keine realitätsfremden Debatten über Worte, die Ihnen nicht helfen, die uns nicht helfen, die die Menschen nur verwirren und durcheinanderbringen! Seien wir doch so ehrlich, in der Realität, in der wir leben, zu beschreiben, was geht und was nicht geht. Sie haben alle meine Unterstützung, ebenso wie die Frau Bundeskanzlerin, wenn es darum geht, in Europa Solidarität zu organisieren.
Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann sollten Sie zumindest aus der Sicht der CDU den Worten Ihrer Parteivorsitzenden und Ihrer Bundeskanzlerin Glauben schenken, die sagt: Das ist kein Problem von Außengrenzen. An den Außengrenzen wird das nicht entschieden. Es ist ja nicht die Frage, ob man jemanden abschrecken kann, sondern die Menschen haben ein Recht, zu uns zu kommen.
Wenn wir das nicht europäisch organisiert bekommen, dann werden wir in Deutschland ein großes Problem haben; das sehe auch ich. Wir müssen dieses Problem europäisch lösen und nicht mit irgendwelchen Fata-Morgana-Lösungen von Außengrenzsicherungen, die nur in die Irre führen.
Und um auch dies nicht unausgesprochen zu lassen: Ja, wir schieben ab, und wir werden abschieben: Humanitär, vernünftig und menschlich verantwortlich werden wir das tun. Übrigens geht die größere Zahl derjenigen, die uns verlässt, freiwillig. Auch das gilt es bitte zu erwähnen;
freiwillige Rückführung ist der eigentliche Schlüssel. Wir werden das tun, und wir werden darin noch besser werden. Es würde uns helfen, wenn endlich das Bundesamt für Migration nicht mehr sechs oder neun Monate brauchen würde, um Entscheidungen herbeizuführen. Einem nämlich werde ich mich in der Tat entgegensetzen, auch ohne dass wir Rechtsgrundlagen haben, nach dem Motto: Wo kommen Sie eigentlich her? - Ach ja, und Tschüss! So werden wir in Schleswig-Holstein nicht verfahren.
Wenn wir dazu kämen, dass das hart errungene Grundrecht auf Asyl, das besagt, dass jeder behaupten darf, dass er verfolgt wird, was dann geprüft wird, und zwar rechtsstaatlich einwandfrei, zu ei
nem Institut degeneriert wird, bei dem mir ein Grenzer sagt: „So, wie du aussiehst, hast du dieses Recht wohl nicht!“, dann verändert sich unsere Republik, und diese Veränderung möchte ich in meiner Realität nie erleben. - Vielen herzlichen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat der CDU-Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführer Daniel Günther. - Die Redezeit beträgt nun 35 Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auf der Grundlage dieser Regierungserklärung des Ministerpräsidenten können wir zumindest beginnen, im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine vernünftige Debatte darüber zu führen, wie wir diese großartige Herausforderung, vor der wir in Schleswig-Holstein stehen, wirklich bewältigen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, die Anzahl der Anträge, die wir für diese Sitzung bekommen haben, und die Tatsache, dass wir diesen Donnerstag komplett dafür nutzen, uns über die Flüchtlingspolitik zu unterhalten, machen sehr deutlich, dass dem Landtag bewusst ist, dass dies das entscheidende Thema ist, das für die Menschen in unserem Land im Moment die absolut dominierende Rolle spielt.
Ich sage das auch für mich selbst. Im Moment bin ich viel in der CDU unterwegs, aber auch im Land, weil wir im Rahmen der Programmkommission für die Landtagswahl Ideen für Schleswig-Holstein sammeln. Als wir Anfang September diese Debatte geführt haben, da haben wir an den Ständen festgestellt, dass es ein ganzer Strauß von Themen ist, über die die Menschen reden wollen. Seit Mitte September gibt es kein anderes Thema mehr, das die Menschen bewegt.
Ich formuliere das sehr bewusst, weil wir viele auch bei uns in der Christlich-Demokratischen Union haben, die sich persönlich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Es gibt wahnsinnig viele tatkräftige Ortsvorsitzende der CDU, die diesem Thema unglaublich positiv gegenüberstehen. Ich möchte bewusst darauf hinweisen, dass natürlich die Menschen insbesondere an die Stände der Union kommen. Da wir die Bundeskanzlerin stellen, werden die Sorgen
natürlich insbesondere bei der CDU abgeladen. Es wird gefragt, ob wir das schaffen, wie es Frau Merkel formuliert hat. Ich finde es bewundernswert, wie die Ortsvorsitzenden meiner Partei diesen Menschen entgegentreten, die die Sorge umtreibt, dass wir das nicht schaffen.
Gemeinsam mit dem Ortsvorsitzenden waren wir, Peter Sönnichsen, und ich in Wankendorf. Dieser hat jedem, der an den Stand gekommen ist, sofort die Gegenfrage gestellt: Wie sind Sie persönlich denn betroffen? Worunter leiden Sie persönlich, wenn Sie sagen, das sei eine große Herausforderung, die wir nicht schaffen? Inwiefern sind Sie betroffen? - Alle haben erst einmal gestutzt und mussten dann sagen: Für mich persönlich ändert sich im Moment überhaupt nichts.
Deshalb sage ich sehr bewusst als Christdemokrat, weil wir derzeit schwierige öffentliche Debatten führen, dass es natürlich unsere Pflicht als Schleswig-Holsteinischer Landtag ist, gerade angesichts der Sorgen, die die Menschen in unserem Land haben, unmissverständlich deutlich zu machen, dass wir diese Herausforderungen natürlich bewältigen können. Schleswig-Holstein ist ein starkes Land. Deutschland ist ein starkes Land. Wir können diese Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Natürlich bieten die Menschen, die zu uns kommen, auch viele Chancen. Auch das sollten wir heute unmissverständlich deutlich machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Mehr Sorgen macht mir die gefühlte Debatte über eine kippende Stimmung. Deshalb ist es wichtig, denjenigen zuzuhören, die in diesem Bereich unterwegs sind und die sich um die Integration von Flüchtlingen kümmern. Damit meine ich sowohl die Hauptamtlichen, Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, als auch diejenigen, die sich freiwillig beim Deutschen Roten Kreuz und bei anderen Institutionen engagieren. Diese kommen auch zu uns und sagen: Liebe Leute, das ist wirklich eine Herausforderung. Ich habe mich von meinem Arbeitgeber freistellen lassen, aber ich kann das nicht auf Dauer.
Natürlich gibt es Schwierigkeiten, immer wieder ehrenamtliche Helfer zu rekrutieren. Ich glaube, das ist etwas, worum wir uns kümmern müssen. Ich finde, der gemeinsame Dank dieses Hauses muss den Menschen gelten, die im Moment hauptamtlich oder ehrenamtlich diese Herausforderung gemein
Die Menschen erwarten Antworten auf dieses Problem. Ich glaube, wir merken alle miteinander - das werden Sie genauso in Ihren Veranstaltungen merken, wie wir es bei uns feststellen -: Mit reinen Appellen an die Willkommenskultur, mit manchmal meines Erachtens etwas resignierenden Formulierungen, die würden halt alle zu uns kommen, und wir müssten uns auf eine Dekade einstellen, in der die Flüchtlingszahlen so hoch seien, kommen wir in der Argumentation an unsere Grenzen. Ich glaube, dass es richtig ist, was die Kanzlerin sagt. Dies sagt sie durchaus auch gegen die Widerstände in der Union. Das müssen wir gar nicht vertuschen. Natürlich gibt es hierzu andere Auffassungen.
Richtig ist aber, dass kurzfristig alle bisher dazu vorgeschlagenen Maßnahmen nicht dazu führen werden, dass die Flüchtlingszahlen sinken werden. Gerade dann, wenn man regiert, darf man den Menschen nicht vorgaukeln, dass es schnelle Lösungen gibt, und nach drei Monaten stellen die Leute fest, dass das, was von der Politik versprochen worden ist, überhaupt nicht eingehalten wird. Wir müssen doch ehrlich zueinander sein.
Der Ministerpräsident hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass Schleswig-Holstein die Zahlen realistischer eingeschätzt hat. Aber auch SchleswigHolstein hat völlig danebengelegen.
Ich sage das durchaus selbstkritisch. Wir haben Sie ja dafür kritisiert, dass Sie so große Zahlen genannt haben. Deshalb ist das gar kein Vorwurf von unserer Seite.
In einer solchen Situation fragen sich die Menschen natürlich, ob die Politik dieses Problem in den Griff bekommt. Den Menschen wurde von den Entscheidern im Februar die Zahl 200.000 genannt. Im April war von 400.000 die Rede. Vor der Sommerpause wurden 600.000 genannt. Im September waren es 800.000. Jetzt reden wir über 1 Million.
Insofern macht sich ein Gefühl der Hilflosigkeit breit. Hinzu kommt die Angst, die in den Worten zum Ausdruck kommt: Wenn das jetzt schon in diesem Jahr immer weitergeht, geht das dann in den nächsten Jahren auch so weiter? - Das ist die Sorge, die die Menschen umtreibt. Es ist doch nicht so, dass die Menschen glauben, dass uns 1 Million Flüchtlinge überfordern. Die Menschen glauben sehr wohl, dass wir das schaffen. Die Menschen ha
ben aber Angst davor, dass in jedem Jahr so viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Wir sollten das als Politiker nicht einfach als die Sorgen der Menschen abtun. Auch ich als Politiker habe Sorge, ob wir dieser Herausforderung gewachsen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deswegen finde ich es gut, dass wir unsere Debatte an dieser Stelle weiterentwickelt haben. Wir sollten auf keinen Fall versuchen, den Menschen zu vermitteln, dass diese Herausforderungen leicht zu bewältigen seien. Wir müssten nur die Zugangsberechtigungen zu den Hochschulen absenken. Die Flüchtlinge würden uns beim demografischen Wandel helfen. Sie seien alle hoch qualifiziert.
Dem ist natürlich nicht so. Das wissen wir auch alle. Jeder, der vor Ort unterwegs ist, der mit den Arbeitsämtern spricht, der weiß, dass im bayerischen Handwerk sieben von zehn Flüchtlingen ihre Ausbildung abbrechen, der weiß doch: Die wirkliche Integrationsleistung besteht nicht darin, Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen und Wohnraum bereitzustellen, sondern die wirkliche Integrationsleistung erfolgt erst in den folgenden Jahren, wenn es darum geht zu verhindern, dass diejenigen, die hier sind, nicht in unsere Sozialsysteme wandern, sondern dass sie mit ihrer Arbeitskraft dazu beitragen können, für unseren gemeinsamen Wohlstand zu sorgen. Das ist die Herausforderung in den nächsten Jahren, um die wir uns kümmern müssen.
Natürlich ist es richtig, dass wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag heute mit unseren Beschlüssen nicht die entscheidenden Beiträge leisten werden, sodass die Anzahl derjenigen, die nach Deutschland kommen, sinkt. Wir müssen das aber gemeinsam mit dem Bund und der Europäischen Union schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es muss doch unser Ziel sein, dass sich dieser Zuzug nicht in dem Maße fortsetzt, wie er in diesem Jahr begonnen hat. Deswegen brauchen wir gemeinsame europäische Lösungen. Da dürfen sich andere Länder nicht der Verantwortung entziehen.
Ich sage das durchaus auch mit einem kritischen Blick auf eigene Parteifreunde: Natürlich ist die Situation in Europa schon auch deswegen ein Stück festgefahren, weil wir als Deutsche in der Vergangenheit auch diejenigen gewesen sind, die das, was wir jetzt von anderen europäischen Ländern erwarten, selbst auch ein Stück weit blockiert haben; denn wir sind es immer gewesen, die gesagt haben:
Wir brauchen Dublin, es können sich ja die EUStaaten an den Außengrenzen ein Stück stärker in der Sache engagieren. - Wir sind diejenigen, die gesagt haben: Bitte keine Kontingente, lass sich doch andere Länder darum kümmern. Und natürlich sagen in dieser Situation andere europäische Länder: Jetzt, wo Deutschland das größte Problem hat, schauen wir uns das erst einmal ein bisschen von unserer Seite aus an. - Nur kann das natürlich keine dauerhafte Lösung sein.
Deswegen hat der Kollege Stegner auch mit seiner Formulierung in den letzten Tagen völlig recht: Es kann nicht sein, dass in Europa derzeit Deutschland, Österreich und Schweden die einzigen Länder sind, die diese Lasten zu tragen haben, mehrere tausend Flüchtlinge, die an jedem Tag in diese Länder kommen. Herr Dr. Stegner, da haben Sie völlig recht, das ist eine Herausforderung, die wir dauerhaft nicht alleine bewältigen können.
Aber wir brauchen eben auch eine langfristige Strategie, wie wir die Situation in den Herkunftsländern verbessern können. Ich erhoffe mir durch diese Diskussion in Deutschland, dass die derzeitige Situation das Bewusstsein bei uns stärkt, dass natürlich Entwicklungshilfe, dass Hilfe in anderen Ländern tatsächlich etwas ist, was unserem eigenen Land auch dient. Das haben wir in vielen Debatten ausgeblendet und gefragt: Warum müssen wir unsere Sicherheit ganz weit entfernt von uns verteidigen, warum müssen wir uns überhaupt um diese Regionen kümmern? - Das ist damals schon richtig gewesen.
Wir haben es nur in den letzten Jahren zu wenig gemacht; denn wir wissen doch alle auch, dass sich viele Flüchtlinge nicht direkt aus den Kriegsgebieten auf den Weg gemacht haben, sondern dass die in den letzten Monaten und Jahren ihre Zeit schon dort in den Zeltstädten im Libanon und in Jordanien verbracht haben. Weil wir zu wenig Geld für bestimmte Programme zur Verfügung gestellt haben, haben die Menschen eben gesagt: Wir können in diesen Lagern nicht mehr vernünftig leben. - Sie haben sich deswegen auf den Weg nach Deutschland gemacht. Deswegen muss doch unser erster Ansatz sein, uns darum zu kümmern, dort zu helfen, damit die Menschen eben nicht alle hier nach Deutschland oder nach Europa kommen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.