Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wer ein solches Verständnis rechtsstaatlichen Handelns an den Tag legt, sollte sich jetzt fragen, ob er der beste Leumund für den Rechtsstaat ist oder ob er nicht selbst an vorderster Stelle dazu beigetragen hat, den Respekt vor dem Rechtsstaat und seinen Sicherheitsorganen zu untergraben. Darauf kommt es an.

Was Forderungen der Union nach härterem Vorgehen der Polizei angeht, Herr Kollege Dr. Stegner, so hat Herr Günther nicht davon geredet, die Polizei von der Kette zu lassen. Den Begriff habe ich jedenfalls bisher nicht gehört. Das ist jetzt Ihr Begriff. Aber die Forderung, die Polizei sollte ein bisschen härter vorgehen, finde ich auch ein bisschen absurd, weil wir selbstverständlich von den Polizeiorganen unseres Landes erwarten dürfen, dass sie nach den rechtlichen Vorgaben ihre Pflicht tun. Dazu gehört eben schlicht und ergreifend, dass sie auch Übergriffe notfalls unter Einsatz körperlicher Gewalt verhindern. Auch das sieht ja nicht nur das Polizeirecht, sondern die Strafprozessordnung vor.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sollte uns alle nachdenklich stimmen, dass die Bürgerinnen und Bürger in vielen Teilen Deutschlands dazu übergehen, sich selbst mit Reizgas, Schreckschusswaffen oder Messern zu bewaffnen. Es sollte uns beunruhigen, dass Menschen sich zu Bürgerwehren zusammenschließen, weil sie an die Durchsetzungsfähigkeit staatlicher Organe nicht mehr glauben. Im Lichte all der Kritik, die in der jüngeren Vergangenheit in Richtung der Polizei gerichtet wurde: Es waren politische Entscheidungen, die dieses massive Unsicherheitsgefühl begünstigt haben. Das betrifft nicht nur die sächliche und personelle Ausstattung der Polizei. Es betrifft auch solche Erwägungen des Misstrauens - das sage ich ausdrücklich

(Wolfgang Kubicki)

noch einmal -, die zur Errichtung von sogenannten Polizeibeauftragten geführt haben. Wenn wir den Rechtsstaat durchsetzen wollen, brauchen wir eine starke Polizei, die auch den symbolischen politischen Rückhalt bekommt, den sie verdient.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir heute unter dem Rubrum „Köln“ subsumieren, ist so vielschichtig, dass die sogenannten einfachen Antworten dem Gesamtproblem niemals gerecht werden können. Deshalb ist es vollkommen richtig, dass wir der politischen Instrumentalisierung der Ereignisse von Köln, Hamburg, Stuttgart und anderen Städten eine entschiedene Absage erteilen. Aber ein Teil der Debatte ist politische Instrumentalisierung.

Ich komme auf den Antrag der Koalition, der mich wirklich ins Grübeln gebracht hat, weil ich finde, dass man, wenn man in einem Antrag Selbstverständlichkeiten noch einmal betont, den Eindruck erweckt, dass es bisher nicht selbstverständlich war. Frau von Kalben, ich habe mich gewundert, wie die regierungstragenden Fraktionen überhaupt vorschlagen können, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag beschließen soll:

„Unsere Solidarität gilt nicht den wenigen, die in Deutschland Straftaten begehen und dafür genauso zur Verantwortung gezogen werden wie deutsche Bürgerinnen und Bürger auch.“

Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass hier irgendjemand ist, der auch nur in Verdacht steht, Solidarität für Menschen zu empfinden, die Straftaten begehen.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es geht darum, dass uns das unter- stellt wird! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Warum schreiben Sie es denn dann in den Antrag hinein?)

Also, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag beschließen soll, dass wir keine Solidarität mit Straftätern haben, ist so absurd, dass ich Sie bitte, das zu streichen, weil die Menschen draußen sonst das Gefühl haben, wir nehmen ihre Sorgen und Ängste nicht ernst.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Dr. Ralf Steg- ner [SPD])

Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von -

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau von Kalben, dann beschließen Sie das, und dann fragen wir uns, was bisher Ihre Auffassung war.

Herr Abgeordneter Kubicki -

Selbstverständlich erlaube ich eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Stegner.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Es ist eine Zwi- schenbemerkung, Herr Kollege Kubicki!)

- Die erlaube ich auch.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist sehr freund- lich von Ihnen!)

- Ja, so bin ich.

Dafür, dass wir so etwas im Schleswig-Holsteinischen Landtag beschließen müssen, brauchen Sie als Beleg nur die Rede des Herrn Oppositionsführers hier, und deswegen beschließen wir das auch.

(Lachen FDP und CDU)

- Herr Kollege Dr. Stegner, ich muss den Oppositionsführer jetzt wirklich nicht verteidigen. Aber ich empfinde es als Unverschämtheit, wirklich als Unverschämtheit, dass Sie Herrn Günther unterstellen, er habe bisher Solidarität mit Straftätern geübt.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Kollege Dr. Stegner, dass Straftaten entsprechend konsequent verfolgt werden sollen, ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Es steht bereits im Gesetz, Frau Justizministerin, dass Straftaten zu verfolgen sind. Da hat die Staatsanwaltschaft gar keine Entscheidungsmöglichkeit. Sie ist von Gesetzes wegen verpflichtet, Straftaten, von denen sie Kenntnis erhalten hat, zu ermitteln, den Täter notfalls den Gerichten zuzuführen und zur Aburteilung zu bringen. Das steht im Gesetz. Das müssen wir nicht erneut beschließen. Damit würden wir nur den Verdacht wecken, wir hätten uns bisher anders verhalten.

Herr Abgeordneter Kubicki, es soll eine weitere Bemerkung geben.

(Wolfgang Kubicki)

Dafür bin ich sehr dankbar, Herr Kollege Kubicki. Ich habe nicht unterstellt, dass der Oppositionsführer mit Straftätern sympathisiert, sondern ich habe seine Rede als Beleg dafür verwendet, dass er uns das permanent unterstellt; denn seine Rede war voll von Unterstellungen, und deswegen beschließen wir das hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Das ist der Grund - und kein anderer.

(Beifall SPD)

- Herr Kollege Dr. Stegner, in dieser Frage, über die wir uns momentan unterhalten, hat es das noch nie gegeben. Niemand hat Ihnen unterstellt, dass Sie mit Sexualstraftätern sympathisierten. Aber es gibt in diesem Haus auch Menschen, die beispielsweise Schottern für eine legitime Form des Widerstands gehalten haben, obwohl es eine Straftat ist. Auch darüber müssen wir nachdenken.

(Beifall FDP und CDU)

Verstehen Sie: Die Relativierung von Recht führt dazu, dass Recht willkürlich wird. Wenn Sie sagen, Recht gilt gegenüber jedermann in gleicher Weise, dann war das für uns immer schon eine Selbstverständlichkeit, und ich freue mich, dass es für die regierungstragenden Fraktionen jetzt offenbar auch eine Selbstverständlichkeit wird, was offensichtlich nicht bei allen der Fall gewesen ist. Das ist der Erkenntnisgewinn.

Aber noch einmal: Es hat in diesem Haus nie jemanden gegeben, der unterstellt hat, dass irgendjemand aus diesem Haus mit Sexualstraftätern sympathisieren würde.

(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Grund, weshalb wir einen Änderungsantrag gestellt haben, der sich auf die wesentlichen Punkte beschränkt, die es nach außen zu erklären gibt. Der Rest ist Selbstverständlichkeit, und die Wiederholung von Selbstverständlichkeiten weckt nur Misstrauen, was wir nicht machen dürfen. Die Haltung in diesem Haus ist klar.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, nunmehr möchte die Frau Abgeordnete von Kalben eine Bemerkung machen.

Selbstverständlich.

Lieber Herr Kubicki, ich sehe Ihren Punkt, dass wir in dem Moment, indem wir etwas beschließen, sozusagen den Eindruck erwecken, das wäre vorher nicht so gewesen. Aber wir haben doch auch schon Anträge ich erinnere mich nur an die Anträge der FDP zum Einwanderungsrecht - verabschiedet, in denen beispielsweise steht: „Deutschland ist ein Einwanderungsland“, oder: „Wir lehnen jegliche Formen von Angriffen auf homosexuelle Partnerschaften oder sonst etwas ab“. Es ist doch völlig logisch, dass wir in Anträgen auch Sätze formulieren, die uns wichtig sind, um sie noch einmal zu betonen. Das ist auch hier der Grund, dass wir eben keine pauschale Betrachtung der Menschen, die zu uns kommen, zulassen wollen, sondern dass wir da, wo es Straftaten gibt, diese natürlich auch benennen, verfolgen und verurteilen wollen. Das deutlich zu machen, finde ich völlig legitim und richtig. Deshalb werden wir das so auch verabschieden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Frau von Kalben, das können Sie gern beschließen. Die Beispiele, die Sie gerade gebracht haben, sprechen eher für meine Argumentation als für Ihre. Denn diese Beschlüsse, die wir gefasst haben, zum Beispiel „Deutschland ist ein Einwanderungsland“, richten sich an die Menschen draußen, die das nicht glauben. Ich habe bisher nicht gehört, dass es draußen Menschen gibt, außerhalb dieses Parlamentes, die daran zweifeln, dass wir keine Solidarität mit Straftätern übten.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Kollege Dr. Stegner -

Frau Abgeordnete, wollen Sie eine weitere Bemerkung machen? Dann könnte ich fragen, ob der Abgeordnete das zulässt. Es wäre ganz gut, wenn wir uns wieder die Spielregeln nach der Geschäftsordnung angewöhnen würden. Möchten Sie eine weitere Bemerkung machen, Frau Abgeordnete?

(Wolfgang Kubicki)

Herr Präsident, nach den Spielregeln der Geschäftsordnung darf ich eine Frage vollständig beantworten.