Herr Kollege Peters, können Sie mir freundlicherweise erklären, warum Ausländerbehörden weitere Ausweisungstatbestände prüfen müssen, wenn ein Strafgericht feststellt, dass aufgrund einer negativen Sozialprognose eine Ausweisung zu erfolgen hat?
- In § 54 gibt es auch andere Ausweisungsgründe, die mit Strafgerichten nichts zu tun haben. Deswegen wären die Ausländerbehörden nach wie vor noch drin, wenn es um diese geht, beispielsweise die Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung. Das hat mit Strafgericht nichts zu tun. Dafür wäre die Ausländerbehörde immer noch im Prüfungsthema drin, was die Ausweisung angeht. Deswegen bleibt es nach wie vor bei einer gespaltenen Zuständigkeit. Sie müssen uns einmal erklären, was das für einen Sinn macht. Nämlich überhaupt keinen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ein bisschen Den- ken würde vielleicht helfen!)
Vielleicht lassen wir jetzt den Kollegen Peters zu Ende reden. Es ist ja möglich, sich noch einmal zu Wort zu melden.
Die FDP stört, dass eine strafrechtliche Sanktion für sich allein eine Rückkehrpflicht bisher nicht auslöst, sondern dass darüber eine weitere Verwaltungsebene entscheiden muss, nämlich die Ausländerbehörde und im Streitfall die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Meine Damen und Herren, dafür gibt es sehr gute Gründe. Die Ausweisung darf aus systematischen und menschenrechtlichen Gründen keine
Strafsanktion sein. Wenn man es anders sehen würde, würde man die strafrechtliche Spezialsanktion Ausweisung an ein unveränderliches Merkmal knüpfen, an das der Ausländereigenschaft.
Darin liegt eine offensichtliche Diskriminierung. Deswegen knüpft die Ausweisung nach bisherigem Recht an das Merkmal der Wiederholungsgefahr. Nur diese ist die Messlatte, unter der eine Ausweisung überhaupt in Betracht kommt. Ausweisungsrecht ist Gefahrenabwehrrecht und nicht Sanktionsrecht.
Was ist die Nebenstrafe überhaupt? Das ist bisher nur Fahrverbot, drei Monate maximal - das haben andere schon gesagt -, unmittelbar im Kontext mit einem Vergehen im Straßenverkehr.
Ansonsten kennt das StGB noch die Maßregeln der Besserung und Sicherung, zum Beispiel die Führungsaufsicht, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, aber auch die Entziehung der Fahrerlaubnis. Gerade bei der Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Gefahrenabwehrgesichtspunkt evident. Der vom Strafgericht angeordnete Entzug der Fahrerlaubnis kann aber nur damit begründet werden, dass eine straßenverkehrsbezogene Straftat vorliegt.
Bei dem, was Sie vorhaben, wird jedoch nicht an Tatumstände angeknüpft, sondern an den völlig zufälligen Umstand, dass jemand kein Deutscher ist.
Bekanntlich haben wir die Einführung der Maßregeln der Besserung und Sicherung den Nationalsozialisten zu verdanken, genauer dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung aus dem Jahr 1933. Hören Sie sich das einmal an! In diesem Nazi-Gesetz war neben der Unterbringung im Arbeitshaus und der Kastration von Sexualverbrechern auch die Ausweisung von Ausländern vorgesehen.
Nach 1945 wurde die Ausweisung mit gutem Grund aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und fortan im Ausländergesetz geregelt, als eine von der Verwaltung angeordnete und vollzogene Maßnahme der Gefahrenabwehr. Dabei sollte es unbedingt bleiben. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden, aber ich kann noch einige zusätzliche Aspekte in die Debatte einbringen. Wie ich den Antrag der FDP-Fraktion verstehe, wollen Sie zusätzlich zu dem Recht von Ausländerbehörden zur Ausweisung von Straftätern die Möglichkeit einführen, dass in Strafprozessen die Strafe der Ausweisung verhängt werden kann.
Diese Idee ist nicht neu. Das letzte Mal, dass auf deutschem Boden mit Ausweisung bestraft werden konnte, war in der DDR, Herr Kollege Peters. Auch dort gab es die Nebenstrafe der Ausweisung. Insofern herzlichen Glückwunsch, liebe FDP, dass Sie an diese Tradition anknüpfen wollen!
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da gab es auch die Gleichstellung der Frau! Wollen Sie sa- gen, dass das auch eine Schweinerei gewesen ist? - Weitere Zurufe)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung. Wir sollten versuchen, in dieser Debatte die Vergleiche so zu ziehen, dass wir nicht Abgeordnete dieses Hauses in die Nähe von irgendwelchen Unrechtsregimen führen. Ich würde es für gut halten, wenn wir alle das berücksichtigen. Herr Kubicki, ich würde es auch für gut halten, wenn wir die Debatte in Ruhe zu Ende bringen könnten. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich es gut finden würde, wenn wir es wirklich nicht täten. - Bitte, Sie haben das Wort.
Danke schön. - Wenn Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft eine schwere Gefahr für unser Land darstellen, haben sie kein Gastrecht und müssen unser Land verlassen, keine Frage. Falsch ist es nach meiner Überzeugung aber, als Strafmaßnahme ungefährliche Menschen auszuweisen, nur weil sie keinen deutschen Pass haben. Herr Kollege Kubicki, Straftaten müssen natürlich konsequent verfolgt werden, aber doch bitte unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Nichtdeutsche dürfen weder bevorzugt werden - Stichwort Kieler Polizeierlass -, noch dürfen Sonderstrafen verhängt werden. Deswegen ist dieser Antrag abzulehnen.
Herr Dr. Breyer, Sie waren ja Richter, wenn ich es richtig im Kopf habe. Wenn ein Strafrichter eine Strafe nicht mehr zur Bewährung aussetzt, weil er zu einer negativen Sozialprognose kommt, was beinhaltet diese Aussage nach Ihrer Auffassung? Doch die Erklärung darüber, dass der Straftäter eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und sich nicht integrieren und eingliedern lässt! Sehe ich das richtig?
- Herr Kollege Kubicki, die Entscheidung Sozialprognose ist nicht identisch mit der Frage, ob von einer Person eine schwere Gefahr für die Gesellschaft ausgeht. Im Strafrecht geht es darum, eine Sanktion zu verhängen, das heißt, jemanden repressiv zu bestrafen, und es geht nicht um Gefahrenabwehr. Deswegen wäre es falsch, die Ausweisung zur Strafe zu machen und damit quasi zur Sanktion eines Verhaltens, unabhängig davon, ob jemand für die Gesellschaft gefährlich ist. Die Frage der Sozialprognose wird unabhängig von der Frage der Staatsangehörigkeit geprüft. Deswegen ist das auch völlig in Ordnung.
Ich verstehe, dass Sie differenzieren - was auch ich tun würde zwischen der Strafe, die repressiv auf eine Straftat reagiert, und der Sozialprognose, die es ermöglicht, eine Bewährungsstrafe auszusprechen oder auch nicht. Wenn ein Strafrichter zu der Erkenntnis kommt, er kann keine Bewährungsstrafe mehr aussprechen, sondern er muss eine Strafe aussprechen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann, beinhaltet die Sozialprognose nach Ihrer Auffassung keine Einschätzung darüber, ob der Straftäter für die Allgemeinheit gefährlich ist?
- Herr Kollege Kubicki, Sie wissen doch, dass eine Bewährungsstrafe nur in bestimmten Konstellationen überhaupt in Betracht kommt. Deswegen kann es sehr gut sein, dass jemand auch ohne negative Sozialprognose zu einer Strafe verurteilt wird, weil vom Strafmaß her zum Beispiel eine Bewährungsstrafe gar nicht infrage kommt. Ich halte es für falsch, Menschen, die aufgrund einer Straftat bestraft werden müssen, gleichzeitig ausweisen zu können, nur wegen ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit.
Das stellt nicht mehr auf die Frage ab, ob sie gefährlich sind. Nicht alle Personen, die verurteilt werden, stellen eine schwere Gefahr für unser Land dar.
(Beifall PIRATEN und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Es geht um eine negative So- zialprognose und nicht um die Frage Auslän- der oder nicht!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Diskriminierung von Menschen allein aufgrund ihrer nicht deutschen Staatsangehörigkeit ist abzulehnen. Das Verwaltungsverfahren und der Verwaltungsrechtsschutz haben in unserer Rechtsordnung einen so hohen eigenen Standard erreicht, dass es kaum möglich wäre, in einem Strafverfahren solche Fragen mit gleicher Sorgfalt und Sachkunde zu klären wie in einem Verwaltungsverfahren, zumal auch im Strafverfahren die Aufklärung des täterbezogenen Sachverhalts im Mittelpunkt steht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sowieso zunehmend emotionaler werdende Klima bei der Behandlung von Ausländer- und Ausweisungsfragen sollte ein Strafverfahren nicht zusätzlich belasten. Es kommt hinzu, dass die Konkurrenz dieser Nebenstrafe, die hier eingeführt werden soll, zum Verwaltungsverfahren nicht wirklich geklärt ist. Aus den folgenden Gründen ist das kein guter Vorschlag, zumal Sie diesen Vorschlag - wenn ich das richtig verfolgt habe, Herr Kollege Kubicki - erstmals nach der Silvesternacht in Köln in einem Interview zu diesem Thema erhoben haben.
Deswegen kann ich nur sagen: Lassen Sie uns nicht, wie Sie es getan haben, einzelne Ereignisse zum Anlass für solche populistischen Forderungen nehmen,
zumal sich gerade im Fall Kieler Sophienhof erwiesen hat, wie schnell sich auch eine Empörung wieder in Luft auflösen kann. Hier steht ja inzwischen fest: Es gab keinen Mob, es gab auch keine Handyfotos. Infolgedessen sollten wir keine ereignisgesteuerte Gesetzgebung hier betreiben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regelungen in Bezug auf straffällig gewordene Ausländer sind unserer Meinung nach voll umfassend. Die Kriterien sind streng, und die entsprechenden Sanktionen greifen. Das haben Vorredner gerade eben schon deutlich gemacht. Natürlich ist jeder Vorgang aufwendig, das wird auch in Zukunft so bleiben. Schließlich geht es letztendlich immer um den Einzelfall, und der soll nach geltendem Recht auch vernünftig geprüft werden. Der Ruf nach einer Arbeitsentlastung, wie es die FDP hier vorschlägt, welche durch eine Ausweisung als Nebenstrafe herbeigeführt werden soll, erschließt sich mir an dieser Stelle allerdings nicht. Es macht nach Meinung des SSW wenig Sinn, die Entscheidungsträger auszutauschen. Die Entscheidungshoheit von der Ausländerbehörde zum Strafrichter zu verschieben, macht keinen Sinn. Das wird die Ent
Hinzu kommt ein Beigeschmack des Antrags - das haben andere Redner auch schon gesagt -, welcher leicht den Eindruck erweckt, dass es wieder einmal darum geht, wie man denn die betroffenen Ausländer möglichst schnell wieder loswerden kann. Sicherlich eine möglicherweise aktuelle Frage, jedoch muss man an dieser Stelle auch ganz klar sagen, dass das deutsche Regelwerk absolut tragfähig ist. Die Sanktionen sind beachtlich, und die Ausweiseregelungen sind es ebenfalls.
Es gibt aber auch einfach Abschiebehemmnisse, die man nicht verkennen kann und die nicht nur vom deutschen Staat, sondern auch von anderen Staaten und Partnern abhängig sind. Rücknahmeabkommen müssen zum Beispiel vorhanden sein. Diese sind jedoch nicht immer ganz unkompliziert in der Vertragsaufstellung. Da ist viel diplomatisches Geschick gefragt. Also auch das ist eigentlich ein rechtliches Hindernis dafür, so eine Regelung einzuführen.
Es gibt einen weiteren Punkt in Bezug auf die Abschiebehemmnisse, nämlich die Gefahr für Leib und Leben. Eine Abschiebung in Kriegsgebiete kommt unter keinen Umständen infrage. Die Bundesrepublik wird niemanden in den sicheren Tod schicken. Auch das ist gut so, und daran sollten wir auch in Zukunft festhalten. Das bedeutet dann aber auch, dass dieses Strafmaß, das da von der FDP gefordert wird, nicht für jeden Einzelnen anwendbar ist. Dann stellt sich wieder Frage, ob all diejenigen, die in irgendeiner Art und Weise verfolgt werden sollen, mit dem gleichen Strafmaß bedacht werden. Auch das ist eine Ungleichbehandlung, auch darüber muss man noch einmal nachdenken.