Protokoll der Sitzung vom 29.02.2008

„steht die von der verklappten Munition ausgehende Gefahr in keinem Verhältnis zu den Kosten einer systematischen Räumung aller bekannten Lagerstätten.“

Darüber hinaus war es die rot-grüne Bundesregierung, die die Zuschüsse für Fischer für Munitionsfunde abgeschafft hat. Vorher gab es für die Ablieferung von Minen oder sonstiger Munition im Beifang eine Vergütung. Das hat dazu geführt, dass die Fischer die Munition, dessen Transport bis zum Hafen manchmal nicht ganz risikolos ist, zumeist ordnungsgemäß abgeliefert haben. Mit der Streichung dieser Prämie hat Rot-Grün damals dazu beigetragen, dass die Motivation der Fischer, einen entsprechend riskanten Transport vorzunehmen, gesunken ist. Das erhöht im Gegenzug sogar die Motivation, die Munition gleich wieder über Bord zu werfen mit der Folge, dass sie weiter über den Meeresboden verteilt wird.

Wir müssen allerdings der damaligen Agrarministerin von der SPD, Frau Franzen, zugutehalten, dass sie sich für die Wiedereinführung dieser Prämie eingesetzt hat. Sie hatte aber keinen Erfolg bei ihren Parteifreunden in Berlin.

Dennoch scheint die von der FDP in Lübeck immer wieder vorgebrachte Diskussion langsam Früchte zu tragen. Noch am 19. Februar 2008 konnten wir in den „Lübecker Nachrichten“ lesen, dass das Innenministerium die Suche nach den Giftgasflaschen fortsetzen und nun endlich eine Bergung vornehmen will. Das ist ein Anfang. Das begrüßen wir in der Hoffnung, dass nach den Kommunalwahlen im Mai nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen und das Problem bis zu den nächsten Wahlen verdrängt wird.

(Konrad Nabel)

Wer in meiner Kleinen Anfrage aus 2001 weiter nachliest, wird beispielsweise feststellen, dass sich die größten bekannten Versenkungsgebiete von Munition in der Lübecker Bucht vor Grömitz und Neustadt, im Fehmarnbelt nördlich der Fährlinie Puttgarden-Rödby-Havn, nördlich und südlich der Schleimündung und in der Flensburger Außenförde in deutsch-dänischen Gewässern befinden.

Wir sollten uns im Ausschuss weiter informieren lassen, wie die Landesregierung mit diesen Lagerstätten umzugehen gedenkt, ob eine Räumung dieser Gebiete geplant ist beziehungsweise aus welchen Gründen dies nicht geschehen soll.

Von daher sind wir sehr wohl mit der Verweisung in den Ausschuss einverstanden und hoffen, dass wir dort die weiteren offenen Fragen klären können.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Frau Vorsitzenden, der Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versenkung von Kampfmitteln in der Ostsee nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist ein Problem, das uns Generationen später immer wieder einholt. Seinerzeit wurde verantwortungslos und billig entschieden, das Problem einfach im Meer zu entsorgen - nach dem Motto: aus den Augen aus dem Sinn. Leider verfügen wir nicht über genaue Mengenangaben, sodass wir uns hierbei nur auf Schätzungen berufen können - diese belaufen sich auf 300.000 t chemischer Kampfstoffmunition und mehrere Hunderttausend Tonnen konventioneller Munition. Die beiden größten Versenkungsgebiete für chemische Kampfstoffe sind das Skagerrak und das Bornholmer Becken. In den deutschen Küstengewässern wurde größtenteils konventionelle Munition versenkt. Wir haben es hier also mit einem massiven Problem zu tun, das gelöst werden muss.

Seinerzeit wurde die günstigste Lösung für die Entsorgung gewählt und Auswirkungen auf die Umwelt spielten zu dem Zeitpunkt keine Rolle. Die Billiglösung von einst holt uns nun, Jahrzehnte später, wieder ein. Es hat immer wieder Zwischenfälle mit Munitionsfunden gegeben, vor allem in der Fi

scherei. Das hat dazu geführt, dass es seit Mitte der 80er-Jahre in Deutschland und in anderen europäischen Ländern eine politische Diskussion über die Gefahr für Mensch und Umwelt durch Kampfmittel gibt. Untersuchungen und Bestandsaufnahmen aus den 90er-Jahren kamen zu dem Ergebnis, dass nicht auszuschließen ist, dass die Munitionsablagerungen langfristig gefährliche Einflüsse, insbesondere auf die Meeresumwelt, haben können. Wie gesagt, diese Erkenntnisse liegen uns bereits seit Langem vor.

Die jetzige Diskussion ist durch die Munitionssprengungen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten aufgekommen, die eine Gefahr für die Meeresfauna darstellen. Insbesondere ist hier das Problem für Schweinswale in Nord- und Ostsee zu nennen. Der Minister sprach dieses in seinem Bericht an. Schwerwiegende Verletzungen und Hörschäden bei den Meeressäugetieren resultieren aus den Sprengungen. Immer wieder wird von Umweltverbänden gefordert, die bisherige Vorgehensweise zu ändern und neue umweltschonendere Methoden bei der Kampfmittelbeseitigung zu nutzen. Auch das geschieht mittlerweile, das haben wir gehört.

Aber auch das Vorkommen von Kampfmittelresten in der Lübecker Bucht hat die Diskussion aufs Neue angefacht. Umweltverbände, Tourismuswirtschaft und Fischerei haben auf die Gefahren hingewiesen, wenn eine der Flaschen am Strand Leck schlagen sollte. Ein solches Szenario ist kaum vorstellbar. Die genannten Vorkommen von Giftgas, die nur wenige Kilometer vom Strand entfernt sein sollen und die in keiner Karte verzeichnet sind, stellen somit eine echte Gefahr dar. Untermauert wurde dies durch einen Bericht des Fischereiamtes von 1970 und später durch ein Schreiben aus dem Bundeskanzleramt. Demnach sollen sich vor Travemünde zahlreiche Giftflaschen mit gefährlichen Gasen befinden. Jahre später wurden diese Informationen über Giftgas in der Lübecker Bucht als Falschmeldung annulliert.

Mittlerweile hat eine Überprüfung des Innenministeriums ergeben, dass an der vermuteten Verklappungsstelle keine Giftflaschen gefunden wurden. Da sich die Landesregierung anscheinend über die genaue geografische Lage nicht sicher ist, kann dies aus unserer Sicht nur bedeuten, dass die Untersuchungen weiter vorangebracht und ausgedehnt werden müssen. Wir brauchen Klarheit, wenn es um derartige lebensgefährliche Stoffe geht. Ich denke, der Bericht des Innenministers weist genau in diese Richtung. Von daher macht es Sinn, dass sich der Fachausschuss weiter mit dieser großen Gesamtproblematik befasst. - Wir hatten keinen schriftlichen

(Günther Hildebrand)

Bericht, deshalb keine weiteren Aussagen. Der Ausschuss wird sich damit beschäftigen. Das tut er und ich denke, dann wird man auch zu weiteren Fragen und hoffentlich auch zu weiteren Lösungen kommen.

(vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die FDP nun doch ein paar Wahlkampftöne hier in die Diskussion gebracht hat, möchte ich noch einmal ein paar ergänzende Worte sagen. Wir haben im Herbst 1992 hier im Landtag ein vergleichbares Thema sehr intensiv diskutiert. Unser damaliger Umweltminister Bernd Heydemann hat versprochen, die Helsinki-Kommission damit zu beschäftigen, einen Altlastenatlas für die Ostsee zu erstellen. Dieser wurde schließlich 1994 erstellt. Alle schleswig-holsteinischen Ministerien haben dafür das ihre getan, nur das Bundesverkehrsministerium hat im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftministerium die Anweisung gegeben, dass die Giftlager nicht erwähnt werden. Auch die 1961 vor Lübeck verklappten Giftflaschen durften nicht erwähnt werden.

Ich sage das deshalb hier, weil das zur Richtigstellung der gesamten Geschichte gehört. Es ist gut, dass wir jetzt daran arbeiten. Wir sollten aber aufhören, mit der Vergangenheit irgendwelche Wahlkampfspielchen zu treiben. Ob es nun die Lübecker FDP, die schleswig-holsteinischen Grünen oder wir oder Ihr hierzu etwas sagen, wichtig ist, dass wir gemeinsam mit den Ostseeanrainerstaaten und den norddeutschen Bundesländern an diese Aufgabe herangehen,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um endlich dafür zu sorgen, dass die Angst, die die Menschen haben - es ist klar, dass sie die haben, weil das Umweltbewusstsein auch bezogen auf die Meere gestiegen ist -, nicht dazu führt, dass uns der Tourismus weg bleibt. Ich finde, das ist das Allerwichtigste.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch noch einmal etwas an die Adresse von Herrn Bernstein sagen. Das war mir von Ihrer Seite nun doch wieder zu verharmlosend. Ich habe gesagt, wir sollten diese Debatte nicht als Panikdebatte führen, sondern sachlich vorgehen. In der Tat ist es so, dass die von Ihnen erwähnten Kampfmittel im Wesentlichen alle außerhalb der Hoheitsgewässer ausgebracht wurden oder ausgebracht worden sein sollten. Allerdings wissen wir zwischenzeitlich, dass auf dem Weg dahin - vielleicht aus Kostenersparnisgründen - zum Teil auch schon vorher etwas abgeworfen und nicht so deklariert wurde. Das ist eine Unsicherheit.

Im Übrigen haben wir es aber nach offizieller Lesart nicht mit Kampfmittelablagerungen in den schleswig-holsteinischen Küstengewässern zu tun, sondern mit Munition. Natürlich ist es nicht so, dass nichts stattgefunden hat. Daher darf ich einmal aus dem Bericht der BSH vorlesen, in dem die durch die Erprobungsstellte 53 der Bundeswehr genommenen Proben bewertet worden sind:

„Die Untersuchung der gehobenen 28 Bomben und 15 Granaten zeigte, dass ein großer Teil der Munition, die ungefähr 50 cm in den Schlick eingesunken war, durch Korrosion zerstört war und keinen Kampfstoff mehr enthielt. In den in unmittelbarer Nähe genommenen Wasserund Sedimentproben konnten keine Spuren der Kampfstoffe nachgewiesen werden.“

Das heißt, dass wir Probleme haben. Ich finde es auch nicht richtig, Herrn Nehring hier herabzusetzen und zu sagen, dass er hier womöglich auf Aquisetour sei. Von ihm haben wir immerhin die Hinweise bekommen, die zu dem erfolgreichen Aufsuchen dieser Stellen geführt haben. Ich finde, das ist eine Sache, die ihn ehrt und die ihn nicht herabsetzt. Ich weiß nicht, ob er diese Hinweise mit einer Rechnungsstellung verbunden hat. Ich glaube es nicht.

Im Übrigen ist sehr stark zwischen dem Phosgen Lachgas und Chlorgasfunden in der Lübecker Bucht und den Kampfstoffresten zu unterscheiden,

(Anke Spoorendonk)

bei denen eher die Sicherheit und die Leichtigkeit des Schiffsverkehrs im Mittelpunkt der Betrachtung zu stehen haben. Die Streichung der Prämien hatte auch eine wirtschaftliche Motivation. Da sollte nicht so sachkundig getan werden, wie es zum Beispiel die dafür Berufenen tun. Zum Beispiel verdient der Kampfmittelräumdienst damit Geld. Auch das war ein Hintergrund.

Herr Kollege Hildebrand, wer im Jahr 2001 eine Kleine Anfrage gestellt hat und dieses Problem für gravierend hält, der hätte in den Folgjahren auch einen stärkeren politischen Druck entfalten können, um heute mit größerer Glaubwürdigkeit dazustehen. Lassen Sie uns die ganze Geschichte angemessen behandeln, also weder in Panik noch mit zu großer Leichtigkeit. Mit dem Bericht, den der Herr Minister gegeben hat, bin ich bisher sehr zufrieden. Ich finde auch die Zusammenarbeit sehr angemessen. Gleiches gilt für die Anwendung neuer Methoden, die auf einem Kongress vor zwei oder drei Monaten angedacht und entwickelt wurden. Diese finden heute im Bereich der Landesregierung Anwendung. Ich finde, das ist ein vernünftiges Vorgehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns alle darin einig sind, dass wir sachlich mit der Materie umgehen wollen, dann will auch ich versuchen, dazu einen Beitrag zu leisten. Über Herrn Nehring kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Er ist so freundlich, seine komplette Veröffentlichungsliste im Internet anzubieten. Jeder mag sich einen Eindruck darüber verschaffen, inwiefern das alles rein wissenschaftlich oder darüber hinausgehend ist.

Bei den tatsächlichen Fakten über Kampfstoffe, Munition oder Stoffe, die über Gasflaschen ins Meer gelangt sind, muss man - so glaube ich - drei Bereiche unterscheiden: Erstens. In Küstennähe verbrachte Kampfstoffe, und zwar in welcher Form auch immer; in Form von Gasflaschen, über die wir diskutieren, oder durch Abwürfe auf dem Weg zu Verbringungsstellen außerhalb des Hoheitsgebietes. Innerhalb der sowjetischen Besatzungszone soll beispielsweise nach Transportvolumen gezahlt wor

den sein. Für diejenigen, die in Richtung Versenkungsstelle gefahren sind, war es natürlich eine Verlockung, den Weg zu verkürzen. Das lässt sich sicher nachvollziehen. Um diese Dinge sollten wir uns ganz gezielt und prioritär kümmern, da die möglichen Bedrohungen für die Küste und auch die Befürchtungen hier am größten sind.

Zweitens. Kampfstoffe, die sich außerhalb unserer Hoheitsgewässer befinden. Hier wurden bei inzwischen durchgeführten Messungen zumindest für ein Gebiet im größeren Umfeld bislang keine größeren Belastungen festgestellt.

Drittens. Ohne in den Verdacht der Verharmlosung zu geraten, muss man dies ganz deutlich aussprechen: Bei der gesamten Menge an konventioneller Munition, die sich in der Ostsee befindet, brauchen wir über eine komplette Räumung gar nicht zu diskutieren. Diese steht nicht zur Debatte. Wir müssen ganz deutlich sagen: Dort, wo von versenkter konventioneller Munition eine Gefahr ausgeht, dort geht diese Gefahr insbesondere dann aus, wenn es sich um Gebiete handelt, in denen viele Taucher oder Badegäste unterwegs sind. Eine Gefahr geht also insbesondere dann aus, wenn eine solche Küstennähe vorliegt, dass die Gefahr besteht, dass jemand den Kram in die Hand nimmt. Ansonsten ist ein großer Teil der Gefahr, die von der Korrosion ausgeht, die sie angesprochen haben, im Laufe der Zeit ohnehin gebannt. Ich wiederhole daher, was ich vorhin sagte: Ein großer Teil der konventionellen Kampfstoffe liegt dort, wo er jetzt liegt, ganz gut.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1891 (neu) durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1890 an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Zukunft des Universitätsklinikums

(Detlef Matthiessen)

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1894

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1916 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Frau Abgeordnete Angelika Birk hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt leider einen Anlass dafür, dass wir das Thema Universitätsklinikum zum wiederholten Mal in den Landtag tragen müssen. Wir haben leider Anlass zu der Sorge, dass sich der Sanierer und offensichtlich auch der Minister nicht an das bisher vereinbarte Verfahren halten. Im letzten Sommer wurde von der Landesregierung versprochen, dass der Sanierer, Herr Schleifer, bis zum nächsten Sommer ein Sanierungskonzept vorlegen wird. Danach sollte über die Zukunft des UK S-H entschieden werden.