister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Dickes Blut“ und „Das Gesetz des Schweigens“ als Titelgeschichten im „Spiegel“ der letzten Woche. „Jan Ullrich schlechtes Vorbild für die Jugend“, so eine aktuelle Schlagzeile. Das von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgeworfene Thema ist sport- und gesellschaftspolitisch hochaktuell und wichtig.

Das Ansehen des Sports und die gesamtgesellschaftliche Bereitschaft, öffentliche Fördermittel für den Sport einzusetzen, hängen von der Glaubwürdigkeit des Sports ab. Dies gilt, zumal der Sport Millionen von Menschen in Deutschland begeistert, als faire Amateursportlerinnen und -sportler oder als Fans. Dies darf nicht durch schlechte Beispiele gefährdet werden, wie sie das Doping darstellen. Nebenbei bemerkt: Es gibt kaum einen Bereich, der das in der Weise leistet wie der Sport. Ich kenne gar keinen anderen. Insofern hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten unter einigen spektakulären Doping-Fällen deutlich gelitten.

Erst am Montag dieser Woche hat der italienische Radprofi Ivan Basso sei Verwicklung in die Doping-Affäre rund um den spanischen Arzt Fuentes zugegeben.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir in SchleswigHolstein, jedenfalls nach dem, was wir wissen, von Doping-Fällen im Spitzensport wohl verschont geblieben sind. Über die Verwerflichkeit des Dopens besteht in diesem Hause, glaube ich, Einvernehmen.

Es gibt auch manches trauriges Beispiel aus der deutsch-deutschen Sportgeschichte der letzten Jahrzehnte. Ich meine, dass der Antrag grundsätzlich in die richtige Richtung geht. Doping-Bekämpfung muss in erster Linie durch den Sport selbst erfolgen. Erst dann, wenn der Sport an seine Grenzen

(Anke Spoorendonk)

stößt, ist der Staat gefordert. Wir haben ja gehört, was der Bundestagspräsident heute zu diesem Punkt gesagt hat. Da hat er, glaube ich, recht. Konkret sieht der Antrag auch ins Einzelne gehende Festlegungen zu einer stärkeren Kontrolle und zur Verwendung der Mittel zur Doping-Bekämpfung vor.

Was also macht der Sport in Schleswig-Holstein? Der Vorstand des schleswig-holsteinischen Landessportverbandes hat Mitte Februar ein Anti-DopingMaßnahmenpaket beschlossen, das sich insbesondere auf den Nachwuchsleistungssport konzentriert. Erst gestern hat er außerdem einen Anti-DopingBeauftragten als Ansprechpartner benannt. Der LSV ist mit dieser Strategie der Prävention und Aufklärung auf dem richtigen Weg. Er setzt damit als erster der Landessportverbände den im Dezember 2006 verabschiedeten Anti-Doping-Aktionsplan des Deutschen Olympischen Sportbundes um. Der LSV wird hierzu Fortbildungsmodule entwickeln, die auch in die Trainerausbildung der Sportfachverbände integriert werden.

Auf einer Expertenkonferenz noch vor den Sommerferien, die in Malente stattfinden wird, sollen die effizientesten Wege zur Doping-Bekämpfung mit den für den Leistungssport Verantwortlichen in Schleswig-Holstein erörtert werden. Der Landessportverband strebt zudem eine Vereinbarung mit der Landesregierung an, die das weitere gemeinsame Vorgehen im Anti-Doping-Kampf festschreibt. Ich finde, dass der Landessportverband und sein Präsident, der geschätzte ehemalige Kollege Dr. Wienholtz, hier genau richtig liegen, und ich halte es für wichtig, die vom Landessportverband gewünschte Vereinbarung zu treffen und hierzu zügig in Beratungen mit dem Landessportverband einzutreten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ändert aber nichts daran, dass wir auf der nationalen und auf der internationalen Ebene mehr Aufklärung, eine Erhöhung der Kontrolldichte, eine konsequente Anwendung verbandsinterner Sanktionsmöglichkeiten, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Nationalen Anti-Doping-Agentur, aber auch gezielte Einzelmaßnahmen im Bereich des Strafrechts brauchen. Der am 7. März 2007 vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport sieht vor, dass auch der Sportler beim Besitz einer nicht geringen Menge von Doping-Substanzen strafrechtlich verfolgt werden kann. Der Gesetzentwurf enthält auch die Forderung nach Warnhinweisen zu Doping in Beipack

zetteln von Arzneimitteln, was ich für einen Schritt in die richtige Richtung halte.

Auf der anderen Seite wende ich mich aber in Übereinstimmung mit dem Kollegen Uwe Döring grundsätzlich gegen eine Strafbewehrung des Selbstdopens. Die Lösungen liegen hier nicht in grundlegenden Veränderungen des Strafrechts.

Zur Frage einer gemeinsamen Strategie mit dem Bund weise ich darauf hin, dass der Sport gut vernetzt ist. Schleswig-Holstein arbeitet in den Gremien der Sportministerkonferenz mit. Ich werde da nach dem Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern auch den Vorsitz übernehmen. Wir haben zusammen mit dem Bund und den Spitzenorganisationen des deutschen Sports eine konstruktive Zusammenarbeit in vielen Bereichen.

Der Kampf gegen Doping wird nur wirksam sein, wenn er auch international geführt wird.

Wir müssen uns überall um Optimierung bemühen, denn sonst bewahrheitet sich das, was Bertolt Brecht sicherlich in anderem Zusammenhang so formuliert hat: Der große Sport fängt da an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein. Für viele Bereiche gilt das schon.

Wenn Sie mal fragen würden: „Glauben Sie, dass bei Radrennen jemand fährt, der nicht gedopt ist und trotzdem gewinnen kann?“, würden die meisten, die zugucken, inzwischen mit Nein antworten. Das ist traurig. Solche Dinge müssen geändert werden. Insbesondere der Sport selbst hat ein großes Interesse daran, dass das geschieht.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Innenminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1297 dem Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf: