Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Im Ergebnis ist ein erfolgreicher Angriff auf ein Kernkraftwerk mit einem entführten Verkehrsflugzeug so unwahrscheinlich, dass das verbleibende, nur theoretische Restrisiko eines solchen Angriffs weitere Maßnahmen der Aufsichtsbehörde oder gar den Genehmigungswiderruf nicht rechtfertigen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil übrigens nicht geprüft, ob der Schutz vor Terrorangriffen auf kerntechnische Einrichtungen ausreichend gewährleistet ist, sondern dem OVG Schleswig aufgegeben, diese Überprüfung vorzunehmen.

Bezug nehmend auf das Gutachten von Frau Dr. Ziehm bleibt mir persönlich noch eine Frage offen, die Herr Matthiessen vielleicht beantworten kann: Der Auftraggeber EUROSOLAR ist eine Lobby-Vereinigung der Solarenergieanlagenhersteller und -betreiber, deren Präsident der just in Hessen gescheiterte Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer ist. Was treibt die Solaranlagenhersteller und -betreiber an, sich derart mit der Sicherung von Kernkraftwerken auseinanderzusetzen? Schließlich ist das Gutachten von Frau Dr. Ziehm sicherlich bezahlt worden.

Die Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Brunsbüttel würde - selbstverständlich unter Einhaltung der strengen Sicherheitsstandards, die jetzt schon praktiziert werden - letztlich eine nicht unerhebliche Stärkung des Industrie- und Energiestandortes Brunsbüttel sein und die Diskussion über vier Kohlekraftwerksblöcke entspannen.

Ich möchte daran erinnern, welche wirtschaftliche Bedeutung die Stromerzeugung in Brunsbüttel nicht nur für die Region, sondern für Schleswig-Holstein insgesamt hat. Auch umweltpolitisch belegten neueste Gutachten die Unverzichtbarkeit von Kernkraftwerken für den Klimaschutz. Ich erinnere an

(Jens Magnussen)

lässlich der Haushaltsberatung zum Haushalt 2008 an eine Frage der Kollegin Heinold an den Umweltminister: Welche Risiken sehen Sie für den Umwelthaushalt? - Die Antwort war kurz und prägnant: Stillstehende Kernkraftwerke.

Neben Ausgabenreduzierung muss die Einnahmensteigerung stehen. Das sollte auch hier eine Botschaft sein. In diesem Sinne sollten wir den vorliegenden Antrag im Sozial-, im Wirtschafts- und im Umweltausschuss beraten.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Magnussen. Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Besucher aus der Gemeinde Silberstedt begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Olaf Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass die SPD-Fraktion ein hohes Interesse am schnellen Ende der Atomkraft in Deutschland hat.

(Claus Ehlers [CDU]: Die Meinung ändern die auch oft!)

- Moment!

Jede Facette der Sicherheit von Atomkraftwerken ist daher ständig und intensiv zu überwachen und gegebenenfalls zu verbessern. Dies ist bei der Atomaufsicht in Schleswig-Holstein im Hause von Dr. Gitta Trauernicht in guten Händen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Na ja!)

Seit dem 11. September 2001 ist durch den Terrorismus in der Welt auch die Sicherheit der Atomkraftwerke in Deutschland in den Fokus gerückt. Sofort wurde eine - auch mit Atomkritikern - besetzte Kommission auf Bundesebene zur Überprüfung der Sicherheitskonzepte eingesetzt, deren Empfehlungen in die politischen Entscheidungen eingeflossen sind.

Ich darf hier auch an die intensive Diskussion in diesem Haus im März 2004 erinnern. Der vorliegende Antrag greift diese Diskussion auf und stellt dabei das auch aus anderen Gründen aus meiner Sicht besonders störanfällige und damit gefährliche

AKW Brunsbüttel in den Mittelpunkt. Ob durch das im Antrag im ersten Punkt zitierte Rechtsgutachten zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 tatsächlich eine neue Rechtsgrundlage für den Widerruf der Betriebsgenehmigung für das AKW Brunsbüttel wegen des fehlenden Schutzes gegen Terrorattacken ersichtlich ist, ist zumindest zweifelhaft: So sehr ich auch das Ziel, das Abschalten von Brunsbüttel, unterstütze und wünsche, so ist es doch - bei allem Respekt für die Gutachterin und den Auftraggeber EUROSOLAR - nur ein Gutachten und somit die Interpretation eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, das auf allen Ebenen in der Verwaltung intensiv im Hinblick auf seine Konsequenzen geprüft wurde und hier auch angesichts der Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im internationalen Luftverkehr seit 2002 zu anderen Ergebnissen geführt hat.

Der vorliegende Antrag ist allerdings zumindest im zweiten Punkt diskussionswürdig. Denn auch ich sehe den Bundesgesetzgeber in der Pflicht, von der Verordnungsermächtigung nach § 12 Abs. 1 Nr. 10 Atomgesetz Gebrauch zu machen. Die Optimierung der Sicherheit aller Atomkraftwerke muss als ständige Aufgabe auf allen Ebenen im Bund und in den Ländern vorangetrieben werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal die Verantwortung der Betreiber von Atomkraftwerken betonen. Die Sicherheit der Anlagen ist nicht nur im Betrieb sicherzustellen, sondern auch gegen Einwirkungen von außen, wie zum Beispiel Terroranschläge. Die aktuelle Diskussion über die Sicherheit von Atomkraftwerken lässt für mich nur einen Schluss zu: Jegliche Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten für alte oder für alle Atomkraftwerke muss schleunigst beendet werden. 100 % Sicherheit wird es bei dieser gefährlichen und immer noch im Hinblick auf die Endlagerung ungelösten Technik nicht geben.

Ich will bei der Diskussion über den vorliegenden Antrag der Grünen heute keine allgemeine Diskussion um die künftige Nutzung der Atomenergie in Deutschland führen; die Position der Landes-SPD ist bekannt und bedarf keiner Erläuterung. Ein Hinweis ist dennoch notwendig: Die Debatte um das Endlager Asse im Sommer dieses Jahres hat uns zum richtigen Zeitpunkt an die Realitäten erinnert. Asse sollte das Pilotprojekt für ein sicheres Endlager sein. Heute dringt Wasser ein. Asse ist der unbestreitbare Beweis, dass die Atomenergie keineswegs eine Form von „Ökoenergie“ ist. Wenn Sie recht hätten, dass es Biostrom wäre, dann könnte man im Zusammenhang mit Asse von einem „Bio

(Jens Magnussen)

mülleimer“ sprechen. Atomstrom erscheint nur sauber, weil der Schmutz und mit ihm die Gefahren für unsere Kinder und zukünftige Generationen im Boden vergraben werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir mit der Angst der Menschen vor steigenden Energiepreisen und einer angeblichen Stromlücke Politik machen oder investieren wir in Energieeffizienz und erneuerbare Energien und damit in eine sichere Zukunft unseres Landes?

Schleswig-Holstein ist am 10. November 2008 als bestes Bundesland in der Kategorie „Wirtschaft und Technologie“ mit dem Bundesländerpreis für erneuerbare Energien, dem „Leitstern 2008“, ausgezeichnet worden. Diesen erfolgreichen Weg müssen und werden wir weiter beschreiten. Dazu gehört in der Konsequenz, Brunsbüttel ebenso wie alle Atomkraftwerke in Deutschland rechtssicher und schnell stillzulegen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Schulze. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Matthiesen, ihr Antrag bereitet mir ernsthaft Sorgen. Denn aus meiner Sicht zetteln wir hier eine Diskussion an, die ich für gefährlich halte, und zwar vor allem durch die Art und Weise, wie Sie hier mit Gefahren umgehen. Erstens ist die Diskussion geeignet, durch die Verzerrung von Tatsachen eine Beunruhigung in der Bevölkerung zu entfachen, die sich bei näherer Betrachtung der Fakten überhaupt nicht in dem Maße stellt, wie Sie es behaupten. Zweitens ist sie geeignet, den Atomkonsens infrage zu stellen. Drittens ist sie geeignet, der gerade abgewendeten Diskussion über einen Einsatz der Bundeswehr im Innern hier neuen Vorschub zu leisten. Lieber Herr Kollege Matthiessen, ich halte Ihren Antrag für eine ernsthafte Diskussion schlicht für nicht angemessen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich komme zu den einzelnen Punkten: Verzerrung der Tatsachen. Ich halte zunächst einmal fest, dass selbstverständlich jeder Anwohner ein Recht auf Schutz vor Strahlung eines Atomkraftwerks hat und haben muss. Das ist nicht erst Ausfluss der im Antrag zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Schließlich wird Atomstrom nicht unter freiem Himmel produziert, sondern in streng gesicherten Kernkraftwerken. Der Antrag soll aber die Konsequenz aus einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sein, so die Antragsbegründung, in der ausgeführt worden sein soll, dass Anwohner von Atomkraftwerken eine ausreichende Schadensvorsorge gegen Terrorangriffe verlangen können.

Lieber Kollege Matthiessen, Sie erwecken damit wahrscheinlich absichtlich - den Eindruck, dass damit die stromproduzierende AKW-Anlage in der Entscheidung selbst angesprochen wird. Gerade das trifft nicht zu. Wer die Entscheidung liest, stellt Folgendes fest:

Erstens. Kritisiert wird nicht der möglicherweise nicht ausreichende Schutz von Atomkraftwerken, sondern von den bei den Atomkraftwerken vorgehaltenen Zwischenlagern, weil wir immer noch keine Endlagerlösung haben. Dazu komme ich noch.

Zweitens. Das Bundesverwaltungsgericht kommt darüber hinaus lediglich zu der Erkenntnis, dass der Aspekt eines Terroranschlages auf ein Zwischenlager in der vorinstanzlichen Entscheidung noch nicht ausreichend geprüft wurde, und hat die Angelegenheit zurückverwiesen. Wir müssen also erst einmal abwarten.

Die Forderung einer vorzeitigen Abschaltung vom AKW Brunsbüttel können Sie damit jedenfalls nicht begründen, sondern lösen möglicherweise nicht unerhebliche Schadenersatzforderungen aus.

Was die Grünen wollen, weil es in ihr opportunistisches politisches Konzept passen mag, ist eine neue Debatte um die sofortige Abschaltung von Kernkraftwerken.

Lieber Kollege Matthiessen, möglicherweise werden Sie aber die Geister, die Sie dadurch rufen, nicht mehr los. Sie erweisen hier Ihrer eigenen Partei einen Bärendienst.

Wenn Sie den Energiekonsens, der ja mühsam genug verhandelt wurde, durch die Forderung nach vorzeitiger Abschaltung von Atomkraftwerken wieder aushebeln wollen, dann kommen genau diejenigen wieder, die den Kompromiss in einer anderen

(Olaf Schulze)

Richtung wieder aufheben und die Kernkraftwerke länger laufen lassen wollen. Sie wissen, dass die Union dies will. Es gibt auf Bundesebene durchaus auch Kräfte in der Sozialdemokratie, die genau diese Verlängerung von Laufzeiten befürworten. Wir wollen diesen Kompromiss nicht infrage stellen. Letztlich geben die Grünen aber mit diesem Antrag Wasser auf die Mühlen derjenigen, die schon immer zur Abwehr terroristischer Gefahren alles Mögliche gefordert haben.

Wir haben nun gerade - Kollege Stegner, in diesem Punkt ist den Sozialdemokraten in der Großen Koalition im Bund durchaus einmal Respekt auszusprechen - die Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Innern abgebogen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Herr Matthiessen, ich stelle Ihnen die Frage: Wollen Sie - wenn Sie hier dieses Horrorszenario über terroristische Angriffe ausmalen - damit ernsthaft für den Einsatz der Bundeswehr im Innern und auch für den Abschuss vollbesetzter Passagiermaschinen sprechen? Bisher hatte ich den Eindruck, dass die Grünen im Landtag genau dies nicht wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines bringt diese heutige Diskussion allerdings doch: Wir müssen uns als schleswig-holsteinisches Parlament in Zukunft bei der Diskussion über die künftige Endlagerung von Atommüll besser als bisher einbringen. Denn das eigentliche Problem, auch der Entscheidung des OVG, ist die Frage, inwieweit die bei den AKW befindlichen Zwischenlager ausreichend gesichert sind. Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich, dass diejenigen, die am Wochenende am lautesten gegen die Transporte nach Gorleben demonstriert haben, diejenigen sind, die genau die ordentliche Diskussion um die Endlagerung verhindern und solche Zwischenlager provozieren. Irgendwo muss der bislang angefallene Atommüll ja schließlich gelagert werden. Er löst sich bedauerlicherweise nicht in Luft auf.

(Beifall bei FDP und CDU)

Atommüll ist entstanden, und er wird in absehbarer Zeit auch weiter entstehen. Hierfür wird ein sicheres Endlager gebraucht. Diese Diskussion muss geführt werden, anstatt die Bevölkerung weiter zu verunsichern, wie Sie es mit Ihrem Antrag tun.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.