Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Pflegewissenschaftlerin Doris Schiemann fordert nicht umsonst eine Positivliste, die alle guten Heime aufführt. Das motiviert die anderen Heime, ihre Standards zu verbessern. Wir müssen die Heime stärker als bisher öffnen. Die Heimleitung sollte Angehörige, ehemalige Nachbarn und Freunde der Bewohner ins Heim einladen sowie umgekehrt den Bewohnern den Weg nach draußen ebnen. Missstände haben dann gar keine Chance, vor sich hinzuschwelen.

Die latente Gefahr in der Beschreibung schlechter Zustände in den Heimen liegt nämlich darin, dass man damit indirekt die Schwelle, ins Heim zu gehen, größer macht. Die Angehörigen versuchen alles Menschenmögliche, die Heimpflege zu vermeiden, und riskieren damit aus Unkenntnis und Überforderung eklatante Probleme in der Pflege. Im Pflegeheim ist dagegen regelmäßige professionelle Pflege garantiert.

Nun ist aber die Politik gefordert, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Das hat etwas mit Finanzierung und Transparenz zu tun. Das wäre nach unserer Auffassung der Schlüssel zum Erfolg.

Es ist unerträglich, dass ein Altern in Würde immer wieder aus Kostengründen vertagt wird. Der SSW fordert daher die Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD auf, den im Berliner Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzausgleich schleunigst umzusetzen, um dort Druck zu machen.

Wenn wir eine humane Pflege wollen, dann müssen die Kostenträger die entsprechenden Mittel haben und zur Verfügung stellen.

Damit, meine Damen und Herren, stehen und fallen alle politischen Initiativen, die wir alle gern auf den Weg bringen wollen.

Wir sollten die beiden Anträge gemeinsam mit dem kommenden Pflegegesetzbuch des Landes im Sozialausschuss beraten,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um dann zu sehen, was wir mit den Mitteln, die wir haben, wirklich erreichen können. Ich glaube, daran haben wir alle ein gemeinsames Interesse. Vielleicht kriegen wir es einmal hin, ein gemeinsam beschlossenes Pflegegesetzbuch des Landes Schleswig-Holstein zu beschließen. Denn damit setzen wir Zeichen auch für die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nach § 56 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel zu einem Kurzbeitrag das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine Anmerkung zu dem Vorhaben der Großen Koalition machen, die den einen Antrag von uns an den Ausschuss überweisen will, unseren anderen Antrag aber ablehnt. Ich halte das erstens für ein merkwürdiges Verfahren und zweitens von der Sache her für ein sehr bequemes Verfahren.

In der Tat haben wir in diesem Bereich weitergehende Vorstellungen. Wir brechen neue Fragen auf. Wir haben auch die Frage der Finanzierung der Bürgerversicherung aufgeworfen. Das ist übrigens von der Sozialdemokratie bisher nicht abgelehnt worden. Dass die CDU diesen Punkt nicht behandeln und nicht diskutieren möchte, kann ich gut verstehen. Aber dass sich die SPD weigert, sich mit der Frage neuer Finanzierungsformen auseinanderzusetzen, ist schon etwas seltsam.

Es geht auch um die Frage neuer Modelle. Wir brauchen neue Modelle zwischen dem Altenheim, dem Pflegeheim und der häuslichen Pflege. Da geht es um Wohngemeinschaften, um neue Formen der Betreuung und so weiter. Das verursacht möglicherweise keine zusätzlichen Kosten. Vielleicht werden auch günstigere Möglichkeiten hervorgebracht, wenn neue Modelle in Form von Wohngemeinschaften angeboten werden.

Es ist Tatsache, dass viele Menschen nicht ins Pflegeheim wollen. Sie halten Ausschau nach neuen Formen. Ich bin überzeugt, dass die Pflegelandschaft in 20 Jahren völlig anders aussehen wird als heute.

In dieser Situation sich mit derartigen Fragen nicht auseinandersetzen zu wollen ist schon hochgradig peinlich. Sie selber hätten sich nicht getraut, hierzu einen Alternativantrag vorzulegen. Nun wollen Sie unseren einen Antrag in den Ausschuss überweisen und unseren anderen ablehnen. Sie machen es sich jetzt bequem, indem Sie sich für den FDP-Antrag entscheiden. Der ist Ihnen ein bisschen bequemer. Da sagen Sie vielleicht: Den überweisen wir in den Ausschuss, aber mit den Vorstellungen der Grünen wollen wir uns nicht auseinandersetzen.

Wenn Sie wirklich eine ernsthafte Auseinandersetzung wollen, müssen Sie beide Anträge an den

(Lars Harms)

Ausschuss überweisen. Sonst lassen Sie es sein und sagen gleich, dass Sie das Thema nicht diskutieren wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag erhält die Abgeordnete Frau Jutta Schümann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe begründet, warum wir den Antrag der Grünen ablehnen. Wir tun das deshalb, weil wir hier nicht feststellen, dass das, was die Koalition in Berlin erarbeitet hat, falsch ist. Es sind keine Einzelmaßnahmem. Es sind keine vagen und unkonkreten Korrekturen. Das sind sie nicht. Ganz im Gegenteil. Ich habe darauf hingewiesen.

Es gibt neue Wohnformen. Es gibt die Anerkennung von Pflegezeiten für Angehörige. Es gibt das Thema Rehabilitation. Ich kann den Katalog so runterbeten. Das ist sehr konkret.

Es ist auch sehr deutlich geworden, dass die Ministerin vorhat, das Thema neue Wohnformen im Alter auf Landesebene zu organisieren. Einmal abgesehen davon: Fahren Sie einmal mit offenen Augen durch das Land, dann sehen Sie, dass es solche seit vielen Jahren bereits gibt. Es gibt bereits betreutes Wohnen. Es gibt Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Fahren Sie einmal nach Eckernförde. Das gibt es so etwas. Fahren Sie einmal nach Lauenburg. Da gibt es so etwas. Es gibt solche Wohnformen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich spreche von Finanzierungs- fragen!)

- In der Tat, das muss neu finanziert werden. Das ist Bundesgesetzgebung. Die wird korrigiert. Das wird jetzt mit dem Pflegeversicherungsgesetz eingeleitet. Darüber werden wir diskutieren. Sie werden die Spiegelstriche Ihres Antrags in der Debatte wiederfinden. Deswegen werden wir den Antrag der FDP überweisen. Wir werden das diskutieren. Wir stellen nicht fest, dass das, was wir in Berlin vorgelegt haben, falsch und unkonkret ist.

(Beifall bei SPD und CDU - Zuruf des Abge- ordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Baasch [SPD]: Man muss Anträge besser formulie- ren!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen uns nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1600 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1601 dem Sozialausschuss sowie den mündlichen Bericht der Landesregierung dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so beschlossen.

Beantragt worden ist Abstimmung in der Sache über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1499. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung des SSW abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV AG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1566

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Innenminister, Herrn Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Ihnen von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf dient der Ratifizierung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland. Danach bleibt es bei dem seit Jahren geltenden Glücksspielmonopol des Staates für die Veranstaltungen von Sportwetten und Lotterien mit erhöhtem Gefährdungspotenzial. Ich freue mich, dass die Landesregierung zu dieser einvernehmlichen Position gekommen ist, die bekanntlich auch im Einklang mit den Beschlüssen der anderen 15 Landesregierungen steht.

Wir diskutieren das Glücksspielwesen hier nicht zum ersten Mal. Lassen Sie mich gleichwohl erneut

(Karl-Martin Hentschel)

die Position der Landesregierung erläutern. Anlass für die Neuordnung des Glücksspielwesens war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006, in dem grundsätzlich geklärt wurde, unter welchen Voraussetzungen staatliche Monopole im Glücksspielbereich mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Artikels 12 Grundgesetz vereinbar sind.

Das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Festhalten am staatlichen Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit erhöhtem Gefährdungspotenzial ist der beste Weg, den mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbundenen Gefahren zu begegnen. So kann Glücksspielsucht wirksam bekämpft werden. So können Glücksspielangebote kanalisiert und begrenzt werden. So kann auch der Jugendund Spielerschutz bestmöglich gewährleistet werden.

Forderungen nach vollständiger oder teilweiser Liberalisierung, wie sie auch aus Teilen dieses Hohen Hauses vorgetragen wurden, mussten schon deshalb verworfen werden. Das Kabinett kommt mit seiner Entscheidung vom 10. Juli 2007 seinen gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen nach und übrigens auch dem Wunsch, dass wir nicht aus dem Deutschen Lottoblock ausgeschlossen werden, und nicht einzelnen gewerblichen Interessen privater Lottoanbieter.

Selbst wenn durch den neuen Staatsvertrag künftig weniger Spielumsätze getätigt und weniger Konzessionsabgaben und Lotteriesteuern eingenommen werden, werden die staatlichen Einnahmen zur Refinanzierung von Aufgaben wie Sport, Kultur, Umwelt und Wohlfahrt immer noch höher sein als bei Freigabe des Glücksspielmarktes. Sicher würden die Glücksspielunternehmen aus steuerrechtlichen Gründen ihren Sitz in europäische Steueroasen legen und nicht in Altenholz bleiben. Altruismus ist nämlich nicht das handlungsleitende Motiv privater Spielevermittler. Jedenfalls wäre mir das neu.

Wettbewerb im Glücksspielbereich führt zu massiver Werbung und zu immer höheren Spielanreizen. Die Zunahme von problematischem Spielerverhalten bis zur Glücksspielsucht stünde zu befürchten. Die Gewinne würden von der Glücksspielindustrie eingenommen, also privatisiert, während die Negativfolgen von Verarmung hilfsbedürftiger Spielsüchtiger sozialisiert würden.

Dass Firmen für ihre eigenen Interessen werben, ist verständlich. Aber die Unterzeichnung des Staatsvertrages für das Glücksspielwesen durch die 16 Ministerpräsidenten als unglaubwürdige und rechts

widrige Politik zu bezeichnen und dies als demokratieschädigend zu titulieren, ist dann doch ein bisschen dick aufgetragen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig!)

Vielleicht hätten die Herren ein paar Euro mehr in einen Kurs für politische Bildung investieren sollen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei Ihnen wahr- scheinlich!)

Mich beruhigt es immerhin, dass den privaten Lottoanbietern scheinbar immer noch genügend Mittel zur Verfügung stehen, ganzseitige Werbeanzeigen im „Spiegel“ und anderswo zu schalten. Ich hoffe, dass noch genügend Geld im Jackpot übrig bleibt. Nach eigenen Bilanzerklärungen haben solche Firmen durch solche Werbeanzeigen und offenbar auch durch teure Anwaltsgebühren übrigens erhebliche Verluste erlitten. Das zeigt ein bisschen, dass diese Art und Weise, mit der Politik umzuspringen, doch jenseits des Normalen liegt. Ich fand, das war teilweise hart am Rand der Nötigung.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Die Regierungschefs der Länder haben den Lotteriestaatsvertrag unterzeichnet. Er soll am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf enthält die Zustimmung zu diesem Staatsvertrag und die notwendigen Ausführungsbestimmungen. Abgesehen von der durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Verlagerung der Aufsicht über die in öffentlicher Trägerschaft für von NordwestLotto veranstalteten Lotterien und Sportwetten vom Finanzministerium auf das Innenministerium bleibt es weitgehend bei der bisherigen Aufgabenverteilung.

Des Weiteren werden das Verfahren und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltungen oder die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele geregelt. Der Systematik des Staatsvertrages folgend sind Spezialregelungen für Lotterien mit geringem Gefährdungspotenzial vorgesehen, die dem geltenden Recht entsprechen. In Erfüllung des staatsvertraglich normierten Ziels des Spielerschutzes sind Regelungen zur Errichtung und Erhaltung eines Sperrsystems enthalten. In Ausschöpfung der Übergangsvorschrift im Staatsvertrag ist vorgesehen, die Veranstaltung und Vermittlung von Lotterien im Internet unter bestimmten Voraussetzungen übergangsweise bis zum 31. Dezember 2008 zu erlauben.