Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

wenn ich wirklich wirkungsvoll vermeiden will, dass jemand zum Opfer wird - für mich ist das der beste Opferschutz -, dann muss ich versuchen, aus ehemaligen Tätern gesetzestreue Personen zu machen, zum Beispiel, indem ich ihnen Perspektiven eröffne. Für Jugendliche und Heranwachsende gilt das in ganz besonderem Maße. Leider hat die Landesregierung dies aus meiner Sicht bisher anders gesehen.

Darüber hinaus muss es selbstverständlich das begleitende Anliegen sein, das Opferleid anzuerkennen und aufzuarbeiten. Insoweit hat das Opfer seine eigenständige Rolle. Wie sich diese Anerkennung und Aufarbeitung indessen bestmöglich gestalten lässt, beantwortet sich nicht per se durch die Errichtung einer Stiftung. Dazu bedarf es vielmehr einer landesweiten Opferschutz-Strategie,

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die alle bisherigen Hilfsorganisationen einbezieht und Hilfeangebote bündelt und optimiert. Bereits heute gilt die Vernetzung der bestehenden Hilfsorganisationen als zufriedenstellend. Unter strategischen Gesichtspunkten lässt sich die möglicherweise sogar noch verbessern. Und vielleicht steht am Ende dieser Strategie dann auch eine Landesopferschutzstiftung als Ergebnis, Frau Schlosser-Keichel, nicht als Selbstzweck.

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen, weil ich sicher bin, dass wir zu einer gemeinsamen guten Lösung kommen, da wir alle die gleichen Intentionen haben.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei der CDU)

Ich bedanke mich bei dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

(Wolfgang Kubicki)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das meiste, was zu diesem Thema gesagt werden konnte, ist von meinen Vorrednern gesagt worden. Von daher ist es schwer, etwas Neues zu finden.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Ich will es auch nicht lange ausdehnen. Ich möchte nur sagen, dass natürlich die Vernetzung und die Berücksichtigung der bestehenden Arbeit bei der Gründung dieser Stiftung für mich ganz zentral ist. Dass ich überhaupt für eine solche Stiftung bin, liegt auch daran, dass die verschiedenen Einrichtungen, die wir haben - sowohl im ehrenamtlichen Opferschutz, Weißer Ring, als auch im hauptamtlichen Opferschutz, gerade die Frauenhäuser - genau diese Stiftung seit Langem fordern. Sie haben sich seit Langem engagiert für diese Stiftung eingesetzt und gesagt, dass sie das brauchen. Sie brauchen ein zusätzliches Instrument, um unbürokratisch Mittel bereitzustellen, wenn es Probleme gibt. Das hat mich bewogen zu sagen: Okay, wenn sie das alle so sehen und sagen, das braucht man, dann ist das sicherlich auch eine nötige Angelegenheit.

Aber - das ist schon einmal erwähnt worden - es ist natürlich ganz entscheidend, dass, wenn wir eine solche Stiftung einrichten, sie nicht auf Kosten der bestehenden Finanzmittel laufen darf. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Gerichtsurteile jetzt Mittel in die neue Stiftung geben und so weiter und so fort. Da gibt es viele Möglichkeiten, auch über Spenden und Erbschaften und was man alles hat. Das sind aber alles Quellen, die natürlich auch für die bestehenden Frauenhäuser, für den Weißen Ring und für andere Einrichtungen, zum Beispiel Jugendhilfeeinrichtungen, benötigt werden. Und die sind alle knapp dran. Wenn wir in diese Stiftung solche Gelder akquirieren, sind sie woanders weg. Dadurch werden die Mittel nicht mehr. Das ist eine ganz zentrale Forderung. Es macht nur Sinn, eine solche Stiftung einzurichten, wenn es auch gelingt, zusätzliche Geldmittel dafür zu gewinnen. Das muss auch ein zentraler Punkt im Ausschuss sein, dass wir eine Konstruktion haben, die das gewährleistet.

Zweiter Punkt: Es muss eine Unabhängigkeit von den bestehenden Organisationen gegeben sein. Natürlich gibt es Begehrlichkeiten, jede Organisation, die im Opferschutz tätig ist, hat das Begehren, privilegierten Einfluss auf diese neue Stiftung zu

bekommen. Das liegt in der Natur der Sache. Deswegen müssen wir eine Konstruktion finden - auch eine Frage der Aufhängung dieser Institution und in der Besetzung von Vergabegremien - die gewährleistet, dass eine unabhängige fallbezogene Entscheidung gefällt wird, wer unterstützt wird und wer nicht. Das heißt, die Antragsteller können es einbringen, aber es muss eine Institution geben, die das gewährleistet.

Ich kenne das vom Umweltschutz beim Bingo, wo das an sich ganz gut funktioniert. Wir brauchen ein entsprechendes Gremium, einen Vergabeort oder Ähnliches, der die Unabhängigkeit von den bestehenden Institutionen gewährleistet. Das sind die beiden Punkte, die zentral zu beachten sind. Wenn wir die beachten, glaube ich, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen. Ich freue mich sehr, dass wir nach so vielen Jahren, in denen auf dieses Thema immer wieder gedrängt worden ist - gerade von den Verbänden und Organisationen - jetzt an einem Punkt sind, wo es losgeht. - Danke, Herr Minister!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Hentschel. - Das Wort für den SSW erhält Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee einer Opferschutz-Stiftung ist nicht neu; das wissen Sie. Bereits 2002 hat der SSW den damaligen Antrag der CDU grundsätzlich begrüßt. Wir haben aber damals auch schon darauf hingewiesen, dass eine Stiftung niemals die Arbeit erledigen kann, die zum Beispiel der Weiße Ring tagtäglich macht.

Eine Opferschutz-Stiftung hat eine andere Ausrichtung, wie die Stiftung in Baden-Württemberg zeigt. Dort ist ein rechtskräftiges Gerichtsurteil Voraussetzung für die Zahlung durch die dortige Stiftung. Unmittelbar nach der Tat hilft die Stiftung also nicht. Wird jemand überfallen und kann danach beispielsweise die Heimfahrt nicht mehr antreten, wird ihm die Stiftung kein Geld vorstrecken. Die Stiftung gewährt auch kein Recht des Opfers auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie kann in besonderen Fällen helfen. Ein Rechtsanspruch besteht also nicht. Der Vorteil einer Stiftung besteht vor allem darin, dass in Notlagen geholfen werden kann. Ich denke, es wird in der Ausschussberatung wichtig sein zu sehen, wie dieses auch schnell und unbürokratisch umgesetzt werden kann.

Gesagt wurde vorhin schon, dass es in SchleswigHolstein dank einer ganzen Reihe von Institutionen und Organisationen um den Opferschutz heute besser steht als noch vor Jahren. Ich möchte hier an die Wegweisung gewalttätiger Männer aus den Wohnungen ihrer Familien hinweisen. Das ist praktizierter Opferschutz für die betroffenen Frauen und Kinder. Der Justizminister hat den Opferschutz also nicht neu erfunden - das hat er auch nicht behauptet -; er ist heute schon Teil der täglichen Routine von Polizei und Justiz. Der Opferbericht im letzten Jahr hat gezeigt, dass viele Organisationen - ich sagte das schon - die Opfer von Straftaten tatkräftig unterstützen. Gerade darum möchte ich auch noch einmal für den SSW sagen, dass die OpferschutzStiftung nicht gegen andere, bestehende Initiativen ausgespielt werden darf. Wir werden keine Konkurrenzsituation zulassen.

Richtig ist natürlich, dass sich die verschiedenen Verbände in der Anhörung vor dem Innen- und Rechtsausschuss grundsätzlich für die Errichtung einer Opferschutz-Stiftung ausgesprochen haben. Trotzdem müssen wir noch klären, wie wir die Finanzierung hinbekommen. Denn es besteht die Gefahr, dass Strafgelder, Schenkungen oder Erbschafts-Legate nicht mehr - wie jetzt möglich Frauen-Initiativen oder dem Weißen Ring, sondern der neuen Stiftung zufließen. Damit stehen wir dann von dem Problem, dass schließlich nur einmal Geld vererbt werden kann. Darum müssen wir Vorkehrungen treffen, um diese Konkurrenzsituation zu vermeiden. Ansonsten werden wir alles andere im Ausschuss klären.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/2058 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Ich stelle weiter fest, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt hatten, mündliche Berichte nicht an die Ausschüsse zu überweisen. Dieser Bericht scheint so überzeugend gewesen zu sein, dass immer wieder beantragt wurde, diesen Bericht doch an den Fachausschuss zu überweisen. Ich bitte damit um die Abstimmung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig so angenommen!

Bevor Sie in die Mittagspause gehen, möchte ich Sie noch bitten, eine Abstimmung mit mir durchzuführen, die mit den Fraktionen schon abgesprochen worden ist. Es geht um den Tagesordnungspunkt 38:

Schutz personenbezogener Daten in der europäischen Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Justiz

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1945

Ich schlage Ihnen vor, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1945, dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig so beschlossen!

Guten Appetit! - Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:10 bis 15:03 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die Vermutung begründet ist, dass die Beschlussfähigkeit sehr bald erreicht sein wird, eröffne ich die Nachmittagssitzung und begrüße auf der Tribüne ganz herzlich Vertreter der Handwerkskammern Flensburg und Lübeck, Vertreter des Wirtschaftsverbands Handwerk

(Beifall)

sowie die Damen des Landfrauenverbands Bargteheide mit - wie ich sehe - einigen männlichen Begleitern. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Lage und Entwicklung des Handwerks in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der FDP Drucksache 16/1596

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1941

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich das Wort für die Beantwortung der Großen Anfrage dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann.

(Anke Spoorendonk)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass das Interesse des Hauses zahlenmäßig so begrenzt ist, weil die meisten von dem, was wir als Antwort auf die Anfrage an die Landesregierung zur Situation des Handwerks deutlich gemacht haben, so begeistert sind, dass sie glauben, es sei entbehrlich, an der Sitzung teilzunehmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Regierung ist genauso schwach vertreten!)

- Nun, der Zuständige ist auf jeden Fall hier.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei uns auch!)

Ich möchte Ihnen jetzt meinen Bericht erstatten. Bei Ihnen ist es ja so, dass immer irgendjemand da ist, der für einen bestimmten Bereich zuständig ist.

(Heiterkeit bei der CDU)

In diesem Fall glaube ich, dass die Regierung ebenso kompetent vertreten ist wie das Parlament.

Ich freue mich, dass wir Ihnen eine sehr umfangreiche Darstellung über die Situation des Handwerks in Schleswig-Holstein vorlegen konnten. Das ist deshalb wichtig, weil das Handwerk die wichtigste Wirtschaftsbranche in unserem Bundesland ist. Wenn Sie sich erinnern, dass die Zahl der Mitarbeiter in den Handwerksbetrieben in Schleswig-Holstein in der Regel unter zehn beträgt, dann werden Sie mit mir gemeinsam feststellen, dass das Handwerk einer der wesentlichen Arbeitgeber in unserem Bundesland ist.

Die Große Anfrage, die dankenswerterweise von Mitarbeitern vieler Häuser erarbeitet worden ist und viel Koordinierungsaufwand mit sich brachte, vor allem jedoch das Wirtschaftsministerium beschäftigt hat, bringt in der Zusammenstellung eine Fülle von Daten, die den Strukturwandel, den das Handwerk in den letzten Jahren vollzogen hat, beschreiben. Sie zeigt dessen Rolle innerhalb der schleswig-holsteinischen Wirtschaft und die Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung des Handwerks auf.

Ich möchte aus der Fülle des Inhalts einige wichtige Punkte herausgreifen. Zunächst ein paar Fakten zur Bedeutung des Handwerks: Das Handwerk ist der größte Wirtschaftszweig in Schleswig-Holstein. Ein Fünftel aller Betriebe sind Handwerksbetriebe. Das Handwerk setzte im Jahr 2007 10,5 Milliarden € um. Das entspricht rund 9 % des Umsatzes aller Wirtschaftsunternehmen im Lande.

Da ja ständig darüber spekuliert wird, wie sich die Wirtschaft in nächster Zeit entwickelt, und betrachtet wird, wie sie sich entwickelt hat, möchte ich deutlich machen, dass wir uns, was das erste Quartal 2008 betrifft, in der positiven Entwicklung auch weiterhin deutlich absetzen. Da war davon die Rede, dass sich in Hamburg die gute Entwicklung nicht fortgesetzt habe. Beim Wohnungsbau gab es einen Rückgang um 20 %, bei Bauten für den öffentlichen Verkehr um 8 %. In Schleswig-Holstein können wir demgegenüber feststellen, dass der baugewerbliche Umsatz im ersten Quartal um 19 % gestiegen ist, nämlich auf 427 Millionen €, und dass sich die Auftragslage um 24 % verbessert hat. Da die Auftragslage nach dem Umsatz kommt, können wir davon ausgehen, dass sich die positive Entwicklung im Land auch im zweiten Quartal sehr deutlich fortsetzen wird.