Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Bedeutung des Themas möchte ich nicht nur auf die Vorlage verweisen, sondern mitteilen, dass der Innen- und Rechtsausschuss den ihm durch Plenarbeschluss vom 12. Juli 2007 überwiesenen Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Jugend

strafvollzugsgesetz, Drucksache 16/1454, in mehreren Sitzungen, zuletzt am 5. Dezember 2007, beraten hat. Er führte eine schriftliche und eine mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durch.

Mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt der Ausschuss dem Landtag, den Gesetzentwurf der Landesregierung über den Vollzug der Jugendstrafen in Schleswig-Holstein - die Drucksache hatte ich genannt - unverändert anzunehmen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Dr. Johann Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes kommt der Landtag einer Verpflichtung zur Gesetzgebung nach, die aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 31. Mai 2006 resultiert. Darin wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende 2007 ein eigenes Jugendstrafvollzugsgesetz zu schaffen, welches den besonderen Anforderungen des Strafvollzuges im Bereich von jugendlichen und heranwachsenden Straftätern gerecht wird. Von maßgeblicher Bedeutung ist zudem die Entscheidung innerhalb der Föderalismusreform, durch welche die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich auf die Länder übertragen wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an der Stelle daran erinnern, dass sich dieser Landtag, wenn ich mich recht entsinne, mit dem Votum aller Fraktionen gegen diese Entscheidung gewandt hat. Hintergrund war unsere Befürchtung, dass eine Zersplitterung sowie ein Wettbewerb der Länder um den billigsten und schärfsten Strafvollzug in der Bundesrepublik beginnen könnte. Vorhin ist ja schon vom Kollegen Kubicki schlaglichtartig mit dem Stichwort Todesstrafe auf die Stimmung in der Bevölkerung hingewiesen worden. Deshalb möchte ich mich ausdrücklich beim Justizminister dafür bedanken, dass es gelungen ist, in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe Eckpunkte zu erarbeiten, die genau diesen Gefahren einer Zersplitterung und eines billigen Strafvollzuges begegnen.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Herr Justizminister, herzlichen Dank für die länderübergreifende Arbeit an dieser Stelle.

(Beifall bei CDU und SPD)

Es ist der richtige Weg, um gerade auch im Interesse der inhaftierten Jugendlichen bundeseinheitliche Vollzugsstandards zu gewährleisten.

Das Land Schleswig-Holstein hat sich der Aufgabe, den Jugendstrafvollzug in angemessener Form zu regeln, gestellt und sie, wie ich finde, in sehr guter Weise gelöst. Wir schließen uns - das hat der Berichterstatter deutlich gemacht - dem Gesetzentwurf des Justizministers ohne Änderung an. Das Ergebnis ist ein Gesetzentwurf, der sich am Ziel orientiert, jugendlichen Straftätern ein straffreies Leben und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu gewährleisten. Wir können es uns schlicht nicht leisten, schon im Jugendstrafvollzug kriminelle Karrieren zu verfestigen.

Der Gesetzentwurf wurde bereits im Vorfeld vielfach auch öffentlich gelobt. Im Rahmen der Anhörung wurden insbesondere die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens und die frühzeitige Einbindung von Praktikern und Wissenschaftlern betont.

Nach diversen Anhörungen und intensiven Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss bin ich der festen Überzeugung, dass der Gesetzentwurf nicht nur den Bedürfnissen der Inhaftierten gerecht wird - das muss im Vordergrund stehen -, sondern auch die Interessen der Strafvollzugsbediensteten wahrt und auch ihren Vorstellungen entspricht. Dies ist von nicht unerheblicher Bedeutung, denn sie sind es, die den täglich oft schwierigen direkten Umgang mit den Inhaftierten zu pflegen haben, die den Erziehungsauftrag zu vollziehen haben und die aus praktischer Erfahrung wissen, worauf es ankommt.

Der Gesetzentwurf trägt allen Erfordernissen des modernen Jugendstrafvollzugs Rechnung. Es geht nicht nur um das Wegschließen, sondern gerade auch darum, ein möglichst straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Tatsächlich müssen wir uns in vielen Fällen fragen, ob es eigentlich um die Resozialisierung geht oder in vielen Fällen nicht erst um eine erste Sozialisierung überhaupt. Deshalb versteht es sich von selbst, dass entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes der Erziehungsauftrag im Mittelpunkt des Entwurfes steht.

Insgesamt wird ein ganzheitliches Konzept entwickelt, welches daran orientiert ist, auch im Strafvollzug eine Tagesstruktur zu gewährleisten, die der im normalen Leben weitgehend entspricht. Der

Tag wird daher strukturiert in Arbeit, Ausbildung und Ruhezeiten beziehungsweise Freizeit.

Für sinnvoll halten wir es auch, dass der offene Vollzug, wie das insbesondere von den Grünen beantragt wird, oder auch noch ein freierer Vollzug nicht zum Regelfall gemacht wird. Der Jugendstrafvollzug ist regelmäßig das letzte Mittel, mit dem der Staat auf Jugendkriminalität reagiert. Angesichts der Qualität und auch der Quantität an rechtswidrigem Verhalten, das an den Tag gelegt werden muss, bis ein junger Mensch überhaupt in den Jugendstrafvollzug kommt, ist es nicht sachgerecht, vorrangig von einem offenen Vollzug auszugehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf zwei schleswig-holsteinische Besonderheiten an dieser Stelle aufmerksam machen. Erstens. Die Spruchpraxis unserer Jugendstrafrichter geht regelmäßig dahin, erst sehr spät überhaupt Strafvollzugsmaßnahmen anzuordnen. Es wird vorher versucht, mit sehr vielen anderen Maßnahmen Jugendliche oder Heranwachsende von weiteren Straftaten abzuhalten. Ich habe das nicht zu bewerten, weil das Richterentscheidungen sind. Aber in der Praxis müssen wir es so feststellen.

Zweitens. In kaum einem Bundesland wird das Jugendstrafrecht bei Heranwachsenden - das sind die 18- bis 21-Jährigen - in einem so großen Umfang angewandt wie in Schleswig-Holstein, nämlich bei über 90 % aller Fälle. Ich darf eine Vergleichszahl aus Nordrhein-Westfalen nennen: Da bewegt man sich im Bereich von 40 bis 50 %. Das heißt, die Praxis unserer Jugendstrafrichter ist gegenüber Jugendlichen und insbesondere gegenüber Heranwachsenden, die zum Teil über eine eminente kriminelle Energie verfügen, besonders zurückhaltend, tolerant und liberal. Deswegen muss hier die Möglichkeit bestehen, wenn schon eine Vollzugsmaßnahme ansteht, dass das dann auch im geschlossenen Vollzug geschieht. Es ist die Aufgabe des Jugendstrafvollzuges wie auch des Vollzuges insgesamt, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Deswegen sagen wir: An dieser Stelle muss der Opferschutz vor dem Täterschutz stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU und SPD)

Gerade auch im Freizeitbereich ist es von Bedeutung, die Inhaftierten an eine sinnvolle Gestaltung heranzuführen. Hierfür bedarf es freilich nicht unerheblicher Investitionen, die aber durch den Zweck und den Erziehungsauftrag auch gerechtfertigt sind.

Ich bin dankbar dafür, das das Prinzip der Einzelunterbringung weiterhin möglich ist, um Gewalttaten

(Dr. Johann Wadephul)

zwischen Gefangenen vorzubeugen, sie vor Übergriffen durch Mithäftlinge zu bewahren und ein hinreichendes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten. Angesichts der erschütternden Vorkommnisse in einzelnen Jugendhaftanstalten anderer Bundesländer ist der bestehende Handlungsbedarf deutlich hervorgetreten und wir brauchen dieses Instrumentarium weiterhin.

Zu Anträgen, die dahin gehen, im Wohngruppenvollzug Wohngruppengrößen festzulegen, muss ich darauf hinweisen, dass es nach allen Erkenntnissen der Strafvollzugslehre keine empirischen Belege dafür gibt, die eine bestimmte Größe von Wohngruppen vorschreiben. Deswegen ist es gut, wenn wir das in den Händen der jeweiligen Anstaltsleitungen lassen. Es kommt immer darauf an, welche Häftlinge in der Wohngruppe untergebracht werden. Es ist nicht sinnvoll, als Gesetzgeber hier von vornherein einschränkend einzugreifen.

Eine sinnvolle Organisation des Strafvollzuges bei Jugendlichen ist eine Investition in die Zukunft. Erziehung und Therapie müssen absoluten Vorrang haben. Der Gesetzentwurf ist daher auch mehr als eine bloße Umsetzung der Vorgaben des Verfassungsgerichtes. Natürlich muss auch in diesem Bereich der Haushaltslage hinreichend Rechnung getragen werden und der Investitionsbedarf muss auf ein darstellbares Maß beschränkt werden.

Nun gilt es, die im Gesetz skizzierten Ansätze mit Leben zu erfüllen und in die Praxis umzusetzen. Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einem ganzen Jahr intensiver Diskussion über das erste Jugendstrafvollzugsgesetz für Schleswig-Holstein in der Fachöffentlichkeit und hier im Parlament, in den Ausschüssen steht nun der im Juni von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur Abstimmung. Die SPD-Fraktion hätte gern an einigen Punkten Klarstellungen angebracht beziehungsweise einige Formulierungen aus der Begründung zum Gesetzentwurf der besseren Klarheit wegen in den Gesetzestext übernommen. Dar

auf konnten wir uns mit unserem Koalitionspartner leider nicht einigen.

Wir geben dennoch uneingeschränkt unsere Zustimmung zu diesem Gesetz. Es setzt an bei der in Schleswig-Holstein seit Jahren geübten Praxis eines fortschrittlichen, auf Bildung und Erziehung orientierten Jugendstrafvollzugs. Das Gesetz ist offen für neue Formen des Strafvollzugs und für die Einbeziehung von freien Trägern, von Ehrenamtlichen, auch für die Einbeziehung der Eltern. Es nimmt natürlich die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts auf. Es war unsere Aufgabe, diese zu erfüllen.

Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die Eingliederung in die Gesellschaft. Ich bin auch nach den Diskussionen im Rahmen der Anhörungen der letzten Monate nicht der Meinung, dass dies konterkariert würde dadurch, dass dem Vollzug daneben die Aufgabe zugewiesen wird, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.

Alleiniges Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die Resozialisierung, und zwar durch Erziehung und Ausbildung, durch Therapien und Beratung, durch Kontakte mit den Angehörigen, die verstärkt werden sollen, durch sinnvolle Freizeitgestaltung und insbesondere auch durch das Zusammenleben der jungen Gefangenen in Wohngruppen. Dies alles ist durch dieses Gesetz abgesichert beziehungsweise auf den Weg gebracht.

Wie Sie wissen, steht den jungen Gefangenen schon heute ein breites Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten und Beratung zur Verfügung. Der Ausbau einer sozialtherapeutischen Abteilung wird heute Gesetz. Auch was die Betreuung in Wohngruppen angeht, sind wir auf einem guten Weg. Die Jugendanstalt Schleswig präsentiert sich geradezu als Vorzeigeanstalt. In Neumünster allerdings ist bei den jetzigen baulichen Gegebenheiten ein Wohngruppenvollzug nicht möglich. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Denn nach dem heute zu verabschiedenden Gesetz sind die Gefangenen grundsätzlich in Wohngruppen unterzubringen, wenn sie dazu geeignet sind, so wie es uns das Bundesverfassungsgericht vorgibt.

Auch die Einbeziehung von externen Fachleuten ist Praxis im schleswig-holsteinischen Jugendvollzug. Schon heute gehen 10 % der Nettoausgaben für den Strafvollzug an außervollzugliche Dritte. Diese Zusammenarbeit bekommt mit dem Gesetz eine neue Verbindlichkeit und Qualität. Wir wollten allerdings nicht so weit gehen, wie es in den Anträgen, die uns vorliegen, vorgesehen ist, den freien Trä

(Dr. Johann Wadephul)

gern im Rahmen der Subsidiarität Aufgaben des Vollzugs umfassend zu übertragen. Wir fürchten auch ein bisschen den Einstieg in die Privatisierung. Aber die gute Praxis, Externe in die Anstalten zu holen, wollen wir auf jeden Fall beibehalten und ausbauen.

Wichtig ist für uns auch, die Eltern mit ins Boot zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist im Gesetz vorgesehen. Wir hätten uns da zum Beispiel bei der Vollzugsplanung eine etwas verbindlichere Formulierung gewünscht. Wir wissen aber auch, dass viele der Eltern dieser Jugendlichen, die oft „rundum verwahrlost“, wie es ein Mitarbeiter in einer Justizvollzugsanstalt beschrieben hat, im Vollzug landen, dem Vollzugsziel oft nicht eben förderlich sind. Da muss man schon differenzieren. Aber wenn sie sich für ihre Kinder engagieren, sollten sie, wie die Jugendhilfe, die oft schon im Vorfeld beteiligt ist, bei der Vollzugsplanung, im Vollzug und vor allem beim Übergang in die Freiheit aktiv mitwirken und dazu auch aufgefordert werden.

Breiten Raum in der Diskussion - Herr Wadephul hat es schon angesprochen - hat die Frage „geschlossener Vollzug/offener Vollzug/Vollzug in freien Formen“ eingenommen. Es gibt gewichtige Stimmen, die fordern, den offenen Vollzug als Regelvollzug einzurichten. Diese Forderung findet sich auch in den vorliegenden Anträgen. Im Gesetz sind geschlossener und offener Vollzug gleichrangig genannt. Die Jugendlichen sollen allerdings nur im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen und wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass sie nicht - ich sage es einmal ganz flapsig - abhauen beziehungsweise neue Straftaten begehen.

Ich bin der Meinung, das ist eine akzeptable Hürde, die die Anstaltsleitung, die ihre Pappenheimer ja kennt, verantwortlich abschätzen muss und abschätzen kann. Dabei ist zu bedenken - auch darauf hat Herr Wadephul schon hingewiesen -, dass die Verurteiltenrate in Schleswig-Holstein außerordentlich niedrig ist. Hier wird nicht so schnell die Freiheitsstrafe verhängt. Wer in Schleswig oder Neumünster einsitzt, hat in der Regel schon eine solide kriminelle Karriere oder schwere Gewalttaten hinter sich.

Im Übrigen - auch darauf ist hinzuweisen - ist in keinem anderen Bundesland vorgesehen, den offenen Vollzug als Regelvollzug einzurichten. Ich will dennoch wiederholen, was ich schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes gesagt habe: Die Quote offener/geschlossener Vollzug muss verbessert werden. 3 % im offenen Vollzug in Schleswig-Holstein sind zu niedrig. Vor allem zur Vorbereitung der

Entlassung muss der offene Vollzug stärker eingesetzt werden. Aber den offenen Vollzug als Regelvollzug festzuschreiben, das ginge vollkommen an der Realität vorbei. Wenn wir bedenken, dass die zehn Plätze, die wir in Schleswig zur Verfügung haben, regelmäßig nicht einmal zur Hälfte besetzt sind, dann kann man solche Wolkenkuckucksheime nicht in das Gesetz schreiben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Was den Vollzug in freien Formen angeht, da gibt es in der Tat sehr interessante Projekte in anderen Bundesländern. In unserem Gesetz wird diese Form zwar nicht direkt genannt - allerdings in der Begründung -, aber über § 15, Vollzugslockerungen, besteht jede Möglichkeit, in diese Richtung zu gehen. Ich weiß, dass es freie Träger gibt, die großes Interesse daran haben. Wir werden diese Entwicklung positiv begleiten. Ich bin sicher, dass das auch vom Ministerium her so gesehen wird. „Vollzug in freien Formen“, das klingt ja in manchen Ohren ein bisschen nach „Kuschelpädagogik“. Wer sich diese Projekte in Baden-Württemberg und andere einmal hat präsentieren lassen, der versteht, das ist knallharter Vollzug, der eine hohe Disziplin und große Einsicht von den Jugendlichen fordert. Auch dafür sind nur wenige Jugendliche geeignet. Das haben die Träger, die in Schleswig-Holstein infrage kommen, auch bestätigt beziehungsweise sie weisen darauf hin, dass eine solche Einrichtung von schleswig-holsteinischen Gefangenen nicht ausgefüllt werden kann und möglicherweise eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern nötig wäre.

Ein weiterer Schwerpunkt der zurückliegenden Diskussionen war das Thema Entlassungsvorbereitungen. Auch dies findet sich in den Anträgen. Unbestritten sind die ersten Wochen nach der Haftentlassung maßgeblich dafür, ob der Alltag ohne weitere Straftaten bewältigt werden kann. Deshalb müssen für diesen Zeitraum die Weichen rechtzeitig gestellt werden. Die Entlassungsvorbereitungen setzen bereits bei Haftbeginn ein, zum Beispiel mit den Überlegungen hinsichtlich einer Ausbildung. Der Vollzugsplan muss Angaben enthalten über Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge. Allein deshalb ist es wichtig, dass die außervollzuglichen Träger und Behörden - Jugendamt, Bewährungshilfe und ganz wichtig die Arbeitsagentur - bei der Vollzugsplanung beteiligt werden. Dies ist im Gesetz geregelt.

Sinnvoll ist natürlich, zur Vorbereitung auf die Entlassung den Vollzug zu lockern, auch das sieht das Gesetz vor, oder, wo das möglich ist, aus dem offe

(Anna Schlosser-Keichel)

nen Vollzug heraus zu entlassen. Im Gesetz besteht dafür großer Raum. Die Umsetzung dieses Übergangsmanagements ist, denke ich, die große Herausforderung für den Justizvollzug in den nächsten Jahren. Wir wissen, alle Ausbildungsmaßnahmen im Vollzug - wir tun da viel und setzen viel Geld dafür ein - sind vergebliche Liebesmüh, wenn der junge Mann am Tag der Entlassung ohne Job und ohne Wohnung fast zwangsläufig sofort in seine alte Szene abtaucht.

Der diesjährige Jugendgerichtstag hat diese Situation unter dem Tagungsthema „Fordern, Fördern, Fallenlassen“ zusammengefasst. Ich bin davon überzeugt, dass das vorliegende Gesetz das notwendige Handwerkszeug bietet, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)