So weit jedoch, Sie vor Ihren eigenen Leuten zu schützen, geht unser Altruismus dann doch nicht. Das müssen Sie schon selbst tun.
Herr Stegner, Sie sollten sich, bevor Sie die Opposition zerlegen und Gerüchte über Liebeswerben der Grünen in die Welt setzen, einmal genau überlegen, wessen Händchen Sie hier gerade halten.
Ich nutze die Zwischenzeit, um auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der Jacob-StruveSchule aus Horst und der Jes-Kruse-Skole in Eckernförde zu begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen!
Für die Fraktion DIE LINKE hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Heinz-Werner Jezewski, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da tun sich ganz seltsame Koalitionen auf, wenn man die Stimmung in diesem Hohen Hause ansonsten betrachtet. Gar nichts zu sehen vom üblichen Gezänk zwischen den Regierungsfraktionen und der größten Oppositionsfraktion, die doch sonst bei jedem Tagesordnungspunkt immer obenauf liegen. Dafür haben wir Verständnis, Scheidungsfolgen sind schwierig.
Vielleicht sollten wir uns einmal fragen, warum das in dem Fall nicht so ist. Das Landesrichtergesetz sieht für die Wahl der Richterinnen und Richter hohe Hürden vor. Nicht nur die Gleichstellung von Männern und Frauen ist da in vorbildlicher Weise geregelt, sondern auch die Mitwirkungsrechte der Betroffenen. Lieber Kollege von Boetticher, da fällt mir auf, Sie bezeichnen das, was ich als vorbildlich bezeichnet habe, als Fesseln. Vielleicht sollten wir einmal gucken, wo die Unterschiede in unserem Demokratieverständnis liegen.
Dazu bedarf es auch noch einer Zweidrittelmehrheit im Landtag, um den Richterwahlausschuss zu besetzen. Ganz hohe Hürden!
Da lässt sich leicht ausrechnen, dass die Mehrheitsfindung schwer wird. Da gibt es zwischen den Beteiligten Differenzen. Das ist logisch, auch wenn der Fall bei der Auszählung nach d’Hondt nicht so viele betrifft. Sowohl bei der Auszählung nach Sainte-Laguë/Schepers als auch bei anderen Auszählungsmethoden werden übrigens meines Wissens alle Fraktionen in diesem Hause an den Vorschlägen beteiligt. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Irgendwann findet sich dann einmal ein Kompromiss zwischen den Fraktionen, die diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, alle sind froh. Dann guckt man drauf und stellt fest: Ups, in dem Personaltableau hakt es. Was macht man, wenn man sich über eine Person oder zwei Personen nicht einigen kann? - Dann ändert man das Gesetz, das ist doch überhaupt kein Problem. Das ist doch unsere absolute Königsaufgabe, wir dürfen ja Gesetze ändern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es in der nächsten Legislaturperiode anders ist, können wir es ja zurückändern. Vielleicht sollten wir uns ein paar vorgefertigte Gesetzentwürfe machen. Dann haben wir nicht mehr so viel Arbeit damit. Die Fraktionen, die mehr als zwei Drittel der Mitglieder dieses Hauses stellen, tun sich zusammen und entscheiden sich für einen der Vorschläge und beschließen ihn dann. Denn sie wissen ja, fünf Jahre später ist er eh nicht mehr gültig, da beschließt man dann einen neuen.
Ein Gesetz zu ändern, weil man bei der Personalfindung nicht so recht weiterkommt und vielleicht ein wenig politischen Einfluss auf die Justiz verlöre, ist das Bizarrste, das mir in diesem Hause begegnet ist.
Die LINKE hätte sich einer Änderung des Landesrichtergesetzes sicherlich nicht verschlossen. Die Sicherstellung einer von der Politik unabhängigen Justiz halten wir für richtig und wichtig. Darüber müsste man nachdenken, es gibt Vorschläge, zum Beispiel einzelnen Gerichten die komplette Personalverantwortung zu übertragen. Das muss man diskutieren, man muss prüfen, ob das möglich ist. Darüber hätte man reden können. Das wären Vorschläge, die unsere Zustimmung gefunden hätten.
Ich gebe zu, wir hätten natürlich ein bisschen mehr Arbeit, wenn wir das Gesetz heute nicht beschlössen. Wir müssten als Landtag die Richterinnen und Richter dieses Landes bestimmen. Ich traue das diesem Landtag zu, obwohl wir einige dabei haben, die sich lieber einfache Wege suchen, statt vernünftig zu arbeiten. Trotzdem wäre es eine Möglichkeit gewesen. Es gibt keine Not für diesen Gesetzentwurf. Deswegen werden wir dieser Lachnummer natürlich nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich halte ich eine Novellierung des Landesrichtergesetzes für einen guten Ansatz. Nur diese Gesetzesänderungen und die Art und Weise des Vorgehens entsprechen nicht den vom SSW gewünschten Änderungen.
Notwendige Änderungen dieses Gesetzes wären aus unserer Sicht: ein stärkeres Gewicht für diejenigen, die die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber beurteilen können; ein Einbinden derjenigen, die für die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Gerichte verantwortlich sind, und vor allen Dingen ein Zurückdrängen der parteipolitischen Einflussnahme auf die Richterwahl.
Leider ist dieser Gesetzentwurf - das ergab sich auch aus der Rede von Herrn Rother und aus den Reden von vielen anderen - das genaue Gegenteil davon. Zum einen wird ohne Beteiligung der entsprechenden Verbände die Paritätsregelung im Gesetz geändert und die Wahl der weiteren Mitglieder durch den Landtag freier. Die Richterverbände haben gegen dieses Vorgehen schon protestiert. So
Hintergrund dieses Vorgehens ist es, dass es dem Landtag bis heute nicht gelungen ist, die Besetzung des Richterwahlausschusses vorzunehmen. Der Landtag hatte nach den Neuwahlen hier zum Landtag die Möglichkeit einer unverzüglichen Besetzung, aber diese Möglichkeit wurde erneut hinter den Kulissen vertan, und es wurde weiter hinter geschlossenen Türen gekungelt.
In der Öffentlichkeit wird seit Langem heftig diskutiert, wie die Besetzung der Richterstellen erfolgt, die nur durch „politische Handelsabkommen“ bestimmt werden. Sinngemäß: Gebe ich dir die Bestimmung eines Postens als Präsidenten, dann darf ich bestimmen, wer für eine andere Stelle zu wählen ist. Diese Art von Verhandlungen ist des Öfteren bei der Besetzung von Präsidentenstellen und Ähnlichem in der Presse kolportiert worden. Dies dient weder dem Ansehen der Justiz noch den gewählten Personen als guter Einstieg in ihre Arbeit.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Jetzt aber erleben wir einen weiteren Höhepunkt dieser Art. Die Parteien CDU, FDP und SPD können sich nicht auf die Besetzung des Richterwahlausschusses einigen, sodass seit circa neun Monaten keine Stellenbesetzung mehr vorgenommen wurde. Aus Sicht des SSW ist es unerträglich, dass noch nicht einmal alle R1-Stellen in der letzten Sitzung des Ausschusses der alten Wahlperiode besetzt worden sind.
Statt sich auf die Besetzung des Richterwahlausschusses nach qualitativen Kriterien zu einigen, versuchen FDP, CDU und SPD, jetzt die Lösung durch die Hintertür zu bekommen. Mit einer Änderung des Richterwahlgesetzes wird die gewünschte Besetzung möglich - dies hat nichts mit qualitativer Arbeit zu tun, sondern nach unserer Ansicht einzig und allein mit Parteiengekungel.
Trotzdem - und das möchte ich an dieser Stelle ganz klar sagen - hat der SSW im Innen- und Rechtsausschuss dafür gestimmt, dass dieses Thema heute auf die Tagesordnung kommt. Wir müssen diesem Schauspiel ein Ende setzen, und vor allem müssen die Richterstellen im Land dringend besetzt werden.
Die FDP hatte 2004 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrichtergesetzes eingebracht, und im Rahmen der Diskussion hierzu wurde unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Es muss der Zwang entfallen, zu politischen Paketlösungen zu kommen… Es darf nicht weiter sein, dass wir durch die momentane Struktur des Richterwahlausschusses auch nur den Anschein erwecken, dass Richterstellen politisch ausgekungelt werden.“
Nun wird dieses Schauspiel durch die FDP sogar auch noch unterstützt, indem diese einen Gesetzentwurf mit einbringt, der zwar zur sofortigen Besetzung des Richterwahlausschusses führen wird - was wir wirklich auch hoffen -, der aber nichts von den hehren Forderungen der FDP aus den Jahren 1995 und 2004 enthält.
Hinsichtlich der Änderung bezüglich der paritätischen Besetzung ist uns bekannt, dass die gleichzeitige Besetzung durch Männer und Frauen weiterhin im Ausschuss gewährleistet ist, aber nicht mehr so wie bisher.
Wir werden uns bei der Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf enthalten, da für den SSW - trotz unserer weiter bestehenden Kritik an diesem Gesetz die Einrichtung des Richterwahlausschusses und damit die Besetzung der schleswig-holsteinischen Richterstellen Priorität hat. Wir denken, dass das im Interesse aller Beteiligten ist. Deshalb werden wir uns hier der Stimme enthalten.
Herr Kollege Kubicki schüttelt fleißig den Kopf. Das waren Zitate aus Ihrer Rede damals. Ich kann heute an diesem Vorschlag, der von Ihnen kommt, nicht erkennen, dass Sie irgendetwas von den hehren damaligen Grundsätzen umgesetzt haben.
Vielleicht erlauben Sie mir, noch ein paar Worte in einem Kurzbeitrag zu sagen. Ginge es nur um politische Meinungsverschiedenheiten bei der Frage der Regelung des Richtergesetzes, wäre ein weiterer Kurzbeitrag nicht erforderlich. Aber es gibt ein paar Dinge, die man intellektuell betrachtet nicht im Raum stehen lassen kann, weil es einem einfach kalt den Rücken runterläuft. Ich möchte deshalb noch einmal drei Punkte ansprechen.
Kollege Habeck hat vorhin gesagt, er begrüße immerhin die Einsicht, dass die Regierungsfraktionen per Gesetz nicht hätten durchsetzen wollen, dass sie die Möglichkeit der Zweidritteldominanz im Richterwahlausschuss bekommen hätten. Genau das Gegenteil ist richtig. In der jetzigen Form des Gesetzes hätten CDU und FDP es machen können, wenn sie es gewollt hätten. Sie haben es erklärt. Genauso ist es. Nach der jetzigen Regelung hätten sie das machen können. Um das zu verhindern, ist diese Gesetzesregelung gewählt worden. Das ist der eigentliche Hintergrund. Wenn Sie d’Hondt in jedem einzelnen Segment durchsetzen, kommt genau das heraus, dass sie nämlich politisch eine Zweidrittelmehrheit hätten haben können. Deshalb sagen wir und das war der Grund dafür, diesen Gesetzentwurf einzubringen -: Einsicht ist gut, meine Herren von Boetticher und Kubicki, aber wir hätten lieber eine gesetzliche Regelung, denn das macht es rechtssicher und politisch klar. Deshalb haben wir diesen Vorschlag eingebracht.