Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

(Beifall bei SPD, SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegner, mit den Stimmen von SPD-geführten Bundesländern wurde das sogenannte CCS-Gesetz im Bundesrat blockiert - das Gesetz, mit dem Schleswig-Holstein die Deponierung von CO2 verhindern wollte. Die Vorlage der Bundesregierung inklusive der von Schleswig-Holstein hineinverhandelten Länderklausel fand im Bundesrat leider keine Mehrheit. Das bedauern wir außerordentlich.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben jetzt nämlich erneut eine Situation der Unsicherheit, und es besteht wirklich die ganz große Gefahr - das muss man sich vor Augen führen -, dass im Vermittlungsausschuss ein neues CCS-Gesetz verhandelt wird, in dem keine Länderklausel enthalten ist. Dann hätten wir wirklich ein Problem. Dann hätte Schleswig-Holstein nämlich keinen Einfluss mehr, was in Sachen CCS auf unserem Gebiet passieren soll.

Meine Damen und Herren, wir haben schon Monate und Jahre über das Thema CCS und über das CCSGesetz im Landtag debattiert. Ich erinnere mich noch gut an einen Beschluss aus dem Jahr 2009, der mit breiter Mehrheit gefasst worden ist. Der Be

schluss lautete: Schleswig-Holstein soll in die Lage versetzt werden, allein darüber zu entscheiden, das Vorhaben der CO2-Einlagerung auf dem Landesgebiet abzulehnen. - Dem haben auch Sie von der SPD und von den Grünen zugestimmt. Vor diesem Hintergrund, mit diesem Rückenwind, mit diesem Beschluss im Rücken ist die Landesregierung nach Berlin gegangen und hat dort mit der Bundesregierung verhandelt, und sie hat dort erfolgreich die Länderklausel hineinverhandelt. Schließlich hat dann auch der Bundestag diesem Gesetz inklusive der Länderklausel zugestimmt.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf von der SPD)

Herr Stegner, dass Sie der Landesregierung den Erfolg nicht gönnen, mag ein Oppositionsreflex sein.

(Zuruf des Dr. Ralf Stegner [SPD]: Im Ge- genteil!)

Dagegen will ich noch gar nichts sagen. Absolut nicht nachvollziehbar waren und sind Ihre Vorwürfe in Bezug auf die Länderklausel.

Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist wirklich bedauerlich, dass Sie sich nicht an der Wahrnehmung der Interessen der Menschen in Schleswig-Holstein beteiligt haben. Statt Ihre Parteifreunde in den anderen Bundesländern davon zu überzeugen, dass die Länderklausel gut und richtig ist und erhalten werden soll, haben Sie in der letzten Sitzung noch ernsthaft verlangt, dass die Landesregierung im Bundesrat gegen das Gesetz stimmen soll. Das war vor dem Hintergrund der erfolgreich verhandelten Länderklausel völlig absurd. Ich nehme an, dass Sie das auch wissen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Stegner, das war völlig absurd. Es war genauso absurd wie Ihre ständigen Wiederholungen von platten Sprüchen über die Länderklausel.

(Olaf Schulze [SPD]: Damit kennen Sie sich aus!)

Die SPD prägt den Spruch, die Länderklausel sei löchrig wie ein Schweizer Käse. Die Grünen sagen immer wieder, die Länderklausel sei ein stumpfes Schwert. Mit solchen Sprüchen haben Sie die Bevölkerung massiv verunsichert. Herr Stegner, das war unredlich.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

(Dr. Ralf Stegner)

Sie hätten sich die Länderklausel und die dazugehörigen Gutachten bis zum Ende durchlesen sollen. Andere haben das gemacht. Andere haben sie für Sie gelesen. Es ist doch kein Zufall, dass der RWEKonzern wenige Tage nach Verkündung des Gesetzes inklusive der Länderklausel die genehmigten Erkundungsvorhaben zurückgezogen hat. Es ist kein Zufall, dass die CCS-Gegner gerade in Brandenburg die Länderklausel ausdrücklich begrüßt haben, weil diese Länderklausel ihre eigene Landesregierung in Brandenburg unter Druck gesetzt hätte. Es ist auch kein Zufall, dass gerade Ihre CCS-freundlichen Parteifreunde in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen explizit gegen das Gesetz gestimmt haben, und zwar aufgrund der Länderklausel.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Dr. Axel Bernstein [CDU] und Johannes Callsen [CDU])

Auch Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, hat in diesem Zusammenhang in der „Märkischen Oderzeitung“ ein bemerkenswertes Interview gegeben. Ich darf einen Satz daraus zitieren, obwohl das ganze Interview würdig wäre zitiert zu werden:

„Der vorgelegte Entwurf wird die CCSTechnik eher verhindern als fördern. Niemand kann den Brandenburgern abverlangen, dass sie als einziges Bundesland diesen Weg gehen, während sich 15 andere Länder davon freizeichnen.“

Herr Steinmeier und die vorher Zitierten haben verstanden, dass die Länderklausel ein sehr scharfes Schwert war und ist. Die Länderklausel ist keineswegs löchrig wie ein Schweizer Käse, sondern sie verhindert quasi mit schweizerischer Genauigkeit die Einlagerung von CO2 in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Durch den Einsatz unserer Landesregierung ist das Thema CCS ein bisschen gestreckt worden. Herr Steinmeier hätte dieses Thema gern schon zu Zeiten der Großen Koalition beschlossen, aber diese Zeit wurde genutzt. Die Zeit wurde auch von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt, um sich intensiver über CCS zu informieren. Eines ist klar: CCS genießt in Schleswig-Holstein keinerlei Akzeptanz.

Nun ist die Lage definitiv nicht einfacher geworden. Herr Stegner, dafür sind all diejenigen verantwortlich, die im Bundesrat ihre Zustimmung zu dem Gesetz und zu der Länderklausel verweigert haben. Ein CCS-Gesetz ohne Länderklausel wäre

fatal. Wir begrüßen und unterstützen die Ankündigung der Landesregierung, dass sie bei ihrer Haltung bleibt und alle politisch und rechtlich nutzbaren Wege gehen wird, um CO2-Endlager in Schleswig-Holstein zu verbieten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist der traurige vorläufige Abschluss einer traurigen Entwicklung, die wir hier im Parlament miteinander durchgemacht haben. Herr Kumbartzky hat gesagt, dass es noch im Jahr 2009 einen Konsens im Landtag gab. Das ist nicht ganz richtig. Es gab diesen Konsens noch im Februar dieses Jahres. Noch im Februar dieses Jahres haben wir mit allen Fraktionen eine gemeinsame Resolution darüber verabschiedet, was wir von einem CCS-Gesetz erwarten. Dieser Konsens ist auseinander gebrochen.

Warum das so kam, ist die eigentlich spannende Frage. Das Fingerzeigen auf andere Landesverbände oder auf die Bundesparteien ist in dieser Sache kein starkes Argument, denn wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir alle: Wir alle haben mehr oder weniger mit unseren Bundes- und Landesverbänden zu kämpfen. Das ist kein Argument in dieser Sache dahin gehend, wie wir uns hier verhalten sollen. Ich finde es albern, das zu tun. Für mich gilt: Obwohl andere Kollegen von anderen Parteien eine andere Haltung zur CO2-Technologie und zu CCS haben von denen haben wir alle in unseren Reihen einige unterstelle ich keinem hier im Haus, dass er Weisungsempfänger aus Düsseldorf oder Berlin ist. Das tue ich bei keinem. Deshalb lautet für mich die einzig spannende Frage: Wie gelingt es, den Konsens in diesem Haus wieder herzustellen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb ist es interessant zu überlegen, warum der Konsens verloren gegangen ist. Wir alle waren der Meinung, dass wir eine Länderklausel brauchen, die rechtssicher ausschließen soll, dass SchleswigHolstein Endlagerstätten für CO2 stellt. In diesem Punkt waren wir uns alle einig. Dann kam das Gesetz, und ich weiß es gar nicht mehr genau, aber wir haben zwei- oder dreimal darüber diskutiert. Ich

(Oliver Kumbartzky)

will die Argumente dafür und dagegen nicht wieder aufbereiten, aber klar ist, dass es in diesem Prozess nicht gelungen ist, den Konsens zu halten. Wir haben Ihnen vorgeworfen, dass es ein stumpfes Schwert sei. Jost de Jager sagte: Mehr sei nicht drin. Wir haben gesagt: Das reicht nicht. Jost de Jager hat gesagt: Das reicht, um das Land rechtssicher und komplett von der CO2-Verpressung auszuschließen. Wir haben wissenschaftliche Gutachten zitiert, in denen genau dies ausgeschlossen war. So kamen wir an dieser Stelle nicht weiter.

Man könnte überlegen, ob es anders gegangen wäre, wenn wir zum Beispiel diese Frage durch ein gemeinsames Gutachten mit einem gemeinsamen Gutachter geklärt hätten. Wir hätten überlegen können, ob es gelungen wäre, ausgehend von Schleswig-Holstein die AWZ-Frage, also das Verpressen von CO2 außerhalb des Landesgebietes, durch eine gemeinsame Initiative über die Ostseeparlamentarierkonferenz und unsere Europaabgeordneten zu klären. Sie hätten vielleicht gemeinsam stärker die Opposition im Bundesrat in die Verhandlungsprozesse einbinden können. Vielleicht hätte der Ministerpräsident uns einmal zum Oettinger-Grillen einladen sollen; ich weiß es nicht. Wir hätten aber versuchen können, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Das haben wir nicht getan.

Es wird garantiert nicht gelingen, zum Ausgangspunkt, den wir im Februar hatten, zurückzukommen, indem wir diese Debatten weiterführen. Das wir auch deshalb nicht gelingen, weil die Sache jetzt verfahren ist. Es wird auch nicht gelingen, indem wir weiter eine Verschlimmbesserung des Gesetzentwurfs versuchen. Das wird nicht gelingen. Es ist vielmehr so, dass der Bundesrat nicht den Vermittlungsausschuss angerufen hat. Damit ist das vorgelegte CCS-Gesetz für mich erledigt und zu Ende. Deshalb haben wir die Chance, noch einmal neu anzufangen und zurück zu dem Verhandlungsstand zu gehen, den wir im Februar hatten.

Das, was Herr Callsen gesagt hat, ist nicht richtig. Die EU sagt, dass man ein Gesetz machen muss. Wenn ich das richtig weiß, dann ist das noch nicht im parlamentarischen Verfahren, aber in Österreich hat die Große Koalition gerade einen Gesetzesvorschlag, eingebracht, bei dem die CO2-Verpressung im gesamten Bundesgebiet Österreichs ausgeschlossen wird. Das hat Österreich gemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Regina Poersch [SPD])

Das ist konform mit der EU-Gesetzgebung. Man muss ein Gesetz machen. Wie das Gesetz aber formuliert ist, ist durchaus offen.

(Zuruf)

- Ich weiß sehr wohl, dass Sie das gemacht haben.

Wir sollten das wieder probieren. Wir sollten versuchen, die CO2-Verpressung in ganz Deutschland auszuschließen. Wir müssen aber realistisch sein, das wird nicht gelingen. Daher müssen wir die österreichische Formulierung für Deutschland durchsetzen. Dann wären wir einen Schritt weiter. Das ist die Aufgabe in der nächsten Zeit. Deshalb sollten wir die Debatte, die hier angezettelt wurde, beenden und zurück zu dem Stand gehen, den wir im Februar hatten, und so den Konsens in Schleswig-Holstein wiederherstellen, denn SchleswigHolstein braucht keine CO2-Verpressung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen stehen wieder einmal vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik. Dieses Mal ist es die Länderklausel zum CCS-Gesetz. Und was machen Sie? - Sie haben noch den Mut, hier eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema zu beantragen, nachdem Sie im Bundesrat so grandios gescheitert sind. Das nenne ich Masochismus pur.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abge- ordneten Christopher Vogt [FDP])

Vorweg sage ich: Ich freue mich, dass meine Hoffnung auf ein Scheitern des Gesetzes im Bundesrat real geworden ist. Ich habe dies in der letzten Landtagstagung formuliert. Meine Damen und Herren, Herr Kubicki, die Länderklausel ist und bleibt ein Papiertiger. Bevor ich dazu komme, möchte ich noch einige Worte zur Logik unserer Landesregierung formulieren dürfen.

Sie wundern sich, dass andere Bundesländer die besondere Form des schleswig-holsteinischen Separatismus - Stichwort Länderklausel - nicht begeistern kann. Sie sagen den anderen Bundesländern: Prima, die CO2-Abscheidung und -Verpressung ist eine gute Idee. Wenn ihr wollt, dann macht das bei

(Dr. Robert Habeck)

euch, aber bitte nicht bei uns. Was ist das für ein Föderalismusverständnis? Was ist das für eine Form der Solidarität zum Beispiel gegenüber den Menschen in Bayern? Sollen die Menschen an anderen Orten in Deutschland dieser Technologie ausgesetzt werden? Ist die Landesregierung der Meinung, dass die Technologie in Rheinland-Pfalz sicherer ist als hier bei uns in Schleswig-Holstein?