Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015

öffentlichen Raum Friesisch sprechen können. Es wird also durchaus eine große Herausforderung sein, ein genügendes Maß an Qualifikation herzustellen.

Ich sage ganz ehrlich: Im Moment fehlt mir ein wenig die Fantasie, mir vorzustellen, dass im Kreis Nordfriesland demnächst ein Bauantrag in Friesisch vorgelegt wird. Ich frage mich, wer dies dann rechtssicher übersetzen wird. Das heißt: Wir haben zu dem Gesetzentwurf durchaus noch einige Fragen.

Sie haben eben gesagt, es seien keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten. Diese Einschätzung teilen wir nicht ganz. Wir möchten diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen ausführlich diskutieren. Wir werden dann sicherlich auch die betroffenen Kreise und Kommunen dazu hören. Ich bin davon überzeugt: Das wird eine interessante und spannende Diskussion werden, auf die ich mich sehr freue.

Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Europaausschuss - federführend - und in den Innen- und Rechtsausschuss - mitberatend. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Bernd Heinemann [SPD])

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde die Herren Stenografen an dieser Stelle schonen. Liebe Astrid Damerow, ich hätte mir das heutige Verständnis sehr gern bei der gestrigen Debatte zu den kommunalen Vorschriften gewünscht. Da ließ das Verständnis für Minderheitenfragen ein bisschen nach.

Meine Damen und Herren, Butter bei die Fische! Und wieder einmal ist „der echte Norden“ ganz weit vorne und ganz oben. Denn wir reden nicht nur, wir handeln. Der vorgelegte und viel beachtete Handlungsplan Sprachenpolitik setzt einmal mehr hohe und gerechtfertigte Maßstäbe an unser vielfältiges Land.

Wir sind das einzige Bundesland mit vier Regional- und Minderheitensprachen: Niederdeutsch, Dänisch, Friesisch und Romanes sind bei uns beheimatet. Dieser kulturelle und sprachliche Reich

tum macht uns vielfältig und einzigartig, und darauf sind wir stolz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gleichzeitig ist er aber auch Verpflichtung. Denn Sprachen kann man nicht ins Museum stellen, um sie zu erhalten; Sprachen muss man sprechen, um sie zu erhalten. Sie archivieren unsere Geschichte. Insbesondere die Regional- und Minderheitensprachen haben Geschichten zu erzählen, die die Mehrheitsbevölkerung und die Minderheiten verbindet. Genau das ist auch Ziel der europäischen Sprachencharta, die 1998 von Deutschland ratifiziert wurde und die seit 1999 bei uns in Kraft ist - eine kluge Entscheidung, wie ich finde.

Eine Unterschrift reicht aber nicht. Für die Umsetzung einer Charta bedarf es klarer Handlungsziele, wie sie der Handlungsplan Sprachenpolitik für Schleswig-Holstein neu definiert. Ziel ist es, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und ein tieferes Bewusstsein für die Sprachen zu verankern. Das geschieht nur, wenn die Sprachen sichtbar und hörbar sind, wenn sie gesprochen und gelebt werden.

Wie das gehen kann, beschreibt der Handlungsplan Sprachenpolitik, der bei allen Vertretern der Minderheiten- und Regionalsprachen auf großes Lob gestoßen ist. Auch an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön und ein großes Lob an die Beauftragte des Ministerpräsidenten für Grenzland- und Minderheitenfragen sowie Plattdüütsch, Renate Schnack. Sie schnackt nicht nur, sondern sie handelt auch. Darauf sind wir sehr stolz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie ist diejenige, die auch in Sachen Handlungsplan Sprachenpolitik Butter bei die Fische getan hat.

Beim Plattdeutschen haben wir bereits einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Erstmalig haben wir durch die Etablierung einer aufwachsenden Zahl von Unterrichtsstunden an zurzeit 29 Schulen im Land - die Zahl der Bewerbungen war weitaus höher - das Plattdeutsche systematisch gefördert: 2.000 Kinder lernen zurzeit an unseren Schulen die plattdeutsche Sprache. Mit dem neu entwickelten Schulbuch „Paul un Emma snackt plattdüütsch“ steht erstmalig ein pädagogisches Lehrbuch zur Verfügung.

Für ihre hervorragende und vorausschauende Arbeit möchten wir uns gerne stellvertretend für alle, die daran mitgewirkt haben, beim Schleswig-Holsteinischen Heimatbund bedanken. Die stellvertretende

(Astrid Damerow)

Landesvorsitzende bitte ich, diesen Dank zu übermitteln.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Serpil Midyatli (SPD): Sehr gerne!)

Danke auch an dieser Stelle an den Kollegen Klaus Jensen für die gute Zusammenarbeit im Beirat Niederdeutsch und in dessen Arbeitsgruppe Bildung. Uns war und ist immer wichtig, dass es in der Minderheitenpolitik um die Sache geht und nicht um Parteipolitik. Minderheitenpolitik und Regionalsprachen dürfen nicht zum Spielball politischer Mehrheiten werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Laut dem Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung beraten, können jetzt erstmalig auch Behördenunterlagen in den Minderheiten- und Regionalsprachen der jeweiligen Region vorgelegt werden: Friesisch in Nordfriesland und auf Helgoland, Dänisch in Flensburg, Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und Rendsburg-Eckernförde; das Gleiche gilt überall im Land für Plattdeutsch.

Erstmalig wurden im Sommer in einer Stellenausschreibung des Landes Niederdeutschkenntnisse als Kriterium angeführt, und das wird zukünftig Routine sein; denn wir haben es jetzt festgeschrieben.

Ich finde es an dem Gesetz, das wir jetzt auf den Weg bringen, auch sehr sympathisch, dass zukünftig wahrscheinlich nicht nur die Touristen staunen werden, wenn nicht nur der Weg nach Husum ausgeschildert ist, sondern auch der Weg nach Hüsem, nicht nur nach Dagebüll, sondern auch nach Doogebel. Damit setzen wir einmal mehr einen Akzent in unserem Land. Ich finde, mit dem Gesetzentwurf und dem Handlungsplan Sprachenpolitik haben wir etwas richtig Gutes auf den Weg gebracht, auf das wir erneut stolz sein können. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Ministerpräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr: Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land, in dem die Rechte von Minderheiten ei

ne ganz besondere Rolle spielen. Gute Minderheitenpolitik bedeutet nicht nur Toleranz gegenüber Minderheiten; gute Minderheitenpolitik bedeutet, dass sich die Mehrheit aktiv, konsequent und vorausschauend für die Minderheiten einsetzt. Als Küstenkoalition haben wir uns die aktive Minderheitenpolitik auf die Fahne geschrieben; es ist gerade eben schon gesagt worden. Ich freue mich sehr, wenn sie mit Farbe gefüllt wird.

Die gelebte Alltagskultur der autochtonen Minderheiten mit ihren Sprachen und Bräuchen macht den besonderen Charme unseres Bundeslandes aus. Das ist auch von touristischer Bedeutung - ich sage ausdrücklich „auch“ -, zum Beispiel für Nordfriesland.

Durch die geplante zweisprachige Beschilderung wird die Existenz des Friesischen als Alleinstellungsmerkmal der Region für jeden und jede sichtbar. Ich freue mich darauf, dass die Touristen immer mehr von diesen Schildern sehen werden. Das gilt auch auf dem Festland: Wenn Touristen aus Nordrhein-Westfalen ankommen und ein Schild sehen, auf dem jetzt auch Wäästerlön und Slütsiil steht, dann - keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen! - werden sie sich nicht verfahren. Es wird weiterhin auch Westerland und Schlüttsiel auf den Schildern stehen. Dann wird sich, wie auch schon in anderen Regionen, zeigen - Kollege Lars Harms hat es gerade ausgeführt -, dass damit die Besonderheit dieser Region sichtbar wird. Das ist für die Touristen von großer Bedeutung und wird sehr wohl aufmerksam wahrgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will gar nicht so sehr das Touristische in den Vordergrund stellen. Ich möchte vielmehr auf unsere Landesverfassung verweisen, die wir uns selbst gegeben haben und in der Artikel 6 Absatz 2 auf Folgendes hinweist:

„Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.“

Es ist also nicht etwas, was wir ihnen schenken, weil wir denken, dass es eine schöne Sache ist, sondern es ist ein verfassungsrechtlicher Anspruch.

Es geht auch um die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, die wir mit der Unterzeichnung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen eingegangen sind.

(Birte Pauls)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Handlungsplan Sprachenpolitik ist gerade viel gesagt worden. Ich möchte nur ergänzen, dass ich es als gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion besonders bemerkenswert finde, dass jetzt selbst im Bereich der Altenpflege auf Minderheitensprachen eingegangen wird. Das finde ich vorbildlich.

Ich danke der Landesregierung für den Handlungsplan. Dem Dank an die Minderheitenbeauftragte Renate Schnack möchte ich mich anschließen.

Ich möchte am Ende einen Satz an Lars und den SSW richten: Leew Lars, leew Jette, leew Flemming, ik frööge mi det wi daaling welher en straal widjer kem, det wi altumal a fering spriik bewaare. - Föl toonk.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne des Landtags den Vorsitzenden des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Matthäus Weiß. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Jetzt kommt aber keine Büttenrede, Herr Arp. Außerdem heißt es „Karnevalsprinz“. Nein, es kommt keine Büttenrede, obwohl einige Vorschläge durchaus Anlass geben würden, hier eine Büttenrede zu halten. Aber Sie werden gleich sehen: Ich muss bei dem Thema ein bisschen Wasser in den GammelDansk schütten,

(Heiterkeit)

weil wir doch einige Punkte kritisieren.

Meine Damen und Herren, mit dem Friesischen haben wir ein kleines sprachliches Juwel in unserem Land, das Teil des kulturellen Reichtums Schleswig-Holsteins ist. Ohne Frage stehen kleinere Minderheitensprachen wie das Friesische unter Druck. Wenn das Nordfriesische von der UNESCO als ernsthaft gefährdete Sprache eingestuft wird, dann besteht natürlich Handlungsbedarf. Die FDP teilt

daher die grundsätzliche Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs, das Friesische zu stärken und zu pflegen.