Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Herr Hentschel, ich darf noch einmal bitten: Keinen Dialog!

Herr Hentschel, wir können gern eine Fragestunde machen. Das Instrument soll es ja geben. Dann werde ich Ihnen die Fragen auch beantworten. Dazwischenrufen bringt nichts, insbesondere dann nicht, wenn es nicht verständlich ist.

Wer auch immer glaubt, eine Politik machen zu können, die heute ein sofortiges Umschalten in ausschließlich erneuerbare Energien ermöglicht, ist auf dem Irrweg. Die Debatte um das Thema Biosprit in den letzten Wochen hat deutlich gemacht, dass es Patentlösungen nicht gibt. Wir brauchen längere Zeit. Diese Landesregierung ist auf der Basis der früheren Landesregierung dabei, diesen Weg im Bereich Windenergie, im Bereich Wasserstoffenergie und im Bereich anderer Energie zu beschreiten. Aber von einem Tag auf den anderen ist das nicht möglich.

Ich sage Ihnen jetzt, was im letzten Jahr stattgefunden hat, um zu der These: „Es gibt genügend Strom“, richtig Stellung genommen wird. Im letzten Jahr waren zwei Kernkraftwerke nicht am Netz. Wir haben bei den Stromunternehmen gefragt: Wo holt ihr euren Strom her? - Der Strom, der in Deutschland als Ersatz an die Stelle des hier erzeugten Stroms gebraucht worden ist, kam aus einem Kernkraftwerk in Tschechien - Sie kennen das; der Name ist ein Begriff, ein Synonym für „besonders qualifiziertes Bauen im Strombereich“ geworden -, und aus einem Kernkraftwerk in Frankreich und in bescheidenem Maß aus Wasserkraft in Norwegen. Ich glaube nicht, dass das - Wasserkraft ja,

im Übrigen aber nicht - die Zukunft ist, die Sie und die wir alle hier wollen.

Ich denke, dass war heute ein guter Tag für die Energieversorgung, ein guter Tag für neue Arbeitsplätze und für Wirtschaftsansiedlungen. Ich hoffe, es wird auch ein Tag, an dem deutlich wird, dass es ein Tag der Verlässlichkeit, der Handlungsfähigkeit der Regierung ist.

(Anhaltender Beifall bei CDU, FDP und ver- einzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Minister. - Wir haben eine neu entstandene Redezeit. Das hat mich dazu gebracht, einen solchen Beitrag auch einmal durchgängig laufen zu lassen. Das Recht hat ein Minister auch. Die neu entstandene Zeit ist nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung dreieinhalb Minuten. Ich habe zwar zwei Wortbeiträge, zunächst den Herrn Abgeordneten Matthiessen. Wir berechnen das zunächst auf diese Zeit.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein, nein, das ist ein Dreiminuten- beitrag! - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, doch!)

- Es wäre schön, wenn er das selber gesagt hätte, wenn er weiß, was er will.

(Heiterkeit bei der CDU- Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsi- dentin, ich mache hier einen Dreiminutenbei- trag, wenn es recht ist! Dazu hatte ich mich auch gemeldet!)

Herr Minister, Ihren Theorien der Substitution der stillliegenden Atomkraftwerke, Biblis A, Biblis B, Krümmel und Brunsbüttel im letzten Jahr, nämlich, dass ein tschechisches Atomkraftwerk als Substitut hat herangezogen werden müssen, erstaunt mich zumindest vor dem Hintergrund, dass wir im Jahr 2007 19 TW/h Strom exportiert haben und dass wir zum Zeitpunkt der höchsten Lastspitze im gesamten Netz immer noch 2.000 MW Leistung zur Verfügung hatten, die für den Export zur Verfügung gestellt worden sind. Vor dem Hintergrund ist es naturwissenschaftlich erstaunlich, dass Sie sagen, es sei von außen importiert worden, um das zu substituieren.

(Minister Dietrich Austermann)

Die Zeit ist nicht so üppig. Ich möchte trotzdem gern Folgendes wissen. Ich habe eine Erklärung des Ministers vermisst: Das Kohlekraftwerk in Brunsbüttel wird in CCS-Technik gebaut.

(Zuruf)

- Ich habe nicht gehört, dass dieses Kraftwerk verbindlich in CCS-Technik gebaut wird.

Ich sage Ihnen einmal, was CCS-Technik bedeutet.

Erstens. Es muss funktionieren.

(Lachen bei CDU und FDP)

Ich habe selber - was ist daran lächerlich? - im Rahmen meiner energiepolitischen Gespräche eine Veranstaltung nur zu CCS gemacht. Professor Wallmann vom Leibniz-Institut sagt: Es geht.

Ich war am Dienstag auf Einladung von E.ONKraftwerke mit dem Vorstandsvorsitzenden auf der Hannover-Messe auf einem Podium. Da hat Herr Dr. Luge gesagt: Aus seiner Sicht funktioniert es nicht. - Das sind zwei verschiedene Dinge. Ich glaube, Sie sind auf diesem naturwissenschaftlichen Gebiet auch nicht schlauer als ich.

Zweitens. Es kostet beim Einbau, wenn es denn funktioniert.

Drittens. Es senkt den Wirkungsgrad um Prozentpunkte. Wir landen sozusagen beim Stand der Altkraftwerke.

(Konrad Nabel [SPD]: 28 %!)

- Oder um noch mehr; das weiß ich jetzt nicht. Aber es wird um mindestens die Größenordnung gesenkt, die wir uns technisch verbessern. Diese Verbesserung ist ja ein Legitimationsargument, um jetzt in den Kohlekraftwerksbau einzusteigen. Die neuen sparen gegenüber den alten angeblich ja soviel CO2.

Energie muss transportiert werden. Energie muss verpresst werden. Wir brauchen ein Lager. Dafür wird eine Müllgebühr verlangt. Wir dürfen in diesem Lager keine Flüchtigkeit haben. Eine Flüchtigkeit von beispielsweise 2 % würde im Laufe der Zeit den Effekt wieder zunichte machen.

Ich habe nichts gegen die Forschung von CCSTechnik. Insofern haben Sie mich richtig zitiert. Ich habe den RWE-Dea-Leuten gesagt: „Ich finde es gut, dass daran geforscht wird, und das begeistert mich. Ich bin ein Technikfreak und Wissenschaftsnarr.“ Wenn wir die CCS-Technik zur Verfügung haben und sie nutzen, um neu aus der Erde herausgeholte Kohlestoffatome in Form von CO2 abzulagern

Die drei Minuten sind um.

- ich befinde mich im letzten Satz -, dann schieben wir kommenden Generationen einen Riegel zur Nutzung von CCS-Technik für Biomasse vor, weil dann die vorhandenen Lager für eine echte CO2Senke verstopft sein werden. Nur so können kommende Generationen überhaupt die Chance haben, CO2 aus der Atmosphäre in hochkonzentrierter Form herunterzufahren.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weil wir den kommenden Generationen neben dem schon vorhandenen Klimaschaden und neben Atomlagern dritte Ewigkeitskosten in Form von verstopften CO2-Lagern hinterlassen, bin ich gegen dieses Prinzip. Diese Generationen haben dann gar keine Chance mehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Wortbeitrag hat Herr Dr. Garg das Wort. Er wird uns sagen, ob sein Beitrag ein Kurzbeitrag sein wird.

(Zurufe)

- Nein, man kann nicht Dreiminutenbeiträge mit der Redezeit verbinden. Das habe ich auch schon einmal gemacht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Es ist ein Dreiminu- tenbeitrag!)

- Sie leisten einen Kurzbeitrag. Danke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Matthiessen, Sie haben sich gerade widersprochen. Sie haben sich einmal im Kreis gedreht. Auf der einen Seite erzählen Sie, dass Sie die CCSTechnik grundsätzlich für eine faszinierende Technologie halten, die eine Chance haben soll. Auf der anderen Seite warnen Sie davor, die Technologie einzusetzen, weil uns so Erblasten für die kommende Generation nicht erspart bleiben.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, da muss man ein bisschen denken, Herr Garg!)

(Detlef Matthiessen)

- Entschuldigung, dass ich Ihnen intellektuell nicht folgen kann, Frau Birk. Entweder man findet die Technologie gut und will sie zum Einsatz bringen, dann muss man den Bau von Kraftwerken zulassen, bei denen diese Technologie zum Einsatz kommt. Wenn man diese Technologie aber schlecht findet, dann darf man sie nicht zum Einsatz bringen. Wie schon gesagt, bedauerlicherweise kann ich Ihnen auch hier nicht ganz folgen.

Das bringt mich zu einem zweiten Punkt. Hier gibt es einen ähnlichen Widerspruch. Ich stelle fest, dass die Führungsspitze der Sozialdemokraten wieder fast vollständig anwesend ist. Die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD sind da, und die stellvertretende Ministerpräsidentin, die auch Abgeordnete ist, ist ebenfalls da. Ich möchte daran erinnern, worum mein Fraktionsvorsitzender, der Oppositionsführer, hier gebeten hat. Darum möchte ich auch bitten. Ich möchte von der Sozialdemokratie unter dem Stichwort der Redlichkeit wissen, wie die sozialdemokratische Landtagsfraktion hier zum Bau eines Steinkohlekraftwerks in Brunsbüttel steht. Wir müssen uns nichts vormachen, wir befinden uns im Kommunalwahlkampf. Ich möchte wissen, ob sie diesen Bau befürwortet und ausdrücklich unterstützt oder ob sie den Bau eines Steinkohlekraftwerks in Brunsbüttel ablehnt.

(Beifall bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jürgen Weber das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Garg, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten intellektuell Schwierigkeiten, dem Zwischenruf von Frau Birk zu folgen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das können Sie verstehen!)

- Das will ich gar nicht bewerten. Das steht mir nicht zu.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie hatten offensichtlich intellektuell auch Schwierigkeiten, den Ausführungen der Mitglieder meiner Fraktion zu folgen, die relativ deutlich und klar gesagt haben, dass es eine differenzierte Diskussion gibt, die jedoch ein paar Eckpfeiler hat. Ein Eckpfeiler ist, dass wir uns im Wahlprogramm immer

eindeutig und unmissverständlich für einen Kraftwerkstandort Brunsbüttel ausgesprochen haben. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Das ist völlig unzweideutig.

Vor Ort wird darüber diskutiert und entschieden, was für ein Kraftwerkstandort dort entwickelt werden soll. Dort gibt es jetzt den Weg, der in die Richtung eines Kohlekraftwerks zeigt. Es ist aufgrund der Klimadiskussion legitim, die Frage deutlich zu machen, ob man das aus landespolitischer und aus globaler Sicht für einen vernünftigen Schritt hält. Hier haben wir in der Tat Zweifel, die auch vorgetragen worden sind. Wenn man in einer solch schwierigen Diskussion, die weltweit geführt wird, Zweifel hat und es problematisch findet, diese Dinge einfach laufen zu lassen, dann muss man sich so verorten. Wir finden es notwendig, über solche Sachen ernsthaft zu diskutieren. Wir bleiben dabei.