Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Um es noch einmal klarzustellen: Wenn eine Gemeinde landesplanerische Aspekte anführt, dann ist das schon heute möglich und gewünscht. Städtebauliche Aspekte sind zu berücksichtigen und werden nicht übersehen. Dafür sorgen die gesetzlichen Beteiligungsverfahren, aber auch die vorgesehene Bürgerbeteiligung.

Ich sagte eingangs: Die Absicht, Akzeptanz zu verbessern, ist etwas Gutes. Wie können wir das erreichen? Gerecht kann doch nur sein, wenn es im ganzen Land nach einheitlichen Maßstäben eine Festlegung von Flächen durch die Landesplanung gibt. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind wichtig.

Für Transparenz sorgt unser Ministerpräsident. Ich war mit vielen Kollegen aus dem Hohen Haus bei allen Windgipfeln dabei, auch bei der ersten großen öffentlichen Unterrichtung mit 600 Teilnehmern. Ich fand diese Veranstaltung wirklich vorbildlich.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Genau wie die Vorgängerregierung berücksichtigte die amtierende Regierung Gemeindevoten. Das OVG-Urteil erklärte ganz wesentlich auch aus diesem Grunde gerade die bestehende Landesplanung für nichtig. Damit müssen wir umgehen.

Akzeptanz schaffen heißt, von Klimaschutz und Atomausstieg zu reden, von der Energiewende zu überzeugen. Es muss im ganzen Land gleich gerecht zugehen. Wir dürfen dem einen nicht mehr zumuten als den Bürgern in einer anderen Region. Wenn sich das Gefühl breitmacht, wer am lautesten schreit, setzt sich durch, und die Leisen oder die Ehrlichen sind die Doofen, dann kriegen wir ein Problem.

Insofern glaube ich, dass der gut gemeinte Gesetzentwurf der PIRATEN das Gegenteil dessen bewirken könnte, was er beabsichtigt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Ausschussberatungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eines gleich vorweg zu sagen: Es besteht hier im Hause überwiegend Einigkeit in dem Ziel, dass wir die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes beim Windenergieausbau so gut wie rechtlich möglich beteiligen.

(Beifall)

Eines ist sicher: Die Energiewende stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Gerade die Bürgerbeteiligung wird mit dazu beitragen, diese Herausforderungen anzunehmen und positiv zu gestalten.

Wir als FDP haben es an dieser Stelle auch schon mehrfach gefordert: Wir brauchen ein inklusives, ein kooperatives Planungsverfahren, damit die Menschen eben nicht gegen ihren Willen zum Windenergieausbau gezwungen werden. Und - das hat auch der Ministerpräsident vor etwa einem Jahr hier in diesem Hohen Hause völlig zu Recht gesagt - es ist unsere Aufgabe, nach dem Urteil des OVG Schleswig Antworten zu finden, Antworten darauf, wie wir Bürgerbeteiligung nicht nur fakultativ, sondern wieder möglichst verbindlich hinbekommen.

Daran - das haben Sie, Herr Ministerpräsident eben auch am 20. Mai hier im Landtag gesagt - werden wir uns gemeinsam messen lassen müssen.

Wenn wir heute eine Zwischenbilanz ziehen, dann müssen feststellen: Die Landesregierung hat die sich selbst gestellte Aufgabe bisher nicht erfüllt. Aber - das begrüße ich ausdrücklich - sie hat zumindest die Bereitschaft signalisiert, das hier angestoßene Gesetzgebungsverfahren konstruktiv zu begleiten. Damit, Herr Ministerpräsident, haben Sie zumindest schon einmal die Union übertrumpft, die ja ihren Gestaltungsanspruch wirklich völlig aufgegeben hat.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Meine Damen und Herren, wenn Sie nun auch noch den geschätzten Kollegen Matthiessen, der ja der Ansicht ist - ich zitiere aus der Plenarsitzung vom 16. Dezember 2015 -, „dass das Anhimmeln von Bürgerentscheidungen die Qualität von der Windplanung im Land“ nicht hebt, davon überzeugen, dass die öffentliche Akzeptanz sehr wohl eine notwendige Voraussetzung bei der Umsetzung der Energiewende ist, dann bin ich wirklich guter Dinge, dass wir auf einem richtigen Weg sind.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Im Übrigen, Herr Kollege Matthiessen: Der von Ihnen zuletzt immer wieder angeführte Umstand, dass sich der Wille der Bürgerinnen und Bürger ja ändern könnte, darf der Berücksichtigung des Bürgerwillens selbstverständlich nicht entgegenstehen. Das ist doch auch ein Wesenselement der Demokratie, dass sich der Wille ändert. Auf dieses Phänomen hat ja der Gesetzgeber sogar eine Antwort gefunden: Wahlen. Sie hören ja auch nicht aus Rücksicht auf den sich möglicherweise ändernden Willen der Bevölkerung auf, hier Gesetze zu beschließen, sondern es gibt halt auch Wahlen.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Insofern begrüßen wir auch den Vorstoß der PIRATEN, und zwar auch deshalb, weil es erstens richtig ist, dass die Regelung vorsieht, dass sich die Bürger auch ausdrücklich für die Errichtung von Windkraftanlagen aussprechen und damit sogar ein ablehnendes Votum der Gemeindevertretung revidieren können, und zweitens, dass der Bürgerwille als Abwägungsdirektive unter dem Vorbehalt der Erreichung der Ziele der Energiewende ausgestaltet ist. Ich glaube, das sind die beiden entscheidenden

(Detlef Matthiessen)

Punkte. Ja, liebe Frau Nicolaisen, liebe CDU, das OVG hat dem Gesetzgeber natürlich deutliche Vorgaben gemacht. Es ist auch richtig, dass sich alle Initiativen zuerst am Kriterium der Rechtssicherheit messen lassen müssen.

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber das OVG hat sein Urteil auf Grundlage der damaligen Gesetzeslage gefällt, und der Landesgesetzgeber hat im Bereich der Raumordnung ein ausdrückliches Abweichungsrecht, von dem wir hier eben auch Gebrauch machen können.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Deshalb sollten wir uns im Ausschuss tatsächlich eingehend mit den entscheidenden Fragen beschäftigen: Gibt es einen abweichungsfesten Kern? Welchen Einfluss haben die im Genehmigungsverfahren auch zu beachtenden Vorschriften des Baugesetzbuches auf die Gesetzgebungskompetenz des Landes, und können wir gegebenenfalls durch Landesrecht den materiellen Gehalt der Auslegungsmaxime des Raumordnungsgesetzes des Bundes ändern?- Das sind die entscheidenden Fragen, die wir klären müssen. Ich bin der Meinung, die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes und von Herrn Professor Pautsch liefern hier eine wirklich sehr gute Grundlage. Ich bin wirklich sehr gespannt und freue mich auf die Ausschussberatungen.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Akzeptanz der Windenergienutzung war gerade in Schleswig-Holstein ausgesprochen gut. Von Anfang an waren die Bürgerinnen und Bürger dabei. Windenergie passt eben ins Land. Erst das Interesse an dieser Energieform hat die Windenergiemesse in Husum überhaupt ermöglicht und groß gemacht. Inzwischen wird Schleswig-Holstein mit den Windenergieanlagen fest verbunden. Die Dreiflügler sind mittlerweile so etwas wie ein Logo für den echten Norden geworden.

Je mehr Anlagen installiert wurden, desto mehr wuchs aber auch die Skepsis gegenüber den Wind

energieanlagen. Der SSW setzt aber weiter auf den Ausbau der Windenergie; und das nicht nur Offshore, sondern auch an Land.

(Vereinzelter Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu benötigen wir entsprechende Flächen, auf denen die Windenergieanlagen das Landschaftsbild nicht stören, den nötigen Abstand einhalten und den Belangen des Naturschutzes entsprechen. Da ist nicht jede Fläche geeignet. Darum müssen wir mit den Flächen, die wir haben, sehr sorgfältig umgehen, aber eben nicht gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger.

Ich habe schon darauf hingewiesen: Erst die breite Nachfrage nach der neuen Technik und das bürgerschaftliche Engagement haben die Windenergie überhaupt zu einer starken Branche gemacht. Die gleichen Kräfte können aber auch diese Branche gefährden. Darum steht der Bürgerdialog für den SSW an erster Stelle. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger bei der Energiewende mitnehmen. Sonst droht hier nämlich ein Aus. Noch ist die Mehrheit der Menschen für den Umstieg auf die erneuerbaren Energien. 2014 befürworteten knapp drei Viertel der Befragten den weiteren Ausbau der Windenergieanlagen an Land.

Die Landesregierung stellt sich dem Dialog. Die Regionalkonferenzen gehören sicherlich zu den größten Bürgerversammlungen, die wir in Schleswig-Holstein haben. Ich würde mich freuen, wenn auch andere Themen die Menschen in diesem Maße mobilisieren würden.

Die Bürgerinnen und Bürger haben dabei ganz klare Vorstellungen, inwieweit sie bereit sind, nicht nur die Vorteile der Windenergie zu nutzen, sondern auch deren Nachteile auszuhalten. Dagegen kann niemand etwas haben - eigentlich. Das Gerichtsurteil aus Schleswig hat uns da eines Besseren belehrt. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass nach dem anfänglichen Schock inzwischen ein guter alternativer Weg eingeschlagen worden ist.

Mein ausdrücklicher Dank gilt der Staatskanzlei, die in Zusammenarbeit mit den Fachleuten des Innenministeriums und des Energiewendeministeriums eine gute, verständliche Handreichung für die Kommunen erstellt hat, damit diese in Zusammenarbeit mit der Landesplanung neue Flächen für Windenergieanlagen überhaupt weiter planen und umsetzen können.

Das Gerichtsurteil können wir nicht aus der Welt schaffen, aber wir sollten auch nicht die Flinte ins

(Oliver Kumbartzky)

Korn werfen. Ich bin davon überzeugt, dass ein Gemeinderatsbeschluss gegen die Ausweisung einer Fläche bei der Ausweisung dieser Fläche im Rahmen der Landesplanung eine Rolle spielen muss. Wir haben bereits mehrmals im Ausschuss über Auswege gesprochen, wobei unter anderem das Windenergieplanungssicherstellungsgesetz herausgekommen ist, das die Koalition im letzten Frühjahr vorgelegt hat und das am 20. Mai 2015 im Landtag verabschiedet wurde.

Doch wir müssen weiter am Ball bleiben. Die Energiewende ist nämlich alternativlos. Nur der Einsatz regenerativer Energien kann sowohl den Lebensstandard halten als auch die Klimaerwärmung aufhalten.

Windenergie ist ein Wirtschaftszweig, der vor allem nördlich des Kanals beheimatet ist. Die meisten Anlagen stehen nämlich im Landesteil Schleswig. Sie sind verantwortlich dafür, dass wir bald die 6-GW-Grenze knacken. Ich bin überzeugt, das wird nicht die letzte Rekordzahl sein, die wir mit der Windenergie hier in Schleswig-Holstein erreichen werden. Ich plädiere dafür, den vorliegenden Vorschlag eingehend im Ausschuss zu beraten. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Jetzt hat die Landesregierung das Wort. Das Wort hat Ministerpräsident Torsten Albig.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo kommen wir her, warum machen wir das Ganze mit dem Wind? - Weil wir irgendwann einmal knapp 40 TWh Strom mit drei Atomkraftwerken erzeugt haben, ungefähr das Dreifache unseres eigenen Bedarfs. Dieses wollen wir - zugegebenermaßen in einem der kompliziertesten industriepolitischen Veränderungsprozesse, die das Land gesehen hat - auf viele tausend Windmühlen verteilt wieder produzieren. Das heißt, wir brauchen am Ende des Tages 40 TWh Strom, sonst können wir unseren Beitrag, den wir früher als Exportland geleistet haben, nicht leisten. Dieses - und alle sind sich da einig - darf nicht gegen den Willen der Menschen in diesem Land geschehen.

(Beifall PIRATEN und Oliver Kumbartzky [FDP])

Energiewende muss, weil sie eine komplexe Veränderung von Lebensraum, von Natur, von Kulturlandschaft ist, die Menschen mitnehmen. Das war immer auch die Aussage aller Windmüller, jedenfalls der klugen, und wir haben viele, viele Kluge bei uns im Land. Die haben gesagt: Wir wollen das mit den Bürgerinnen und Bürgern machen. - Das ist übrigens ein Grund für den Erfolg vieler Bürgerwindparks in unserem Land. Woanders gibt es den nicht.

Deswegen begrüße ich sehr, dass die PIRATEN einen Vorstoß gemacht haben, den wir in der Kürze der Zeit natürlich nur vorläufig haben prüfen können.

Ich bin noch nicht überzeugt, ob er alle Fragen beantwortet, die wir beantworten müssen. Es ist aber wichtig, dass wir miteinander darüber nachdenken: Wie können wir sicherstellen, dass der Bürgerwille für die Menschen auch wahrnehmbar eine Rolle spielt? Sie haben recht: Das ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Sie haben auch recht: Wir haben noch keine Lösung. Es ist ein extrem komplexes Problem.

Denn was nicht passieren darf, ist, dass wir am Ende feststellen, Bürgerwille führt dazu, dass unser Oberziel, die Energiewende möglich zu machen, konterkariert wird. Wenn die Addition tausendfachen Neins dazu führte, dass wir die Energiewende stoppen müssten, dann stellten wir unseren Beitrag zu einem der großen deutschen Gesellschaftsprojekte infrage. Um diese Balance hinzubekommen, werden wir uns miteinander bewegen müssen.